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Die Legenden von Trappland Ends
Die Legenden von Trappland Ends
Die Legenden von Trappland Ends
eBook374 Seiten4 Stunden

Die Legenden von Trappland Ends

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Über dieses E-Book

Eigentlich sollt´ ich nur jemanden finden. Nur finden, nich erschießen, ungewöhnlich für nen Kopfgeldjäger wie mich. Deshalb verschlug´s mich nach Trappland Ends. Ein Landstrich, in dem man schnell reich wird und noch schneller tot is. Damals war Ends noch ne Randregion, in der es nur Halsabschneider, Ureinwohner und nen Sack voller Geheimnisse gab.
Dass ich bei meiner Suche an den übelsten Halunken überhaupt geraten würde, ne Frau als Partnerin an die Seite gestellt bekommen sollte und gleichzeitig noch das Mysterium von diesem Land lüften würde, hätt ich nich gedacht.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. März 2020
ISBN9783751961097
Die Legenden von Trappland Ends

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    Buchvorschau

    Die Legenden von Trappland Ends - Lucian Caligo

    an.

    1.

    Die Lady ohne Gesicht

    Man stelle sich ein verstepptes Land vor, voller schroffer Felsen, mit trockenem Boden und einer Mittagshitze, in der kaum etwas überlebt. Dann besitzt man ein ungefähres Bild von Trappland Ends, einer Randregion von Trappland. So ungastlich, dass es dort nur jene hin verschlägt, die nichts zu verlieren und alles zu gewinnen haben. Ein sagenumwobener Landstrich, von dem keiner so genau weiß, wie groß er eigentlich ...

    Mit der Rechten schlug ich das scheiß Buch zu und stopfte es in meine Tasche. Dieses Geschwätz ging mir jetzt schon aufn Keks. Eine einfache Personenbeschreibung hätt echt gereicht. Stattdessen drückte mir mein Auftraggeber eins seiner Bücher aufs Auge. Er meinte, es wäre wichtig, die Persönlichkeit meiner Zielperson zu kennen, grade wenn man jemanden in Ends suchte. So ´n Schwachsinn! Als hätt ich keine Ahnung, wie ich meinen Job machen soll. Menschen sind Blätter im Wind, sie folgen selten nem inneren Antrieb, sondern meistens den äußeren Umständen. Im Grunde so, wie mich der Dreckszug nach Ends fuhr. Ich musste nix machen, nur hocken und warten. So was hasse ich ja.

    »So geht man nicht mit Büchern um«, empörte sich die Frau mir gegenüber. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid und nen Hut mit nem Schleier vorm Gesicht. Ihr zusammengefalteter Mantel auf der Sitzbank neben ihr sagte mir, dass sie genau wusste, was in Ends auf sie zukam. Der Trenchcoat war beschichtet, um sie gegen die alles aufzehrende Sonne in Ends zu schützen.

    »So?«, brummte ich nur und rückte meinen linken Arm zurecht.

    »Ja«, erwiderte sie. »Jemand wie Sie vermag das nicht zu verstehen, aber Bücher sind Tore in andere Welten.«

    »Ich hab in unsrer Welt schon genug Probleme, da muss ich mich nich auch noch um die Probleme von ner andren Welt scheren.«

    »Sie sehen nicht so aus, als habe es das Leben schlecht mit ihnen gemeint, zumindest wenn man von ihrer Kleidung ausgeht. Nur könnten Sie sich öfter rasieren.«

    »Mein Mantel war ´n Geschenk, der Hut is älter als er aussieht und die Schutzbrille is ... neu«, gab ich zu. Was interessierte es das Weibsstück, wo ich meine Klamotten her hatte? Solch vorlaute Frauenzimmer trifft man eigentlich nur in Bars, oder Bordellen. Dagegen sprach ihre schlichte, aber feine Garderobe.

