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Eine andere Geschichte der Menschheit: Warum wir so sind wie wir sind
Eine andere Geschichte der Menschheit: Warum wir so sind wie wir sind
Eine andere Geschichte der Menschheit: Warum wir so sind wie wir sind
eBook421 Seiten5 Stunden

Eine andere Geschichte der Menschheit: Warum wir so sind wie wir sind

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Über dieses E-Book

Das hier vorliegende Buch erklärt Ihnen, warum wir als Mensch tun was wir tun, ob wir nun wollen oder nicht.
Dabei ist "Eine andere Geschichte der Menschheit" ein erfrischend ungewöhnliches Buch. Zum einen kann man die einzelnen Kapitel zum Thema "Menschliches Verhalten" wie ein Sachbuch einzeln und in beliebiger Reihenfolge lesen, zum anderen kann man aber auch dem Textverlauf folgen und sich von einer Rahmengeschichte durch das Buch führen lassen.
Egal welchen Weg Sie wählen, am Ende werden Sie viel über sich und ihre Mitmenschen gelernt und die eine oder andere Überraschung erlebt haben.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Nov. 2018
ISBN9783748169550
Eine andere Geschichte der Menschheit: Warum wir so sind wie wir sind
Autor

Alexander Lüdeking

Dr. Alexander Lüdeking ist Molekularbiologe und seid langem an Gesundheitsthemen interessiert.

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    Buchvorschau

    Eine andere Geschichte der Menschheit - Alexander Lüdeking

    Inhaltsverzeichnis

    Zusammenfassung der Rahmenhandlung

    Einleitung

    Das Ende

    Zeit

    Das Mädchen

    Der Anfang

    Der Vortrag

    Ein Essen

    Körper und Geist

    Die Krone der Schöpfung

    Die Evatheorie

    Eine Italienreise

    Artikel 1

    Rangordnung

    Artikel 2

    Territorien

    Via München

    Artikel 3

    Aggression & Gewalt

    Artikel 4

    Kooperation

    Artikel 5

    Mitgefühl

    Bella Italia

    Der innere Takt

    Evolution & Selektion

    Epigenetik

    Der innere Trieb

    Artikel 6

    Der zerlegte Trieb

    Artikel 7

    Das Konzert der Triebe

    Artikel 8

    Leben

    Ankunft in Neapel

    Der göttliche Funke

    Artikel 9

    Die Grenzen der Selbstkontrolle

    Artikel 10

    Gewohnheiten

    Artikel 11

    Ritenbildung

    Bewusstsein

    Neue alte Bilder

    Emotionen

    Artikel 12

    Wie entsteht ein Mensch?

    Artikel 13

    Anders, aber gleich

    Artikel 14

    Besitz

    Erster Abend in Neapel

    Artikel 15

    Ruhe und Stress

    Krankheit & Krebs

    Artikel 16

    Faulheit

    Artikel 17

    Das pure Glück

    Artikel 18

    Die verdammte Depression

    Sucht & Drogen

    San Gennaro in Neapel

    Artikel 19

    Gut und Böse

    Artikel 20

    Der freie Wille

    Artikel 21

    Der Glaube

    Gott und die Welt

    Artikel 22

    Die Seele

    Der Junge

    Der Tod

    Der Fischmarkt

    Artikel 23

    Wirtschaft

    Die Lüge

    Procid

    Sind wir nicht alleine?

    Artikel 24

    Die Liebe

    Die 1:1-Verteilung von Mann & Frau

    Artikel 25

    Der perfekte Lebenspartner

    Die fünf Geschlechter der Menschen

    Familie

    An der Amalfiküste

    Artikel 26

    Die Menschenrassen

    Artikel 27

    Die Gruppe

    Artikel 28

    Synchronisation

    Artikel 29

    Der Krieg

    Eine Wanderung

    Die Entscheidung

    Artikel 30

    Zusammenfassung der Rahmenhandlung

    Die neuzeitlichen Wissenschaften haben den Menschen mit der Macht griechischer Götter versehen. Seine moralische Ausstattung ist davon jedoch bisher unberührt geblieben."

