Tantra für Genießerinnen
Von Christa Schulte
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Über dieses E-Book
"Tantra für Genießerinnen" regt Frauen an, sich auf spielerisch-lustvolle Weise (wieder) mit ihrer Sexualität zu beschäftigen und ihre Sinnlichkeit zu kultivieren.
Einem Einführungsteil folgt eine Vielzahl praktischer Übungen für Frauen allein oder zu zweit, die das Ziel haben:
• die Sinne zu verfeinern
• die Sensibilität zu steigern
• Empfindungen zu intensivieren
• mögliche Stolpersteine auszuräumen
• das (sexuelle) Selbstbewusstsein zu stärken
• Begegnungen mit anderen Frauen lustvoller zu gestalten
• die Beziehungsfähigkeit zu fördern und
• die spirituelle Dimension unserer Sexualität zu erkunden.
Ein Buch mit vielfältigen Anregungen für die kleinen Ekstasen im Alltag wie auch für ganz besondere Gelegenheiten.
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Buchvorschau
Tantra für Genießerinnen - Christa Schulte
FRAUEN IM SINN
img1.jpgVerlag Krug & Schadenberg
Literatur deutschsprachiger und internationaler
Autorinnen (zeitgenössische Romane, Kriminalromane,
historische Romane, Erzählungen)
Sachbücher und Ratgeber zu allen Themen
rund um das lesbische Leben
Bitte besuchen Sie uns: www.krugschadenberg.de.
Christa Schulte
Tantra für Genießerinnen
Anregungen für den Genuss der Vielfalt lesbischer Erotik und Sexualität
K&S digital
Für Helga
Liebe in ihren vielfältigen Formen ist alles, was zählt.
Und Sex ist die intimste und kraftvollste Art, sie zu fühlen und auszudrücken.
Dank
Danken möchte ich so vielen, die direkt oder indirekt an diesem Buch beteiligt waren, dass ich nicht alle namentlich nennen kann.
Mein größter Dank geht natürlich an Helga, die mich über mehr als zwanzig Jahre mit all ihrer Liebe begleitet hat, immer wieder neue Lustvariationen mit mir erfunden hat und damit auch meine Lust am Schreiben dieses Buches hat fließen lassen.
Viele der Spiele und Übungen sind meine Versionen von Übungen und Ritualen aus dem SkyDancing von Margot Anand, Eva Szabo und Aman Schröter, aus dem Tao der Frau von Maitreyi Piontek und aus dem Quodoushka der Cheroquee-Frauen. Diese PionierInnen haben zudem meine eigene Entwicklung entscheidend beeinflusst.
Mein Dank geht an alle, von denen ich lernen konnte, meine Lust zu leben, besonders da, wo Lernen und Lehren miteinander verwoben waren. Das gilt nicht nur für meine LehrerInnen, sondern auch für all die SchülerInnen, KlientInnen, SupervisandInnen, KollegInnen, ZuhörerInnen und wohlwollend-kritischen Begleiterinnen. Dazu zählt insbesondere meine Assistentin und Organisatorin Maria Kennerknecht, deren Ideen und Kritiken mir wertvoll sind.
Konkret geholfen »dranzubleiben« haben mir Renate Kösling, Marianne Sörensen und einige andere Freundinnen, Claudia Kroll beim Schreiben, Ingelore Hagel mit Tipps und guten Ratschlägen und meine mir eigene, von meiner Oma aus dem Sauerland übernommene Kombination aus Lust und Disziplin.
Ein erleichterter Dank geht auch an Andrea Krug und Dagmar Schadenberg, die als Verlegerinnen ein gutes Gespür dafür haben, worauf es mir wesentlich ankommt, die in der gestalterischen Umsetzung kreativ und sorgfältig vorgehen und die mir sogar Kürzungsvorschläge an der Schmerzgrenze so diplomatisch vermittelt haben, dass ich sie akzeptieren konnte.
Inhalt
Einleitung
Weibliches Wissen über weibliche Lust erwerben
Was verstehe ich unter weiblicher Sexualität, und was ist das Lesbische daran? • Wozu brauchen wir »Anleihen« bei anderen Kulturen? • Quodoushka • Tantra • Ursprünge des Tantra • Was hat das heutige Tantra uns Frauen an Wachstumsmöglichkeiten zu bieten? • Brauchen Frauen sexuelle Vorbilder?
