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Berg-Karabach: Aus den Quellen erforschte Geschichte
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Berg-Karabach: Aus den Quellen erforschte Geschichte
eBook305 Seiten3 Stunden

Berg-Karabach: Aus den Quellen erforschte Geschichte

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Über dieses E-Book

Im Buch wird die Geschichte der Region Berg-Karabach einschließlich der historischen Wurzeln des armenisch-aserbaidschanischen Berg-Karabach-Konflikts, basierend auf Quellen der Antike, dem Mittelalter und der modernen zeitgenössischen Geschichte, erforscht.
Das Buch befasst sich mit den demografischen Veränderungen im Konfliktgebiet, dem bewaffneten Kampf, den aktuellen Verhandlungsprozessen sowie der Haltung der internationalen Organisationen in dieser Situation.
Die im Buch dokumentierten historischen Ereignisse, die während des Zerfalls der Sowjetunion eskalierten, belegen, dass Berg-Karabach seit uralten Zeiten ein integraler Bestandteil Aserbaidschans ist.
Der Leser macht sich in diesem Buch mit unwiderlegbaren Tatsachen vertraut und lernt Ursachen und Hintergründe verstehen, die zum noch heute bestehenden Problem um Berg-Karabach geführt haben.
Das Buch ist für einen breiten Kreis von Lesern, Historikern, Politikwissenschaftlern, Juristen für internationale Beziehungen, Konflikt-Wissenschaftlern, Anthropologen und Soziologen gedacht.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Juli 2017
ISBN9783952475157
Berg-Karabach: Aus den Quellen erforschte Geschichte
Autor

Ramiz Mehdiyev

Ramiz Mehdiyev ist Leiter des Präsidial­amtes der Aserbaidschanischen Republik. Mehdiyev hat über hundert wissenschaftliche Publikationen zu nationalen und gesellschaftspolitischen Fragen des modernen aserbaidschanischen Staates und der Gesellschaft im Allgemeinen verfasst, darunter «Aserbaidschan: historisches Erbe und Philosophie der Unabhängigkeit», «Aserbaidschan: Aufruf zur Globalisierung» und «Auf dem Weg zur Demokratie». Im Jahr 2001 wurde Mehdiyev zum Mitglied der New Yorker Akademie der Wissenschaften gewählt.

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    Buchvorschau

    Berg-Karabach - Ramiz Mehdiyev

    Ramiz Mehdiyev

    BERG-KARABACH

    Aus den Quellen erforschte Geschichte.

    Das Buch von Ramiz Mehdiyev, ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften Aserbaidschans, ist den historischen Gründen des Berg-Karabach-Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan gewidmet. Mit Bezugnahme auf verschiedene historische Quellen des Altertums, der Antike, des Mittelalters und der Zeitgeschichte wurden die Entstehungsursachen des Konflikts geschildert, die territoriale Zugehörigkeit Berg-Karabachs zu den aserbaidschanischen Staaten begründet sowie die Veränderungen in der demografischen Situation, der bewaffnete Kampf um Berg-Karabach, der aktuelle Verhandlungsprozess durch die Vermittlung der Minsk-Gruppe der OSZE, das Verhältnis der internationalen Organisationen zur Situation in dieser Region, das in ihren Resolutionen und Aussagen seinen Ausdruck gefunden hat, gezeigt. Das Buch ermöglicht einem uneingeweihten Leser, den eigentlichen Kern dieses Problems zu verstehen, sich in den Ursachen und Folgen des bewaffneten Konflikts um Berg-Karabach zurechtzufinden; es erleichtert jedem Interessierten, einen objektiven Bezugspunkt in den Themen zu finden, die in der modernen Politikwissenschaft und Geschichte als Berg-Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan bezeichnet werden.

    Das Buch ist für einen breiten Kreis von Lesern, Historikern, Politikwissenschaftlern, Juristen für internationale Beziehungen, Konflikt-Wissenschaftlern, Anthropologen und Soziologen gedacht.