    Während eines Besuches im „Völkerkundlichen Museum Hamburg" hat die junge Verlegerin S. eine Begegnung, die ihr Leben nachhaltig aus der Bahn werfen wird. Ein unbekannter Mann tritt mit einer Kaufofferte für den gesamten Planeten Erde an sie heran. Und der angebotene Kaufpreis hat es in sich. Er ist das geglückte Leben für alle Menschen. Keine Krankheiten, kein Hunger, keine Gewalt und keine Not soll es mehr geben. Jedoch gibt es eine nicht ganz unerhebliche Einschränkung. Die Begegnung endet mit der Aufforderung, sich über den Verkauf des Planeten Gedanken zu machen und binnen einer Jahresfrist eine Entscheidung zu fällen. Über Monate hinweg verdrängt S die fantastisch anmutende Begegnung aus ihrem Kopf, bis sie bei einem beruflichen Termin einen Vortrag des Anthropologen Dr. K hört. Dieser vertritt die provokante Auffassung, dass die Menschheit, ihrer Moral bedingt, an einem Scheideweg steht. Aber K ist nicht nur ein herausragender Wissenschaftler. Während eines Abendessens kommen sich die beiden näher. Am Ende beschließen sie, Hals über Kopf eine gemeinsame Reise anzutreten. S nutzt nun die Zeit mit K, um Antworten auf ihre zahlreichen Fragen zu erhalten. Ein intensiver Dialog beginnt. Auf der italienischen Insel Procida scheint sich alles zum Guten zu wenden. Die Entscheidung von S zugunsten der Menschheit verfestigt sich. Doch dann passiert das Unerwartete.

    Einleitung

    Dieses Buch besteht aus drei Ebenen, von denen jede Ebene den Umfang des Buches erweitert. Die Kernebene sind die einzelnen Kapitel zum menschlichen Verhalten und als solche kenntlich im Inhaltsverzeichnis aufgeführt. All diese Kapitel sind für sich einzeln und ohne Kenntnisse der anderen Kapitel zu lesen und zu verstehen. Die zweite Ebene besteht aus der Reisebeschreibung der beiden Protagonisten. Diese zieht sich chronologisch durch das Buch und erstellt einen Handlungsstrang, dem man bis zum Ende des Buches folgen kann. Als dritte Ebene existiert die Rahmengeschichte. Diese ist zur besseren Kenntlichmachung in kursiven Zeichen geschrieben. Sie stellt eine Eingangsfrage, die man sich beim Lesen des Buches immer wieder durch den Kopf gehen lassen kann: Würden Sie das Schicksal der Menschheit in Ihre Hände nehmen?

    Doch fangen wir mit einer kurzen Einführung in die Geburtsstunden von Moral und Kooperation an. Wir schauen also auf den Anfang einer langen Reise.

    Am Anfang der Erdgeschichte bestand unserer Planet aus einer Gesteinsmasse und einer umgebenden Uratmosphäre aus Wasserstoff und Helium. Das war vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Im Zentrum der Erde befand sich eine Schmelze aus Eisen und heißem Gestein, und auf dieser Schmelze trieben wie Eisberge auf dem Meer die leichteren Gesteine. Erst als die Masse der Erde durch ständigen Meteoritenbeschuss auf das heutige Maß zunahm und damit ihre Gravitation einen Schwellenwert überstieg, konnte der Sonnenwind die Atmosphäre nicht mehr ständig wegblasen und eine neue Atmosphäre, gebildet aus dem, was Vulkane ausspien, formte sich. Diese zweite Uratmosphäre enthielt vor allem Wasserdampf, Stickstoff und Schwefelverbindungen. Langsam kühlte diese erdumspannende Dampfglocke ab und kleine Wassertröpfchen kondensierten an Staubpartikeln. Zunächst war die Erde jedoch noch so heiß, dass die Tröpfchen noch während sie fielen wieder verdunsteten, lange bevor sie den Boden erreichten. Erst als die Erde weiter abkühlte, bildeten sich die ersten Pfützen aus siedend heißem Wasser auf unserem Planeten. Das war vor etwa 3,9 Milliarden Jahren. Die junge Erde besaß aber noch keine wirklichen Senken und so stieg der Wasserspiegel, gespeist von einem sintflutartigen Regen, gleichmäßig an und bedeckte schließlich die gesamte Erde in Form eines einzigen großen Ozeans. Ein wahrhaft blauer Planet mit einem Meer, aus dem nur die höchsten Vulkane als Feuer speiende Inseln herausragten. Dieses Urmeer kühlte weiter ab, bis vor etwa 3,5 Milliarden Jahren die ersten Einzeller entstanden. Von nun an konnte die Evolution mit den ihr gegebenen Prinzipien und Möglichkeiten anfangen, am Leben zu wirken.

