Feministischer Journalismus
Von Melina Seiler
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Über dieses E-Book
Deshalb habe ich mich gefragt, inwieweit es einen Rollenkonflikt gibt oder nicht und inwiefern es vielleicht sogar nötig ist, von der neutralen Vermittler*innenrolle abzuweichen. Die Forschungsfrage, die sich für mich daraus ergabt, ist: Nehmen Journalist*innen, die sich als Feminist*innen verstehen, einen beruflichen Rollenkonflikt aufgrund ihres feministischen Anspruchs wahr?
Die Aufarbeitung des Forschungsstandes im Bereich der journalistischen Berufsrollen zeigte mir, dass es keine Eindeutigkeit und einheitlich Ansicht darüber gibt, welche Rolle der Anspruch nach Objektivität und Neutralität im Journalismus haben sollte und darf und inwieweit sich feministisch-aktivistische und journalistische Rollen überschneiden dürfen.
Ich habe für diese Masterarbeit 20 Journalist*innen, die sich als Feminist*innen bezeichnen, interviewt und ihre Antworten ausgewertet. Ich wollte herausfinden, wie sie auf ihre journalistische Berufsrolle schauen und wie die angesprochenen Widersprüchlichkeiten sich darauf und ihren beruflichen Alltag auswirken. Ihre Antworten weisen auf die Entwicklung hin, dass gesellschaftliche Machtverhältnisse auch branchenintern zunehmend auf den Prüfstand gestellt werden, um die Vielfalt der Gesellschaft auch im Journalismus abzubilden und diskriminierungssensibel zu Arbeiten.
Melina Seiler
Hi, ich bin Melina. Ich bin Vieldenkerin. Oft auch Querdenkerin oder Umdenkerin. Seit der Grundschule schwinge ich den Stift und bringe Gedanken und Geschichten zu Papier. Seit ich 14 Jahre alt bin, haue ich im journalistischen Auftrag in die Tasten. Weil ich mich zwischen dem literarischen Schreiben und dem Journalismus nicht entscheiden wollte, mache ich jetzt einfach beides. In Hamburg studierte ich den Masterstudiengang Journalistik und Kommunikationswissenschaft und arbeite als freie Journalistin. In den letzten Jahren sind viele Texte und Geschichten für die Schublade entstanden. Kopf. Stein. Pflaster. war mein erstes Buchprojekt, das ich 2017 veröffentlichte. LIEBEN & LEIDEN schloss 2019 daran an und 2020 folgte Traum(a). Was ich mal sagen wollte ist mein erstes nicht-literarisches Buch.
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Feministischer Journalismus - Melina Seiler
Feministischer Journalismus
Feministischer Journalismus
Vorwort
Über die Autorin
Titelblatt der Masterarbeit
Formalia
1. Einleitung: Entdeckungszusammenhang, Relevanz des Themas „Feministischer Journalismus" und Forschungsfrage
2. Forschungsstand und theoretische Ansätze
2.1 Professioneller Journalismus
2.1.1 Professionalisierung
2.1.2 Journalistische Rollenbilder
2.2 Frauen im Journalismus gestern und heute
2.3 Grenzgänger*innentum
2.3.1 Das Phänomen des Grenzgänger*innentums
2.3.2 Grenzgänger*innentum von 1848 bis 1990
2.3.3 Feministischer Journalismus
2.3.4 Feministischer Aktivismus
3. Forschungsleitende Annahmen
4. Methodisches Vorgehen und Operationalisierung
4.1 Das Leitfadeninterview
4.2 Leitfadenerstellung und Pretest
4.3 Kriterien für das Sample
4.4 Rekrutierung
4.5 Auswahl feministischer Journalist*innen
4.6 Ablauf der Interviews
4.7 Transkription der Interviews
5. Auswertung
5.1 Auswertungsmethode
5.2 Erstellung des Kategoriensystems
5.3 Pretest des Kategoriensystems
5.4 Ablauf der Auswertung
6. Diskussion der Ergebnisse
6.1. Spektrum journalistischer Rollenbilder
6.2. Geschlechterdifferenzen und Diskriminierungen im journalistischen Berufsfeld
6.3. Feminismus-Verständnis der Interviewten
6.4. Beruflicher Konflikt
6.5. Konfliktthemen
7. Reflexion, Fazit und weitere Forschung
Literaturverzeichnis
Anhang 1: Anfragevorlagen
Anhang 2: Leitfaden
Anhang 3: Interview-Manual
Anhang 4: Einverständniserklärung
Anhang 5: Kategoriensystem
Impressum
Feministischer Journalismus
Eine qualitative Befragung:
Nehmen Journalist*innen, die sich als Feminist*innen verstehen, einen beruflichen Rollenkonflikt aufgrund ihres feministischen Anspruchs wahr?