Das eigene Erleben kennen und wichtig nehmen
Einige Thesen zur gelebten und phantasierten Sexpraxis • Prinzipien kultivierter, eigensinniger Sexualität
In Beziehung gehen heißt in Liebe sein
Sexuelle Selbstliebe • Lesbische Liebe als eine Form von Selbstliebe • Lesbische Beziehungsrealitäten • Asexualität • Sex-Normen • Zwischen Leidenschaft und Kuschelsex • Nähe und Distanz • Liebe, Macht und Anerkennung
Im eigenen Körper zu Hause ankommen
Schönheit und sexuelle Attraktivität • Körperlichkeit und Selbst-Bewusstsein • Was macht die Lust denn wo? • Orgasmus und Ekstase • Der Zustand der Ekstase • Kleine Chakrenkunde
Spielen und Üben
Einstimmungen
Das kluge Störungsmanagement
Die Würdigung der Unlust
Die sechs Schlüssel zu den Türen körperlicher Lust
Abschütteln des Alltags und Ankommen im eigenen Körper
Im Schoß von Mutter Erde
Das innere Lächeln
Der Kamelritt zu Bremen
Die Kraft der Tigerin
Meditation der wilden Feuerfrau
Die tanzende Drachenfrau
Zaubermittel der Lust: Aphrodisiaka
»Sex beginnt im Kopf« – und da liegen auch die ersten Stolpersteine ...
Abschied von der Selbstbegrenzung des jungen Mädchens
Fünf Fragen zur Übernahme sexueller Selbstverantwortung
Sexuelle Energie als Heilkraft
Phantastisches im weiblichen Hinterkopf
Kreative Trance-Reise zur idealen inneren Geliebten
Erotische Verabredung
Phantastische Selbsterregung
Mit der Delphinfrau durch die Tiefe des Meeres
Anregungen für die wild-zarte Spielerei mit sich selbst
Die Kunst des Schnaufens
Sexuelles Atmen
Die innere Flöte öffnen
Herzerfreuung
Spiele und Übungen für zwei
Stress aus ihr herausziehen
Sich wohlig plattmachen lassen
Gefühle loslassen
Löwin – Sau – Mücke
Tanz der Dämoninnen
Überfüllte Liebeslager leeren
Stöhnende Yoni und lachender Bauch
Der Mut, sich zu zeigen
Das Wesen im weiblichen Schoß sprechen lassen
Körperlandkarte der Liebe
Sexuelle Speisekarte
Körperbemalung von hinten durchs Herz nach vorn
Tanz der Hände
Die Chakrawelle
Einschwingen in den Zustand der Verschmelzung
Der Liebessitz des Yab-Yum
Hingabe ohne Wenn und Aber
Massagen, die es in sich haben
Drücken statt Reden
Brustmassage der genüsslich-selbstgenügsamen Frau
Brustmassage der wohlig-bequemen Frau
Herzerfreuung im Dreiklang
Kundalini-Massage
Rituale zur Transformation
Ritual zur Erweckung der Sinne
Rosenritual
Frauendemo zweier Yonis
Selbstlieberitual in Gegenwart einer anderen
Königinnenspiel
Lesben-Hoch-Zeit
Liebesspiele für die Expansion von Liebesenergie
Feueratemorgasmus
Rosetten-Rosen-Massage
MMM: Magische Muschelmassage
Ekstatische Gipfelerfahrungen
Wellen der Glückseligkeit
Sexmagische Kunstfertigkeiten
Lust als Weg der Meditation
Weibliche Visionen der Freude
Vollmondmeditation
Meditation der Liebe zu sich selbst
Anhang
Musikalische Klangteppiche und Energiespritzen
Anregende Literatur
Sinnliches und Praktisches
Die Autorin
Kurse und Playshops
Einleitung
Sex ist eine Möglichkeit, Liebe und Leidenschaft, Zärtlichkeit und Verbundenheit zu erfahren und auszudrücken. Sex ist auch eine Möglichkeit erwachsener Frauen, zu spielen, sich unmittelbar körperlich zu erleben und sich und anderen nah und lustvoll zu begegnen. Sex als eine Ausdrucksform von Frauenliebe lässt sich kultivieren, und zwar vor allem durch Spielen, Probieren und Üben.