    Als erste moralische Entwicklung der Evolution kann man wohl die Verbindung zweier einzelliger Organismen zu einem neuen, zu diesem Zeitpunkt jedoch noch immer einzelligem Organismus betrachten. Dies gilt unter der Prämisse, dass wir eine Kooperation zweier unabhängiger Organismen zu einem gemeinsamen Vorteil als Grundlage der Moral betrachten. Unter diesen Voraussetzungen stellen wir fest, dass Moral keine kulturelle Erfindung des Menschen ist, sondern vielmehr ein biologisches Prinzip. Der Gedanke der sogenannten Endosymbiontentheorie (Theorie der inneren Zusammenarbeit) ist dabei erstmals von dem Botaniker Andreas Franz Wilhelm Schimper im Jahr 1883 veröffentlicht worden, also schon vor dem Hintergrund der Darvinschen Theorie von der Entstehung der Arten aus dem Jahr 1858 zu sehen. Dieser Endosymbiontentheorie folgend, hat vor etwa 1,5 Milliarden Jahren ein Einzeller einen anderen Einzeller aufgenommen, ohne ihn, wie sonst üblich, zu verdauen. Vielmehr hat sich aus den Fähigkeiten beider Einzeller ein neues Leben entwickelt, das fortan über die Fähigkeiten beider vormals selbstständiger Organismen verfügte. Ein solcher Zugewinn an Fähigkeiten setzt nun zwei Dinge grundlegend voraus: Erstens muss der neu entstandene Organismus über die Möglichkeit verfügen, diese neue Vielzahl von Fähigkeiten auch mit ausreichend Energie in Form von Nahrung zu versorgen: und zweitens muss eine gegenseitige Abhängigkeit diese neue Verbindung stabilisieren, damit sie sich nicht wieder lösen kann. Damit haben wir die beiden Grundfesten der Kooperation und damit der Moral geschaffen. Von nun an ist der Weg frei für komplexeres Leben und, am Ende der Reise, für die Entstehung des Menschen. Menschen wie Du und Ich.

    Der nächste große Wurf sollte nun der Zusammenschluss mehrerer einzelliger Organismen zu einem mehrzelligen Organismus werden. Vor etwa 0,8 Milliarden Jahren war die Evolution bereit für diesen entscheidenden Schritt. Alle heutigen vielzelligen Lebewesen stammen somit von Einzellern ab. Dabei ist es interessant, dass dieser Prozess bei unterschiedlichen Entwicklungssträngen der Evolution wohl etwa 27 Mal unabhängig voneinander erfunden wurde. Alleine dies zeigt den ungeheuren Nutzen, den eine Kooperation Einzelner in der Entwicklung des Lebens ausmachen kann. Erfolg ist über jeden Zweifel erhaben. Jedoch, die Entwicklung vom Ein- zum Vielzeller ist nur möglich, wenn die ursprünglich unabhängigen Zellen zusammenarbeiten. An dieser Stelle sollte man vielleicht erwähnen, dass Moral im Sinne der Kooperation kein allgemeingültiges, allein Segen bringendes Prinzip ist. Während all dieser Entwicklungen existierten weiterhin egoistische Einzeller und tun es auch heute noch. Es ist nur ein neues System, das eine höhere Komplexität ermöglicht und dadurch die Möglichkeiten schafft, neue Lebensräume und andere Energiequellen zu erschließen.

    Einen Ableger der Entstehung von mehrzelligem Leben aus einzelnen Zellen sehen wir heute noch beim Menschen. Die Samenzellen des Mannes verschmelzen mit der Eizelle der Frau und neues Leben entsteht. An dieser Stelle möchte ich hinzufügen, dass natürlich kein neues Leben entsteht, sondern zwei Leben sich symbiotisch zusammenschließen um fortan gemeinsam weiter zu bestehen. So ist es eigentlich biologisch korrekt. Wir sehen also in der Befruchtung der Eizelle sowohl die Symbiose als auch die Mehrzelligkeit, entsprechend unseres Milliarden Jahre alten Erbes, immer wieder aufs Neue erblühen.

    Aber gehen wir weiter in der Entwicklung der Kooperation. Wenn sich mehrere mehrzellige Organismen zu größeren Verbänden zusammenfinden, dann können Kolonien entstehen. Eine Kolonie ist dabei ein Verband von Einzelindividuen der gleichen Art, die sich an einem bestimmten Ort vergesellschaften und oft in physischem Zusammenhang stehen. Ein solches Prinzip finden wir zum Beispiel bei den Schwämmen. Nach einer ungeschlechtlichen Vermehrung im Sinne einer Knospung verbleibt das neue Individuum angeheftet an das Ursprungstier. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine Duldung. Dieses Duldungsprinzip finden wir auch bei Brutkolonien der Vögel. Inwie-weit eine Duldung auch schon eine erste Kooperation von Einzelindividuen darstellt, kann ich an dieser Stelle nicht abschließend sagen.