    Inhalt

    Einleitung

    Retrospektive der armenischen Ethnogenese­­­­­

    Über ein geklärtes Toponym

    Anthropologie der Aserbaidschaner

    Einheitlichkeit der Gebiete des kaukasischen Albanien und Aserbaidschans

    Mythenbildung über die (armenische) Hayastan-Autochthonie im Kaukasus

    Migration der Armenier in den Südkaukasus

    Die kaukasischen Albaner und die Armenier

    Arzach und Karabach

    Verlegung des Katholikats und Umsiedlung

    Expansion der Großmächte und der armenische Faktor

    Aserbaidschanische Khanate zwischen russischem Hammer und iranischem Amboss

    Der letzte Karabach-Khan

    Eine tragische Ankunft

    «Kaukasische Autochthonie» der Armenier

    Der neue Südkaukasus

    Chronologie der ruhigen Expansion

    Die Karabach-Krise: die Spur des Kreml

    Was wurde vor der Öffentlichkeit versteckt?

    Sumgait als ein ideologisches Instrument

    Spitak als Wendepunkt

    Schwarzer Januar im Jahr 1990

    Karakend-Nachklang in Chodschali

    Krieg im «Großen Garten»

    Das Problem und das Recht

    Der Friedensprozess und seine «scharfen Kanten»

    Schlussfolgerungen

    Index

    Einleitung

    Die Geschichte des Südkaukasus widerspiegelt rückblickend die wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte. Wie bekannt ist, haben Rom und Persien, Byzanz und Sassaniden, das arabische Khalifat, das Reich der Safawiden und die osmanische Türkei um den Kaukasus gekämpft. Eine grundlegende Änderung im Schicksal des Kaukasus fand am 14. Mai 1805 nach der Unterzeichnung des Kurekchay-Abkommens statt, nach dem das Khanat Karabach mit seiner ursprünglich aserbaidschanischen Bevölkerung unter die Zuständigkeit des russischen Imperiums kam. Im Jahr 1813 wurde auch das Schicksal von anderen aserbaidschanischen Khanaten besiegelt. Der Gulistan- Friedensvertrag nach dem Ende des ersten russisch-iranischen Krieges bestätigte die Unterordnung von Dagestan, Georgien, Abchasien, der Khanate Bakı, G nc , Şirvan, Ş ki, D rb nd, Quba und Talış in das russische Territorium.

    In dieser Zeit bildeten in diesen Gebieten die Muslime, vor allem die aserbaidschanischen Türken, die Mehrheit der Bevölkerung, wobei die Zahl der Armenier gering war. Sie erschienen dort erst nach 15 Jahren, das heißt nach dem zweiten russisch-iranischen Krieg in den Jahren 1826–1828.

    Der Kaukasus, der aufgrund seiner zentralen Lage auf der interkontinentalen, interzivilisatorischen und interreligiösen Bruchlinie der Solarplexus Eurasiens genannt wird, hat immer eine wichtige Stelle in den geopolitischen Projekten von Machtzentren der Welt eingenommen. Karabach war in einer Weise der Schlüssel zur Region und spielte eine entscheidende Rolle für die Kontrolle über den Kaukasus, insbesondere über seinen Süden.

    Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan wird in der wissenschaftlichen Literatur und in den Lehrbüchern breit widerspiegelt. Über ihn wurden viele Studien veröffentlicht, die ganz verschiedene, manchmal diametral entgegengesetzte Standpunkte über die Ursachen des langjährigen bewaffneten Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan reflektieren.

    Es ist heute eine unbestreitbare Wahrheit, dass der Konflikt viele Menschenleben gekostet hat und bis jetzt nicht gelöst worden ist. Eine politische Regelung dieses Problems wird in die Länge gezogen, und die ideologische Gegenüberstellung, bei der die entscheidende Rolle die Interpretation der Ursachen und der beobachteten Folgen des zwischenstaatlichen Problems spielt, übt einen bedeutenden Einfluss auf sie aus.

