Schulleitung
Von StudienVerlag
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Über dieses E-Book
In "Schulleitung" werden Konzepte, Erfahrungen, Reflexion und Analysen zu Kontexten, Bedingungen, Anforderungen, Rollen und Aufgaben von Schulleitung für eine adäquate Unterstützung und Qualifikation in internationalen Beiträgen vorgestellt. Es wurden Beispiele aus Ländern ausgewählt, in welchen die Verlagerung von Entscheidungen an lokale und regionale Strukturen im Vergleich zur österreichischen Situation schon weiter voran getrieben wurde (Norwegen und Dänemark) oder wo traditionell autonome Entscheidungsstrukturen bestehen (Irland) bzw. wo in den letzten Jahren eine starke externe Qualitätskontrolle durch Inspektion eingeführt wurde (England).
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Buchvorschau
Schulleitung - StudienVerlag
2002
Franz Rauch
Schulleitung im Kontext aktueller Entwicklungen: Rollenbilder und Qualifikation
1. Einleitung
Die Grundlage für dieses Kapitel stellt die Studie „Trends im Rollenbild und in den Aufgaben von Schulleitung und Schulaufsicht in einer sich dynamisch entwickelnden Gesellschaft" (vgl. Rauch 1998) dar. In dieser Studie wurden auf Basis einer Expertenbefragung 55 ausgewählte Publikationen und graue Texte aus Österreich, der Schweiz, Deutschland, England und den USA analysiert. Die Hauptergebnisse dieser qualitativen Literaturanalyse werden anschließend, angereichert durch Analysen von Fallstudien an österreichischen Oberstufenschulen (vgl. Rauch 1999), zusammenfassend dargestellt.
Um diese Aussagen exemplarisch zu vertiefen, wurden mit fünf Schulleiter/innen in Österreich halbstrukturierte Interviews geführt. Diese Gespräche werden im dritten Kapitel anhand von Portraits dargestellt, die plastische Eindrücke vermitteln sollen, wie Schulleiter/innen ihre Tätigkeit definieren und ausführen. Im vierten Kapitel werden die beiden Datensätze zu Thesen für Merkmale guter Schulleitung verdichtet.
Der Frage der Qualifikation von Schulleiter/innen wird im fünften Kapitel nachgegangen. Im Zentrum steht die kursorische Darstellung von vier ausgewählten Qualifizierungsprogrammen in der internationalen Arena. Darauf aufbauend werden Bausteine für ein qualitätsvolles Weiterbildungsprogramm aus der Sicht des Autors zusammengefasst.
2. Rollen und Aufgaben von Schulleitung: Zusammenfassung einer Literaturanalyse
Die umfangreiche Literatur zur Schulleitung belegt (vgl. Rauch 1998), dass in den letzten Jahren die Komplexität der Rollen und Aufgaben von Schulleiter/innen zumindest in den westlichen Industriegesellschaften zugenommen hat. Neben die klassischen Aufgaben der Verwaltung sind im Gefolge zunehmender Autonomisierung von Schulen Finanzmanagement und Personalentwicklung, pädagogische Führung sowie Qualitätsentwicklung und Qualitätsevaluation hinzu gekommen. Eine besondere Herausforderung für Schulleiter/innen stellen in jüngster Zeit Qualitätsentwicklung und Qualitätsevaluation dar. Es wird argumentiert, dass für eine zukünftige Bewältigung der Leitungsaufgabe kooperative Führungsmodelle, eingebunden in fördernde strukturelle Rahmenbedingungen und hochwertige Weiterbildungsprogramme, zielführend erscheinen. Professionalisierung von Schulleiter/innen wird in einer systemischen Perspektive in enger Verbindung mit der Entwicklung von Einzelschulen und von Schulsystemen gesehen.
Der Begriff „Rolle" wird hier als umfassendes Konzept verwendet, das mehr als eine Aufgabenbeschreibung meint und auch informelle Vorstellungen und Erwartungen mit einschließt (vgl. Harrison 1977).