    Ein Schwarm stellt nun die nächste Entwicklungsstufe dar. In einem Schwarm kennen sich die einzelnen Individuen nicht. Es besteht sozusagen kein persönliches Interesse aneinander. Sie interagieren nur nach drei grundlegenden Regeln miteinander. Erstens: Bewege dich in Richtung des Mittelpunkts derer, die du in deinem Umfeld siehst. Dieses Verhalten sorgt für den Zusammenhalt der Gruppe. Zweitens: Bewege dich weg, sobald dir jemand zu nahe kommt. Hierdurch werden Kollisionen vermieden und ein Mindestabstand eingehalten. Drittens: Bewege dich in etwa in dieselbe Richtung wie deine Nachbarn. In einem Schwarm haben wir also die einfachste Art der Kooperation einer Gruppe von Individuen die nicht direkt verwandt sind, die nur mit den drei genannten Regeln auskommt.

    Als höchster Schritt der Kooperation unter Individuen ist wohl die Staatenbildung innerhalb einer Art zu nennen. Damit eine Gemeinschaft von Tieren einer Art als Staat bezeichnet werden kann, müssen vor allem vier Bedingungen erfüllt sein: kooperative Brutpflege durch mehrere Individuen; gemeinsame Nahrungsbeschaffung und deren Verteilung; Aufteilung des Verbandes in fruchtbare und unfruchtbare Individuen und das Zusammenleben mehrerer Generationen. Staatenbildende Organismen gibt es in mehreren verschiedenen Tiergruppen. So kommt diese nicht nur bei Bienen, Wespen und Ameisen, sondern auch bei Termiten, Pflanzensaugern, Käfern, Fransenflüglern, Krebsen und sogar bei den Säugetieren vor, namentlich bei den Nacktmullen. Im Falle eines Staates haben wir sicher den höchsten Grad der Kooperation erreicht, in dem das Individuum vornehmlich dem großen Ganzen dient und eigene Bedürfnisse und Interessen in den Hintergrund stellt. Eine menschliche Gesellschaft würde ich jedoch noch nicht als einen Staat im biologischen Sinne bezeichnen.

    Eine parallele Entwicklung zur Koloniebildung, zum Schwarmverhalten und der Bildung von Staaten basiert nun auf der verstärkten Brutpflege von Tieren. Hier sehe ich die Basis der menschlichen Gesellschaften. Eine erste Brutpflege ließ sich bei krebsähnlichen Gliedertieren vor etwa 500 Millionen Jahren nachweisen. Diese trugen ihre Eier unter ihrem Panzer mit sich durch die Welt. Wenn wir aber auf die Säugetiere als Keimzelle des Menschen schauen, dann sollten wir uns für den Übergang vom Ei, und der damit verbundenen Dotterproduktion hin zur Muttermilch interessieren. Seriöse Forschungen datieren den Übergang ungefähr in den Zeitraum von 300 bis 150 Millionen Jahren vor unserer Zeit.

    Die ersten Milch produzierenden Säugetiere, zu denen auch der Mensch zählt, mussten zumindest eine Zeitlang zweigleisig fahren, wie die Eier legenden Schnabeltiere aus Australien es noch heute tun. Zwar legen diese Säugetiere ihre Jungen einerseits, wie althergebracht, im Ei; andererseits verwöhnen und schützen sie ihre Schlüpflinge dann aber noch eine Weile intensiv und füttern sie mit ihren Milchdrüsen. Erst im Laufe der Zeit ersetzten die verschiedenen nachfolgenden Säugetiermodelle die Phase im Ei mehr und mehr durch einen Aufenthalt im Beutel oder dem Mutterleib. Damit einher ging auch eine tiefgreifende Umstellung der Brutpflege. Diese immer intensiver werdende Brutpflege führte am Ende zu der Bildung menschlicher Gesellschaften. Innerhalb dieser Gesellschaften sind die Individuen durch ein unsichtbares Netz schon sehr eng miteinander verwoben und Moral ist ihr Kitt, jedoch kann jedes Individuum nach wie vor selbst entscheiden die Gruppe auch wieder zu verlassen.

    Diese lange Entwicklung, immerhin etwa 3,5 Milliarden Jahre, führte am Ende zu der Formulierung der Menschenrechte durch die Vollversammlung der Vereinigten Nationen im Jahre 1948. Ein langer Weg aber ein beachtliches Ergebnis.

    Das Ende

    Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, dass es zugrunde geht."