    Wenn man die Einstellung der Mehrheit von Autoren betrachtet, die die Besonderheiten der Widersprüche zwischen Armenien und Aserbaidschan zu beleuchten versuchen, stellt man unweigerlich Folgendes fest: Entweder haben die Autoren eine vorgefasste Meinung und ziehen voreilig absurde Schlussfolgerungen, oder sie interpretieren die historischen Ereignisse falsch, wobei sie sich nach abstrakten, oberflächlichen und zufälligen Motiven richten. In jedem Fall basieren die Schlussfolgerungen der meisten Historiker und Konflikt-Wissenschaftler auf ausgewählten historischen Angaben und widerspiegeln deswegen nicht das ganze Bild. Aus diesem Grund können viele Untersuchungen nicht für streng wissenschaftlich und objektiv gehalten werden.

    In diesem Buch wurden zahlreiche Quellen benutzt. Somit hat der Leser die Möglichkeit, selbst die Schlussfolgerung zu ziehen und sich aufgrund der eigenen Überlegungen eine Meinung zu bilden. Es wurden dabei die armenischen und ausländischen Quellen absichtlich hervorgehoben, um zu zeigen, dass die in den breiten wissenschaftlichen Kreisen existierende Meinung darüber, dass zahlreiche Quellen des Altertums sowie europäische und russische Forscher dieser Region das armenische historische Konzept – das heißt die Berechtigung der territorialen Ansprüche gegen Aserbaidschan –, bestätigen, falsch ist.

    Es ist allgemein bekannt, dass beliebige Angaben über einen Konflikt, die von den Vertretern der interessierten Seiten gemacht werden, mitunter von Egozentrik nicht frei sind. Positive Ausnahmen sind nur in den Fällen bekannt, wo die chronologische Reihenfolge der jüngsten Ereignisse unparteiisch ist und von konsequenten Schlussfolgerungen begleitet wird, die sich auf breite und glaubwürdige Beweise stützen. Eine solche Formulierung ermöglicht, die umfassende Konfiguration der kausalen Motivationen zu erstellen, das heißt, sie trägt zur Entstehung des vollständigen Bildes von Voraussetzungen bei, die eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Kollision gespielt haben.

    Die Besetzung der aserbaidschanischen Gebiete Berg-Karabachs enthüllt das Problem der Koexistenz von zwei Staaten, Armeniens und Aserbaidschans, die zu verschiedenen Zivilisationen gehören und unter verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen leben. Der Präsident Aserbaidschans, Ilham Aliyev, betont in seinen zahlreichen Reden die riesige sozialwirtschaftliche Kluft zwischen Aserbaidschan und Armenien, die infolge der Isolation Armeniens von regionalen Projekten gebildet wurde. Aserbaidschan plant eine strategische Entwicklung für die kommenden Jahrzehnte, wobei Armenien versucht, sein Existenzproblem zu lösen. Aber sogar diese unbestreitbare Formulierung gibt keinen Grund zu behaupten, dass der zwischen zwei souveränen Staaten ausgebrochene Konflikt ein charakteristischer Akt der Kollision der Zivilisationen bleibt. Das betonen praktisch alle armenischen Wissenschaftler und vertuschen somit die offenkundige Tatsache der Aggression. Bemerkenswert ist, dass diese voreingenommenen Auffassungen von ausländischen Fachleuten und Konflikt-Wissenschaftlern wiederholt werden.

    Die Entwicklung einer leidenschaftslosen Einstellung zu einem zwischenstaatlichen Konflikt erfordert von jedem Wissenschaftler eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den ideologischen, ethnischen, psychologischen Kultur- und Zivilisationsaspekten des Problems. Ungeachtet dessen, wie groß und vielfältig das Gesamtpotenzial ist, muss man in der Analyse des Materials peinlich genau sein, streng die Abfolge der Ereignisse beachten und jedes Detail, das die eine oder andere Wendung im historischen Prozess postuliert, sorgfältig analysieren. Nur auf diese Weise kann man das vollständigste Bild über die Vergangenheit und die Zukunft der Konfliktsituation haben. Um den Berg-Karabach-Konflikt ist ein enormer Inhalt von Informationen und Analysen akkumuliert worden, der ein zunehmendes Interesse der Fachleute hervorruft. In den durchgeführten Untersuchungen entspricht quantitatives Maß nicht dem qualitativen Erfassen des vorhandenen Materials. Die Schlussfolgerungen und Aussagen der meisten Wissenschaftler ermöglichen einem unvoreingenommenen Leser leider nicht, das Wesen des Konflikts zu verstehen. Deswegen stoßen hin und wieder die Nichteingeweihten, die sich im riesigen Informationsstrom befinden, auf subjektive oder sogar falsche Urteile und Schlussfolgerungen.