2.1. Zunahme der Rollenvielfalt und Komplexität an Aufgaben
Schulleiter/innen müssen heute schon und zukünftig in vermehrtem Ausmaß eine Vielzahl unterschiedlicher, manchmal widersprüchlicher Rollen ausüben und auf unterschiedliche Einwirkungen auf die Schule reagieren. Die Aufgabenbereiche werden mit Begriffen wie Führung, Management, Moderation (vgl. Rolff 1997) oder administrative, finanzielle, pädagogische Leitung und Öffentlichkeitsarbeit etc. umschrieben. Die traditionellen Aufgaben administrativer Verwaltung einerseits und pädagogischer Führung (instructional leadership) andererseits werden weiterhin Kernbereiche darstellen. Neu hinzu kommen vor allem finanzielles Management, Personalentwicklung, die Verbindung von Unterrichts- und Schulentwicklung und Aufgaben im Rahmen der Evaluation bzw. Qualitätsentwicklung an Schulen. Diese Zunahme lässt Dilemmata, die in der Leitungsfunktion angelegt sind, noch schärfer hervortreten. Einige sollen hier kurz genannt werden.
Moeller (1998) unterscheidet zwischen Steuerungs-Dilemmata und Loyalitäts-Dilemmata. Aus ihrer Forschung in Norwegen hat sie die folgenden Steuerungs-Dilemmata herausgearbeitet:
- Steuerung von oben versus professionelle Autonomie der Mitarbeiter,
- Veränderung versus Stabilität,
- Herausforderung versus Unterstützung,
- Ordnungsrahmen schaffen versus Teilnahme an reflektierter innovativer Praxis.
Loyalitäts-Dilemmata bezogen sich in erster Linie auf Dilemmata der
- Loyalität gegenüber Schüler/innen versus Loyalität gegenüber Lehrer/innen und
- Loyalität gegenüber persönlichen pädagogischen Werten versus Loyalität gegenüber vorgesetzten Behörden bzw. vorgegebenen Rahmenbedingungen.
Auch Colin Biott & Franz Rauch (1997, 2000) stellten im Rahmen ihrer Fallstudie über eine englische Volksschule fest, dass die Rollenkomplexität der Schulleiterin am besten durch folgende Dilemmata beschrieben werden kann:
- Beobachten aus der „Helikopter-Perspektive"und Zugehörigkeit zum Lehrkörper,
- individuelle Weiterbildung der Lehrer/innen fördern und die Entwicklung der gesamten Schule im Auge haben,
- externe Bestätigung suchen und Außendruck verhindern,
- Einbringen und Teilnahme der Lehrer/innen fördern und Ziele bzw. Erfolgskriterien festlegen,
- Kontrolle über Lehrer/innenarbeit ausüben und Mitverantwortung der Lehrer/innen fördern.
Eine politische Ebene bringt Southworth (1997) ins Spiel, wenn er auf Basis von zehn Interviews mit Primarschulleiter/innen in England als eine der Hauptherausforderungen formuliert, dass Leiter/innen zwei miteinander in einem Spannungsverhältnis stehende Probleme ausbalancieren müssen: die Entwicklung von Zusammenarbeit im Lehrkörper bei gleichzeitigem Abbau von Mitarbeitern aufgrund von Budgetkürzungen.
2.2. Um die neue Vielfalt bewältigen zu können, müssen Schulleiter/innen in vermehrtem Umfang Aufgaben delegieren, Verantwortung abgeben und in Teams arbeiten können.
Schulleiter/innen können nicht länger als „einsame Helden" agieren, und es ist kaum vorstellbar, dass eine Person alle geforderten Fähigkeiten entwickeln kann. Es wird immer notwendiger, Kompetenzen in der Zusammenarbeit und Teamarbeit zu entwickeln. „Kooperative Führung" ist eines der auftauchenden Schlagworte (vgl. Thurler 1997). Leitungsteams und Steuergruppen werden oft als strukturell potente Lösung gesehen (vgl. Osswald 1992). Es müssen die Verantwortlichkeiten allerdings klar geregelt werden und mit der Verantwortung, welche die Schulleitung von Amts wegen innehat, übereinstimmen. Leitungsteams erfordern also rechtliche Rahmenbedingungen und persönliche Kompetenzen, die oftmals erst entwickelt werden müssen. Da all diese Rahmenbedingungen meist noch gar nicht oder erst in Anfängen existieren, bewegt sich Teamleitung zur Zeit im Experimentierfeld und setzt engagierte Leiter/innen mit einem gewissem Mut auch in Graubereichen zu agieren, voraus.
