Damaris (Band 3): Das Vermächtnis der Wüstenzwerge
Von C. M. Spoerri
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Über dieses E-Book
Dachte Damaris, sie wäre am Ziel angelangt und das Schlimmste überstanden, so wird sie eines Besseren belehrt. Der Glaube an ihre Verbündeten ist erschüttert, dennoch ist sie gewillt, das Vermächtnis der Wüstenzwerge zu ergründen. Denn das scheint die einzige Möglichkeit zu sein, um den Greifenorden zu retten. Nur … welche Opfer muss sie dafür in Kauf nehmen?
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Buchvorschau
Damaris (Band 3) - C. M. Spoerri
Inhaltsverzeichnis
Titel
Informationen zum Buch
Impressum
Widmung
Landkarte Altra
Karte Stadt Chakas
Kapitel 1 - DAMARIS
Kapitel 2 - CILIAN
Kapitel 3 - DAMARIS
Kapitel 4 - DAMARIS
Kapitel 5 - DAMARIS
Kapitel 6 - CILIAN
Kapitel 7 - DAMARIS
Kapitel 8 - DAMARIS
Kapitel 9 - MARONA
Kapitel 10 - ADRIÉN
Kapitel 11 - CILIAN
Kapitel 12 - DAMARIS
Kapitel 13 - CILIAN
Kapitel 14 - MONDSICHEL
Kapitel 15 - CILIAN
Kapitel 16 - CILIAN
Kapitel 17 - CILIAN
Kapitel 18 - DAMARIS
Kapitel 19 - ADRIÉN
Kapitel 20 - DAMARIS
Kapitel 21 - DAMARIS
Kapitel 22 - CILIAN
Kapitel 23 - DAMARIS
Kapitel 24 - DAMARIS
Kapitel 25 - DAMARIS
Kapitel 26 - DAMARIS
Kapitel 27 - DAMARIS
Kapitel 28 - CILIAN
Kapitel 29 - DAMARIS
Kapitel 30 - CILIAN
Kapitel 31 - DAMARIS
Kapitel 32 - CILIAN
Kapitel 33 - DAMARIS
Kapitel 34 - CILIAN
Kapitel 35 - DAMARIS
Kapitel 36 - CILIAN
Kapitel 37 - DAMARIS
Kapitel 38 - DAMARIS
Kapitel 39 - CILIAN
Kapitel 40 - DAMARIS
Kapitel 41 - AURALIE
Nachwort der Autorin
Glossar
C. M. SPOERRI
Damaris
Band 3: Das Vermächtnis der Wüstenzwerge
Fantasy
Damaris (Band 3): Das Vermächtnis der Wüstenzwerge
Wer am Boden liegt, muss darauf vertrauen, dass die Hand, die ihm gereicht wird, ihn tatsächlich auf die Beine zieht. Doch wird man diese Hand ergreifen, wenn man nicht mehr weiß, wer Freund und wer Feind ist? Oder ist es besser, sich aus eigener Kraft hochzustemmen?
Dachte Damaris, sie wäre am Ziel angelangt und das Schlimmste überstanden, so wird sie eines Besseren belehrt. Der Glaube an ihre Verbündeten ist erschüttert, dennoch ist sie gewillt, das Vermächtnis der Wüstenzwerge zu ergründen. Denn das scheint die einzige Möglichkeit zu sein, um den Greifenorden zu retten. Nur … welche Opfer muss sie dafür in Kauf nehmen?
Die Autorin
C. M. Spoerri wurde 1983 geboren und lebt in der Schweiz. Sie studierte Psychologie und promovierte im Frühling 2013 in Klinischer Psychologie und Psychotherapie. Seit Ende 2014 hat sie sich jedoch voll und ganz dem Schreiben gewidmet. Ihre Fantasy-Jugendromane (›Alia-Saga‹, ›Greifen-Saga‹) wurden bereits tausendfach verkauft, zudem schreibt sie erfolgreich Liebesromane. Im Herbst 2015 gründete sie mit ihrem Mann den Sternensand Verlag.
www.sternensand-verlag.ch
info@sternensand-verlag.ch
1. Auflage, Februar 2021
© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski
Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig
Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick
Satz: Sternensand Verlag GmbH
ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-181-9
ISBN (epub): 978-3-03896-182-6
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Greift nach den Sternen, haltet sie fest und
lasst sie euer Licht sein, wenn es dunkel wird.
