Nahe der Ferne: Kurzgeschichten über das Zugfahren
()
Über dieses E-Book
Eine Leserstimme: Das zu lesen weckt in mir immer das Gefühl, ich sollte mal ganz dringend in den Zug steigen und nach ganz weit Weg fahren. Diese gesunde Ladung Fernweh mit ein bisschen Lebensfreude ist eine schöne Abwechslung in diesen grauen Tagen!
Johanna Kindermann
Johanna Kindermann erstellte dieses Buch als Bachelor-Arbeit ihm Jahr 2013. Sie studierte Online-Journalismus in Darmstadt. Für "Was Darmstadt erzählt" schrieb sie mit zahlreichen Darmstädtern, sprach Menschen von Obdachlosen über Marktschreiern bis hin zu Wissenschaftlern an.
Ähnlich wie Nahe der Ferne
Ähnliche E-Books
Lucy, der Himmel und ich Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHilflos im Zug: Erotische Kurzgeschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUrba(h)n Sketching: Meine Skizzen in Bus und Bahn Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUrlaub in Frankfurt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungenwww.mitfickgelegenheiten.cum Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSoldaten sind auch nur Menschen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Wanderung - Vol.2: Directors Cut Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenU5: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZwischen Lust und Flammenschwert: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHimmelsfern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTriaden-Liebchen: Eine mörderische Weltreise Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHier und da, dann und wann: Südstadt / Schäl Sick. Kurzgeschichten. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVoulez-vous ... Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Zeitreisewächter: Eine Improvisationsgeschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAls Jesus in die Puszta kam Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFLEXEN: Flâneusen* schreiben Städte Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5To Make Your Heart Remember Me Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Spurenleser: Der blinde Detektiv Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Elefanten meines Bruders Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAmerican Boy und sein Prinz: Vier Jahreszeiten einer jungen Liebe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMoni auf Achse: Erweiterte Ausgabe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Elefantenbäcker Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSprachlosigkeiten: Geschichten über die Liebe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNachricht an den Großen Bären Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEndstation Südseite: Ein Frankfurt-Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchmetterlingsSalsa Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOben Erde, unten Himmel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIntimsphäre: Erlebnisse einer Hure auf dem Straßenstrich Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAna-Lauras Tango Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVierzig Fieber: Eine Gradwanderung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Kurzgeschichten für Sie
Best of Unsinn Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Die Schrecken der deutschen Sprache: Humoristische Reiseerzählung Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Heiße Sexgeschichten: Sex und Lust: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch will dich - Erotische Kurzgeschichten ab 18 Jahren: Tabu: Sexgesichten Bewertung: 1 von 5 Sternen1/5Reisebilder: Vollständige Ausgabe. nexx classics – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVirginia Woolf: Ihre sechs besten Kurzgeschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeiße Sexgeschichten: Intime Beichten: Sex und Erotik ab 18 Jahre Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBrennendes Geheimnis Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Unheimliche Begegnungen - Aus der Zwischenwelt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErotikroman - Mehr Hart als Zart... Teil 17: 10 erotische Geschichten für Erwachsene ab 18 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEine hinreißende Herzogin: Fitzhugh Trilogy, #0 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHarte Sex-Geschichten!: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Das Geschenk Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErotischer Roman - Mehr hart als zart... Teil 13: 10 erotische Geschichten für Erwachsene ab 18 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSex und Erotik in all ihrer Vielfalt - Teil 10 - 10 Sexgeschichten: Vulgäre und erotische Kurzgeschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchmutzige kleine Jungfrau: Geheimnisse einer Unterwürfigen, #1 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen9 Novellen: Michael Kohlhaas + Die Marquise von O... + Das Erdbeben in Chili + Geistererscheinung und mehr: Michael Kohlhaas + Die Marquise von O... + Das Erdbeben in Chili + Die Verlobung in St. Domingo + Das Bettelweib von Locarno + Der Findling + Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik (Eine Legende) + Geistererscheinung + Der Zweikampf Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErotische Kurzgeschichten - Sex ab 18: Harte Erotik für Erwachsene Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Der Mann, der König sein wollte / The Man Who Would be King - Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) / Bilingual edition (German-English) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHarte MILF Sexgeschichten: Reife Frauen haben den besten Sex! Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Typisch Deutsch: Geschichte zum Nachdenken Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSex ohne Reue - Erotische Geschichten: Sexgeschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGroßraumtaxi: Berliner Szenen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Nahe der Ferne
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Nahe der Ferne - Johanna Kindermann
Inhalt
Der Zug des Lebens
Der unkonventionelle Mann
Der neuste Porno: Volle Fahrt hinein!
