Die eigene Freude wiederfinden
Von Anselm Grün
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Über dieses E-Book
Anselm Grün
Anselm Grün, Dr. theol., geb. 1945, Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, geistlicher Begleiter und Kursleiter in Meditation, Fasten, Kontemplation und tiefenpsychologischer Auslegung von Träumen. Seine Bücher zu Spiritualität und Lebenskunst sind weltweite Bestseller – in über 30 Sprachen.Sein einfach-leben-Brief begeistert monatlich zahlreiche Leser (www.einfachlebenbrief.de).
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Buchvorschau
Die eigene Freude wiederfinden - Anselm Grün
Anselm Grün
Die eigene Freude wiederfinden
Impressum
Neuausgabe 2017
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2009 und 2017
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Titel der Originalausgabe:
Die eigene Freude wiederfinden
© 1998 Kreuz Verlag GmbH & Co. KG Stuttgart, Zürich
Umschlaggestaltung: zero-media.net
Umschlagmotiv: © FinePic®, München
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book): 978-3-451-81060-2
ISBN (Buch): 978-3-451-06959-8
Inhalt
Einleitung
Annäherung an die Freude
Freude und Lust
Freude als Ausdruck erfüllten Lebens
Freude und Kreativität
Freudenbiographie
Die Spur der Lebendigkeit
Die Freudenspur des Kindes
Die Spur meiner ureigensten Spiritualität
Die Freude aus sich heraussingen
Die lebenserneuernde Kraft der Freude
Den inneren Raum finden
Die eigene Spiritualität entdecken
Ein Märchen, das Freude macht
Freude als unvermutetes Geschenk
Die Kunst, sich zu freuen
Ist Freude erlernbar?
Alle Gefühle zulassen
Freude drängt zum Tun
Verantwortung für die eigene Lebenskultur
Vom Recht, sich auch mal schlecht zu fühlen
Die Neubewertung der Ereignisse
Der dritte Weg zur Freude
Die Freude an mir selbst
Kohelet als Botschafter der Freude
Freude an meiner Einmaligkeit
Freude an meinem Leib
Freude über meine Lebensgeschichte
Die Freude am Tun
Freude am Augenblick
Freude am Erfolg
Freude am Miteinander
Die Kirche als Miteinander in Freude
Einander Freude machen
Die Freude an der Schöpfung
Die vielen kleinen Freuden des Alltags
Naturerfahrung als Gotteserfahrung
Freude und Gesundheit
Die Weisheit der Bibel
Freude als Antriebsfeder
Freude und Liebe
Die Freude an Gott
Die unvergängliche Freude Gottes
Die vollkommene Freude im Johannesevangelium
Ein Athosmönch der Freude
Jesu, meine Freude
Freude im Leiden
Freude über das Leiden
Schmerz und Freude
Freude im Leiden
Freude und Sorglosigkeit
Fest und Freude
Fest und Freude bei den Griechen
Christliche Festesfreude
Die Kunst ein Fest zu feiern
Freude und Singen
Das persönliche Magnifikat
Anmerkungen
Einleitung
Freude kann man nicht machen. Das Buch wird in Ihnen nicht automatisch Freude hervorrufen. Aber in jedem von uns ist neben den Gefühlen von Traurigkeit und Ärger, von Angst und Depression auch ein Raum der Freude. Oft sind wir von der auf dem Grunde unseres Herzens liegenden Freude abgeschnitten. Und dann meinen wir, es gäbe keinen Grund zur Freude. Und manchmal wehren wir uns auch gegen die Freude, die in uns ist. Wir möchten lieber jammern, weil uns das mehr Zuwendung bringt als innere Zufriedenheit und ein frohes Herz. Es gibt viele Facetten der Freude in uns, die stille innere Freude, die selbst durch Enttäuschung und Leid nicht verdunkelt wird, die explosive und ekstatische Freude, in der wir am liebsten in die Luft springen möchten, die Freude an uns selbst, die Freude am Leben, die Freude an der Schöpfung und schließlich die Freude an Gott. Vielleicht kennen Sie in sich nur die verhaltene Freude. Sie sind nicht der Typ, der eine Gesellschaft unterhalten kann. Dann trauen Sie Ihrer Art von Freude, ohne sich zu einer Freude zu zwingen, die für Sie nur aufgesetzt wäre.