Abgabe von Verantwortung (shared governance) an Lehrer/innen wird in einigen Publikationen auch als fruchtbare Basis für Professionalisierung sowohl für Leiter/innen als auch für Lehrer/innen angesehen und kann letztlich zu mehr Berufszufriedenheit und damit auch zu einem qualitätsvolleren Unterricht und Schulleben führen (vgl. Blase/Blase 1994).
Ähnlich argumentiert der Amerikaner Sergiovanni (1996). Er plädiert für einen „norm-based approach" mit „shared core values" im Zentrum. Das fördere ein „self-management" der Lehrer/innen. Die Rolle der Schulleitung wird vor allem als Teil von im Netzwerk geteilter Verantwortung mit Lehrer/innen und Schüler/innen gesehen. Die Grundidee: Wenn alle einige wesentliche Grundwerte teilen und diese auch handlungsleitend sind, erübrigen sich bis zu einem gewissem Ausmaß Leitungs- und Kontrollhandlungen.
Dass der Ansatz geteilter Verantwortung vielleicht eine idealistische Schlagseite haben könnte, zeigt das Beispiel einer Schule in Österreich. Dort wollte der Schulleiter die „Steuergruppe, die sich für die Entwicklung des Unterrichts verantwortlich fühlte, auch an der Verwaltung der Schule beteiligen, da er Unterrichts- und Verwaltungsstrukturen im Zusammenhang sah. Ihm schien an der Schule gerade eine Weiterentwicklung der Verwaltung prioritär zu sein, nachdem sich im Bereich des Unterrichts in den letzten Jahren bereits vieles zum Positiven entwickelt hatte. Die Lehrer/innen lehnten eine Übernahme von Aufgaben aus der Verwaltungsstruktur jedoch ab, obwohl dafür bezahlte Zeitressourcen zur Verfügung standen. Für dieses Verhalten mag es im einzelnen viele Gründe geben, die Autoren der Studie sehen aber zum einen vor allem den Zusammenhang mit einem bestimmten Verständnis von Lehrer/innenarbeit, das sich alleinig auf den Unterricht bezieht und eine nicht durch Verwaltungsaufgaben befleckte Berufstätigkeit wachhält (vgl. Altrichter/Soukop-Altrichter 1998). Organisationsbezogen wird darin auch die immer noch übliche Doppelstruktur von Schule, getrennt in Unterricht und Verwaltung, deutlich (vgl. Marx/Van Ojen 1992). Die Funktion „Verwaltung
wird von den Professionellen eben als ungeliebtes Kind und als Spezialaufgabe der Schulleitung gesehen. Diese Trennung passt allerdings nicht mehr in ein systemisches Verständnis von Schule als sich entwickelnde oder lernende Organisation.
Wie das Beispiel zeigt, ist die gelebte Integration geteilter Verantwortung mitunter von vielen Hürden begleitet. Eine zentrale Aufgabe, um den Boden für Zusammenarbeit aufzubereiten, besteht für Schulleiter/innen darin, berufsbezogene Informationsflüsse und Kommunikation nach innen und nach außen zu fördern, zu unterstützen und zu moderieren (vgl. Krainz-Dürr 1997).