    Der Zug ratterte über die Schwellen und die Sonne stach zum Fenster rein ins halbvolle Abteil. Normalerweise hatte ich immer ne Vierersitzgruppe für mich, meine vernarbte Visage verscheuchte die meisten Menschen. Vor Jahren hat so ´n Depp versucht, mir mit nem Schrotgewehr den Schädel wegzupusten. Aus fünf Metern Entfernung. Trotzdem war ich sehr lebendig. Der Kerl hat außerdem mit nem Nifl-Gewehr auf mich geschossen. So ne Waffe von ausgerechnet dem Hersteller abzufeuern is ja im Grunde ´n Selbstmordversuch. Is ihm auch gelungen, will ich meinen. Der Wichser is verblutet, nachdem ihm das Gewehr bei der Explosion die Hand abgerissen hat. War mein Glück, sonst hätt ich ne recht unschöne Leiche abgegeben, egal ob rasiert oder nich. Wo die Narben abgeblieben sind, willste wissen? Wenn ich das verrate, is die Story vorbei.

    Jedenfalls hat mein Äußeres die Frau nich abgeschreckt. Obwohl sie kurz gestutzt hat, bevor sie ihren Hintern auf die Sitzbank gegenüber geschwungen hat.

    Jepp, sie hatte ne Reservierung für ihren Platz, wie ich auch. Die meisten Leute hauen trotzdem ab, wenn sie mich sehen.

    »Bücher können uns aber noch ganz andere Dinge zeigen«, beharrte die Frau ohne Gesicht. »Es heißt doch: Kinder brauchen keine Märchen, um zu wissen, dass es Monster gibt, sondern damit sie lernen, dass man sie besiegen kann.«

    »Unsre Welt is ne andre, da überleben die Monster und Kinder werden gefressen«, grinste ich.

    Die Frau zuckte unbekümmert mit den Schultern. Jede andre wäre wohl mit hochrotem Kopf davongelaufen. Die Braut war mir nich geheuer. Zugegeben hätt ich es damals natürlich nich.

    »Sind Sie solch ein Monster?«, fragte sie stattdessen. Sie klang eher fasziniert als abgeschreckt.

    Ich schwieg und richtete meine Aufmerksamkeit auf die triste Landschaft, die am Fenster vorbeizog. Mit einem hatte der Schreiberling recht: Ends bestand damals nur aus Staub und Felsen. Dabei waren wir erst im Grenzbereich von Ends.

    »Es heißt, nach Trappland Ends zieht es nur Menschen, die nichts zu verlieren oder alles zu gewinnen haben. Was erhoffen Sie zu gewinnen?«

    Weil sie Zeilen ausm Buch in meiner Tasche zitierte, hätt ich damals eigentlich schon misstrauisch werden müssen.

    »Nichts. Also Geld natürlich, aber ich such nur wen, für nen Freund ...«, antwortete ich beiläufig.

    »Und besagter Freund bezahlt Sie jemanden zu finden?«

    Ich brummte zustimmend.

    »Muss ja eine tiefe Freundschaft sein.«

    »Hören Sie Miss, ich muss auch schauen, wo ich bleibe. Kanns mir nich leisten, mal eben so ´n paar Monate in den Staubsack von Trappland zu reisen, um nem Freund ´n Gefallen zu tun!«

    »Wissen Sie, dass Ends noch nicht einmal ganz vermessen wurde? Wenn Sie da wirklich jemanden finden wollen, dann ist es als würden sie ein bestimmtes Sandkorn in der Wüste suchen.«

    »Bisher hab ich noch jedes Sandkorn gefunden.«

    »Und wen genau suchen Sie?«

    »Betriebsgeheimnis.«

    Sie lachte glockenhell. »Sie meinen, Sie unterliegen als Kopfgeldjäger einer Schweigepflicht?«

    »Ganz wie Sie sagen, Miss.«

    Durch ihren Schleier glaubte ich, sie grinsen zu sehen.

    »Und was haben Sie verloren, wenn Sie so allein nach Ends reisen? Was in Ends mit alleinstehenden Frauen passiert, haben Sie sicher in nem schlauen Buch gelesen«, entgegnete ich schroff.

