Hauptsache gesund!: Wider den Wellness-Wahn
Von Klaas Huizing und Arnd Brummer
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Klaas Huizing
Klaas Huizing ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Würzburg.
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Buchvorschau
Hauptsache gesund! - Klaas Huizing
ARND BRUMMER KLAAS HUIZING
HAUPTSACHE
GESUND!
WIDER DEN
WELLNESS-
WAHN
ARND BRUMMER, geboren 1957, ist Gründer und Chefredakteur des evangelischen Magazins „chrismon. Von 1987 bis 1991 arbeitete er als politischer Korrespondent für Tageszeitungen in Bonn, danach war er Chefredakteur des „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts
in Hamburg.
KLAAS HUIZING, geboren 1958, hat einen Lehrstuhl für Ästhetische Theologie in Würzburg und ist Schriftsteller. Er veröffentlichte zwölf wissenschaftliche Monographien und elf Romane, die zum Teil in sechs Sprachen übersetzt wurden. Seit 2007 ist er Chefredakteur des internationalen Kulturmagazins OPUS.
INHALT
Cover
Titel
Zu den Autoren
ARND BRUMMER
GÖTZENGRÜTZE:
HAUPTSACHE GESUND!
DER ABSCHIED
GENUG
HÖHER, SCHNELLER, BESSER
SELBSTBESTIMMUNG STATT MORAL
LIEBE DEINE RATGEBER-LITERATUR!
DU-SOLLST-HAMMER
GOTT GESUNDHEIT
DIE ÜBERFÜLLE AN NAHRUNGSZUFUHR – DAS FETTSEIN
DIE ÜBERFÜLLE AN ENTHALTSAMKEIT – ASKESE
WAS IST DER WERT DER WERTE ?
ÜBERFÜLLE ALS NORM UNSERER EXISTENZ
DAS ANGEBOT, DIE VERLOCKUNG – KOMM HER!
LERNEN, WENIGER ZU LERNEN
DIE ENTMYTHOLOGISIERUNG DES GESUNDHEITSWAHNS
DIKTATUR DER GESUNDHEITSBEWUSSTEN
GESUNDHEITSRELIGION
DIE GRÖSSTE KIRCHE IM LAND
WAS IST DIE HAUPTSACHE?
DIE FREIE WAHL
DIE JÜNGER DER GESUNDHEIT
LEBEN UND ZUKUNFT
DER KOMPARATIV
DER IMPERATIV
ENDE! ENDE?
WAS BLEIBT?
ANMERKUNGEN
KLAAS HUIZING
CLAP YOUR FAT
EIN NACHRUF AUF DIE GESUNDHEITSSTREBER
BMI-GLÄUBIGKEIT UND DIE ETHIK DER LABORWERTE
GESUNDHEIT ALS INTEGRATIONSKRAFT
ERGIBT LEIDEN SINN?
IST DAS LEBEN UND DAMIT DIE GESUNDHEIT EIN GESCHENK?
VERHALTENES LOB DER ZELLULITIS UND DES DOPPELKNIES
ANMERKUNGEN
Impressum
ARND
BRUMMER
GÖTZENGRÜTZE:
HAUPTSACHE GESUND!
Wohlan denn, Herz, nimm’ Abschied und gesunde!
Der Abschied vom Ideal als Akt der Gesundung!
Der Abschied vom Ideal des Gesundseins!
Der Abschied vom Sein-Sollen!
DER ABSCHIED
Der Mut zum Sein ist der Abschied vom Sollen und Müssen.
Der Abschied von einer Selbstwahrnehmung des durchweg Defizitären, des Mangels, der Mangelhaftigkeit. Schöne Noten sind das: mangelhaft und ungenügend. Aber was ist ausreichend? Und noch viel schwerer: Was ist befriedigend? Gut ist gut. Und sehr gut ist das Paradies. Das gibt es hienieden nicht.
Auch die Überfülle ist defizitär, ist mangelhaft, kann nicht genügen.
Genügsamkeit? Wie schrieb Konstantin Wecker: „Auf den Dächern hockt ein satter Gott und predigt die Genügsamkeit"?
