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Beichtgeheimnisse: Geschichten für Leicht- und Schwergläubige
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Beichtgeheimnisse: Geschichten für Leicht- und Schwergläubige
eBook172 Seiten2 Stunden

Beichtgeheimnisse: Geschichten für Leicht- und Schwergläubige

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Über dieses E-Book

In der Kirche menschelt es gehörig. Aber was die Menschen in der Kirche, die Pilger auf Wallfahrt, die Kinder beim Krippenspiel und selbst den Papst im Vatikan umtreibt – das bleibt nicht lange geheim. Was versteckt der Pfarrer auf dem Dachboden hinter den alten Bistumsblättern? Warum um Gottes Willen kauft sich die Reitmayerin ein Grab mit Blick auf ihr Haus? Und warum klebt dem Papst beim Empfang der italienischen Fechtweltmeister Kaiserschmarrn am Ärmel? Nicht ganz normale Geschichten aus einer Welt, in der die Pfarrhaushälterin legendär ist und man bei Eheproblemen den Pfarrer einschaltet.
SpracheDeutsch
HerausgeberCamino
Erscheinungsdatum20. Sept. 2018
ISBN9783961579846
Beichtgeheimnisse: Geschichten für Leicht- und Schwergläubige

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    Buchvorschau

    Beichtgeheimnisse - Christoph Biermeier

    Fahrt

    Pfarrer Rauschegger war schon seit vielen Jahren in der Gemeinde. Er war so lange hier, dass man meinen konnte, er sei schon immer da gewesen. Eine ganze Generation von Kindern hatte er getauft, sie zur Kommunion gebracht, ihnen die Firm-Ohrfeige verpasst, sie schließlich verheiratet und auch den einen oder die andere schon unter die Erde gebracht. Pfarrer Rauschegger gehörte zur Gemeinde wie das Läuten der Glocken und das Reifen der Äpfel im Herbst.

    Er war ein freundlicher Mann und die Gemeinde mochte ihn. Ein wenig seltsam sah er zwar aus, spindeldürr wie er war, mit stets zerzaustem Haar, das im Laufe der Jahre immer noch ein wenig weißer geworden war. Eine riesige Hornbrille saß auf einer imposanten Hakennase und gab ihm ein gelehrtes Aussehen. Seine Gemeinde schätzte ihn, weil er immer ein offenes Ohr hatte. Wenn die Seele zwickte, dann hörte er zu. Theologischen Rat gab er nur selten, weil er ohnehin der Überzeugung war, dass jeder Mensch am besten sich selber hilft, und wenn das nicht mehr reichte, dann würde Gott es schon richten. Oder wenigstens ein Arzt.

    »Die Axt im Haus erspart den Zimmermann«, war einer seiner seltenen Ratschläge. Meist schwieg er und hörte zu. Sein Schweigen aber brachte die Menschen zum Reden und schau an - es ging ihnen danach besser. Seine Predigten waren milde und das mochten die Gläubigen. Weil er außerdem mit eher gleichförmiger Stimme predigte, konnte man währenddessen ein erholsames Nickerchen halten. Auch das dankte man ihm.

    Nach der Kirche ging er zum Frühschoppen, trank dort ein Radler, nie mehr, und ging Punkt zwölf Uhr nach Hause. So verging die Zeit im immer gleichen Wechsel von Ostern, Pfingsten und Weihnachten.

    Als einmal ein Verwandter des Mesners zu Besuch kam, meinte er: »Euer Pfarrer, das muss ja ein lustiger Kerl sein, wenn er schon Rauschegger heißt.«

    »Naja«, sagte darauf der Mesner, »so direkt kann man das jetzt auch nicht sagen. Es ist eher so, wenn die Kirche eine Straße ist, dann ist unser Pfarrer Rauschegger der Mittelstreifen.«

    »Verstehe«, antwortete der Verwandte und fragte nach einem Schnaps.

    Hätte der Pfarrer Rauschegger sich nicht das Bein gebrochen, dann wäre alles so weitergegangen. Aber dann rutschte er auf einer der ersten Eisplatten des Jahres aus: Der Mesner nahm es in letzter Zeit nicht mehr so genau mit seinen Aufgaben und so hatte er den ersten Frost verschlafen. Der Pfarrer aber war wie immer früh aufgestanden und sein Morgenspaziergang endete schon nach wenigen Metern mit einer unfreiwilligen Rutschpartie, die ihrerseits abrupt an einem Stufengeländer endete.