Nach dem Essen: Zähneputzen vergessen
Für euch ausprobiert: Der Nachtbus. Oh, doch nicht.
Von Am-Arsch-der-Welt nach Frankfurt in vier Stunden
Der alte Mann und sein Fluch
Wie das Wort mich mitnahm
Voll krasse Anmache, Mann!
Serienkiller on Board
Wolken, Licht und Wassa
Bernd und Simone
Dumm und schön
Der Mensch und sein Herz
Wie ich einen Cop entzweiteilte
Me - The Remake
Zwei Seeanemonen in der Strömung
Da fährt ein Zug
Das Ziel ist die Reise
Der Geschmack von Kaffee
Ein Geschenk zwischen Kaffee und Kuchen
Zwei Männer sprechen über die Liebe
Das Papierschiff
Wie sie ihn anstrahlte
Mein Stalker
Vom Bleiben und Gehen
Simone
Das Ende von Catch the train if you can
Der nicht angeleinte Mann
Bob Marley und das Meer
Manchmal, dann
Die Pause des Baggerfahrers
Das Leben? Eigentlich nicht.
Die vergessene Sporttasche
Lillis Sprung
Kleine Schrittchen
Der Moment in der Glasscheibe
Bring mir ein Stück Afrika mit
Das sind Bernd und Simone
Thomas und Takashi
Why do you always want to go somewhere?
Eine Liebesgeschichte mit Ende
Das Auto, ich und der Norden
Jede Fahrt sollte in Alexandria enden
Ein nackter David Beckham und die alte Frau
Die Brücke nach Schweden
Zwei leere Plätze
Er, seine Frau und die frühere Geliebte
Ohne Bett in Malmö
Sag mal, Hanna
Die Westküste Schwedens hoch
Unsere gemeinsame Zugfahrt. Die Letzte.
Der ku-Klux-Klan ohne Ticket
Die eine diese jene Nacht
Das Karottenmädchen
Die Sitzplatzverteidigerin und mein Platz
Rückkehr aus Schweden
Die kleinen Schönheiten wie Gänsehaut
Die Frau, die niemand wollte
Die Sache mit der Dachluke
Judiths Lachen
Elf Stunden
Das Lächeln des Selbstmörders
Das Zitroneneis
Kein Alles wird gut
-Eintrag
Ein zehnjähriger Busfahrer, eine Teetasse und das Nichts
Berlin, eine Schreibblockade und Berlin
In Berlin angekommen
Der Dreck der Stadt an meinen Füßen
Laut lesen am Moritzplatz
Das Mädchen mit der Zeitung
Das Mädchen mit der Zeitung in einer Parallelwelt
Der hübsche Autor
Von Paris nach Shanghai
Die alte Frau und der Käfer
Als nächstes Barcelona, bitte
Hundert Briefe und die Äpfel
Geschlossene Türen
Wie es ist aus Berlin wegzufahren
Die asoziale Hanna
48 Stunden in der Bahn
Bleib' hier
Was Singen in der Bahn mit Angst zu tun hat
Das Wiedertreffen nach zehn Jahren
Schwarzfahren
Wie ich mich fast mit einem Behinderten prügelte
Bond, Hanna Bond
Der Schal, der für mich auf Reisen geht
Blutige Autofahrt mit Finger in der Tupperdose
Das Zelebrieren von schlechter Laune
Willkommen zurück im Leben einer Pendlerin
Vater und Sohn
Meine Heldin
Die traurigen Frauen meines Abteils
Schreiben in der Linie 3
Heute, 22:15: Freunde mit Streichhölzern
Frühstück mit Achterbahn
Lernen zu bleiben
Von Wahnsinnsweibern, Katzen und Rückwärtsgängen
Auf den Schienen meiner Heimat
Rum zum Frühstück und geklaute Zigarren
Mit der Poolnudel gegen wilde Stiere
Das Leben malen
Erster Beitrag, in dem ich nicht unterwegs bin: Das Frühstück meiner Katze
Sommerwind
Book of Paintings: Complete Book of 5
Wie ein Abschied sein sollte
Flugzeugdunst statt Asphaltrisse
Beim Laufen in den Himmel schauen
Man nehme den nächsten Elefanten
Berlin mit dem Fahrrad (oder: Google Maps, die Sau!)