Melina Seiler
Vorwort
Dieses Buch ist die gedruckte Version meiner Abschlussarbeit im Masterstudium „Journalistik und Kommunikationswissenschaft" an der Universität Hamburg. Sie ist unbearbeitet, also genau so, wie ich sie abgegeben habe. Ich veröffentliche die Arbeit auf diese Weise, weil ich denke, dass sowohl die Ergebnisse als auch die Aufarbeitung des Forschungsstandes für viele Journalist*innen, Feminist*innen und Kommunikationswissenschaftler*innen von Interesse sein können.
Als ich auf der Suche nach Interviewpartner*innen für diese Forschung war, habe ich bereits mehr Angebote bekommen, als ich wahrnehmen konnte. Insgesamt habe ich 20 Journalist*innen interviewt und das sind schon sehr viele für Auswertung qualitativer Interviews in einer Masterarbeit. Mir wurde von vielen Seiten gespiegelt, wie wichtig und interessant, sie mein Thema finden und dass ich den Finger in einen wunden Punkt gelegt habe. Ich hoffe, dass die Leser*innen interessante Impulse erhalten und vielleicht ja sogar jemand in einem ähnlichen Bereich an diese Forschung anknüpft, denn es gäbe noch so viel mehr zu erforschen.
Die Inhalte in diesem Buch sind identisch zur gedruckten Fassung meiner Masterarbeit. Die digitale Version meiner Arbeit bestand noch aus einer Excel Tabelle der Ergebnisse und den Transkripten der Interviews. Diese sind in diesem Buch nicht enthalten und auch nicht für die Öffentlichkeit abrufbar.
Über die Autorin
Über die Autorin
Melina Seiler, Jahrgang 1997, ist in Iserlohn (NRW) aufgewachsen, wo sie mit 14 Jahren begann, für die lokale Tageszeitung zu schreiben. 2018 schloss sie dort das Bachelor-Studium in „Journalismus und Unternehmenskommunikation ab. Seit Anfang 2016 zog es Melina Seiler für Praktika immer wieder für ein paar Monate nach Hamburg. Die Stadt an der Elbe ist mittlerweile ihre Wahlheimat, denn dort studierte sie den Masterstudiengang „Journalistik und Kommunikationswissenschaft
und arbeitet als freie Journalistin und Autorin.
Literarisches Texten und der Wunsch, Schriftstellerin zu werden, begleiten sie schon seit dem Grundschulalter. In ihrer Jugend sind viele Texte und Geschichten „für die Schublade" entstanden. Kopf. Stein. Pflaster. war ihr erstes Buchprojekt, das sie 2017 veröffentlichte. LIEBEN & LEIDEN schloss 2019 daran an und 2020 folgte Traum(a). Mit Was ich mal sagen wollte veröffentlicht sie 2019 ihr erstes nicht-literarisches Buch – eine feministische Kolumnensammlung voll mit Gedanken zu Feminismus, Schönheitsidealen und Sexualität. Im Februar 2021 erschien es in erweiterter und überarbeiteter Neuauflage Was ich mal sagen wollte: Tragt Feminismus in die Welt, ich mach’s auch.