Das Spielen und Probieren ist meist beliebter als der Aspekt der Übung. Er wird – ich finde, fälschlicherweise – mit Leistungsdruck, Schulgymnastik und langweiligen Wiederholungen assoziiert. Wenn wir eine Ballettänzerin feengleich über die Bühne schweben sehen, wissen wir – wie berührt wir auch sein mögen –, dass sie mindestens acht Stunden täglich hart trainiert, sprich: übt. Ihr Können bezeichnen wir dann als Kunst.
Liebevolle, lustvolle, kreative und möglicherweise sogar spirituelle Sexualität ist ebenfalls eine Kunst, und die kommt neben einem hier zu vernachlässigenden Talent von der Lust auf Liebe und Selbstausdruck, von Probieren, Üben und schließlich von Können. Und dies, obwohl nicht einmal »hartes« Training nötig ist! Doch wie soll ein Orgasmus seine Tiefe und Länge bekommen, wenn sich die Beckenbodenmuskulatur noch im »Dornröschenschlaf« befindet?
Dieser Aspekt wird von Frauen gern verleugnet, weil »es mit Liebe schon gutgehen wird«. Dahinter verbirgt sich oft ein entfremdetes Verhältnis zum eigenen Körper und der Glaube, dass die andere schon wortlos spüren werde, was frau braucht, und dass der Orgasmus von der Liebe und Fingerfertigkeit der anderen abhänge. Das kann rasch zu Enttäuschungen führen. Und überhaupt – was ist mit der sexuellen Selbstliebe? Mit neuen sexuellen Begegnungen, bei denen ihr einander noch nicht gut kennt? Liebeskunst ist erlernbar, und Übung kann Spaß machen!
Neben Übung erfordert die Weiterentwicklung lesbischer Sexualität gelegentlich auch bewusste Konzentration und manchmal sogar Disziplin. Was diese Begriffe aus dem Leistungsbereich hier zu suchen haben? In unserer lust- und ekstasefeindlichen Gesellschaft allgemein, in der Geschäftigkeit des Alltags, in der emotionalen Schwankungsbreite von Liebesbeziehungen, Affären und Flirts gibt es eine Fülle an äußeren Störfaktoren, die gerade in der Phase beginnender Erregung die schöne Stimmung im Nu zerstören können. Noch schwieriger im Umgang sind die inneren Störfaktoren in Form von Stressgedanken, Bewertungen, Beurteilungen, Plänen usw. Die Fähigkeit, die äußeren und inneren Störfaktoren in schlichte Begleiterscheinungen beim Liebesspiel umzuwandeln, ist durchaus erlernbar.
Viele Frauen warten jahrelang auf den Augenblick, da sie mit Hilfe von Psychotherapie, Meditation, Wohnraumgestaltung nach Feng Shui, perfekter Musikbegleitung und natürlich der sensiblen, vollkommenen Geliebten endlich in der Lage sind, heiter und gelassen auf Störungen jeglicher Art zu reagieren bzw. ihnen hundertprozentig vorzubeugen. Ich hingegen beschloss eines Tages, es mit Sex nicht erst auf dem Sterbebett zu probieren (wer weiß, ob die Störungen nicht gerade da überhand nehmen?), sondern schon vorher zu versuchen, meine Lust zu kultivieren – auch wenn es nicht immer vollkommen gelingen sollte. Das auf diesem Wege manchmal systematisch, manchmal »nebenbei« erworbene Wissen möchte ich hier weitergeben – gewürzt mit einem Schuss augenzwinkernder Spielfreude der unzähmbar wilden Frau.