Tourismus für Extreme: Der Fahrradladen
An einem fremden Ort
Die Schnürsenkel-Philosophie
Verwunschen
Nachwort: Die Züge des Lebens
Impressum
Der Zug des Lebens
Zugfahren ist überhaupt nicht wie das Leben. Beim Zugfahren weiß man, wohin man will und sogar, wo man dafür aussteigen muss. Ich liebe das. Man sitzt am Fenster und zieht an bunten Landschaften vorbei, dabei höre ich Musik -ich bin chronischer Musikhörer- und bekomme ein berauschendes Gefühl, eigenständig, unabhängig und frei. Weil ich gerade nichts machen muss, ich kann nur sitzen und warten.
Dabei sind Mitfahrer generell natürlich störend. Wenn ich mich nämlich diesen Gefühlswelten so aussetze, zeichnet sich das sehr deutlich in meinem Gesicht ab. Ich glaube, dass es sehr verrückt wirkt, wenn ich mit einem irren Grinsen vor mich hingluckse. Zugfahren ist entblößend. Wir denken nach und sind traurig; wir denken an alte Momente und unsere Augen leuchten. Und bei all dem vergessen wir hin und wieder, dass wir neben fremden Menschen sitzen, die uns manchmal beobachten, weil sie nur sitzen und warten können.
Das ist mir unangenehm und ich setze mich immer am liebsten neben einen freien Sitzplatz, oder versuche nicht zu auffällig zu sein, wenn ich das Lied stumm, aber enthusiastisch mitsinge. Dabei ist es so spannend die vielen Menschen zu sehen mit ihren verrückten Freuden und Leiden, die sie ihr Leben lang begleiten. Wenn ich es mir recht überlege, ist Zugfahren vielleicht doch ein bisschen wie das Leben.
Der unkonventionelle Mann
Das letzte Mal schrieb ich über das Zugfahren: Ich liebe es.
Ich muss mich korrigieren: Ich hasse es! Züge kommen nie pünktlich, nur wenn man spät dran ist und draußen Minusgrade einen daran erinnern, wie viel schöner es im Bett war. Mir ging es besser, als ich mich endlich auf einen Sitz fallen lies.
Fast bekam ich gute Laune, als ich feststellte, dass ich die einzige im Abteil war, als sich ein Mann mir gegenüber setzte. Nicht nur in Hörweite oder sogar Sichtweite, er saß direkt mir gegenüber in einem sonst leeren Zug. Starrte er mich an? Ich war mir unsicher, vielleicht schaute er auch nirgends hin und blickte nur zufällig in meine Richtung. Es ist eine ungeschriebene Regel, sich, wenn möglich, weit genug weg zu setzen. Vielleicht war der Mann alt und hatte sich nur auf den nächstbesten Sitz fallen lassen?
Ich lugte zu ihm rüber, aber er sah weder zu alt noch zu schwach zu sein, um meine Privatsphäre nicht respektieren zu müssen. Aus irgendeinem Grund traute ich mich nicht, ihn direkt anzuschauen, als würde ich damit zugeben, dass er mich störte. Also konnte ich nur versuchen aus den Augenwinkeln herauszufinden, ob er starrte. Vielleicht war er einer dieser Menschen, die ständig dringend Gesellschaft suchen. Er sah aber nicht so aus, als wolle er mit mir reden. Eigentlich sah er einfach aus, als sei ich nicht da und er warte auf seinen Zielort.