    »Ich habe alles verloren.«

    Die Endgültigkeit ihrer Antwort brachte sogar mich aus der Fassung. Der verdammte Aufstand in Damcity hatte etliche Leben zerstört. Einige Menschen standen danach vor dem Ruin und das nur, weil zwei reiche Familien meinten, sie müssten sich wie tollwütige Hunde um die Herrschaft raufen, selbst wenn die Gouverneursfamilie von Zoletan Hilfe versprochen hatte. Hätt´s ja nich geglaubt, aber die bezahlten echt den Wiederaufbau, aus eigener Tasche. Trotzdem gibts Verluste, die kein Geld der Welt aufwiegen kann. Üblicherweise jagte ich Menschen, die jemandem nen Verlust zugefügt hatten und beglich die offene Rechnung mit ´n paar Gramm heißem Blei. Zumindest im besten Fall, dann hatte man keine Scherereien. Jetzt sollte ich aber ne Person lebend finden, oder halt klären, was aus ihr geworden is. Also ne wesentlich einfachere Nummer als sonst. Glaubte ich damals. Es gab genau drei Gründe, warum ich den Auftrag angenommen hatte: Erstens schuldete ich meinem Freund nen Gefallen, zweitens dachte ich, es sei leicht und drittens stimmte die Bezahlung. Tausend Dollar Vorkasse sind nich schlecht. Und noch dreitausend bei Abschluss. Von dem Geld hätt ich mich fast schon zur Ruhe setzen können.

    »Und jetzt versuchen Sie Ihr Glück in Ends?«, fragte ich nach. »Was kann ne Frau da finden?«

    »Ein Leben, Mister, ein Leben«, sagte sie und wandte sich dem Fenster zu.

    Ich schob den Hut über die Augen und lehnte mich zurück. »Ich war genau einmal in Ends. Dort im Staub zu hocken is kein Leben.«

    Die Lady schwieg.

    Plötzlich donnerte die Abteiltür auf und riss mich aus meiner Ruhe. Kostete mich echt Beherrschung, nich aufzustehen und den Arsch anzuschreien. Nur deshalb fing ich mir keine Kugel.

    »Lasst die Hände, wo wir sie sehen können! Geld und Schmuck in den Beutel!«

    »Das ist ein Überfall!«, ergänzte der zweite Gauner, als ob wir´s nich geschnallt hätten.

    »Schlaukopf, das wissen die selbst.«

    Ich schob die Hutkrempe rauf. Nur waren die Sitzlehnen zu hoch, um drüber zu schauen, weshalb ich die beiden nich sehen konnte. Den linken Daumen hakte ich in meinen Gürtel, damit mich der schwere Arm nich behinderte, dann griff ich unter den Mantel nach meinem Clark-Revolver. Der Nervenkitzel kam mir grade recht. Unbemerkt sah ich um den Sitz herum. Es waren zwei junge Kerle. Schade eigentlich, aus denen hätt was werden können. Trottel!

    Ich schwang mich hoch, riss den Revolver aus dem Holster und schoss zweimal. Die Deppen bemerkten nichmal, was ihnen passierte, bevor sie mit Loch im Schädel zu Boden gingen. Die Passagiere sahen mich erschrocken an, als wollten sie nich glauben, dass ´n Mistkerl wie ich ihnen grade ihr verdammtes Leben gerettet hatte. Zugegeben, über den Anzug von nem Geschäftsmann hatten sich Blut und Hirnmasse verteilt. Konnte verstehen, dass der keinen Spaß dran hatte.

    »Gut geschossen und jetzt Hände hoch und langsam umdrehen«, befahl jemand hinter mir.

    Scheiße, fluchte ich in mich hinein. Die beiden waren wohl doch nich so grün, wie ich dachte. Sie hatten Rückendeckung hier im Abteil, nen Komplizen als Fahrgast getarnt. Dummerweise einen, der noch nie getötet hatte, denn sonst wäre ich schon hin. Was glaubte der, dass es leichter wurde mich über den Haufen zu ballern, wenn er mir in die Augen schaute? Langsam nahm ich die Linke vom Gürtel und hob die Hände. Daraufhin drehte ich mich gemächlich um. Der Zug schwankte unter mir, sodass ich fast das Gleichgewicht verlor. Dann sah ich ihn. Verschlissener Mantel, wettergegerbtes Gesicht und Bartstoppeln. Hätte der Vater von den toten Burschen sein können, der hätt nur anders reagiert.

    »Und was willste jetzt machen?«, fragte ich. »Hast doch nich die Eier zu schießen.« Spottend richtete ich meinen linken Arm auf ihn. Das Gelenk klackte dabei und ich streckte den Zeigefinger aus.

    In dem Moment knallte es rechts neben mir und der Kerl brach mit nem Loch zwischen den Augen zusammen.