C.
Altra
Stadt Chakas
Kapitel 1 - DAMARIS
Alles ist verschwommen und mein Kopf dröhnt, während ich blinzelnd versuche, den klammernden Händen der Ohnmacht zu entkommen.
»Damaris.«
Schon wieder diese Stimme, die an mein Ohr dringt. Sie ist ganz nah, direkt über mir. Es kommt mir vor, als würde sie mich stärken und einen Weg aus der Dunkelheit weisen, die sich um mich gelegt hat.
»Damaris, sag etwas.«
Sosehr ich es auch will, ich schaffe es nicht, die Lippen zu bewegen.
Es dauert einige Sekunden, bis ich begreife, wo ich bin – und dann stürzen die Erinnerungen über mich herein.
Die Goharwüste, in die ich als eine von zehn Wettkampf-Teilnehmern geschickt wurde.
Die Artefakte in Form von Sternen, die wir finden sollten, um ein uraltes Relikt zu suchen: den Ring des Fürsten. An ihm hängt das Schicksal des Greifenordens von Chakas, dessen Daseinsberechtigung von den anderen Zirkelräten infrage gestellt wird.
Bilder von Menschen tauchen vor meinem inneren Auge auf.
Marona … die Feuermagierin, die ein falsches Spiel treibt und mit Kultisten und grauer Magie gegen uns arbeitet.
Rahrin … der Schüler und mein ehemaliger Freund, der mich hinterging und auf der Seite der Kultisten steht.
Adrién … der Greifenreiter, der mich im Kreis geführt hat, um zu verhindern, dass ich den Ring des Fürsten finde.
Die Erkenntnis, dass selbst er, den ich in mein Herz ließ, mich verarscht hat, trifft mich wie ein Faustschlag in den Magen und mir wird speiübel.
Alle haben sie mich betrogen oder für ihre Zwecke missbraucht.
Auch der, dessen Stimme über mir erklingt und dessen Gesicht gerade immer stärkere Konturen annimmt.
»Damaris.«
Diese Stimme … seine Stimme …
Cilian … der Ordensleiter, der für mich so viel mehr als nur ein Lehrer ist. Ich habe ihm vertraut, habe ihm mein Herz geschenkt. Und alles, was ich dafür bekam, ist, dass ich nun mitten in einem unterirdischen Gang der Zwergenstadt auf dem Boden liege, weit entfernt von meiner Heimat oder von Chakas. Dennoch spüre ich Erleichterung, ihn hier zu treffen.
Endlich schafft mein Mund es, ein Wort zu bilden. »Cilian?« Ich räuspere mich, da ich heiser klinge.
»Ja, ich bin hier, Damaris.«
Eine Hand streicht mir federleicht über die Wange und ich schließe reflexartig die Augen. Für einen Moment gebe ich mich der sanften Berührung hin, finde in ihr die Kraft, zurück in die Realität zu gelangen.
In meinem Kopf erscheint das Bild von zwei Turteltauben und ich schnaube leise. Mein Greif Schneeflocke ist noch bei mir – wenigstens etwas.
Schneeflocke verbindet seine Magie mit mir, schenkt mir weitere Energie, sodass ich nun endgültig aus der Benommenheit erwache, die mich festgehalten hat, nachdem ich über etwas – Cilian? – gestolpert und mit dem Kopf gegen eine Wand geknallt bin.
Ich öffne die Lider wieder und nun erkenne ich tatsächlich den Ordensleiter, der sich im Schein seines magischen Lichtes über mich gebeugt hat. Auch er sieht mitgenommen aus, scheint in den vergangenen Tagen einiges durchgemacht zu haben. Die braunblonden Locken fallen ihm wirr in die Stirn, und seine azurblauen Augen wirken besorgt. Sein Gesicht mit dem Dreitagebart wurde von der Wüstensonne noch stärker gebräunt als ohnehin schon.