    Eine unterschiedliche Herangehensweise an einige Ereignisse der Vergangenheit, offene und versteckte Verfälschung der Geschichte, ein ausgewählter Ansatz zum Verständnis des Prozesses, bringen Verwirrung in die gesamte Situation und führen die so Informierten auf den falschen Weg. Die Beachtung der Logik, die Einhaltung der Regeln der konsequenten Erforschung des Gegenstands, die Suche nach den Antworten auf ausnahmslos alle Fragen scheint die vernünftigste und akzeptabelste Methode bei der Auseinandersetzung mit dem Thema zu sein.

    Diese Einstellung, die auf dem Prinzip der Unparteilichkeit basiert, kann einen umfassenden Überblick über die Voraussetzungen des zwischenstaatlichen Konflikts geben und ihn erklären sowie jedem Interessierten helfen, die Drehungen und Wendungen des Problems zu verstehen. Es ist wichtig, bei unzähligen unerforschten Ereignissen und bei den durch sie verursachten Unklarheiten das Tüpfelchen aufs «i» zu setzen, und dabei muss man auf Erfindungsgabe verzichten.

    Jede Tatsache, jedes Element, jedes Detail prägt die Evolution eines Themas und folgt einer gewissen Logik. Um das Wesen der Ursprünge, der Ursachen und die heutige Lage des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts zu verstehen, der zum blutigsten im postsowjetischen Raum wurde, ist eine akademische Betrachtungsweise nötig.

    Eine typische Frage an einen unvorbereiteten Leser zum Berg-Karabach-Konflikt könnte sein: Inwieweit entspricht diese internationale Auseinandersetzung Samuel Huntingtons Theorie über den Kampf der Kulturen? Viele armenische und ausländische Autoren behaupten kategorisch, dass die Existenz von zwei souveränen Formationen entlang der Bruchlinie, welche christliche und muslimische Gebiete trennt, zwangsläufig dazu führt, dass zwei benachbarte Zivilisationen sich gedrängt fühlen, Faustkämpfe nach dem Prinzip «Wand gegen Wand» zu führen. Genau aus diesem Grund betrachten einige Autoren den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt als nichts anderes als eine ausgeprägt ideologische und kulturelle und nicht als eine sozialwirtschaftliche, staatliche und politische Krise. Zweifellos sind Differenzen zwischen ethnischen Gruppierungen fundamentaler als solche zwischen politisch und ideologisch unterschiedlichen Systemen. Es ist auch wahr, dass die Religion in den meisten Fällen die Menschen trennt, weil diese Gemeinschaft viel stärker ist, als ihre ethnische Zugehörigkeit. Wenn man diese Postulate bedingungslos akzeptieren würde, wäre es sinnvoll zu fragen, warum beispielsweise das christliche Georgien als strategischer Partner Aserbaidschans agiert und kooperiert und warum der muslimische Iran aktiv in Armenien investiert.

    Der Kampf der Kulturen von Huntington weist auf die drohende Gefahr der Rückkehr der Menschheit zu den Ursprüngen der Geschichte hin, wonach der Kampf der Kulturen zum dominierenden Faktor der Weltpolitik wird. Aber die Hauptidee dieser Konzeption hat keine logische Verbindung mit dem armenisch-aserbaidschanischen Konflikt, weil den Kern dieses Problems der Faktor der negativen Komplementarität der armenischen Identität bildet. Die Armenier zeigen offen Intoleranz gegenüber anderen ethnischen Gruppen, vor allem gegenüber den Türken. Und die Ursprünge dieser Intoleranz sind in der tiefen Vergangenheit verwurzelt. Es gibt keinen Grund zu behaupten, die Ursache der Kollision von Interessen Armeniens und Aserbaidschans wäre der zivilisatorische oder religiöse Faktor. Die konfessionelle Identität von zwei Titularnationen hat mit dem Streitgegenstand, der eine stark ausgeprägte territoriale Konnotation hat, nichts zu tun.