    Mephistopheles in Faust

    Sein Name war Alfredo Hernandez de Villa, aber was bedeuten Namen noch, wenn niemand mehr da ist, der sie ausspricht. Er hatte das 94. Lebensjahr erreicht und war der letzte seiner Art. Nicht einmal hatte eine Krankheit ihn ans Bett gefesselt oder ein Unfall seinem Leben eine schlimme Wendung gegeben. Keinen Krieg hatte er durchstehen müssen, und überhaupt spielte Grausamkeit und Barbarei in seinem Leben keine Rolle. Nur aus den Erzählungen und Geschichten der Alten wusste er von diesen Dingen. Er hatte gut gelebt und er war glücklich. Doch jetzt war auch seine Zeit gekommen.

    Er stand über den Wolken. Wie es so oft der Fall war auf seiner Insel, lag eine Wolkendecke über dem Meer und versperrte die Sicht auf die Nachbarinsel. Jedoch bildete sich just direkt vor ihm eine Lücke, die den Blick freigab auf die endlosen Weiten des Atlantiks und welche die ersten Strahlen der Sonne passieren lassen würde. Als Kind hatte er oft den steilen Pfad erklommen, um auf diesem Plateau den Ausblick über den Norden der Insel und die Weite des Meeres zu genießen. Bei dem Gedanken an seine jungen Jahre überkam ihn zum ersten Mal seit Tagen wieder das Gefühl der Einsamkeit.

    Damals war die Insel noch voller Leben gewesen. Die Alten saßen in den Straßencafés und sprachen über die Zeit, während die Kinder durch die Gassen tobten und den Hunden hinterherjagten. Nun war alles still. Nur noch der Wind und die Geräusche der Tiere waren zu hören. Er war alleine. Heute, das wusste er, würde die Menschheit aufhören zu existieren. Er hegte keinen Groll, noch verspürte er Bedauern. Dann durchdrangen die ersten Strahlen der Sonne das Wolkenfeld und tauchten das Meer in ihr warmes, strahlendes Licht.

    Zeit

    „Der Aufbau des Menschlichen erfolgte über hundert Jahrtausende, vielleicht über einen Zeitraum von mehr als einer Jahrmillion. Massiver Selektionsdruck einer noch feindlichen Natur hat diesen frühen Menschen über ungezählte grausame Schicksale herausgebildet, das Bewusstsein hell gemacht, und ihn seine Welt richtig interpretieren lassen."

    Rupert Riedl

    Von unseren ersten, noch sehr wackeligen Schritten der Glasherstellung bis zur Entwicklung des digitalen Fotoapparates vergingen etwa 3000 Jahre. Die Natur benötigte hingegen zur Entwicklung des menschlichen Auges zwei Milliarden Jahre. Das relativiert die Wunder der Natur. Denn sie ist der wahre Besitzer der Zeit. Nehmen wir nur einmal einen erdachten Organismus, der pro Tag einen Millimeter zurücklegt. In einem Jahr schafft er somit 36 cm Wegstrecke. Aber hätte der Weg zu Beginn der Entstehung des Lebens vor 4,5 Milliarden Jahren begonnen, dann hätte unser Organismus die Erde bereits 38-mal umrundet. Zeit ist ein mächtiger Faktor, der sich unserer beschränkten Vorstellungskraft weitestgehend entzieht.

    Das Mädchen

    Nichts an ihr war besonders. Sie war nicht umwerfend schön, wenngleich sie diese natürliche Schönheit durchaus besaß. Regelmäßig drehten sich die Männer auf der Straße nach ihr um. Der Typ Mann, der genau jene authentische Schönheit bewunderte, die sie ausstrahlte. Schönheit auf den zweiten Blick. Sie kleidete sich nicht auffällig, sondern folgte ganz ihrem eigenen Stil. Sie war nie ein Wunderkind gewesen. Nicht in der Schule und auch nicht in irgendeinem anderen Bereich. Aber jeder, der sie zum ersten Mal sah, war auf eine gewisse Art von ihr berührt. Es war, als blicke man auf das endlose Meer. Eigentlich sieht man nur Wasser und doch sieht man auch jene fernen Länder hinter dem Horizont, von denen man immer geträumt hat. Man sieht fremde Kulturen und weiße Segel, die sich im Wind blähen. Und man sieht eine glückliche Familie. Und noch etwas sieht man. Oder besser: man sieht es nicht. Es ist nur eine Ahnung. Das Wissen darum, dass unter dieser blau schimmernden Oberfläche eine weitere Welt existiert, die voller Geheimnisse und Wunder ist. Helle Geheimnisse und auch dunkle. Vielleicht war es das Wissen um genau diese dunklen Geheimnisse, welche man erahnte, wenn man S zum ersten Mal begegnete. Eine versteckte Traurigkeit. Jedoch verschwand dieses Bild sofort, wenn S anfing sich zu bewegen und zu reden. Ihre Bewegungen hatten etwas Leichtes und ihre Rede war voller intelligentem Humor, der jede düstere Ahnung sofort Lügen strafte. Wenn sie mit ihren zahlreichen Freunden durch das Hamburger Nachtleben streifte, war es ihr Lachen, das als erstes auffiel. Es war das freie Lachen eines Kindes, das sein Glück kaum fassen kann. Alle liebten dieses Lachen und sie dafür, dass sie es ihnen schenkte. Und auch wenn man es vorher schon bemerkt hatte, so wurde es nun ganz deutlich. Sie war alles in einem. Beste Freundin, Schwester, Mutter und unüberwindbare Autorität. Nicht dass sie einmal das eine und dann das andere war. Sie war immer alles.