Verdammt, er sieht trotz allem attraktiv aus …
Ich greife mir an den Kopf und bin erleichtert, als ich nur eine Beule ertaste. Immerhin keine offene Wunde, das hätte gerade noch gefehlt. Beulen sind in Ordnung. Beulen pochen nur ein wenig und entzünden sich immerhin nicht. Denn weder Cilian noch ich können heilende Magie wirken – wir tragen beide das Wasser in uns. Nicht so wie …
»Wo ist Adrién?«, frage ich und spüre, wie Panik in mir hochsteigt.
Ist er noch hinter mir her? Verbirgt er sich vielleicht im Dunkeln, um uns im nächsten Moment zu überfallen? Inzwischen traue ich alles allem und jedem zu. Allein dass Schneeflocke bei mir ist, lässt mich etwas ruhiger werden. Der Greif wird Adrién frühzeitig kommen hören und uns warnen. Also habe ich einen Moment, mich zu erholen und durchzuatmen.
Cilian runzelt die Stirn. »War er bei dir?«
»Ja.« Ich versuche mich aufzurichten, und er stützt mich dabei. Schneeflocke sitzt neben ihm und mustert mich mit schief gelegtem Kopf. Seine roten Adleraugen wirken skeptisch, als wollte er herausfinden, wie es mir geht. »Er war … direkt hinter mir, hat mich verfolgt und …« Gehetzt sehe ich mich im Gang um, in dem ich mich befinde. »Wieso bist du hier? Wo ist dein Greif?«
»Mondsichel ist noch an der Oberfläche«, erklärt Cilian zerknirscht. »Ich bin auf der Suche nach der Wüstenstadt durch einen Brunnenschacht gefallen und habe einen Weg gesucht, um zu meinem Greif zurückzugelangen. Ich habe mich hier nur kurz ausgeruht.« Ein erleichtertes Lächeln erhellt sein Gesicht. »Was für ein Glück, dass du über mich gestolpert bist. Shaia erzählte mir, dass du entführt wurdest. Geht es dir gut?«
Ich nicke zerstreut. »Bis auf die Kopfschmerzen geht es mir gut. Wer ist Shaia? Und woher weiß sie von der Entführung?«
Cilians Blick wird unstet. »Shaia ist meine … Gemahlin.« Alles in mir erstarrt und ich reiße die Augen auf, doch da spricht er bereits weiter. »Shaia, darf ich vorstellen? Das ist Damaris.« Stirnrunzelnd sehe ich zu der Stelle, auf die er deutet. Dort ist aber niemand zu sehen. »Shaia?« Er schaut sich verdutzt um, als auch er sie nicht entdecken kann. »Wo …«
»Cilian, ist alles in Ordnung mit dir?«, frage ich vorsichtig. »Hier sind nur du und ich.«
Die Verwirrtheit in seinem Blick weicht Betroffenheit. »Ich …« Er kratzt sich an der Schläfe, fährt mit der Hand durch seine Locken, klemmt sie hinters Ohr. »Sie war da … ich habe mit ihr gesprochen. Sie wollte Wache halten, während ich schlief.«
»Cilian«, hauche ich und lege ihm eine Hand auf die Brust. »Deine Gemahlin, sie ist tot, sie …«
»Ich weiß«, unterbricht er mich und schüttelt den Kopf, vergräbt das Gesicht in beiden Händen. »Ich weiß das, glaub mir. Aber sie war hier!« Er deutet erneut auf die Stelle, zu der er vorhin geschaut hat. »Eben noch war sie da! Mondsichel hat sie auch gesehen.«
»Ich glaube dir«, lüge ich, da ich keine Ahnung habe, was ich sonst sagen soll.
Hat er vielleicht zu viel Sonne abbekommen und fantasiert nun? Oder liegt es daran, dass er zu wenig getrunken, gegessen oder geschlafen hat? Womöglich ist er auch in einen dieser Spiegelgänge geraten und sein Verstand spielt ihm nun Streiche?