    »Verdammt, Miss!«, fluchte ich, als ich sah, wie die Lady ohne Gesicht ihren rauchenden Revolver senkte. Ebenfalls ´n Clark-Modell, dreiunddreißig, wenn ich mich recht erinnere. Eine Waffe, die man durch ne Laufverlängerung und Kolben mit wenigen Handgriffen zum Gewehr umbauen konnte. »Ich hatte ihn genau da, wo ich ihn haben wollte!«

    »Ach was? Hatten Sie vor ihn mit einer Fingerpistole zu erschießen?«, fragte sie und schob den Revolver wieder zwischen ihren zusammengefalteten Mantel.

    »Na ja, so ähnlich«, stimmte ich zu und ließ den Arm sinken.

    »Hören Sie mal!«, empörte sich der feine Pinkel mit der Hirnmasse auf der Jacke. »Bei Ihrem unverantwortlichen Herumgeballer hätten Sie jemanden verletzen können.«

    Ging das also wieder los. Undank, der Welten Lohn. Den Pisser ignorierend beugte ich mich über den Kerl, den die Lady ohne Gesicht erschossen hatte. Es war ´n Westmann, wie man ihn häufig sah, jedoch mit nem gewaltigen Loch in der Stirn. Sah man auch öfters.

    »Beeindruckender Schuss.«

    »Danke«, entgegnete die Lady. »Ich dachte, jetzt kommt ein Vortrag darüber, warum Frauen keine Waffen tragen sollten.«

    »Gibt nur einen Grund, warum sie das nich machen sollten: Wenn Frauen Diebe selbst erschießen, hab ich weniger Arbeit. Wie viele Kerle ich schon über den Haufen geschossen hab, aus Rache für ne ...«

    Da fiel mein Blick auf nen Lederriemen, den der Westmann sich um den Hals gebunden hatte. Ich zog dran und erwartete ... was weiß denn ich, was ich erwartete, jedenfalls nich das, was ich fand. Die Bänder schlangen sich um ein blitzendes Metallstück. Ohne jemals sowas gesehen zu haben, wusste ich, was es war. Etwas, dass vor zwanzig, dreißig Jahren viele Leute ganz verrückt gemacht hatte. Der verfluchte Grund, aus dem ich damals als Jungspund nach Ends gekommen war. Ein Stück von ner Karte, in Metall geprägt. Auf diesem Stück, wenn auch nur so groß wie zwei Daumen, gabs etliche Symbole. Vielleicht ne Schrift oder so. Lesen konnt ich´s jedenfalls nich und ich kann lesen. Bevor du fragst. Angeblich sollten die Teile unzerstörbar sein. Ich meine, hey, wenns wirklich so ne Karte gab, weißte eigentlich, was das bedeutet? Na, es musste da irgendein verdammtes Mysterium geben, das verflucht viel Geld wert war. Selbstverständlich wollt ich das Stück testen, obs wirklich so ´n Teil war. Deshalb riss ich dem Mann sein Band vom Hals und schob´s in meine Tasche. Vom Alter her könnte der Tote einer dieser Schatzjäger gewesen sein, die damals aufgebrochen waren, um das Geheimnis der Karte zu lüften.

    »Was bei der Göttin und ihren Beschützern ...?«, hörte ich eine hohe Stimme hinter mir. Gleich darauf umwehte mich der heiße Wind von Trappland Ends, begleitet von eindeutigen Würgegeräuschen. Ich drehte mich um und sah nen Schaffner herzhaft aus nem Fenster kotzen. Unweigerlich musste ich grinsen.

    Ends war eben nix für zarte Gemüter.

    Den Teil, wo die Lady und ich dem Sheriff von Lassetown erklärten, was hier passiert war, erspar ich dir. Nur so viel: Nachdem wir berichteten, wer die drei waren und die anderen Fahrgäste unsrer Story zustimmten, war ich am Ende fünfundsiebzig Dollar reicher. Zufällig war auf die drei nämlich ´n Kopfgeld ausgesetzt. Die Dollars überließ ich der Lady ohne Gesicht. Quasi als Dank für mein gerettetes Leben. Fünfundsiebzig Dollar is mir meine Haut dann doch wert. Geldsorgen hatt ich damals ja nich.