Vielleicht war er blind? Nachdem ich mir die ganze Zeit den Kopf zerbrochen und mich dabei angestrengt hatte, so auszusehen, als beobachte ich die nasse Landschaft draußen statt ihm, musste ich umsteigen. Als ich am Bahnhof oben an der Treppe stand, sah ich ihn am Bahngleis stehen, neben einem Pärchen von 40 Jahren, obwohl das Gleis ansonsten genügend Platz bot, um für sich alleine zu sein.
ielleicht interessierte er sich auch einfach nicht für Konventionen und zwang jeden dazu, darum zu beten, wenn er etwas möchte. Ich wachte aus meinem Gedankenuniversum auf und beeilte mich, zum Anschlusszug zu kommen. Ich hatte ihn nicht darum gefragt, woanders zu sitzen, noch war ich weggegangen, ich hatte es einfach ausgesessen. Jeder ist doch für sich selbst verantwortlich. Inwieweit gibt man auf andere Acht, inwieweit überlässt man sie ihnen selbst?
Der neuste Porno: Volle Fahrt hinein!
Es gibt Menschen, bei denen fühlt man sich einfach unwohl. Die können noch so nett und moralisch vertretbar sein, das geht einfach nicht. Beim Zugfahren sind das in Gruppen auftretende Pubertierende (meiner Meinung nach von neun bis 18 Jahren und von 45 bis 60 Jährige, aber dazu wann anders mehr), seltsam bis schlecht riechende Menschen, und Pärchen, die vergessen, wo sie sind. Auf letzteres traf ich gestern an, während ich angeheitert die U-Bahn nach Hause nahm. Schräg vor mir fiel mir mit allen Sinnen ein sich leicht daneben benehmendes Pärchen auf. Okay, das ist untertrieben: Sie (eine Riesin) saß auf ihm (das einzig riesige an ihm waren seine wandernden Hände) und ich hatte keine Probleme ihnen ab und zu bis tief in den Rachen sehen zu können. Ich litt. Ich wollte wirklich nicht gezwungen werden, mir das anzuschauen.
Flucht!, schrie ich beinahe auf, aber während ich schon stand, bemerkte ich, dass ich keine Chance hatte. Der Zugteil beinhaltete nur das Pärchen und mich als Zuschauer; und egal auf welchem Sitz ich auch saß, ich konnte sie sogar hören, sogar spühren, so penetrant war ihre Anwesenheit. Ich hätte an einer Haltestelle schnell rausspringen, zum nächsten Abteil rennen und dort wieder einsteigen können. Aber mit Sicherheit würde der Zug meinen Plan nicht durchschauen und weiterfahren, während ich noch am rennen war.
Ich sollte anfangen, so zu handeln wie ein Großteil der Menchheit: Ohne Gewissen. Ich würde die beiden mit meinem Handy aufnehmen und mir mit dem erpressten Geld eine Weltreise kaufen. Oder auf jedem Kontinent ein Haus. Ein noch größeres Geschäft könnte ich allerdings machen, wenn ich so meine eigene Pornofirma aufziehen würde. Das würde ich dann: Zug fährt ein!
oder Volle Fahrt hinein!
nennen und in meinem Kopf wurden die Häuser, die ich mir kaufen würde, immer größer.
Während der kleine Mann mit den großen Händen seinem riesen Fang das Kleid hochschob, gelangten wir zu meiner Station. Ich hastete an ihnen vorbei zu Tür und sah beim Zurückschauen noch, wie er… Na ja, jedenfalls bin ich froh, doch keine Pornoproduzentin werden zu müssen. Gelegenheit dazu werde ich hoffentlich keine mehr bekommen.
Nach dem Essen: Zähneputzen vergessen
Mir gegenüber saßen zwei Jungs, der eine vielleicht zehn Jahre alt, der andere war eine zwei Jahre jüngere Version von ihm. Eigentlich sah ich sie gar nicht, ich hörte The Kooks und tanzte innerlich mit; als das Lied endete und der Ältere sich zu dem anderen lehnte und fragte: Wann hast du eigentlich das letzte Mal deine Zähne geputzt?