    Jetzt lag der Herr Pfarrer also im Krankenhaus und der Mesner bekam von seiner Frau einiges zu hören, um nicht zu sagen auf die Ohren. Den Herrn Pfarrer so kurz vor Weihnachten außer Gefecht zu setzen, noch dazu aus Nachlässigkeit, weil wahrscheinlich wieder zu viel Schnaps am Abend davor und überhaupt, was sollen da die Leute denken, wenn man nicht einmal mehr gefahrlos in die Kirche gehen kann, weil er, der Mesner, nicht in der Lage ist, zu streuen und damit den Herrn Pfarrer ins Krankenhaus bringt, wo er ja nichts zu suchen hat, weil ein Pfarrer in die Kirche gehört und nicht in ein Krankenhaus, und wenn doch, dann höchstens als Besucher einer kranken Person, aber doch nicht als Kranker selber. Wo kommen wir denn da hin!

    Freilich war der Mesner zerknirscht, aber andererseits war es jetzt schon passiert und ändern konnte er jetzt auch nichts mehr. Ärgerlich war nur, dass ihm seine Frau den abendlichen Schnaps verbot. Er versuchte sie noch auf ein winziges Glas pro Tag hoch zu handeln, weil der Frost ja sozusagen aus heiterem Himmel gekommen war, also gänzlich unvorhergesehen. Aber ein Blick, genauer gesagt dieser ganz bestimmte Blick seiner Frau, ließ ihn verstummen. Hier war erst einmal nichts mehr zu holen. Er würde sich ganz schön anstrengen müssen, um das wieder einzurenken. Aber Anstrengungen verabscheute der Mesner, weil sie eben anstrengend waren. Ein Schnaps wäre jetzt genau das Richtige. Aber das ging ja nicht mehr.

    Die Lage, das erkannte der Mesner jetzt, war verzwickt.

    Selbstverständlich war die Mesnerin sofort ins Krankenhaus gefahren, um nach ihrem Herrn Pfarrer zu sehen. Weil der Herr Pfarrer war schon ein wenig ihr Pfarrer, seit seine Schwester, die ihm den Haushalt gemacht hatte, vor einigen Jahren gestorben war. Er mochte es zwar nicht, wenn sie ihm anbot, seine Wohnung zu putzen oder zu waschen oder ihm auch einmal einen Braten zu kochen. Und immer, wenn sie es ihm anbot, antwortete er leise, aber bestimmt:

    »Wenn die katholische Kirche ihren Pfarrern zutraut, ein gottgefälliges Leben ohne Ehefrau zu führen, dann traut sie ihnen auch zu, sich selber zu versorgen. Mehr noch, wenn die katholische Kirche ihre Pfarrer verpflichtet, ein Leben ohne selbige Frau zu führen, so ist es auch eine Verpflichtung für diese Pfarrer, für sich selber zu sorgen. Und wenn Sie mich ständig dazu nötigen, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, dann verstoßen Sie gegen diese Verpflichtung und gegen die Regeln der Kirche, so wie ich sie verstehe. Haben wir uns verstanden?«

    Immer wenn der Herr Pfarrer sagte, »haben wir uns verstanden?«, dann war das Gespräch beendet, was natürlich ein wenig seltsam war, weil wer beendet schon ein Gespräch mit einer Frage an den anderen?

    Sie nickte verständnisvoll und dachte, was für ein Unsinn. Als ob das Leben eines Pfarrers nicht schon schwer genug ist mit all den Verpflichtungen und jeder schaut auf ihn und an ihm hoch. Das ist doch nicht leicht, dachte sie, da kann man doch ein wenig Hilfe annehmen, katholische Kirche hin oder katholische Kirche her. Ich glaube, er wird ein wenig wunderlich in letzter Zeit. Ein Seufzer entrang sich ihrer Brust. Wie die Zeit verfliegt!