In der Kirche habe ich oft Predigten gehört, die mich aufforderten, ich solle mich doch freuen. Da wurde immer wieder der heilige Paulus zitiert: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!" (Phil 4, 4). Solche Aufforderungen zur Freude haben bei mir immer zwiespältige Gefühle ausgelöst. Zum einen ist da sicher die Sehnsucht, mich wirklich freuen zu können. Zum anderen kommt da das Gefühl hoch: Es ist zu einfach, zur Freude aufzufordern. Ich kann mich nicht freuen, nur weil ein anderer das jetzt will. Ich kann mich nicht auf Befehl freuen. Freude kann man nicht einfach machen. Und all die Begründungen, der Christ habe allen Grund zu Freude, er müsse sich doch eigentlich immer freuen, weil er erlöst sei, helfen mir nicht zu wirklicher Freude. Sie machen mich eher aggressiv. Ich kann mich nicht immer und überall freuen. Ich will auch traurig sein dürfen, wenn es für mich gerade stimmt. Bei vielen, die ständig von der Freude reden, spüre ich hinter der Freudenfassade eine tiefe Traurigkeit, ja manchmal Leere und Verzweiflung. Daher überzeugen sie mich nicht. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, sie müssen sich die Freude einreden und sich gegenseitig zur Freude auffordern, weil sie sie in sich nicht wirklich haben.
Wenn ich daher in diesem Buch über die Lebensspur der Freude schreibe, dann möchte ich nicht in diese billige Aufforderung zur Freude einstimmen.
Ich möchte die Spur beschreiben,
die wieder zum Leben führt.
Ich möchte vielmehr in Erinnerung an all die Menschen, die ich begleite und die mir sehr viel von ihren Verletzungen und Schmerzen erzählt haben, die Spur beschreiben, die sie schließlich wieder zum Leben geführt hat. Und diese Lebensspur hat immer auch mit Freude zu tun. Jeder hat in sich einen Raum der Freude, auch wenn er oft verschüttet ist, auch wenn er nicht immer in Berührung damit ist. Jeder hat sich schon einmal richtig freuen können. Jeder weiß aus Erfahrung, wie sich Freude anfühlt und wie gut sie ihm tut. Sich an diese Erfahrung von Freude zu erinnern, ruft sie wieder in uns hervor und kann ihre heilsame Kraft von neuem wirksam werden lassen.
Ein Weg der Therapie ist, die Wunden anzuschauen und aufzuarbeiten, sich noch einmal in sie hineinzuspüren, damit sie sich wandeln können, und sich auszusöhnen mit seiner Lebensgeschichte, die voller Verletzungen ist. Das ist ein wichtiger Weg. Aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben. Wir dürfen nicht immer nur fragen, was uns krank gemacht hat, sondern sollten genauso auch untersuchen, was uns denn gesund macht¹, was uns zum Leben führt. Ich erlebe in letzter Zeit viele Menschen, die ständig nur in ihrer Vergangenheit graben, die sich den Kopf zerbrechen, was sie noch alles an kindlichen Verletzungen aufarbeiten müssen und welche Formen der Therapie noch helfen könnten. Wir sollen die Augen nicht vor der Wahrheit unseres Lebens verschließen. Und manchmal stößt uns das Leben mit Nachdruck auf die eigenen Wunden. Dann müssen wir uns ihnen zuwenden. Aber bei manchen ist die Suche nach den eigenen Verletzungen auch zu einer Sucht geworden, die sie davor bewahrt, sich den Problemen zu stellen, die ihnen das Leben heute stellt. Indem sie ständig in den Wunden ihrer Vergangenheit bohren, verhindern sie Heilung, bringen sie sich um die Lebendigkeit, nach der sie sich sehnen.