    Vielleicht war es auch diese Eigenschaft, die sie in ihrem Beruf als Marketingleiterin eines bekannten Hamburger Verlagshauses so erfolgreich machte. Sie verstand die Menschen und wusste, was sie gerne lesen würden. Die Kinder, die Familien und die Alten. Sie waren ja alle in ihr vereint. Mit dieser Eigenschaft war sie die Karriereleiter regelrecht hochgefallen. Was sie anfasste, wurde ein Erfolg. Sie war jetzt 34 Jahre alt und doch hatte sie es bereits bis in die Position der stellvertretenden Geschäftsführerin gebracht. Und das war auch genau die Position, in der sie sich immer gesehen hatte. Frei in der Gestaltung, aber ohne die Verantwortung der allerletzten Entscheidung. Im Gegensatz zu vielen anderen Managern verehrten sie die Leute, mit denen sie zusammenarbeitete. Sie selbst bezeichnete sich immer als hart aber fair, Mutter der Kompanie wäre jedoch wohl näher an die Wahrheit herangekommen. Zumindest hätte das ihre Schwester gesagt, die sie oft in der Mittagspause besuchte, da sie nicht weit entfernt arbeitete und nichts lieber tat, als mit ihrer großen Schwester Zeit zu verbringen. Beide liebten sich abgöttisch, auch wenn ihr Leben nicht unterschiedlicher hätte verlaufen können. S lebte allein und in erster Linie zog sie ihre Energie aus ihrer Arbeit, die ihr alles bedeutete. Ihre Schwester hingegen hatte früh geheiratet und war, als die finanzielle Situation dies zuließ, mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern sogleich aufs Land gezogen. Ihre Arbeit hatte sie immer als lästiges Übel wahrgenommen und entsprechend erfolglos war ihre Karriere verlaufen. Sie hatte sich ganz für ihre Familie entschieden und alles diesem Ziel untergeordnet. S hatte keine Kinder und auch keinen Mann, geschweige denn einen festen Freund. Es gab zwar immer mal wieder Männer in ihrem Leben, aber diese verschwanden nach einer gewissen Zeit auch wieder. Auf diese Tatsache angesprochen, antwortete sie immer, dass sie ihre Freiheit zu sehr liebte. Die Zeit mit ihren Freunden und die Nachmittage mit einem guten Buch in einem der zahlreichen Cafés der Stadt. Sie genoss die Ruhe in ihrer Wohnung, von der man, wenn man sich ganz auf die rechte Seite ihres Balkons stellte und leicht auf die Zehenspitzen ging, einen kleinen Blick auf die Außenalster erhaschen konnte. Nicht weniger zu schätzen wusste sie die wilden Nächte der Stadt mit ihren Partys und Konzerten. Hätte man sie gefragt, so hätte sie gesagt, sie sei glücklich. Zu ihren Eltern hatte sie ein freundschaftliches Verhältnis, wenngleich man sich nicht allzu oft sah. Aber so war das eben. Ähnlich verhielt es sich mit ihrem politischen Engagement. Natürlich wählte sie die Grünen und natürlich war sie auch Mitglied bei Amnesty International und Greenpeace, aber wirklich aktiv war sie nie geworden. Irgendwie hatte ihr immer die Zeit gefehlt. Und wenn das Lachen verklang, war es wieder da. Das Gefühl, aufs Meer zu schauen.

    Der Anfang

    An einem warmen Frühlingstag durchschreitet eine junge Frau, wir nennen sie einmal S, wenig interessiert die weitläufigen Ausstellungsräume des „Völkerkundlichen Museums" in Hamburg. Entrückt und abwesend wirkt sie auf die anderen noch anwesenden Besucher. Keines der Exponate fesselt ihren Blick. Von Zeit zu Zeit bleibt sie ohne ersichtlichen Grund stehen, als sei die Welt um sie herum zum Stillstand gekommen. Plötzlich wird sie von einer ihr fremden Person, nennen wir sie X, angesprochen, die ihren Namen kennt.