    Im Zusammenhang mit dieser Konfrontation wäre es besser, auf das geistige Erbe von Francis Fukuyama zu verweisen, der behauptete, dass nach dem Untergang des Kommunismus die politische Ruhe an den Grenzen von Osteuropa von intolerantem und aggressivem Nationalismus massiv gestört würde. Die ostentative Demokratie der politischen Leitung Armeniens maskiert ihre wahren Absichten und setzt in der Praxis einen extrem chauvinistischen Kurs durch. Bemerkenswert ist die Dominanz dieser Richtung sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik. Armenien ist heutzutage eines von den wenigen monoethnischen Ländern, wo die Titularnation eine Mehrheit bildet, die im Wesentlichen ein logisches Ergebnis der ethnischen «Säuberung» ist, die seit der Zeit der Sowjetunion systematisch umgesetzt wird.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann die Leitung der UdSSR, das Programm für die Rückführung der Armenier in die sogenannte «historische Heimat» zu verwirklichen. Die Einwohner Sowjetarmeniens von nicht armenischer Nationalität, unter denen die autochthonen Aserbaidschaner die Mehrheit bildeten, sowie auch die Russen (Molokanen), Kurden-Yeziden, Georgier und andere wurden absichtlich unter dem Vorwand der Befreiung des Lebensraums für die Rückkehrer aus der Republik vertrieben. Viele Repatrianten waren die Nachkommen von Armeniern, die nach dem Zweiten Weltkrieg Ostanatolien verlassen hatten. Sie hatten an sich mit dem Gebiet Sowjetarmeniens nichts zu tun, das heißt, sie waren keine Eingeborenen aus den Gebieten innerhalb der ehemaligen UdSSR.

    Die ungeheure Auswanderung der aserbaidschanischen Bevölkerung aus der Heimat, die Neufestlegung der administrativen Grenzen innerhalb der UdSSR, die nicht endenden ethnischen «Säuberungen», die mit der gewaltsamen Ausweisung der Aserbaidschaner aus Karabach von Ende der 80er- bis Anfang der 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts besiegelt wurde, haben einen Grundstein in den Bogen der Instabilität im Kaukasus gelegt.

    Das Hervorheben der religiösen Implikation des Karabach-Konflikts, mit welchem die armenischen Historiker und Ideologen spekulieren, hat zum Ziel, die Sympathien der westlichen und sogar der ganzen christlichen Welt zu gewinnen und damit auch materielle Vorteile zu haben. Und das ultimative Ziel oder die oberste Priorität ist die endgültige Aneignung der besetzten aserbaidschanischen Gebiete, die von engagierten Experten den Status «umstritten» bekommen haben.

    Mehrere Generationen der armenischen Elite werden nach Prinzipien des extremen Nationalismus erzogen, wobei den Eckstein dessen die Obsession bildet, die «verlorenen Gebiete» unter Anwendung aller Kampfmethoden zurückzugewinnen. Für die Umsetzung der unverhohlenen aggressiven Pläne benützen diese ideologischen Konzepte das erfundene Postulat über die sogenannte «schwach ausgeprägte Selbstidentifizierung der Aserbaidschaner» und über die Fragwürdigkeit ihres historischen Rechts auf diejenigen Gebiete, innerhalb deren sie lebten und heute noch leben.