    Am Bahnsteig sah ich ne entgleiste Lokomotive, die auf der Seite lag und mächtig demoliert aussah. Anstatt sie zu reparieren, hatte man sie einfach liegen gelassen. War wohl zu teuer das Ding wieder in Schuss zu bringen. Wirtschaftlicher Totalschaden nennt man das, oder so.

    »Verdammte Scheiße«, staunte ich bei dem Anblick. Die Fahrgäste drängten um mich herum ausm Zug und beachteten die Lok nich weiter.

    »Dass sie immer noch hier liegt«, wunderte sich die Lady neben mir.

    »Wie kommts?«, fragte ich. »Wissen Sie, was das soll?«

    »Nur vom Hörensagen«, entgegnete sie. »Man erzählt sich, eine Kopfgeldjägerin habe den Zug zum Entgleisen gebracht, als sie mit Höchstgeschwindigkeit in den Bahnhof eingefahren ist. Angeblich um zu verhindern, dass der Zug ausgeraubt wird.«

    Als sie die Kopfgeldjägerin erwähnte, hatte sie meine ganze Aufmerksamkeit. Ich suchte ja ne Kopfgeldjägerin und weils nur eine einzige gab - zumindest kannte ich nur die Legende von einer - musste es genau die sein. Womöglich lohnte es sich, etwas Zeit mit der Lady zu verbringen, dann brauchte ich zumindest das blöde Buch nich weiter zu lesen. Die Frau hatte was an sich, was mir nich ... nun ja, nich unangenehm war. Vielleicht war sie mir deshalb am Anfang so unheimlich. Ich mag ja keine Menschen, aber sie ...

    »Normalerweise lade ich Kerle, die mir den Arsch retten, auf nen Drink ein.«

    »Und eine Frau würden Sie auch einladen?«, fragte sie. Ich konnte ihr Grinsen regelrecht durch den Schleier hören.

    »Jepp«, stimmte ich zu.

    »Es gibt hier einen Saloon, gleich hinter dem Bahnhofsgebäude. Wenn Sie meine Tasche tragen, komme ich auf einen Schluck mit.«

    Als echter Gentleman ergriff ich ihre Tasche und watschelte ihr hinterher.

    »Gut, dass Sie mit leichtem Gepäck reisen«, sagte ich ironisch, denn der Koffer war scheißschwer. »Wenn Sie wirklich nach Ends wollen, empfehl ich, die Hälfte rauszuschmeißen. Oder Sie bezahlen wen, der das Zeug schleppt.«

    »Es wird leichter werden. Wie jede Last, die man trägt«, antwortete sie und hielt mir die Schwingtür zum Saloon auf. Wir fanden nen Tisch im Eck und ich bestellte zwei Whiskey, woraufhin die Lady ´n Glas abgekochtes Wasser orderte. Meine Bestellung veränderte ich nich, die Whiskeys kamen schon weg.

    Am Tisch und mit dem Rücken zu den anderen Gästen sitzend, nahm die Lady ihren Hut ab. Diesmal stutzte ich. Um ihr linkes Auge, bis über die Wange, war ne weiße Schale aus irgend einem Kunststoff geklebt. Von dem Ding mal abgesehen, war ihr schmales Gesicht recht hübsch und die dunklen Augen hatten was Geheimnisvolles. Halt so nen Ausdruck zwischen Seelenschmerz und brennender Hoffnung.

    »Is ´n Wundverband, oder? Irgend so ´n modernes Zeug?«, fragte ich rundheraus.

    »Ich schätze Ihre direkte Art. In Damcity hätte man den Wundverband nicht erwähnt und wäre nur verlegen meinen Blicken ausgewichen«, entgegnete sie. »Ja, das ist ein Verband. Ich habe mir Verbrennungen zugezogen, als mein Haus bei den Unruhen abgebrannt ist.«

    In dem Moment stellte die Bedienung unsere Bestellung auf den Tisch. Als sie den Verband sah, fiel ihr das Lächeln ausm Gesicht und sie zischte ab.

    »Ich bin glimpflich davongekommen«, berichtete sie weiter. »Auch wenn eine hässliche Narbe zurückbleiben wird.«

    »Darauf trink ich. Glimpflich davonkommen hat mir schon häufig den Arsch gerettet.« Ich hob eines der Whiskeygläser, wir prosteten uns zu und ich stürzte den Inhalt komplett runter.