    X: Guten Tag. Hätten Sie einen kleinen Moment Zeit für mich?

    S dreht sich erstaunt um: Entschuldigung, ich war mit den Gedanken gerade sehr weit weg. Um was geht es denn?

    X: Es geht um einen Kaufvertrag.

    S: Einen Kaufvertrag? Dafür habe ich jetzt keinen Kopf. Bitte lassen Sie mich alleine.

    X unbeirrt: Wir würden gerne die Erde von Ihnen kaufen.

    Stille -

    S: Die Erde? Habe ich Sie da gerade richtig verstanden?

    X: So ist es. Ich vertrete eine Spezies, die gerne die Erde käuflich erwerben würde. Hierzu möchten wir der Menschheit ein ausgesprochen attraktives Angebot unterbreiten. Und Sie sind uns gegenüber der legitimierte Repräsentant der gesamten Menschheit. Sozusagen unser exklusiver Verhandlungspartner. Ihre Entscheidung werden wir respektieren.

    S: Entschuldigung, aber ich habe für derlei Späße im Moment wirklich kein Verständnis.

    X beharrlich: Aber nein, es gibt keine Späße. Ich verstehe jedoch Ihre Bedenken und bin entsprechend bereit, meine Legitimation unter Beweis zu stellen. Haben Sie einen Wunsch, den Ihnen niemand erfüllen kann? Etwas ganz und gar Unmögliches? Als Zeichen unseres guten Willens erfüllen wir Ihnen diesen Wunsch gerne. Ich weiß zum Beispiel, dass Ihre Schwester schwer an Krebs erkrankt ist. Dürfen wir hier behilflich sein?

    S: Nur wenn Sie dann auch die Sonne im Norden aufgehen lassen.

    X: Wenn Sie das wünschen, gerne.

    S: Sie verstehen sicher, dass mir dieser Spaß jetzt zu weit geht.

    S dreht sich um und geht -

    X: Warten Sie!

    S stoppt, schaut über die Schulter -

    X: Wenn es Ihrer Schwester morgen wieder gut geht, gerade so, als wäre nie etwas geschehen, dann würde ich mich freuen, Sie hier am gleichen Ort zur gleichen Uhrzeit wieder zu treffen.

    S wendet sich endgültig ab und geht. -

    Am darauf folgenden Tag im Museum: Gleicher Raum, etwas anderes Licht. X steht regungslos da und wartet. S betritt den Raum, emotional sichtlich erregt. -

    X: Ich freue mich aufrichtig, Sie zu sehen.

    S mustert X lange von oben bis unten. Dann bricht es aus ihr heraus. -

    S: Ich war heute Morgen im Krankenhaus, so wie ich es jeden Tag seit nunmehr sechs Wochen fest in meinen Tagesablauf verankert habe. Bei meiner Schwester sind keine Tumore mehr nachweisbar. Das aktuelle CT war negativ, genau wie die Blutwerte. Sie ist heute Mittag als vollständig genesen entlassen worden. Und die Sonne ging im Norden auf. Die Zeitungen waren voll davon!

    X: So wie ich es Ihnen vorhergesagt habe. Ich wusste, Sie würden mir sonst niemals Glauben schenken. Ich denke, Sie haben nun den Beweis, dass wir keine Späße machen. Unser Angebot ist real.

    S: Wer sind Sie?

    X: Wie ich bereits gestern erwähnt habe, vertrete ich eine fremde Spezies in ihrem Kaufinteresse gegenüber der Menschheit, betreffend ihres Planeten.

    S: Ich soll Ihnen also im Namen der Menschheit die Erde verkaufen?

    X: Genau so ist es.

    S: Das ist mehr als schwer zu glauben.

    X: Ich bin in der Lage, auch Ihre letzten Zweifel zu beseitigen.

    S: Eine verrückte Geschichte, aber erzählen Sie bitte. Was natürlich nicht heißen soll, dass ich mich auf irgendetwas einlassen werde. Ich möchte nur gerne die ganze Geschichte hören.