Nachdem sie immer wieder von anderen so genannt wurde, bezeichnet sich Melina Seiler jetzt selbst als „Sexfluencerin des Vertrauens" oder in seriös als intersektional denkende, sexpositive Queer-Feministin, Bi-Aktivistin, Journalistin, Autorin, Speakerin, Kolumnistin und Podcasterin (Gedanken einer Sexfluencerin). Sie schreibt und spricht zu Feminismus (insbesondere über Sexualität, Liebe, Beziehungen & Schönheitsideale), queeren Themen sowie zu Diversitätsbewusstsein und Anti-Diskriminierung allgemein. Auch auf Instagram und TikTok (@melinaseiler) veröffentlicht sie queer-feministische Inhalte. www.melinaseiler.de
Titelblatt der Masterarbeit
Universität Hamburg
M.A. Journalistik und Kommunikationswissenschaft
Erstgutachterin: Dr. Monika Pater
Zweitgutachterin: Prof. Dr. Irene Neverla
Masterarbeit
Feministischer Journalismus
Eine qualitative Befragung feministischer Journalist*innen
zu ihrem journalistischen Rollenselbstverständnis
08.12.2020
vorgelegt von:
Melina Seiler
post@melinaseiler.de
Formalia
In dieser Masterarbeit verwende ich die deutsche APA-Zitierweise in der neusten, siebten Version in leichter Abwandlung. Von den im Text vorkommenden Autor*innen nenne ich neben dem Nachnamen auch die Vornamen. Wissenschaftler*innen, Forscher*innen und Autor*innen werden in der historischen Tradition männlich gedacht. Ich möchte damit auf die wissenschaftlichen Arbeiten von Frauen und anderen weiblich gelesenen Personen aufmerksam machen (– auch wenn Vornamen nur eine erste Vermutung für die Geschlechteridentität liefern können und sich diese niemals absolut darüber bestimmen lässt). Deshalb nenne ich beim ersten Zitieren im Text Vor- und Nachname und kürze bei erster Nennung auch nicht mit et. al. ab. Zudem kürze ich die Vornamen im Literaturverzeichnis nicht mit Anfangsbuchstaben ab, sondern schreibe sie aus.
Wenn von trans* Menschen gesprochen wird, wird das Wort trans* klein geschrieben, da dies nur eine Beschreibung eines Menschen und nicht dessen Identität darstellt. Das Sternchen nach dem Wort verwende ich gemäß der Erklärung auf queer-leben.de (2020). Das Sternchen dient als Platzhalter für beliebige Endungen wie beispielsweise transgender oder transmännlich:
„Mit trans* bezeichnen sich sowohl Menschen, die in einem anderen Geschlecht leben, als ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, als auch Menschen, die sich gar nicht einer Geschlechterkategorie zuordnen, die Geschlechter wechseln oder sich mehreren Geschlechtern zugehörig fühlen. Wichtig ist, dass unter den Begriff trans* somit sehr unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Selbstdefinitionen und Biografien fallen, die nicht unbedingt dieselben Erfahrungen teilen oder dieselben Interessen verfolgen" (ebd.).
1. Einleitung: Entdeckungszusammenhang, Relevanz des Themas „Feministischer Journalismus" und Forschungsfrage
Als Journalistik-Studentin, (freie) Journalistin und Feministin nehme ich drei verschiedene Rollen ein: die als Forscherin, die als Journalistin und die als Aktivistin. Mir ist dabei aufgefallen, dass diese drei Aspekte scheinbar manchmal nicht zusammenpassen. Auf der einen Seite lernen Nachwuchsjournalist*innen in ihrer Ausbildung, z.B. dem Studium – so wie ich – nach wie vor das Ideal vom möglichst objektiven Journalismus bzw. von Journalist*innen als neutrale Vermittler*innen. Gerne wird in diesem Zusammenhang vom Fernsehmoderator Hanns Joachim Friedrichs gesprochen, der vermeintlich sagte: Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache. Auch nicht mit einer guten Sache (Gerald Krieghofer, 2017). Tatsächlich aber erklärte er in einem Spiegel-Interview lediglich, die Notwendigkeit als Fernsehjournalist bei schlimmen Nachrichten nicht in öffentliche Betroffenheit zu versinken (DER SPIEGEL, 1995). Das neutral, vermittelnde Selbstverständnis dominiert allerdings auch weiterhin die Branche (Nina Steindl, Corinna Lauerer & Thomas Hanitzsch, 2017). Aber auf der anderen Seite sind in den letzten Jahren immer mehr feministische, journalistische Medien entstanden, die sich an ein junges Publikum richten, wie beispielsweise die jungen Mainstream-Medien ze.tt (Online-Magazin aus dem Zeit-Verlag), bento (Online-Magazin vom Spiegel) und viele Angebote von funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Zudem labeln sich immer mehr Journalist*innen öffentlich z.B. auf Instagram oder Twitter als Feminist*in, beispielsweise Nhi Le (2020) oder Teresa Bücker (2020).