Der Kleine ganz normal:Weiß nicht
, und zuckte mit den Schultern, Vor zwei Tagen?
Die Kooks spielten wieder, aber nachdem der Ältere auch mit den Schultern gezuckt hatte, schauten sie weiter stillschweigend nach vorne. Ich nicht, ich starrte sie an. Hatten sie das wirklich gerade gesagt? Oder hatte sich das mein Gehirn gerade ausgedacht?
Für euch ausprobiert: Der Nachtbus. Oh, doch nicht.
Ich will heim!
, dachte ich und maschierte los, raus aus dem Club, zur Haltestelle der Nachtbusse. 13 Minuten, stand da, dann käme mein Nachtbus. Einer kam, nach meinem freudigen Aufsprung stellte ich fest, dass es nicht meiner war. Noch einer, nicht meiner. Bei der ganzen Warterei hatte ich eine wichtige Regel nicht beachtet:
Es ist nicht garantiert, dass ein öffentliches Vekehrsmittel püntklich kommt, oder überhaupt, desweiteren fährt es nicht unbedingt zu dem Ziel, was angegeben ist oder fährt von dem angegebenen Ort ab.
Als mein Nachtbus laut Anzeige in 0 Minuten kommen sollte, wurde ich nervös. Berechtigt, denn gerade fuhr er an mir vorbei ohne zu halten. Der nächste kommt in einer halben Stunde, das ist nicht schlimm, das ist nur das Doppelte von dem, was du eh schon hier sitzt
, sagte ich mir in der Hoffnung, dass ich nicht anfange zu schreien.
Ich schrie nicht, sogar dann nicht, als ich bemerkte, dass das der letzte Nachbus war. Ich musste die erste Straßenbahn nehmen. In 49 Minuten. Frankfurt, die Metropole, ha ha ha. Mit Leute beobachten versuchte ich mir die Zeit totzuschlagen. Da waren junge Mädels mit glitzernden, hohen Absätzen, die mit schmerzverzerrtem Gesicht und kleinen Schritten über die Unebenheiten des Asphalts krochen; da waren Blau-, Pink- und Lilahaarige; ein Betrunkener, der singend den Bordstein entlang balancierte (Respekt).
Zehn Minuten später schaute ich wieder auf die Anzeige: 49 Minuten. Ich seufzte und schaute mir noch mal den Betrunkenen an, der jetzt singend auf den Straßenbahngleisen saß (Hey Jude, na na na naaah and make it bettaaaa!
). Die blauhaarige Frau zerrte an seinem Ärmel, um ihn hoch zu kriegen. Viele Betrunkene später stieg ich unter Vögelgezwitscher in die erste Bahn des Tages und schließlich in mein Bett. Ich war zu müde, um mich über die Warterei aufzuregen, ich träumte schon von tanzenden, bunthaarigen Mädchen, die mit glitzernden Absätzen Hey Jude
am Bahngleis grölen.
Von Am-Arsch-der-Welt nach Frankfurt in vier Stunden
Als mir im Ort Am-Arsch-der-Welt ein Fahrradfahrer zurief: Sie wissen, dass der Zug erst mal nicht kommt? Es hat einen Unfall gegeben, ein Auto liegt auf den Schienen
, setzte ich mich in ein Café und trank einen Tee. Der nächste Zug sollte planmäßig eine Stunde später fahren und der Fahrradfahrer meinte noch, dass die Räumung wohl höchstens eine halbe bis dreiviertel Stunde dauern würde.
Der Tee war schlecht, aber die Sonne war schön, ich war zuversichtlich. Bis ich wieder am Gleis stand und die Schranken erst erwartungsvoll runter und dann wieder ergebnislos hochschnellten . Ein Mädchen mit platinblonden Haaren wartete mit mir. Um ehrlich zu sein hat mich ihr Name nie interessiert, man entwickelt ein gewisses Desinteresse an den Eckdaten seiner Mitreisenden, daher nenne ich sie Blond.