    Im Übrigen hielt sie sich keineswegs an seine Anweisungen. Wenn er nicht wollte oder durfte, dann musste sie es eben heimlich tun. Also wartete sie, bis er wegen einer Messe, einer Hochzeit oder einer Beerdigung außer Haus war, und schlich sich in seine Wohnung. Nicht einmal ihr Mann wusste von ihren geheimen Besuchen, auch wenn er sich ein wenig wunderte, dass sie manchmal einfach verschwand. Frauen, dachte er dann und dass man diese Wesen nie so richtig verstehen wird.

    Die Mesnerin aber schlüpfte schnell in die Rauschegger-Wohnung, staubte hier ein Bücherregal ab, wischte da ein wenig und räumte vorsichtig auf und, ja, inspizierte auch die eine oder andere Schublade. Ordnung musste schließlich sein. Die äußere Ordnung spiegelt die innere Ordnung, war ihr Leitspruch. In dieser Hinsicht war sie mit ihrem Pfarrer sehr zufrieden. Aus ihrer katholischen Sicht waren das Pfarrhaus und der Herr Pfarrer in einer guten Ordnung. Sie musste nur wenig nachbessern und gelegentlich regulierend eingreifen. Dann wusch sie und ließ die nasse Wäsche in der Maschine und beklagte sich bei ihm, dass Männer, insbesondere ihr eigener, immer die Wäsche in der Maschine vergessen würden, die daraufhin zu muffeln beginnt. Meist verstand der Herr Pfarrer den Wink und schon bald sah sie ihn die nasse Wäsche auf den Speicher zum Aufhängen bringen. Manchmal füllte sie vorsichtig seinen Kühlschrank. Dazu legte sie etwa zu der einzelnen Tomate noch zwei neue, ersetzte den Käsekrumen durch ein größeres Stück der gleichen Marke oder füllte das fast leere Marmeladenglas wieder auf. Sie musste dabei sehr behutsam vorgehen. »Ein falsches Stück Wurst kann alles verraten«, sagte sie sich immer wieder.

    Gelegentlich beschlich sie der Verdacht, dass der Herr Pfarrer sehr wohl ahnte, dass er seine Wohnung mit einem Heinzelmännchen, also ihr, der Mesnerin, teilte.

    Einmal predigte er vom Wunder der Brotvermehrung und gerade, als er erklärte, wie es dem Herrgott möglich gewesen war, 5000 Menschen mit fünf Semmeln und zwei Fischen satt zu machen, musterte er sie mit einem prüfenden Blick, dass sie ein Schauer durchlief und sie sich vornahm, ihre Ausflüge einzustellen. Doch dann siegte jedes Mal wieder ihre Fürsorgepflicht und wieder schlich sie in die Pfarrwohnung.

    Nun aber war der Herr Pfarrer im Krankenhaus und da würde er wohl noch einige Zeit bleiben müssen. Der Krankenwagen hatte ihn weggebracht. Der arme Mann musste versorgt werden mit dem, was ein Pfarrer eben so braucht im Krankenhaus. Sie beschloss, ihm den violetten Schlafanzug zu bringen, der so schön seidig schimmerte und sich so gut anfühlte, wenn sie drüberstrich. Sie warf ihrem Mann noch einen strengen Blick zu, den der mit einem schuldbewussten Seufzer quittierte, und schon schlüpfte sie hinüber zum Pfarrer Rauschegger. Sie hatte kaum die Tür des Pfarrhauses geöffnet, da sah sie es!

    Fast hätte sie der Schlag getroffen, so sehr erschrak sie. Sie musste sich erst einmal setzen und tief durchatmen. Sie schloss die Augen, zählte innerlich bis 20 und öffnete sie wieder. Nein, sie hatte nicht geträumt, es war auch keine Einbildung gewesen. Was sie erblickte, war wirklich. Und es war schrecklich!