Deshalb habe ich mich gefragt, inwieweit es einen Rollenkonflikt gibt oder nicht und inwiefern es vielleicht sogar nötig ist, von der neutralen Vermittler*innenrolle abzuweichen. Aber nicht nur ich stellte mir so eine Frage. Der US-amerikanische trans* Journalist Lewis Raven Wallace (2019) stellte sie sich ebenfalls, spricht darüber in seinem Podcast und schrieb ein ganzes Buch darüber. Für ihn ist Objektivität im Journalismus „a false ideal that upholds the status quo (ebd., S. 14). Er sagt weiter über das Ziel seines Buches: „I also aim to highlight the ways in which ‘objectivity’ has been used to push out and silence the voices of those who are already marginalized and oppressed
(ebd., S. 10). Weiter heißt es: „I saw as troubling double standard in which cisgender white men are treated as inherently ‘Objective’ even when they’re openly biased, while the rest of us are expected to remain ‘neutral’ even when our lives or safety are under threat (ebd., S. 4). Damit kritisiert er an dem Objektivitätsstandard, dass es so etwas wie Objektivität gar nicht geben kann, weil sie von vielen Faktoren wie z.B. dem patriarchalisch geprägten System abhängt, das gesellschaftliche Machtstrukturen prägt. Auch in Deutschland wird das Thema diskutiert. Die Journalistin Anja Reschke erläutert in ihrem Buch „Haltung zeigen
(2018), warum diskutiert wird, ob Journalist*innen Haltung zeigen dürfen und warum ihre Antwort ein klares „Ja" ist:
„Natürlich dürfen Journalisten Haltung haben. Sie sind Menschen und Bürger wie alle anderen, wieso sollte, man ihnen dieses Recht absprechen? Die Meinungsfreiheit gilt schließlich auch für Journalisten. Natürlich dürfen auch sie in sozialen Netzwerken unterwegs sein, die ja meistens reine Plattformen für Kommentare sind und keine Pressefunktion haben. Und selbstverständlich kann ein Journalist auch an Demonstrationen teilnehmen" (ebd., S.57).
Meine ganz persönliche Frage, ob ich Feministin und Journalistin gleichzeitig sein kann, habe ich umgewandelt. Bereits existierende feministische Medien und Journalist*innen zeigen, dass es möglich zu sein scheint. Die Forschungsfrage, die sich für mich daraus ergibt, ist: „Nehmen Journalist*innen, die sich als Feminist*innen verstehen, einen beruflichen Rollenkonflikt aufgrund ihres feministischen Anspruchs wahr?" Auch andere haben die Frage bereits mitgedacht. Die bekannte feministische Journalistin und ehemalige Chefredakteurin von Edition F, Teresa Bücker (2018), sagte zu Stefanie Lohaus, Mitgründerin und Herausgeberin des Missy Magazines, im Interviewgespräch: „Gerade feministischen Journalist*innen schlägt im deutschen Journalismus oft entgegen, die Rolle von Journalist*in und Aktivist*in sei nicht vereinbar. Und fragt: „Wie stehst du dazu?
Wissenschaftlich zu verorten, ist diese Forschungsfrage im Bereich der Gender Media Studies. Ein Bereich, der unter den Theorien der Journalismusforschung im Bereich der Cultural Studies bzw. des feministischen Ansatzes angesiedelt ist. „Geschlechterforschung ist immer schon mit dem Ziel angetreten, nicht nur blinde Flecken der Wissenschaft zu beseitigen, sondern auch die Kriterien und Vorgehensweisen einer weitgehend durch Männer geprägte Wissenschaft und Forschung zu kritisieren, zu beeinflussen und zu verändern (Elisabeth Klaus, 2005). Margreth Lünenborg und Tanja Maier (2018) halten fest: „Bis heute kann von keiner systematischen Verankerung der Gender Media Studies in allen Forschungsfeldern der Kommunikationswissenschaft die Rede sein. Im deutschsprachigen Raum ist eine Institutionalisierung in Form einschlägig denominierter Professuren oder systematischer Verankerung im Curriculum ausgeblieben.
Über Frauen im Journalismus gibt es mittlerweile Forschung, auch wenn in dem Bereich nach wie vor mehr geforscht werden könnte. Der feministische Journalismus als Forschungsfeld ist jedoch immer noch unterrepräsentiert und die bestehenden Forschungen stammen überwiegend aus der Zeit vor dem Journalismus im Internet, wie die die Aufarbeitung des Forschungsstandes im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird. Demnach bewegt sich diese Masterarbeit in einer relativ großen Forschungslücke.