»Tust du nicht. Du glaubst mir nicht, ich sehe es dir an.« Er senkt den Blick. »Ich habe sie mir nicht eingebildet, Damaris. Sie war da und hat mir von deiner Entführung berichtet.«
Ich nicke langsam. »Wo auch immer sie jetzt ist, sie ist nicht hier. Und Adrién, er …« Ich kann Cilian nicht länger ansehen, also schaue ich auf meine Hand, die immer noch an seiner Brust liegt, und nehme sie von dort weg, verschränke stattdessen meine Finger miteinander.
Cilian sieht mich alarmiert an. »Hat er dich entführt?«
»Nein«, erwidere ich rasch. »Wir sind Rahrin über den Weg gelaufen und er wurde von Marona in einen Tempel gebracht. Rahrin spielt ein falsches Spiel, gehört ebenso wie sie zu den Kultisten. Ich glaube, Marona wollte nur ihn teleportieren, hat aber mich auch dorthin gebracht und …« Ich hole leise Luft. »Entschuldige, das ist eine lange Geschichte und so viel ist geschehen. Jedenfalls müssen wir uns vor Marona und Rahrin in Acht nehmen.«
Cilian scheint bei Weitem nicht so überrascht, wie ich gedacht hätte. Vielmehr sieht er mich mit einem nachdenklichen Blick an, der mich stutzen lässt.
»Wusstest du das schon?«, hake ich nach. »Dass Marona eine Kultistin ist und graue Magie wirkt?«
Er atmet leise durch. »Ich habe es vermutet, ja. Allerdings erst, als wir schon in der Wüste waren. Das war der Grund, wieso ich dich so rasch wie möglich finden wollte. Dies ist kein Wettkampf mehr …«
Ich nicke betrübt. »Das stimmt wohl.« Ein Seufzen entfährt mir. »Jedenfalls hat Adrién mich befreit und in die Wüstenstadt begleitet.«
Wieso ich ihm nichts vom Totengott erzähle, der uns überhaupt dorthin brachte, weiß ich nicht. Aber etwas in mir sträubt sich dagegen, Cilian davon zu berichten. Womöglich, weil er mich dann für verrückt halten könnte.
Stattdessen sehe ich mich um und deute auf das grün schimmernde Artefakt, das mir beim Sturz aus der Hand gefallen ist und einen Schritt von mir entfernt liegt. »Das dort habe ich von Adrién.«
Cilian bückt sich, greift danach und wendet es in den Fingern. »Luft. Verdammt«, murmelt er. »Uns fehlen noch Artefakte für Erde und Magie.«
»Die hat Rahrin«, erkläre ich.
Er hebt erstaunt die Augenbrauen. »Rahrin? Bist du sicher?«
Ich nicke resigniert. »Bevor Marona mich entführt hat, überfiel mich Rahrin und ist dann geflohen. Adrién hat mich gefunden und geheilt. Danach wurden wir von einem Dämonenwesen angegriffen.« Bei der Erinnerung daran, dass Adrién und ich uns danach geküsst haben, rinnt ein Schauer über meinen Rücken. Ob von der guten oder schlechten Sorte, lässt sich nicht genau sagen.
Cilian sieht mich alarmiert an. »Ein Dämonenwesen?«
»Ja, wir glauben zumindest, dass es sich um eines gehandelt hat. Es war eine schwarze, vogelähnliche Kreatur und ihre Augen glühten rot.«
»Ich wurde ebenfalls von einem Wesen angegriffen, nachdem ich mein Artefakt fand«, verrät er und runzelt die Stirn. »Eine Art Stier.«
»Meinst du, die Kultisten stecken dahinter?«
»Die Zwerge wahrscheinlich nicht«, murmelt er. »Ich wüsste nicht, welche Magie einen Dämon jahrhundertelang an einen Ort fesseln könnte. Nein.« Er schüttelt den Kopf mit Nachdruck. »Es muss ein neuerer Zauber gewesen sein, der diese Kreaturen rief. Alles weist auf die Kultisten hin.«
Unvermittelt greife ich an meinen Hals. »Rahrin hat mir zum Geburtstag doch dieses Amulett geschenkt und Adrién fand heraus, dass es für dämonische Rituale verwendet werden kann. Wusstest du etwas darüber?«
Cilian verengt die Augen. »Ich habe mich nie so richtig mit grauer Magie befasst«, gesteht er seufzend. »Zwar kam mir das Amulett bekannt vor, aber es hat mich an ein Geschenk erinnert, dass ich Shaia …« Er unterbricht und räuspert sich. »Tut mir leid. Das war gerade taktlos von mir.«
Ich schnaube leise. Cilian ist der letzte Mensch, den ich als taktlos bezeichnen würde. Unwillkürlich muss ich lächeln, was ihn die Augenbrauen zusammenziehen lässt.