2.3. Renaissance von Leadership im Sinne eines systemisch-dialogischen Verständnisses (transformational leadership)
Schulleiter/innen müssen führen wollen. Darunter wird allerdings nicht verordnete Anweisung verstanden, sondern der Prozess einer wirksamen Beziehung zwischen „Führer/innen" und Geführten, die reale Veränderungen beabsichtigen und ihre Absichten reflektieren. Merkmale eines modernen Führungsverständnisses sind Kollegialität und Zusammenarbeit, Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Basis und gemeinsamer Werte (vgl. Sergiovanni 1996), Anregen von Selbstentwicklung und Selbstorganisation auf der Ebene von Mitarbeitern und der Schule als Organisation. In einem systemischen Führungsprozess kann jede/r Führer/in und Geführte/r sein (vgl. Fischer/Schratz 1993). Wie dies in täglicher Praxis verwirklicht werden kann, wird durch die staatlichen und regionalen Rahmenvorgaben und vor allem durch die jeweilige Kultur an einer Schule entscheidend mitbestimmt. Es muss erwähnt werden, dass es zur Zeit in Schulen häufig an Strukturen fehlt, um diese wohl schön klingenden Worte auch in der Praxis zumindest ansatzweise zum Leben zu erwecken. Als Möglichkeiten, solche Strukturen zu fördern, werden u.a. erwähnt:
- die Entwicklung eines Leitungsleitbildes, von Qualitätskriterien und einer Aufgabenbeschreibung für Schulleiter/innen;
- die Auswahl von Leiter/innen in einem gemeinsamen Prozess aller Beteiligten der Schule und der Schulaufsicht;
- die Schule als lernende Organisation aufzufassen, die in Entwicklung begriffen ist;
- förderliche Rahmenbedingungen in der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung von Schulleitung möglichst klar niederzulegen (vgl. Rauch 1998).
2.4. Schulinterne Qualitätsentwicklung als neue Herausforderung
Als Folge der zunehmenden Autonomisierung von Schulen müssen neue Formen der Rechenschaftslegung und Qualitätssicherung entwickelt werden (vgl. Altrichter/Posch 1997). Es lässt sich aus Untersuchungen eindeutig der Trend ablesen, dass sich Schulen in Zukunft mit Evaluation beschäftigen müssen und Leiter/innen dabei eine Koordinationsfunktion zukommt. Diskutiert wird das Verhältnis von interner zu externer Evaluation. Soll Qualitätssicherung ein Potential für die Entwicklung von Qualität an den einzelnen Schulen bieten, darf Schulen die Entwicklung von Zielen, Kriterien und Methoden nicht aus der Hand genommen werden. Schulen müssen eigenständig ihren Weg zu gesteigerter Qualität finden können. Für die Bewältigung dieser neuen und schwierigen Aufgaben brauchen sie Unterstützung.
In diesem Kontext wurde u.a. das Forschungsprojekt „Qualitätssichernde und -entwickelnde Systeme an österreichischen berufsbildenden Schulen" vom Unterrichtsministerium in Auftrag gegeben (vgl. Altrichter/Posch 1998). Es wurden von Forscher/innen Fallstudien an sechs Schulen verfasst, an denen ein je anderes Qualitätsentwicklungssystem angewendet wird: ISO 9000; Modell 2Q der Frey Akademie in der Schweiz; EFQM (Eine Version von TQM); Organisationsentwicklung; eine Schule mit einem guten Ruf aber ohne Qualitätsentwicklungssystem im technischen Sinn. Die Daten wurden durch Schulbesuche und vor allem durch Interviews erhoben.
Vier der fünf Fallstudien wurden hinsichtlich der Rolle der Schulleiter/innen analysiert. Es ergibt sich folgendes Bild:
2.4.1. Miniatur 1
Eine Schule orientierte sich an keinem expliziten, im „Handel erhältlichen Qualitätsentwicklungssystem. Die charismatische Leiterin wird als „Seele
der Schule mit stark mütterlichen Attributen bezeichnet. In der matriarchalischen Kultur der Schule herrscht eine besonders hohe Beziehungsqualität mit den Merkmalen:
- Achtung der Personen, seien es Schüler/innen, Lehrer/innen oder Eltern;
- bei aufkeimenden Konflikten wird rasch ein offenes Gespräch gesucht;
- Kritik wird mit Augenmaß ausgesprochen.