Dieses Buch ist in erster Linie für frauenliebende Frauen geschrieben, doch ich bitte neugierige Frauen mit anderen Identitäten, sich eingeschlossen zu fühlen. Es ist weder ein Buch über sexuelle Störungen noch über Sexualtherapie, noch über die romantische Form der Liebe. Vielmehr möchte ich die Leserin zum spielerischen Experimentieren mit sich und anderen ermutigen. Außerdem möchte ich – gerade Frauen, die sich (noch) scheuen, an einem Tantrakurs teilzunehmen oder sowieso lieber exklusiv für sich probieren wollen – einen kleinen Einblick geben in die Vielfalt der Wege, die eigene Sexualität weiterzuentwickeln, zu kultivieren und durch sie zu meditativen Zuständen zu gelangen. Dazu nehme frau ein bisschen ungestörte Zeit für sich, eine bequeme Lage, vielleicht ein leckeres Getränk und vor allen Dingen: kindliche Neugier, pubertäre Experimentierlust und erwachsene Sehnsüchte.
Dies ist kein Buch, das von vorn bis hinten gelesen werden muss – es soll anregen, der inneren Chaotik, der Neugier, dem Fluss der eigenen Energie zu folgen. Dies gilt insbesondere für Teil 2, die Spiele und Übungen, die sowohl längere Rituale enthalten (z.B. um die lesbische Liebe zu feiern) als auch kürzere Anregungen für die kleinen Ekstasen im Alltag.
Viel Vergnügen beim Spielen und Üben!
Weibliches Wissen über weibliche Lust erwerben
Was verstehe ich unter weiblicher Sexualität und was ist das Lesbische daran?
Damit die Leserin sich meinem Denken zuneigt, möchte ich mein sexuelles Grundverständnis kurz umschreiben: Weibliche Sexualität ist die Gesamtheit dessen, was Frauen sich unter Sexualität vorstellen, auch wenn sie nur einen Bruchteil davon fühlen und (er-)leben. Diese bewusst allgemeine Definition lässt sich nur subjektiv »mit Fleisch füllen«. Hier ein Beispiel für meine derzeitige subjektive Definition in Form der Benennung von Polen, zwischen denen sich das Pendel sexueller Energie bewegen kann:
Weibliche Sexualität ist:
prickelnde Lust und schleichende Unlust
unbezähmbares Begehren und plötzliches Abgestoßensein
hemmungsloser Kontrollverlust und perfekt kontrolliertes Machtspiel
süße Erregung und hingebungsvoll milde Erschlaffung
liebende Begegnung und orgastische Selbstbezogenheit
vorsichtige Sanftheit und aggressive Bodenakrobatik
spielerische Erotik und herzhafter Zugriff
Hochspannung im selbst-bewussten Grenzerleben und kosmische Verschmelzung mit der Welt
glucksendes Glück und namenloser Schmerz
viele kleine Tode und neugeborenes Leben
Hiermit möchte ich jedoch nicht etwa Gegensätze postulieren, wo keine sind, sondern Spannbreiten möglicher Pendelbewegungen aufzeigen. Wenn wir bedenken, wie viele persönliche Lebensgeschichten, wie viele gewachsene Begegnungs- und Beziehungsstrukturen, wie viele unterschiedliche Situationen und Kontexte diesen Beschreibungen ihren unverwechselbaren Charakter geben können, wird einmal mehr deutlich, wie nötig subjektive Definitionen sind, um unsere Erfahrungen angemessen zu beschreiben und den sogenannten »objektiven« Definitionen, die vom männlichen Blick geprägt sind und immer Fremdzuschreibungen bleiben werden, das Wasser abzugraben.
Und das Spezielle an der lesbischen Sexualität? Lesbische Sexualität ist die Potenzierung weiblicher Sexualität im Spiegel der Ähnlichkeit – das Spiel mit den feinen Unterschieden auf der Grundlage einer ähnlichen Art zu denken und zu fühlen.
Wozu brauchen wir »Anleihen« bei anderen Kulturen?