»Was amüsiert dich?«, fragt er unsicher.
»Du bist …« Ich suche nach den richtigen Worten, finde sie aber nicht.
»Eigenartig?«, versucht er mir auf die Sprünge zu helfen.
»Nein.« Ich sehe ihn kopfschüttelnd an, ehe ich tief durchatme, da ich mit einem Mal so eine komische Spannung ihm gegenüber empfinde. Es ist ein Kribbeln, das die Luft zwischen uns erfüllt – und das ist nicht gut. Nicht, ehe ich mir meiner Gefühle Adrién gegenüber im Klaren bin.
Cilian mustert mich noch ein paar Sekunden stumm, dann senkt er den Blick. »Es tut mir leid, Damaris. Alles, was du durchmachen musstest. Alles, was zwischen uns schiefgelaufen ist. Alles, was ich verbockt habe. Du hättest nicht in diese Situation gebracht werden dürfen – schon gar nicht von mir. Wahrscheinlich wirst du mir niemals verzeihen können, aber …«
»Schhht«, unterbreche ich ihn. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen. Wir haben beide Fehler gemacht.« Kurz blitzt vor meinem inneren Auge das Bild von zwei kopulierenden Bergziegen auf, wobei eine davon Gesichtszüge besitzt, die verdächtig Adrién ähneln, und ich werfe Schneeflocke einen scharfen Blick zu. »Was ich sagen will … lass uns das, was geschehen ist, vorerst vergessen. Wir sind hier, um diesen Ring zu finden – und das, bevor Marona und Rahrin ihn an sich nehmen. Weißt du, wo Serge ist? Und die anderen beiden Magier?«
Cilian senkt bedauernd den Kopf. »Sie sind alle drei tot.« Er sieht mich mit einem traurigen Blick an. »Was ist mit Laora und Kolid geschehen? Seid du oder Adrién ihnen begegnet?«
»Auch tot«, murmle ich traurig. »So viele mussten bereits ihr Leben lassen.« Ich atme tief durch und bemühe mich vergebens, meine Verzweiflung zu unterdrücken. Sie sprudelt aus mir hervor wie eine Quelle, die sich endlich ihren Weg durch den Felsen eines Bergmassivs gebahnt hat. »Die Magier müssen das auf dieser verfluchten Steintafel sehen, auf der wir im Zirkel unsere Namen mit Blut verewigt haben. Die Ziffern werden doch schwarz, wenn jemand von uns stirbt. Wieso schicken sie keine Hilfe?«
»Ich glaube nicht, dass irgendjemand von den Zirkelräten uns helfen wird«, erwidert Cilian schulterzuckend. »Marona scheint das alles von langer Hand geplant zu haben. Anscheinend hat sie bloß auf den richtigen Moment gewartet, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich bin inzwischen ziemlich sicher, dass die anderen Zirkelräte da mit drinstecken. Vielleicht sogar Adrién …«
Ich presse die Lippen zusammen, als er den Gedanken ausspricht, den ich auch schon hatte.
Wem kann man noch vertrauen? Wer steht überhaupt auf welcher Seite?
Dass die anderen Zirkelräte mit Marona gemeinsame Sache machen, scheint mir nachvollziehbar. Ihnen allen sind Cilian und sein Greifenorden ein Dorn im Auge – und das schon seit Jahren. Sie haben nur den passenden Zeitpunkt abgewartet, um ihn zu vernichten und es offiziell als Notwendigkeit darstellen zu können.