    Im Wohnzimmer war der alte Holztisch feierlich eingedeckt. Für zwei Personen! Eine schwere Brokattischdecke lag darauf. Tiefe Porzellanteller, ein Kerzenständer, Silberbesteck, eine Flasche Rotwein und ein Blumenstrauß mit verdächtig vielen roten Rosen! Die Mesnerin wusste es sofort: Das hier war ein Rendezvous. Ihr Pfarrer Rauschegger hatte ein Rendezvous oder vielleicht auch noch mehr. Viel mehr, um genau zu sein. Ihr wurde schwindlig. Und sie machte sich Vorwürfe. Warum hatte sie das nicht verhindert? Warum hatte sie nicht gründlicher die Wohnung kontrolliert? Dann wären ihr die Tischdecke, das Silber und all die anderen schändlichen Sachen aufgefallen. So aber war es zur Katastrophe gekommen und sie war schuld. Dieses Haus betrete ich in meinem Leben nicht mehr, schwor sie sich. Sie sprang auf und lief hastig hinaus auf die Straße. Nein, so nicht, schoss es ihr durch den Kopf. So kommst du mir nicht davon! Sie lief zurück und warf die Blumen in die Mülltonne, packte die restlichen Sachen fürs Krankenhaus in eine Tasche und verließ die Wohnung, ohne das Wohnzimmer der Sünde auch nur eines einzigen weiteren Blickes zu würdigen.

    Es hätte nicht viel gefehlt und der Herr Pfarrer Rauschegger hätte ihr leidgetan, wie er da in seinem Krankenzimmer lag. Das kaputte Bein war hochgelegt und unter einem dicken Gipsverband verschwunden. Der Herr Pfarrer schien zu schlafen.

    »Sie müssen gar nicht so tun, als ob Sie schlafen«, hörte die Mesnerin sich sagen und erschrak ein wenig über sich selber. Aber andererseits, die Sache musste jetzt geklärt werden. »Ich weiß schon, dass Sie nicht schlafen.«

    »Sie haben recht, aber mein Bein tut mir weh und da will ich lieber keinen Besuch!«, sagte der Pfarrer und stöhnte gequält auf.

    »Zumindest nicht mich, ich weiß! Sie empfangen ja lieber andere Gäste, geheime!«, entfuhr es ihr und sie staunte nicht schlecht über ihren Ton.

    »Sie haben es gesehen«, sagte der Pfarrer Rauschegger nach einer langen Pause. Einer sehr, sehr langen Pause.

    »Freilich hab ich es gesehen, das ganze Sodom und Gomorra!«, brach es aus ihr heraus. »Rotwein, Blumen und sogar eine Tischdecke. Sie Casanova, Sie! Wissen Sie, was mich am meisten ärgert? Dass ich es nicht gemerkt habe. Ja, nicht einmal geahnt. Sie haben mich hinters Licht geführt mit Ihren Affären.«

    Pfarrer Rauschegger war mit einem Mal ganz bleich geworden.

    »Was reden Sie denn da für einen Unsinn? Affären? Wie kommen Sie auf so einen Blödsinn?«

    »Rotwein und Kerzenlicht! Was soll denn das sonst bedeuten?« Jetzt schluchzte sie.

    Eine sehr lange Zeit antwortete der Pfarrer nichts. Er schien nachzudenken. Stille legte sich über das Krankenzimmer.

    Gott sei Dank, dachte sie, ist das ein Einzelzimmer. Nicht auszudenken, wenn das jemand mitbekommen würde.

    Endlich räusperte sich der Pfarrer. Leise und stockend begann er zu sprechen. So leise, dass sie sich vorbeugen musste. Es war ein wenig so, als würde sie ihm die Beichte abnehmen.

    »Also … ja … wie gesagt … ich weiß auch nicht … das ist eben nicht leicht für einen Pfarrer … Sie wissen schon!«

    »Nichts weiß ich! Überhaupt nichts. Herrgott, Hochwürden, jetzt lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen. Das Kind ist jetzt schon in den Brunnen gefallen und diese Schüssel müssen Sie jetzt selber auslöffeln.«

    Die Wahrheit musste ans Licht, sie würde nicht eher Ruhe geben, bis alles aufgeklärt war. Aber was dann?

    »Ich weiß schon, dass es ein Kreuz ist mit dem Zölibat!«

    »Wieso Zölibat? Das hat doch mit dem Zölibat nichts zu tun. Also gut. Dann soll’s so sein. Schauen Sie, liebe gnädige Frau, der Zölibat ist eine Sache, die sich ein Pfarrer selbst auferlegt. Wenn er diese Berufung annimmt, dann akzeptiert er das freiwillig. Ob das immer leicht ist oder nicht, das ist nicht die Frage. Es ist, wie

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