Insgesamt herrscht eine subtile Mischung aus Offenheit und Geschlossenheit vor. Mit dem Schuljahr 1998/99 ging diese Leiterin in Pension. Die Nachfolgerin will ein Qualitätsmanagement-System etablieren, das für die Bedürfnisse der Schule maßgeschneidert werden soll, nicht zuletzt um der staatlichen Verpflichtung zuvor zu kommen, ein System einrichten zu müssen. Vielleicht kann eine eher technische Perspektive an dieser Schule auch dazu beitragen, das soziale Erbe zu erhalten. Die Schule steht vor der Herausforderung der Erhaltung des familiären Klimas unter Rahmenbedingungen zunehmender Pluralität (vgl. Posch 1998).
2.4.2. Miniatur 2
An einer HTL, die einen Organisationsentwicklungsprozess begonnen hat, bringt der neue Leiter erstmals in der Geschichte der Schule pädagogische Aspekte ein, indem er sich als Bindeglied zwischen Fachausbildung und Allgemeinbildung versteht. Diese Perspektive ist für diese große, traditionsreiche technische Schule neu, an der bisher die Fachausbildung hoch gehalten wurde. Aus der Sicht eines befragten Lehrers habe sich schrittweise mit der wechselnden Direktion ein „Demokratisierungsprozess" vollzogen. Ohne Wechsel in der Schulleitung wären die Schulentwicklungsinitiativen kaum möglich gewesen. Neben der Berufung des neuen Leiters nennt der Autor der Fallstudie, Hannes Krall (1998), als Motive für den Einstieg in ein Schulentwicklungsprojekt:
- ein zunehmendes Unbehagen in der Schule bezüglich des Arbeitsklimas sowie der Kooperation unter den Lehrer/innen;
- eine wachsende schulinterne Kritik an pädagogischen Praktiken und Werthaltungen;
- abnehmende Schüler/innenanmeldungen und eine wachsende Konkurrenz zwischen den Schulen.
Im Rahmen des OE-Prozesses wurde von externen Beratern angesichts der Größe der Schule (1800 Schüler/innen, 220 Lehrer/innen) eine Projektstruktur vorgeschlagen, die diese vom Alltagsbereich der Schule abgrenzt: Es wird ein „Projektbereich (aus einer Steuergruppe, einer Projektgruppe und mehreren Arbeitskreisen) vom „Alltagsbereich
(Schulleitung einschließlich der Abteilungsvorstände und der Werkstättenleitung, Personalvetretung und Schulgemeinschaftsausschuss, Hausangestellten und Schulverwaltung) unterschieden.
Die Steuergruppe bestand aus dem Schulleiter, drei Abteilungsvorständen und einem Werkstättenleiter. In ihr wurden die Entscheidungen getroffen. Die Projektgruppe hatte die Aufgabe, den Schulentwicklungsprozess zu organisieren, d.h. Arbeitskreise einzurichten, zu koordinieren und für die Präsentation der Ergebnisse in der Schule zu sorgen. Darüber hinaus mussten die nicht beteiligten Kollegen an der Schule über den Stand des Projekts informiert werden. Die Gruppe wurde von einer Lehrerin, der Initiatorin des Gesamtprojekts, geleitet und von einem externen Berater begleitet. Sie bestand aus maximal 9 Mitgliedern aus dem Lehrkörper und sollte fachlich sowie sozial die Vielfalt des Kollegiums bestmöglich repräsentieren. Arbeitskreise wurden zu bestimmten inhaltlichen Themen und Aufgaben eingerichtet: Betreuung der Schüler/innen in den ersten Jahrgängen, schulinterne Präsentation und Darstellung von Aktivitäten, Koordination der Öffentlichkeitsarbeit, Formulierung eines Lernzielkatalogs für die ersten Jahrgänge in der Lernwerkstätte, Standortbestimmung - Umfrage unter Schüler/innen, Eltern und Lehrer/innen - Stärken-Schwächen-Analyse. Es arbeiteten daran vor allem Lehrer/innen mit, vereinzelt auch Schüler/innen und Eltern. Vorschläge für Arbeitskreise wurden von der Projektgruppe entwickelt und in der Steuergruppe beschlossen.