Sexuelle Energie lässt sich konzentrieren und ausdehnen und so entweder als allgemeine Lebenskraft nutzen oder auf verschiedene geistige und spirituelle Ebenen übertragen. Sexuelle Energie ermöglicht die Überwindung der geistigen Dimension der Dualität. Das aber ist gerade für uns Frauen nötig, um das patriarchale polare Spaltungsdenken in uns in eine kreisförmige, eine spiralige Form des Denkens, Fühlens und Handelns zu verwandeln, so dass das alte patriarchale Prinzip »Teile und herrsche« in unserem Sein keine Grundlage mehr findet. Hierzu sind Frauen in unserer Gesellschaft meist eher in der Lage als Männer, weil sie – wenn ihre Schmerzblockaden nicht zu stark sind – oft die Verbindung von sexueller Energie mit anderen Energieformen (z.B. Liebesenergie auf der Herzebene oder Strömungsenergie aus dem Bereich tiefer Bauch-Gefühle) und dadurch nicht nur tiefere und ausgedehntere Orgasmen erleben können, sondern auch leichter Transformationen zuzulassen vermögen.
Diese Fähigkeit, sexuelle und andere Gefühle spielerisch wie schöpferisch zu gestalten und sie zu transformieren (z.B. in Zustände tiefer Verbundenheit mit allem Lebendigen) ist eine Grundlage weiblicher Identität, Schönheit und Macht. Diese Macht beginnt mit der Befreiung von allem, was Macht über eine Frau ausübt, selbst von der sexuellen Anziehung und der Blindheit der frühen Verliebtheit. Jenseits all dieser sich bewegenden Energien gibt es einen Punkt der Ruhe, einen Raum, der still und leer ist. In diesem Raum zu sein bedeutet, sich in einem Zustand stiller Ekstase zu befinden. Daraus entsteht klare, ruhige Selbst-Bewusstheit im All-ein-Sein wie auch im Kontakt mit anderen. Es bedeutet also nicht Rückzug aus der Welt, bedeutet nicht ein Zurückweisen politischer Verantwortung zugunsten privater Vergnügungen auf dem neu bezogenen Futon: Wenn wir die spirituelle Dimension, also den in alle Richtungen expansiven Charakter unserer Lust nicht nur im Stadium der frischen Verliebtheit, sondern ständig wichtig nehmen, können wir nicht umhin, uns täglich (gemeinsam) für Zeiten und Räume einzusetzen, in denen weibliche Lust als treibende Kraft unserer Lebendigkeit lebbar ist.
Da in unserer westlichen Welt weder herrschende Ideologien noch Religionen die transformatorische Kraft der Lust wirklich ernst nehmen, machen wir »Anleihen« bei anderen Zeiten und Kulturen, um unser vorhandenes, jedoch verschüttetes Wissen wieder hervorzuholen. Natürlich müssen wir diese Anleihen kritisch betrachten und gegebenenfalls auch umgestalten, d.h. von ihren kulturellen Festlegungen lösen, um nicht etwa neue Unterdrückungsmechanismen weiblicher Sexualität »miteinzukaufen«. Aber dafür haben wir schließlich unseren feministischen Hinterkopf ...
Quodoushka
Quodoushka als indianische Lehre von der sexuell-spirituellen Lebensenergie wurde von den Cheroquee-Frauen als Philosophie, als Aufklärungsunterricht und als eine Folge von Ritualen und Übungen entwickelt und erst in den letzten Jahren im Zuge des drohenden Aussterbens dieses Volkes und damit ihres uralten Wissens an Weiße weitergegeben. Der Begriff »Quodoushka« bezeichnet die spirituelle Energie, die entsteht, wenn zwei »Chuluaques«, zwei Lebenskraftenergien, zusammenkommen und gemeinsam eine neue Energiequalität bilden. Bezeichnend für die Offenheit dieser Lehre ist, dass diese beiden Lebenskraftenergien nicht »naturnotwendig« zu verschiedenen Geschlechtern gehören müssen. Vielmehr gehen die Cheroquee-Frauen davon aus, dass das Weibliche immer das Männliche einschließt und nicht umgekehrt. Diese Verbindung zur Macht weiblicher Existenz ist jedoch mit wachsender Männermacht im Patriarchat immer mehr gerissen, so dass sogar die Frauen selbst ihren eigenen sexuellen Magnetismus und den der »Großmutter Erde« nicht mehr erkennen und würdigen können. Um weiteren Schaden von sich und der Natur abzuwenden, lehren die Cheroquee-Frauen, wie wir aus der Opferrolle heraustreten, dem inneren Kind in uns heilsam begegnen, unsere sexuelle Kraft wieder aktivieren und den sexuellen Magnetismus für uns selbst und die Förderung alles Lebendigen wirken lassen können. Quodoushka ist neben Tantra eine wesentliche Grundlage für dieses Buch.