Ein Ersatzbus kutschierte uns schließlich zum nächsten Bahnhof auf der Strecke. Der Busfahrer kannte sich nicht aus, Blond zeigte ihm den Weg, denn sie kam aus Am-Arsch-der-Welt. Die Bewohner von dort standen alle gaffend am Fenster, vielleicht war ein Bus in ihrem Dorf etwas Seltenes. Um es kurz zu machen: Am nächsten Bahnhof fuhr der Zug ohne uns ab, wir kamen vier Minuten danach an.
Wir standen eine weitere Stunde rum, diesmal in Wirklich-am-Arsch-der-Welt, hier war das Größte an Zivilisation ein Süßigkeitenautomat. Während ich an der Scheibe klebte und versuchte mich zwischen Schokoerdnüssen, Zwiebelringen, und nicht viel mehr zu entscheiden, telefonierte Blond mit ihrem Ex-Freund. Ich glaube, ich komme nicht mehr… Ah ja, um neun wollte ich doch schon wieder zurück, das lohnt sich nicht mehr… Und dann bei dir schlafen, oder was?
Ich wedelte panisch mit den Armen und Blond lehnte ab.
Eine Stunde später empfing ich den Zug mit glücklichem Springen, verabschiedete mich von Blond und fuhr endlich weg. Beachten Sie bitte, dass dieser Zug nicht weiter nach Hannas-Umsteigeort, sondern nach Wo-auch-immer fährt.
Warum macht es die Bahn eigentlich so schwer etwas für die Umwelt tun zu wollen?
Wütend wartete ich auf den nächsten Zug, ein Mitwartender schaute mich schief an, wahrscheinlich wirkte ich so, als wolle ich gleich auf den nächsten Fahrkartenautomaten einprügeln, mit glühenden Augen und rauchenden Ohren. Endlich in Frankfurt lachte mich ein Bus mit der Aufschrift Schienenersatzverkehr an. Nicht für mich, nicht für mich, nicht für mich, dachte ich. Er war für mich.
Der alte Mann und sein Fluch
An einem ganz normalen Tag, zu einer ganz normalen Uhrzeit stand ich einmal an einer Bushaltestelle auf dem Land und der Bus kam nicht -ganz normal.
Ein alter, großer Mann kam die Straße entlang geschlichen, tief gebeugt, als wolle er beim Gehen den Asphalt berühren. Als er sich langsam an mir vorbeischob, hörte ich ihn leise Geräusche machen, es klang wie ein Knurren.
Als er fast an mir vorbei war, drehte er sich zu mir um und zwei finstere Augen, durch tiefe Falten und Furchen halb verdeckt, schauten mich an. Dich haben sie hier vergessen!
, bellte er und ich fuhr vor Schreck zusammen. Dich holt niemand mehr!
Dann schlurfte er knurrend weiter.
Es kam übrigens wirklich kein Bus mehr, ich musste mich abholen lassen. Als ich das nächste Mal an der Haltestelle wartete, rechnete ich fast mit einem Fluch, dass der Bus nie wieder kommen würde. Er kam. Eine halbe Stunde zu spät, aber er kam. Puuuh.
Wie das Wort mich mitnahm
Es war ein zu langer Tag mit zu vielen Gedanken gewesen, deswegen will ich nur sitzen und die Landschaft an mir vorbeiziehen lassen. Erschöpft drehe ich den Kopf, um zu sehen, wer sich da direkt neben mich gesetzt hat. Es ist ein Wort. Es ist klein und schlicht, und wunderschön, es streckt mir seine Hand entgegen: Komm mit.
Ich aber schüttele den Kopf: Es ist schon recht spät, lieber nicht.
Es bleibt hartnäckig und kaum habe ich nach seiner Hand gegriffen, schießt es steil in die Höhe und nimmt mich mit. Ich habe nicht mal Zeit meine Jacke anzuziehen.
Wir durchbrechen die Wolken, fliegen in das kühle All, es ist still und eine Sonne lässt fremde Planeten erstrahlen. Plötzlich dreht das Wort ab, wir kehren zurück, um die Erde herum. Wir fangen Feuer,