    Historisch gesehen besaßen die Aserbaidschaner viel länger als ihre Nachbarn einen zentralisierten Staat, worauf die zahlreichen Quellen hinweisen. Im Jahr 1918, als das System der Weltordnung von einer radikalen Neuformatierung betroffen wurde, wurde die Aserbaidschanische Demokratische Republik (ADR) zur Rechtsnachfolgerin der früheren nationalen Bildungen und zum ersten demokratischen laizistischen Staat im muslimischen Orient. Der Säkularismus der neuen Staaten verletzte nicht die religiösen Gefühle der Bevölkerung. Die Zugehörigkeit der Bevölkerung der jungen Republik zur muslimischen Religion beeinflusste nicht das politische System des Landes. Von den ersten Tagen an hatte die ADR das Ziel, ein volles nationales und staatliches Modell aufzubauen. Im repräsentativen Parlament der ADR waren alle ethnischen und sozialen Gruppen und politischen Parteien vertreten. Die Rechtsnachfolgerin der ersten Republik, die moderne Aserbaidschanische Republik, die nach dem Zusammenbruch der UdSSR ihre Unabhängigkeit wiederhergestellt hat, änderte diese Tradition nicht. Der säkulare Staat gewährleistet die Toleranz innerhalb und außerhalb der nationalen Grenzen, zeigt keine Aggression gegenüber den anderen Staaten, Religionen und Kulturen. Das moderne Aserbaidschan widerspiegelt einen nationalen Staat, dessen Grundstein vom Nationalen Anführer Heydar Aliyev gelegt worden ist.

    Im Unterschied zu Aserbaidschan, das eine stark ausgeprägte Form des nationalstaatlichen Aufbaus repräsentiert, stellt das politische System Armeniens eine klassische Idiokratie dar. Die Grundlage für ihre Legitimität bilden – um das mit der Sprache der Klassiker auszudrücken – Ansprüche auf die Umsetzung eines utopischen Zukunftsprojekts. Das Subjekt der Macht ist hier nicht das Volk und schon gar nicht irgendwelche sozialen Gruppen, sondern die Kaste, der Orden der Gesinnungsgenossen, eine Gruppe von Ideologen, die eine Utopie formuliert und zeigt, wie man Richtung Ziel geht, nämlich ein «Großarmenien» wiederherzustellen.

    Das laufende Projekt, das die nicht traditionellen Zeichen der Identität zeigt, widerspiegelt moralische Gesetze und Regeln, die sich nicht aus dem armenisch-gregorianischen Erbe, sondern aus den Legenden und Mythen aus heidnischen Zeiten ergeben. Das geistige Erbe der vorchristlichen Zeiten ist im Bewusstsein der Armenier stark verwurzelt und hat einen stark geprägten Ausdruck auf das Denken der politischen Elite gelegt. Dieses Phänomen hebt sie aus der Reihe von Trägern der gemeinsamen christlichen Identität hervor. Aber auch das ist nicht das signifikanteste Merkmal bei der Umsetzung ihrer utopischen Ideologie.

    Das ausgewählte politische Modell entspricht nicht den Erwartungen der Modernität und der Bevölkerung Armeniens im Allgemeinen, und zwar nicht nur aus dem Grund, dass es in seinem Wesen und seiner Definition nicht aktuell ist. Abgesehen davon, dass es von sozialen Realitäten weit entfernt ist, gewährleistet es auch keine Solidarität der Macht und des Volkes. Das logische Ergebnis war der demografische Rückgang des Landes. Nach Angaben der UNO und des Gesundheitsministeriums Armeniens verringerte sich die Geburtenzahl im Jahr 2013 im Vergleich zum Jahr 1988 um mehr als die Hälfte. Es wurden im Jahr 1988 in Armenien bei einer Bevölkerungszahl von 3,4 Millionen Menschen 87 000 Kinder¹, im Jahr 2013 nur 41 906 geboren. Demgemäß kann man eine Schlussfolgerung über das Maß des Rückgangs der Bevölkerung Armeniens ziehen.

    Die armenischen Eliten, die im Griff der Umsetzung des utopischen Projekts für Großarmenien befangen sind, stützen sich nicht auf die Mehrheit von sozialen Gruppen, nicht auf eine demokratische Einrichtung, sondern auf die kleinste Gemeinschaft, welche die Machthebel und die Ressourcenbasis gepachtet hat und sich von der Aufgabe drückt, die Einheit der Nation und ihre Interessen zu sichern.

    Es ist kein Wunder, dass das Wichtigste für die Machtelite im heutigen Armenien die stete Bewegung in Richtung Großarmenien ist. Wenn man sie stoppt, stellt sich heraus, dass die Dynamik auf der idiokratischen Trägheit und nicht auf der Grundlage der Umsetzung der soziokulturellen Ziele und auf den Bedürfnissen der ethnischen Gruppen basiert.