Tantra
Ein für mich selbst wunderbarer Weg, Liebe und Sexualität als verbunden zu erleben und der Sexualität als einer Ausdrucksform für Liebe einen Raum für Kultivierung und Verfeinerung zu geben, ist das Tantra, besonders das von Margot Anand für uns westliche Gemüter entwickelte SkyDancing. Tantra bedeutet übersetzt Gewebe, Verbindung, Gespinst und Ausdehnung. Es ist ein Wort aus der Sprache der WeberInnen und bezeichnet den Schussfaden, also den Faden, der durch alle Kettfäden zieht und sie verbindet.
Tantra bedeutet das vollständige Annehmen und miteinander Verweben all unserer Gefühle (auch der sogenannten »negativen«) und das Schaffen schöpferischer Verbindungen zu anderen Menschen. Das schließt eine Befreiung aus dem Gefängnis der Polaritäten und ein Transzendieren von sozialen und körperlichen Grenzen ein. Es bedeutet auch, mit dem zu beginnen, was da ist, und dieses dann in Richtung meiner Möglichkeiten zu erweitern. In tantrischen Ritualen aktivieren, verehren, feiern und kultivieren wir unsere sexuelle Kraft, leiten sie durch die innere Flöte der einzelnen Chakren bis hin zu unserer Krone und können dadurch einen Ausgleich von Geist und Materie, von Spiritualität und Emotionalität erreichen, d.h. also, Polaritäten auflösen. (Die Aufhebung von Polaritäten durch ihre bewusste Verbindung liegt mir besonders am Herzen, weil ich schon in meiner Mädchenzeit mit einer »Überdosis Katholizismus« große Sehnsucht hatte nach der Verbindung von Sexualität und Spiritualität, von unten und oben, von innen und außen, von mir und der Welt.)
Konkret bedeutet dies, dass wir in einem geschützten, respektvollen Rahmen und einer kreativen, liebevollen Atmosphäre beginnen, unsere Sexualkraft zu aktivieren und unser ekstatisches Energiepotential durch Körperübungen, Massagen, Atemströmungsprozesse, Begegnungsspiele und Berührungen unserer Lustzentren freizulegen. Durch spielerischen Umgang mit dieser Energie lernen wir, sie zu halten, sie in verschiedene Richtungen zu lenken und sie immer freier zu verströmen. Dabei ist unser Herz die wichtigste Stelle zur Transformation von körperlich-emotionaler in spirituelle Energie. Wenn wir unsere sexuelle Energie (im engeren Sinne des Wortes) mit der Liebe des Herzens verbinden, wird der Weg gebahnt für eine dritte Energieform: die geistige und spirituelle Energie. Das ist die Energieform, die uns und unser Lebensfeld am feinsten, durchlässigsten und schnellsten durchströmt, die uns subtil und intensiv mit anderen verbinden kann und die oft die Grundlage für das Gebären neuer Ideen oder Lebensziele bildet. Wenn so die sexuelle Kraft über den Weg des Herzens in unseren Geist gelangt, bedeutet dies etwa, dass wir unsere ekstatischen Fähigkeiten z.B. in Form von tiefen Glücksgefühlen, klaren Visionen, Gefühlen der Liebe zu uns und zu anderen und von Öffnungen und Verbindungen zu kosmischer Energie erleben können. Damit wiederum vermögen wir eine Spiritualität zu entwickeln, die lebensnah und direkt erfahrbar ist. Der Weg des Herzens bewirkt eine Zusammenführung von Sexualität und Spiritualität, die eigentlich immer schon vorhanden ist – das Glück ist also im Grunde längst da. Wir können uns entspannen und darauf vertrauen, es schon zu finden.