    X: Nun gut. Es ist im Prinzip ganz einfach. Die Spezies, die ich vertrete, möchte gerne in der Zukunft Ihren Planeten nutzen. Nur ist eine Koexistenz mit der Menschheit leider nicht möglich. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. Daher bleibt uns nur der Weg des Kaufs. Natürlich könnte meine Spezies den Planeten auch gegen Ihren Willen einfach in Besitz nehmen, aber ein solches Vorgehen verstieße gegen die ethischen Grundvorstellungen unserer Gesellschaft. Somit streben wir eine Art Tauschgeschäft an. Wir bieten Ihnen ein Paradies für die aktuellen Generationen im Tausch für Ihren Planeten. Konkret hieße das: etwa hundert Jahre ohne Schmerz, Hunger und Krieg, sowie die Erfüllung beinahe aller Wünsche eines jeden Individuums, solange diese nicht im Widerspruch mit den Wünschen anderer Individuen stehen. Alles Leid auf diesem Planeten würde von heute auf morgen verschwinden. Kein Hunger, keine Krankheiten, keine Schmerzen, keine seelischen Leiden, keine Unterdrückung, keine Versklavung, keine Bevormundung. Wir würden all diese Übel beseitigen. Ein Menschheitstraum würde wahr. Ein echtes Paradies entstünde. Im Gegenzug müssen wir jedoch die Fortpflanzungsfähigkeit der Menschen ab dem Zeitpunkt Ihrer Entscheidung unterbinden. Man könnte von einer globalen Sterilität sprechen. Kein Mensch käme dadurch zu direktem Schaden. Jedoch würde die Menschheit natürlich in Folge zahlenmäßig kontinuierlich abnehmen.

    S: Eine abenteuerliche Geschichte. Sie verstehen aber sicher, dass ich Ihnen nicht die ganze Erde verkaufen könnte – selbst wenn ich Ihnen glaube – was ich nicht tue. Und selbst wenn das Angebot noch so verlockend wäre. Wer bin ich, eine solche Entscheidung zu fällen?

    X: Es ist Ihnen vielleicht nicht direkt bewusst, aber natürlich fällen Sie jeden Tag Entscheidungen eben diesen Ausmaßes. Es ist für jeden Menschen ein geradezu alltäglicher Akt. Wir brauchen gar nicht so weit zu gehen uns denjenigen Menschen zuzuwenden, die mit einem einzigen Knopfdruck ihren Planeten für alle Zeiten unbewohnbar machen würden. Ein jeder Mensch fällt jeden Tag unendlich viele Entscheidungen, die das Schicksal, auch ein endgültiges, Ihres Planeten betreffen. Den meisten Menschen ist dies nur nicht direkt bewusst. Jede Handlung, für die Sie sich entscheiden, summiert sich mit den Handlungen aller anderen Menschen und führt so zu einer Veränderung. Sie tolerieren Dinge, unterstützen Strömungen und Moden oder fügen sich in Situationen. Und am Ende formen Sie durch Ihr Verhalten auch ganz direkt die neuen Generationen. Jeder Mensch bestimmt ganz aktiv die Zukunft seines Planeten. Und niemand fragt dabei nach einer Erlaubnis. Jeder bestimmt immer für alle. Es ist also ein ganz natürlicher Vorgang. Einzig die Dimension ist eine etwas andere. Daher sage ich Ihnen: Machen Sie sich Gedanken über die Menschen und dann entscheiden Sie. Wir werden keinen Zwang auf Sie ausüben. Sollten Sie uns jedoch nach einem Jahr keine Entscheidung mitgeteilt haben, werden wir annehmen, dass Sie dem Verkauf zustimmen.

    S: Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen keinen Glauben schenken.

    X: Das verstehe ich. Wir werden uns aber zu gegebener Zeit noch einmal bei ihnen melden. Ich bin sicher, Sie werden dann bereit sein, unser Angebot zu überdenken. An dieser Stelle ist meine Aufgabe erst einmal beendet. Ich habe meine Botschaft überbracht.

    X verabschiedet sich und verlässt den Raum. S steht noch eine Weile nachdenklich vor der Darstellung einer frühneuzeitlichen Menschensiedlung. Dann wendet auch sie sich zum Gehen. -

    Der Vortrag

    Während eines beruflichen Aufenthaltes in Berlin, übernachtet die junge Verlegerin S im besten Hotel der Stadt. Normalerweise schläft sie bei einer Freundin aus Studientagen, aber diese hat Besuch und das Gästezimmer ist belegt. So kam es, dass S, während sie durch die Lobby ihres Hotels hastet, um den Termin mit einer großen Einzelhandelskette noch rechtzeitig wahrzunehmen, die Ankündigung eines Vortrages auf der Anzeigentafel bemerkt. Ohne genau zu wissen warum, stoppt sie kurz entschlossen und wendet sich dem Plakattext zu. Im Rahmen eines Kongresses wird Dr. K einen Vortrag halten mit dem Thema „Die innere Moral des Menschen". Da ist sie wieder, die

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