    Der billige Fusel brannte bis hinunter in meinen Magen, ´n angenehmes Gefühl.

    »Sie erlauben?« Ich zog ne Zigarre aus der Manteltasche und steckte sie an, ohne auf ne Antwort zu warten.

    »Wenn es sich nicht vermeiden lässt«, sagte sie mit nem Stirnrunzeln.

    »Da hab ich doch glatt meine gute Kinderstube vergessen«, nuschelte ich mit der Zigarre im Mund.

    »Erstaunlich, ich hätte Ihnen keine gute Kinderstube zugetraut.«

    Grinsend blies ich ihr den blauen Dunst ins Gesicht. Auch diese Provokation nahm sie gelassen. Heute weiß ich ungefähr, was sie alles erlebt hatte. Da war einem schroffen Kerl wie mir gegenüberzusitzen nich mehr besonders aufregend.

    »Mein Name is übrigens Abraham James, aber eigentlich ruft man mich nur James, oder Drecksau.« Ich streckte ihr meine Pranke entgegen.

    Als sie mir ihre Hand mit der Handfläche nach oben reichte, stutzte sie und korrigierte ihre Haltung. Von mir gibts doch keinen Handkuss.

    »Alex Haning«, stellte sie sich stockend vor.

    »Nun denn, Miss Haning, freut mich Sie kennenzulernen, selbst wenn ich´s unhöflich finde, sich mit falschem Namen vorzustellen.«

    Ihre Wange färbte sich rosa. Ertappt. Mit der Handhaltung hatte sie mir auch verraten, dass sie aus nem vornehmen Haus kam. War mir aber schnuppe.

    »Es heißt doch: In Ends wird man zu dem, was man werden will. Wenn Sie Alex Haning sein wollen ...« Ich nippte am zweiten Glas.

    »Ihr Name ist hingegen so gewöhnlich wie bekannt«, gewann sie ihre Fassung zurück. »Sie sind doch der Abraham James. Ich meine, die Eisenfaust, der berühmt berüchtigte Kopfgeldjäger. Zumindest schießen sie so. Angeblich haben sie bisher jeden gefunden, den sie gejagt haben.«

    »So ´n Ruf is gut fürs Geschäft«, entgegnete ich und zog die Nase hoch. Im Grunde ist´s mir nämlich scheißegal, was die Leute über mich sagen. Wenn ich auch nich der hellste Stern am Himmel bin, halte ich mich an diese eine Regel: Sprich nur über deine Erfolge. Besser die Leute halten dich für ´n eingebildeten Sack als für unfähig.

    »Scheint Sie aber nich zu beeindrucken«, sagte ich. Wenn ich jemanden treffe, der meine Legende kennt, erlebe ich viel verrücktes Zeug. Jungspunde wollten sich mit mir duellieren und Frauen ein Kind von mir ... na ja, zumindest einmal hab ich so ´n Angebot bekommen. Eigentlich wäre ich drauf eingegangen, aber selbst mich ekelt´s gelegentlich. Dass jemand von meiner Legende wusste und unbeeindruckt blieb, wie Miss Haning, is mir bisher nich passiert.

    »Sie sind auch nur ein Mensch. Kein Grund, in überbordende Begeisterung auszubrechen«, tat sie ab. »Tut mir leid, ich wollte Sie nicht beleidigen.«

    »Schon gut«, lächelte ich kalt und stürzte den zweiten Whiskey hinab. »Ich wollt sowieso nich über mich sprechen, sondern über die Kopfgeldjägerin. Serena, oder? Ich meine, es gibt ja nur eine und Sie haben gesagt, Sie kennen die.«

    »Nur ihre Legende. Vielleicht etwas besser, als ich Ihre kenne«, entgegnete sie und lehnte sich zurück. »Was interessiert Sie?«

    »Ich will sie finden.«

    Miss Hanings Augen weiteten sich kaum merklich. »Warum?«, fragte sie mit hoher Stimme.

    »Sie kennen die Kopfgeldjägerin also doch«, durchschaute ich sie.