Das Thema Freude lädt mich dazu ein, nach Spuren in meiner Lebensgeschichte zu suchen, die von Freude und Lebendigkeit geprägt waren. Anstatt immer nur nach krankmachenden Erfahrungen in der Kindheit Ausschau zu halten, sollten wir uns auch an die vielen Erlebnisse erinnern, in denen wir voller Freude und Fröhlichkeit waren, in denen wir so richtig die Lust am Leben gespürt haben. Solche Spuren bringen uns in Berührung mit der eigenen Lebendigkeit, sie können unsere Wunden, die genauso zu unserer Geschichte gehören, oft besser heilen als das ständige Kreisen um die Kränkungen, die wir erfahren haben. Die Spur der Lebendigkeit ist für mich zugleich auch die Spur, auf der ich Gott in meinem Leben entdecke. Für mich besteht die geistliche Begleitung darin, in den Menschen die Spur ihrer Lebendigkeit zu entdecken. Denn auf dieser Spur begegnen sie dem wirklichen Gott, dem heilenden und befreienden Gott, dem Gott, der sie zu ihrer Lebendigkeit, zu ihrer Lebensfreude, zu ihrer einmaligen Gestalt führt.
Mit der Freude in Berührung zu kommen, ist für Leib und Seele heilsam. Daher möchte das Buch Sie einladen, dass Sie die Freude auf dem Grund Ihres Herzens neu entdecken. Wenn Sie über die Erfahrungen der Freude bei anderen Menschen lesen, kommen Sie vielleicht wieder stärker mit der Quelle der Freude in Berührung, die in Ihnen ist. Und vielleicht beginnt diese Quelle dann wieder von neuem zu sprudeln. Ich möchte Sie ermutigen, Ihr eigenes Leben bewusst einmal unter dem Aspekt der Freude anzuschauen. Sie werden auch in Ihrer Lebensgeschichte Spuren der Freude und der Lebendigkeit finden. Von diesen Spuren aus können Sie den Weg entdecken, den Sie heute weitergehen sollten, damit Ihr Leben heil wird und ganz, damit Sie Ihre Einmaligkeit leben, die Sie von Gott her haben, und damit Sie Ihre ureigenste Spiritualität finden, die Sie zu Gott und zu Ihrem wahren Selbst führt.
Annährung an die Freude
Als ich mich mit dem Thema Freude zu beschäftigen begann, las ich zuerst bei den Philosophen und Psychologen, was sie bereits an wichtigen Einsichten formuliert haben. Und ich sah in theologischen Lexika und in Bibelwerken nach, was denn die Bibel und die Theologie zum Thema Freude denken. Ich möchte den Leser nicht mit allen Richtigkeiten über die Freude langweilen, die ich da gefunden habe. Denn je mehr ich versuchte, das Wesen der Freude von der Philosophie oder Psychologie her zu beschreiben oder die biblischen Verse von der Freude zu zitieren, desto weniger Lust hatte ich am Schreiben, so dass ich das Buch erst einmal liegen lassen musste. Es wollte einfach nicht fließen. Und ich wollte nicht lustlos an das Thema Freude herangehen. Da könnte ich zwar sicher Richtiges über die Freude schreiben, aber vermutlich würde da keine Freude auf den Leser überspringen. Ich spürte, dass ich einen anderen Zugang brauchte. Dennoch sind mir einige Gedanken der Philosophen für mein eigenes Nachdenken wichtig geworden. Da ist vor allem die Einsicht, dass Freude Ausdruck des Seins ist, Ausdruck von intensivem Leben und Kreativität. Wir können die Freude nicht direkt erstreben. Wir können nur versuchen, intensiv und schöpferisch zu leben. Dann wird sich auch die Freude als Ausdruck von Lebendigkeit und Kreativität einstellen.
Freude und Lust
Was mir beim Studium der griechischen Philosophie auffiel, war einmal die Trennung von Freude und Lust, an der wir Christen wohl heute noch leiden. Wenn Theologen von Freude sprechen,