Die Krisen, die durch solche Glückserfahrungen als Gegensätze zu den vielfältigen Unterdrückungsformen einer frauen- und ekstasefeindlichen Gesellschaft entstehen müssen (z.B. wenn wir merken, wie schwierig es ist, im Alltag Bedingungen herzustellen, um solche Gefühle zu erleben), können durch ein insgesamt erhöhtes Energieniveau, durch starke Verbindungen von Lustfrau zu Lustfrau über erotische Gefühle und über ein tiefes Verstehen unserer selbst und der Welt in eine Richtung bewältigt werden, die für mich heißt: die Entwicklung einer selbst-bewussten, in sich ruhenden und sich selbst genügenden Weiblichkeit, die immer weniger von äußerer Anerkennung abhängig und immer stärker von liebenden Begegnungen und Beziehungen in einem weiten Raum und in einem zärtlichen Tempo geprägt ist.
Tantra ist zum Beispiel
ein feines Gewebe aus zarter Verbundenheit
ein Tanz zwischen den Polaritäten
ekstatische Fülle im Alltag
ein Fest der Sinne
die Erfahrung von Sinn über Sinnlichkeit
ein Königinnen weg zur Macht der Liebe
ein Schlüssel zum Herzen
süße Verdichtung von Leidenschaft
der herausforderndste und schnellste Weg zur Erleuchtung
ein Medium der Verehrung von Frauen
lustvolle Bewegung und süße Stille
die Ausdehnung zwischen Himmel und Erde zu unserer wahren Größe
die Kultivierung unserer Liebesenergie jenseits von alten Beziehungsmustern
ein Weg der Heilung unserer Sexualität
die ständige Geburt neuer Lebenskraft
das Glück der Hingabe ans Leben
eine Vielfalt an Ekstaseformen
die Möglichkeit der Transformation existentieller Ängste
die Macht der leisen Begegnung
die Augenblickserfahrung von Ewigkeit
Selbstliebe in Verbindung mit anderen Selbstliebenden
eine sanfte oder stürmische Hilfe zur Erweiterung von Grenzen
verspieltes Schwimmen im Meer der Lust
eine Meditation der Liebe
Luxusnahrung für die Haut
die Erfahrung der Einheit von Uterus und Kosmos
Wiederherstellung weiblicher Würde
sich verzaubern lassen vom weiblichen Duft
der Weg der Lotosblume durch den Schlamm zum Licht
Ursprünge des Tantra
Ein Beginn tantrischer Riten war der Zami-Kult, ein frauenzentrierter Sexualkult, der in Indien von den Frauen einer Geheimsekte als System der Yoni-Verehrung gegründet wurde. (Yoni ist der Name für das weibliche »Genital« mit all seinen Lustkörperteilchen wie Klitoris, Venuslippen, Venushügel, Lusttunnel, G-Punkt, Gebärmutter usw. Yoni ist aber weit mehr als ein Anatomiebegriff, und deshalb benutze ich diesen wohlklingenden Namen am liebsten: Es ist der heilige Ort der weiblichen Lust, der Schoß, der neues Leben gebiert, und der verehrungswürdige Ort der tiefsten Kraft der Frau.) In diesem Zami-Kult zur Erlangung von spirituellen, göttlichen Ebenen, der vermutlich weit über 3000 Jahre alt ist, wurden sexuelle Übungen für das Wachstum weiblicher Kraft von den älteren Frauen an die jüngeren weitergegeben. Dies lässt sich aus überlieferten Darstellungen von Frauen in sexuell eindeutigen Posen und Schriftstücken schließen, aus denen auch hervorgeht – wie die indische Archäologin Giti Thadani inzwischen nachgewiesen hat –, dass es sich um eine überaus lustvolle Art des Lernens gehandelt haben muss. Letztlich wurde der Zami-Kult vermutlich vom aufkommenden Patriarchat unterbunden, indem man den Frauen unter Androhung extremer Strafen (wie körperlicher Verstümmelung durch Abhacken der Füße) die Weitergabe ihres Wissens verbot. Später wiesen dann nur noch einige Geheimbegriffe auf diese kultischen Quellen hin: z.B. wurde das Herzzentrum »die Brüste der Schwester« genannt oder der meditierende Geist als »der Mutterschoß« übersetzt (und nicht wie heute oft üblich männlich assoziiert). Das heißt, auch in frühesten tantrischen Zeiten gehörte zu den weiblichen Kräften nicht nur die biologische Gebärfähigkeit, sondern auch die Fähigkeit, geistiges Leben hervorzubringen. Beide Fähigkeiten wurden nicht getrennt voneinander gesehen, sondern als das Mysterium der Frau angebetet und bildeten die Grundlage der Überzeugung, dass der Ursprung allen Lebens weiblich ist, und somit auch das erste Bild von Gottheit wie auch die ersten Paardarstellungen.