Und wie passt das zu Bachs Kantate? „Ich habe genug. Ich habe den Heiland, das Hoffen der Frommen, auf meine begierigen Arme genommen. Ich habe genug! Satt sein macht nicht göttlich. Nur ewiges „Nicht-genug-Haben
auch nicht. Wer sagt uns denn, wann es genug ist? Und wann? Und wie? Predigend? Befehlend? Die Religion der Wissenschaft? Eine neue Studie belegt?
US-Ärzte
haben herausgefunden? Zu viel Cholesterin? Zu wenig Eiweiß? Was soll der Schwachsinn?
GENUG
Kein Schwachsinn! Illustrierte und Magazine wollen doch leben! Arbeitsplätze in Medien und Verlagen wollen erhalten sein. Wenn niemand mehr unter den Kanzeln sitzt … dann kommen die Kanzeln auf Papier. Die Geschichten mit dem Tenor „So ernähren Sie sich richtig, „So treiben Sie am besten Sport
, „So schützen Sie Ihre Haut, Ihre Knochen, Ihr Herz" lassen die Suchenden hoffen, die Glaubenden zufrieden weitermachen und geben ihnen die Gewissheit, auf dem rechten Weg zu sein. Kaufen Sie unser Heft, werfen Sie in den Opferstock! Werfen Sie alle Taler rein, die Sie mit ihrem ungesunden Körper verdient haben. Sie retten Ihre Gesundheit, das freut uns und unsere werbenden Anzeigenkunden. Wenn der Euro aufs Konto rauscht, haben wir Knete für Ablass getauscht. Und mit Ihrem gesünderen Körper können Sie noch besser arbeiten, noch mehr Geld machen, noch weiter ausbrennen, damit Sie noch mehr einwerfen können, um Ihr Gewissen zu beruhigen. Loben Sie den Gott, der uns ernährt!
Die ständige und rastlose Arbeit, das Sich-schuldig-Fühlen, wenn Werte nicht erreicht werden, wenn man aus seinen Möglichkeiten zu wenig oder gar nichts macht, wenn man sein Leben wegwirft, seine Gaben nicht nutzt, nicht vernünftig lebt.
HÖHER, SCHNELLER, BESSER
Nur die Unvernünftigen glauben an einen Gott, der jenseits aller Vernunft steht, der die Menschenkinder liebt, wie sie auch aussehen und was sie auch immer zuwege bringen oder nicht. Ein Gott außerhalb der Normen, höher als die Normen, anders als die irdischen Normen, wie soll man ihn verehren? Wie soll man gottgefällig sein, wie soll man gefallen?
Menschliche Gemeinschaft scheint ohne Druck, ohne Leistung, ohne eine Verpflichtung des Einzelnen auf das Größere, Bessere, Schönere nicht existieren zu können.
Die revolutionäre Leistung, jedem Einzelnen das Recht zuzuerkennen, auf seine Weise nach dem streben zu können, was er Glück nennt, scheint verlorengegangen zu sein.
SELBSTBESTIMMUNG STATT MORAL
Die 68er haben mit Kraft gegen das Diktat einer bürgerlichen Moral aufbegehrt. Aus dem Streben nach dem individuellen Glück wurde die Selbstbestimmung. Letztlich blieb davon übrig, dass wir nun selbst bestimmen können, von wem wir unser Leben bestimmen lassen. Aus dem getreuen Staatsbürger und seiner Bürgerpflicht, aus dem getreuen Gemeindeglied und seiner Christenpflicht, denen eine rechtliche oder göttliche Ordnung sagt, was zu tun ist, wurde ein scheinautonomer Marktbewohner, der sich schnuppernd und selbst entscheidend dahin tragen lässt, wo er – gerade eben – sein Glück vermutet. Aber die Kirchenlehrer des Marktes ruhen nicht. Sie weisen den einstigen Untertanen den Weg, sie locken und säuseln, trompeten und predigen: Tu dies, tu jenes, auf dass dein Leben gerechtfertigt sei!
Ins Fußballstadion zu gehen, ist nicht unmoralisch