Womöglich, wenn Cilian seine Cousine, die Herrscherin von Altra, um Hilfe bitten würde, könnte diese die Schließung verhindern. Aber ich kenne Cilian inzwischen sehr gut und weiß, warum er dem Wettkampf zustimmte. Er möchte es aus eigener Kraft schaffen und niemandem zur Last fallen, solange er die Chance sieht, selbst für seine Ziele zu kämpfen. In dieser Hinsicht ist er sogar sturer als ich. Und wir waren beide unheimlich naiv und blauäugig, da wir glaubten, es handle sich hierbei tatsächlich um einen Wettkampf. Dem war nie so … das müssen wir nun, da wir uns in der Wüstenstadt befinden, umso schmerzlicher feststellen.
»Es tut mir leid«, wiederholt Cilian, der meinen Gesichtsausdruck wohl falsch gedeutet hat, und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, dass Adrién dir viel bedeutet und …«
»Tut er nicht«, erwidere ich, höre aber selbst die Lüge aus meinen Worten.
Auch wenn er mit Marona gemeinsame Sache machen sollte, so sind die Gefühle für den mürrischen Greifenreiter nach wie vor da. Leider.
Ich wünschte, ich könnte sie abschalten. Wünschte, ich würde nicht beim Gedanken an seine grauen, mystischen Augen und das Lächeln, das ab und zu an seinen Mundwinkeln zuckt, dieses Kribbeln im Bauch verspüren. Wünschte, ich wäre ihm niemals begegnet … doch das ist nicht möglich. Die Zeit lässt sich nun mal nicht zurückdrehen.
Cilian sieht mich mitfühlend an. »Du hast das nicht verdient, Damaris«, sagt er leise. »Du bist tausendmal besser als der Großteil der Menschen in Altra – tausendmal wertvoller. Und ich verspreche dir, ich werde alles dafür tun, dass du hier heil herauskommst.«
Seine Worte treffen mich mitten ins Herz und ich sehe ihm für ein paar Sekunden stumm in die Augen. Dort, hinter den Selbstvorwürfen, erkenne ich die Liebe, die er immer noch für mich empfindet. Sie überwindet alle Schatten, die sich über die Jahre in ihm angesammelt haben, lässt ihn regelrecht erstrahlen. Ihre Wärme dringt bis in mein Innerstes und umgibt mich wie der stärkste Schutzschild der Welt.
Ich weiß nicht, ob ich ihm verzeihen kann, dass er mir bei diesem Wettkampf keine Wahl ließ. Aber gleichzeitig ist mir klar, dass er mir nicht schaden wollte. Und dass ich ihm nicht böse sein kann.
Ich liebe ihn. Trotz allem.
Das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen und wir sitzen nun beide im selben Boot. Einem, das auf einen rasenden Sturm zufährt. Wir müssen jetzt zusammenhalten. Alles andere lässt sich später klären. Sollten wir das hier überhaupt überleben.
Ohne nachzudenken, lehne ich mich vor und schlinge meine Arme um seinen Nacken, drücke meinen Kopf in seine Halsbeuge und atme tief ein. Er hält mich fest, presst mich förmlich an sich, doch es tut nicht weh. Es tut gut. Und fühlt sich so vertraut an, dass ich den Kloß in meinem Hals nicht länger zurückhalten kann.
Die Tränen, die über meine Wangen rinnen, sind stumm, hallen aber in mir lauter als ein Donner.
Cilian … er mag Fehler gemacht und falsche Entscheidungen getroffen haben. Doch in diesem Moment weiß ich, dass er niemals wollte, dass ich hier weinend inmitten der Wüste sitze und mein Leben aufs Spiel setze. Nicht für ihn. Nicht für irgendjemanden.
Und ich spüre den Wunsch in mir, ihn trotz allem zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass der Greifenorden das bekommt, was er verdient: den Ring des Fürsten.