    »Nein, ich fürchte nur, dass Ihre Legende bei dem Versuch diese Frau zu stellen enden könnte.« Irgendwie hörte sich Miss Haning wie eine Aristokratin an. Aber so kurz vor Ends, ohne Leibwache ... noch dazu mit dieser Wunde im Gesicht. Da würde sich doch keiner vom Hochadel vor die Tür trauen. »Wenn ein Kopfgeldjäger einen anderen sucht, geht es nie gut aus. Was wollen Sie von ihr?«

    »Mit ihr reden.« Ich grinste herausfordernd.

    »Natürlich.« Ihre Fassade bröckelte. »Also sagen Sie schon.«

    »Tatsächlich soll ich sie nur finden«, seufzte ich. »Soll rausfinden, wo sie is, wie´s ihr geht und ob sie in Sicherheit is, mehr nich. War der sentimentalste Auftrag, den ich bisher bekommen hab, aber gut bezahlt, da fragt man nich nach. Ich weiß nur so viel: Mein Auftraggeber war ´n Freund von Serenas Vater und fühlt sich jetzt verantwortlich, für ...«

    »Wenn Sie versuchen, ihr ein Haar zu krümmen, dann gnade Ihnen die Göttin.«

    »Wollen Sie mir drohen?«, fragte ich ernst.

    »Aber nein. Wo denken sie hin?« Sie winkte ab.

    »Dann bin ich beruhigt. Bei ner Frau, die schießen kann wie Sie ... würd nich riskieren, Ihnen den Rücken zuzudrehen«, erwiderte ich. »Wann hat Serena den Zug vom Gleis geworfen?«, kam ich zum Thema zurück. Das war ja schließlich der Grund, weshalb ich mit der Lady ohne Gesicht sprach.

    »Das ist ziemlich genau dreieinhalb Jahre her. Wie man sagt, reiste sie zum ersten Mal nach Damcity.«

    »Und was hat sie da gemacht?« Ich versuche mich immer in meine Zielpersonen reinzudenken, dann findet man sie leichter. Weiß auch mein Auftraggeber, deshalb hat er mir ja das Buch mitgegeben. Lebendige Infos sind aber besser als die wirren Ideen von nem Schreiberling.

    »Man sagt, sie wollte irgendeinen Gangsterboss stellen, der seine Klauen nach Sergtown ausgestreckt hatte. So ganz genau weiß ich das nicht.« Sie schlug die Augen nieder. Da war noch mehr, sie wollt nur nich mit der Sprache rausrücken. Kam mir fast so vor, als wär sie selber ´n Teil der Geschichte. Weiter nachzubohren hätt nix gebracht, jedenfalls nich, ohne ihr nen Revolver an die Schläfe zu halten ... und dazu gabs einfach nich genug Gründe. Die Zielstrebigkeit von der Kopfgeldjägerin Serena beeindruckte mich. Sie hätt auch nur die Kontakte von dem Gangsterboss abknallen können. Wieder und wieder. Wär ihm auf Dauer zu teuer gekommen, ständig neue Kerle anzuheuern, und vielleicht hätt er aufgegeben. Stattdessen drang sie ihm wie ne Kugel direkt ins Herz, sie machte keine halben Sachen.

    »Wie viel hat ihr dieser Auftrag eingebracht?«, fragte ich.

    »Nichts, sie hat es getan, um eine Stadt zu beschützen«, entgegnete Miss Haning.

    »Idealistin, hä?« Ich grinste sie an.

    »Ein Mann wie Sie versteht das natürlich nicht.« Sie trank ihr Glas aus. »So sehr ich Ihre Gesellschaft genieße, es ist Zeit, mein Hotelzimmer aufzusuchen. Ich will mich etwas von der Zugfahrt erholen, bevor es morgen früh weitergeht.«

    Ich winkte der Bedienung. »Sie wollen weiterfahren?«, fragte ich erstaunt. Ich wär jede Wette eingegangen, dass Miss Haning hierbleiben wollte. »Obwohl Sie die Geschichten kennen, schwingen Sie ihren Arsch echt nach Ends? Da ist´s die Hölle, das is Ihnen klar?«

    »Ihre Sorge ist ergreifend«, tat sie ab. »Wie Sie gesehen haben, kann ich sehr wohl auf mich aufpassen. Sie hingegen sollten jemanden suchen, der Ihnen den Rücken deckt, das scheint Ihre Schwachstelle zu sein.«

    »Das war deutlich«, grinste ich.