Mit weiteren Entwicklungen von Buddhismus, Hinduismus und anderen Grundlagen des Tantrismus entstanden neue Sichtweisen und Bewertungen von Frauen und Männern bis hin zu den auch in heutigen, westlich geprägten Tantrismusformen eindeutig patriarchalen Darstellungen z.B. des tantrischen Verschmelzungssitzens zwischen Shiva (bzw. Buddha), dem männlichen Gott, als große, in sich ruhende Figur, und Shakti (bzw. seiner Dakini), der Verkörperung weiblicher Gottheit, die als winziges Frauenfigürchen auf ihm sitzt. Es geht hier zwar auch immer wieder im Sinne des Yin-Yang-Prinzips darum, dass jede Frau die männlichen Seiten z.B. in Form des Bildes eines inneren Geliebten – verkörpert durch ihren realen Geliebten – durch energetische Verschmelzung in ihre innere Identität integriert (und für die Männer entsprechend umgekehrt), Ausgangspunkt aber ist zunächst die Polarität. Hier ist wieder das alte patriarchale Prinzip am Werke, demzufolge Gegensätze zunächst geschaffen werden, um sie anschließend zu integrieren. Es wird ein Konsens gebildet über eine angeblich archetypische Gegensätzlichkeit zwischen Frauen und Männern, und diese plakativ vereinfachten polaren Eigenschaften werden stets aufs Neue ideologisiert und spiritualisiert. So wird eine Eigenschaft wie Angriffslust eher männlich konnotiert als z.B. mit dem weiblichen Archetyp der Amazone in Verbindung gebracht. Dieses Polaritätsdenken reduziert uns also zunächst auf die gesellschaftlich üblichen Frauenrollen, um uns dann durch die Verschmelzung – entweder direkt mit Männern oder mit männlichen Energieformen – wieder daraus zu »erlösen«.
Viele Feministinnen, die durchaus offen für Impulse zu ihrer eigenen sexuellen Weiterentwicklung sind, finden den heutigen Trend zu tantrischen Workshops und Gruppen bedenklich, weil allein schon über die äußere Struktur von Ritualen heterosexistische Vorurteile und Einschränkungen weiblicher Rollen sichtbar sind. Wenn ich aber nicht an der Oberfläche bleibe, sondern mich einlasse auf tantrische Atmosphären, Übungen, Erfahrungswelten, die von weiblichem Wahrnehmen, Fühlen und Denken geprägt sind, kann ich als Frau eine derartige Stärkung, eine Verbindung mit anderen Frauen, eine Integration zu wenig gelebter Anteile und eine Transformation materieller in spirituelle Energie erleben, die klar frauenstärkend, frauenverbindend, frauenvernetzend wirkt und die anarchische Kraft unserer sexuellen Energie fördert. Das setzt selbstverständlich voraus, wirklich nur das zu akzeptieren, was das eigene Wachstum und die Entwicklung von Frauenkraft und Freiheit fördert – eine bewusste Gratwanderung zwischen Einlassen und Distanzieren, situativem Genießen und der Abgrenzung von vorschnellen Definitionen über die »weibliche Natur«, Geschlechterzuschreibungen usw. Doch auch eine zunächst sehr vorsichtige Gratwanderung kann sich in einen selbstbewusst erlebten Höhenweg verwandeln oder in eine wundersame Entdeckungsreise in ein weites Land, das den klassischen Vermessungen normativer Sexualität nicht entspricht ...
Was hat das heutige Tantra uns Frauen an Wachstumsmöglichkeiten zu bieten?
Tantra kann Frauen einen Weg bieten, die eigene Energetisierung und eine sich selbst bewusste Lebendigkeit nicht nur aus Aggression und Angstüberwindung zu beziehen, sondern