Kapitel 2 - CILIAN
Sie wieder in meinen Armen zu halten, ist so unwirklich, dass ich einen Moment lang glaube zu träumen. Aber sie ist tatsächlich hier bei mir. Ich liebe sie mit jeder Faser meines Herzens und werde ihr beweisen, dass ich ihrer Liebe würdig bin.
Obgleich etwas in mir mich ermahnt, vorsichtig zu bleiben. Die Artefakte, mit welchen der Ring des Fürsten gefunden werden kann, rufen Veränderungen in den Menschen hervor, wie ich feststellen musste. Womöglich ist auch Damaris diesen erlegen. Aber so, wie sie mich gerade festhält, kann und will ich nicht daran glauben.
»Ich möchte mich noch einmal in aller Form bei dir entschuldigen, Damaris«, murmle ich und streiche ihr über das kurze Haar, das vor Staub mehr graubraun als schwarz ist.
»Das musst du nicht«, erwidert sie und ich spüre ihren Atem, der über meinen Hals streicht. Eine feine Gänsehaut bildet sich auf meinen Unterarmen und ich schließe die Augen.
»Doch«, beharre ich. »Ich schulde dir eine Erklärung.« Leise hole ich Luft. »Ich wollte nicht, dass du an deinem Geburtstag von dem Wettkampf erfährst. Und ich hatte dir versprochen, dich in den Greifenorden aufzunehmen. Es sollte dein bisher schönster Tag im Zirkel werden. Ich wollte nicht, dass du denkst, ich hätte es mir anders überlegt. Alles, was ich wollte, war, dich zu beschützen, doch ich habe alles nur noch schlimmer gemacht. Denn es ging nur darum, was ich wollte. Nicht um dich, deine Wünsche oder Gefühle. Ich war egoistisch und rücksichtslos. Und das tut mir von ganzem Herzen leid.«
Sie löst sich etwas von mir und hebt den Kopf, sieht mich an. »Cilian, ich muss nicht beschützt werden«, haucht sie.
Ich beuge mich zu ihr herunter, zögere eine Sekunde, dann küsse ich sie sanft auf die Stirn und bin unendlich froh, dass sie diese Geste zulässt. Das Band zwischen uns scheint trotz allem noch nicht ganz zerrissen zu sein. Da sind noch feine Fasern, die den Sturm überstanden und gehalten haben. Nur wie lange noch?
»Ich weiß«, murmle ich. »Es war dumm von mir, das überhaupt zu denken. Vielmehr hätte ich dir direkt alles sagen sollen. Und dich fragen, ob du trotz allem bereit bist, dem Greifenorden beizutreten. Ob du dafür kämpfen möchtest, dass er erhalten bleibt – mit mir zusammen.«
Sie nickt, dann schmiegt sie sich wieder in meine Halsbeuge. »Ja.« Ihre Stimme ist so leise, dass ich sie kaum verstehe. »Meine Antwort wäre Ja gewesen.«
Ihre Worte wärmen mein Herz und es droht vor Glück zu bersten. Da ich keine Ahnung habe, was ich darauf antworten soll, schweige ich und lege stattdessen meine Wange auf ihren Kopf.
Nach einer Weile lösen wir uns voneinander und ich sehe sie sanft an. »Du sagtest, Adrién hat dich verfolgt?«, hake ich nach.
Sie nickt erneut. »Er wollte anscheinend verhindern, dass ich den Ring des Fürsten finde.« Als sich meine Gesichtszüge verfinstern, sieht sie mich alarmiert an. »Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, er hat mir immer geholfen. Wirklich. Er hat mir das Leben gerettet, mich geheilt.«
Sie verteidigt ihn, obwohl sie vor ihm geflohen ist. Ich spüre einen Stich in der Brust, als mir bewusst wird, wie stark die Bindung zwischen den beiden inzwischen schon sein muss. Aber das verwundert mich nicht. Er war für sie da, hat ihr geholfen. Und ich? Ich habe ihr das alles überhaupt erst eingebrockt.
Verdammt …
Wenn ich sie verliere, dann bitte nicht an ihn. Nicht an diesen finsteren Kerl, dem ich nicht über den Weg traue.