    Typisch ist, dass viele moderne Wissenschaftler darauf hinweisen, dass der politisch aktive und chauvinistisch eingestellte Teil des armenischen Volkes sich von dem geistigen Erbe der Kirche abgewendet und das neue Heidentum aktiviert hat, wobei dieser Teil an die früheren Urformen des nationalen Bewusstseins appelliert. Diese Tendenz erkennt man deutlich auch bei der Bildung der politischen Ideologie der modernen Elite des armenischen Volkes.

    Die Abwendung von den traditionellen evangelischen Schriften führt zu solch seltsamen, wenn nicht unheimlichen Umwandlungen der Mentalität, dass die armenischen Ideologen einstimmig die Unverträglichkeit der beiden benachbarten Völker ausposaunen. Und dabei kennt die Geschichte Zeiten, in denen die Aserbaidschaner und Armenier zusammenlebten und gemeinsame Werte teilten.

    Der radikale Umschwung in den Köpfen der armenischen Elite geschah am Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert, als die Oberschichten der sogenannten Militäraristokratie von Armeniern, die einst dem Osmanischen Reich treu waren, vorhatten, «die vor vielen Jahrhunderten verlorene Staatlichkeit» mit Waffengewalt zurückzuerobern. Genau in dieser Zeit entstand die neue Version der religiös-mystischen Idee eines «Großarmeniens», welche die Phantasie vieler Vertreter der nationalen Intelligenz beflügelte. Dabei wurde die metaphysische Grundlage der nationalen Identität verdrängt oder einfach gelöscht.

    Die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges, während dessen die oberen Schichten der armenischen Offiziere unter dem Einfluss von extrem chauvinistischen und separatistischen Kräften die Schlächterei zwischen Nationen und Religionen in noch nie dagewesenem Umfang (im Jahr 1915) provozierten, waren unerfreulich für die Armenier. Die Abschiebung von illoyalen ethnischen Gruppen aus Ostanatolien löschte den Traum über die nationale Staatlichkeit aus, aber nur für kurze Zeit. Die Armenier haben dennoch die Staatlichkeit auf aserbaidschanischen Gebieten bekommen, aber das passierte schon in der UdSSR. Das bewegte sie jedoch nicht dazu, auf den gewalttätigen Widerstand zu verzichten, der sich danach zu einem geheimen terroristischen Krieg – zuerst gegen die zaristischen Statthalter, Persönlichkeiten öffentlichen Lebens von aserbaidschanischer Abstammung, türkische Diplomaten, Politiker und Staatsmänner der UdSSR und schließlich gegen das unabhängige Aserbaidschan – ausweitete.

    Die Unzufriedenheit über die eigene Position ermutigte sie zu neuen Ausbrüchen von Nationalismus und Aggression gegenüber den Aserbaidschanern. Und das ungeachtet dessen, dass im Jahr 1918 die Aserbaidschanische Demokratische Republik der neugebildeten Armenischen Republik entgegengekommen war, indem sie ihr einen Teil ihrer eigenen Gebiete und als Hauptstadt die alte aserbaidschanische Stadt Irewan (Jerewan) überlassen hat. Es war nicht genug. Nach der Sowjetisierung des Südkaukasus warfen die Armenier die Frage über irgendwelche Zugehörigkeit Karabachs und Nachitschewans zu ihnen auf, welche von jeher aserbaidschanische Gebiete waren. Und wieder floss das Blut von Tausenden von Menschen, und die nach der Meinung der armenischen Chauvinisten umstrittenen Gebiete blieben bei den legitimen Erben der zwei Gebiete – bei den Aserbaidschanern. Daran erinnerte auch der Präsident Aserbaidschans mehrmals und sagte, dass auf den «alten aserbaidschanischen Gebieten bereits einmal ein aserbaidschanischer Staat errichtet wurde, nämlich das heutige Armenien. Das sind unsere Gebiete, das Land unserer Vorfahren. Irewan Khanat, Zangezur – alle diese Ortsnamen sind aserbaidschanische Toponyme».²

    Nach dem Zusammenbruch der UdSSR griffen Truppen von lokal rekrutierten armenischen Staatsangehörigen, Separatisten

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