    »Ich wollte Sie nicht beleidigen.«

    »Ja ja, sparen Sie sich Ihr Höflichkeitsgewäsch«, winkte ich ab. »Ein ehrliches Wort is mir lieber als tausend falsche Schmeicheleien.«

    »Das macht fünfundsiebzig Cent«, verlangte die Bedienung.

    »Fünfundsiebzig?«, stutzte ich. »Für ´n Glas Wasser und zwei Whiskey?«

    Die Bedienung sah mich unbekümmert an. »Wenn Sie nicht zahlen ...«

    »Schon gut.« Ich zog meinen Geldbeutel und zählte die Cents genau ab, ganz genau, und donnerte sie auf den Tisch. »Halsabschneider«, grummelte ich, als sie das Geld einstrich.

    »Monopolstellung«, meinte Miss Haning und erhob sich. »Herzlichen Dank für die Einladung«, hielt sie an dem Höflichkeitsscheiß fest.

    Verdammt! Fünfundsiebzig Cent!

    »Sie entschuldigen mich«, sprach die Miss und legte den Schleier wieder über ihr Gesicht.

    Ich nickte zum Abschied und sah ihr nach, während sie ihre schwere Tasche durch die Schwingtür schleppte. Nachdem ich mir reichlich Mühe geben hatte, den Gastraum mit Zigarrendunst zu füllen, schwang ich mich ebenfalls hoch. Mein rechter Fuß schmerzte, wie immer, wenn ich die Prothese lange anhatte. Humpelnd lief ich zum Ausgang.

    Draußen auf der gepflasterten Straße dauerte es nich lange, bis ich Miss Haning einholte. War nich meine Absicht, wir gingen nur in dieselbe Richtung.

    »Wir haben wohl im selben Hotel gebucht, Eternal Rest?«, presste Miss Haning unter der Last ihres Gepäcks hervor, als sie mich bemerkte.

    »Das Einzige in der Stadt. Nun geben Sie schon her«, brummte ich und nahm ihr den Koffer ab.

    »Und Sie haben alles, was Sie brauchen in dem Sack«, wies sie auf mein einziges Gepäckstück. Der Beutel hing mir so leicht überm Rücken, dass ich ihn kaum bemerkte.

    »Jepp.«

    Abendliche Kühle umwehte uns und trieb die Menschen von den Straßen, was mich wunderte, denn eigentlich war die Frische ziemlich angenehm nach nem heißen Tag.

    »Es fällt mir schwer, Sie einzuordnen«, plauderte Miss Haning. »Ich meine, was sind Sie für ein Mensch, was bewegt Sie, was treibt Sie an?«

    »Geld«, entgegnete ich.

    »Keine intrinsische Motivation?«, fragte sie skeptisch. Die Antwort blieb ich ihr schuldig. »Ends bietet eine große Chance, das Land zeigt einem, wer man wirklich ist.«

    »Ich bin ich, mehr gibts da nich, nur ´n unsympathischer Mistsack, der sich gern mal betrinkt und raucht wie ´n Schornstein.« Zum Beweis paffte ich an der Zigarre in meinem Mundwinkel. In dem Moment sah ich auf der Straße drei Männer direkt auf uns zukommen. Kennste das Gefühl, das einem sagt: Jetzt gibts Ärger! Vielleicht lags an ihren finstren Visagen, oder an den über die Revolver zurückgeschlagenen Staubmäntel.

    »Das Hotel Eternal Rest ist nur noch die Straße runter und dann rechts, so stand es jedenfalls in der Broschüre.« Miss Haning zeigte in die Richtung.

    »Da rein.« Ich stieß sie in ne leere Seitenstraße. Miss Haning wollte protestieren, wie sie sagen würde, doch dann bemerkte auch sie die drei Typen. Normalerweise geh ich keinem Ärger ausm Weg. Bin ja kein Feigling, aber auch nich blöd. Stell bei jedem Spiel deine Regeln auf, dann gewinnste immer.

    In der Seitenstraße ließ ich ihren Koffer fallen, drückte mich mit gezogenem Revolver an die Hauswand und schob mich an die Ecke. »Wär jetzt gut, Ihren Revolver griffbereit zu haben. Ihn zu ziehen is noch besser.«

    Miss Haning zog die Waffe aus nem Holster unter ihrer Achselhöhle. Ihr Überwurf versteckte die

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