Ja, ich habe ihn damals vor dem Tod bewahrt, hab ihm seinen Greif Silbersturm vorgestellt und ihn in den Orden aufgenommen. Aber etwas an ihm gefällt mir nicht und bis ich nicht weiß, was es ist, bin ich ihm gegenüber vorsichtig.
Und trotzdem sage ich die Worte, die seine Taten entschuldigen könnten. »Hör zu, Damaris«, murmle ich. »Ich glaube, dass diese Artefakte Menschen verändern.«
»Verändern?« Sie zieht die Augenbrauen nach oben.
»Ja«, bestätige ich. »Ich wurde von den beiden Magiern Dragora und Rekon attackiert. Sie schienen wie von Sinnen, haben mich bis zu ihrem Tod mit Magie angegriffen.«
Damaris sieht mich fassungslos an. »Adrién«, haucht sie.
Wann immer sie seinen Namen sagt, zieht sich etwas in mir zusammen, denn ich sehe dieses Leuchten in ihren Augen. Selbst wenn sie es verhindern will, ist es da. Und es gefällt mir nicht. Doch ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, während sie fortfährt.
»Meinst du, das ist der Grund, wieso er mich vom Relikt weggeführt hat?« Ihre Augen werden noch ein Stück größer. »Weil dieses Artefakt ihn beeinflusste?«
Ich schließe kurz die Lider, dann nicke ich. »Das wäre möglich.«
Bei den Göttern … ich hätte die Gelegenheit nutzen und ihr Adrién aus dem Kopf schlagen können. Ihr sagen, dass ich ihm immer schon misstraute und er nicht gut für sie ist. Stattdessen liefere ich ihr eine Möglichkeit, ihm zu verzeihen.
Was stimmt nicht mit mir?
»Ich fühlte diese Wut in mir, als ich sein Artefakt an mich nahm«, flüstert sie. »Diese Wut auf ihn und darauf, dass er mich hintergangen hat. Diese Enttäuschung. Ich dachte, ich könnte ganz alleine den Ring des Fürsten finden. Das … ist das ebenfalls auf das Artefakt zurückzuführen?«
»Ich weiß es nicht«, gestehe ich.
»Spürst du auch eine Veränderung?«, will sie wissen.
Ich schüttle den Kopf. »Ich fühle mich wie immer. Halt, nein. Das stimmt nicht ganz.« Ein leichtes Lächeln erscheint auf meinen Lippen. »Ich bin erleichtert, dass ich dich gefunden habe.«
Sie sieht mich nachdenklich an. »Und in Bezug auf das Relikt? Den Ring?«
Damaris geht nicht auf meine Worte ein, aber das kann ich auch nicht von ihr verlangen. Trotzdem dringt ein Seufzen aus meiner Kehle, ehe ich antworte. »Ich habe nach wie vor das Bedürfnis, den Ring zu finden und damit die Schließung des Greifenordens zu verhindern. Daran hat sich nichts geändert. Der Wunsch ist auch nicht stärker geworden.«
Ihr Gesicht wird nachdenklich.
»Fühlst du sie noch? Die Wut und Enttäuschung auf Adrién?«, frage ich behutsam.
»Nein.« Sie dreht den Kopf ein wenig zur Seite. »Ich fühle mich nur noch dämlich, dass ich so unüberlegt gehandelt habe und ihn allein ließ.« Sie lacht verhalten, dann trifft mich ihr Blick wieder und mein Herz stolpert, da mir die pure Unsicherheit aus ihren grünblauen Augen entgegenschlägt. »Wem kann ich überhaupt noch trauen, Cilian?«
»Mir«, antworte ich, ohne zu zögern. »Du kannst mir vertrauen.«
Sie schnaubt. »Ich bin mir nicht sicher … nicht mehr.«
»Ich weiß«, lenke ich ein. »Ich weiß, dass ich dein Vertrauen verloren habe. Aber ich schwöre dir, ich werde es wiedergutmachen. Kannst du zumindest versuchen, mir zu vertrauen?«
Sie schaut mich unsicher an, ehe sie nickt. »Nun, ich habe nicht viele