Nach einem Jahr Arbeit stellte sich als eine Hauptherausforderung die Kooperation der verschiedenen Führungsebenen heraus. Neben der Schulleitung sind an diesem Schultyp Abteilungsvorstände tätig. Diese standen dem Projekt skeptisch gegenüber, nicht zuletzt, da sie eine Abnahme ihres Einflusses befürchteten. Der Schulleiter berichtete davon, dass er in Gesprächen die Abteilungsvorstände zur Mitarbeit motivieren musste. Sie ließen sich schlussendlich auf ein Pilotprojekt ein. Es stellt sich nach Abschluss der Pilotphase des Organisationsentwicklungsprojekts die Frage, was wie weitergeführt werden sollte und welche Kompetenzen an welcher Ebene angesiedelt werden. Auf die Frage, wie es im nächsten Schuljahr weitergehen sollte, antwortete der Schulleiter mehrdeutig: „Das Projekt läuft planungsgemäß aus." Bedeutet auslaufen nun, dass etwas zu Ende geht oder wie in der Metaphorik der Seefahrt, dass ein Schiff in See sticht und auf Reisen geht? (vgl. Krall 1998)
2.4.3. Miniatur 3
An der dritten Schule (vgl. Hanzer 1998) entschied sich der ebenfalls neue Leiter gemeinsam mit dem Inspektor für ein bestimmtes Qualitätssicherungssystem, in diesem Fall das Konzept „2Q" der Karl Frey Akademie aus der Schweiz. Die Initiative kam nicht vom Lehrkörper sondern von außen. Der Landesschulinspektor hatte das Konzept vor den Leitern Berufsbildender Schulen im Land Vorarlberg vorstellen lassen „mit der Hoffnung, dass irgend jemand auf den Zug aufspringt ... zu meiner Überraschung ist dann Direktor S. aufgesprungen ... Überraschung deshalb, da es sich dabei um eine sehr große Schule handelt und das System „2Q nur funktionieren kann, wenn die Führung sehr stark dahintersteht bzw. sich auch in das System einbringt ...
Die Formel „2Q steht für „Qualität plus Qualifizierung
. Dabei soll über eine weitgehend selbst gesteuerte Optimierung professioneller Lehrerhandlung eine Verbesserung der Qualität von Prozessen und Produkten in einer Institution erfolgen. Ein Lehrer beschreibt das Grundprinzip so: Zwischen einem „2Q-Gesprächspartner aus dem Lehrkörper an der Schule und einzelnen Lehrern wird in einer Anfangsbesprechung ein Kontrakt („Q-Plan
) abgeschlossen, der das klar definierte Ziel beinhaltet, welches der Lehrer in einem bestimmten Zeitraum erreichen will, sowie spezifische Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles festlegt. In einer Schlussbesprechung wird die Zielerreichung kontrolliert und evaluiert. Die individuellen Q-Pläne sind Konkretisierungen eines Optionenkatalogs, der den Lehrer/innen vorgelegt wird.
Ein wichtiger Impulsgeber für diese Initiative war der Leiter, der schon bisher immer wieder Experten zu „Schulentwicklung und „Schulleitbild
einlud, und u.a. auch eine Leitbildgruppe aufbaute. Während der Inspektor und Schulleiter vom „2Q System und auch von der Person des Anbieters fasziniert waren, traten bei der ersten Information an der Schule Widerstände auf. Die Kritik richtete sich vor allem gegen die Institutionalisierung eines „Controllinginstruments
. Es nahmen an der Schule dennoch 30 Lehrer/innen (von 90) am Projekt teil. Als Konsequenz dieser Kritik von Lehrer/innenseite entschlossen sich Schulleiter und Inspektor, in Abänderung des ursprünglichen Modells, auf Kontrollmöglichkeiten und Informationsflüsse über die konkreten Vorhaben zu verzichten. Direktor und Inspektor wurden über die Entwicklungsschwerpunkte der Lehrer/innen und die erreichten Verbesserungen nicht informiert. Die schulinternen „2Q Gesprächspartner, die eingesetzt wurden, um die Kollegen zu unterstützen und Verbindlichkeit herzustellen, wurden in dieses „Schweigegelübde
eingebunden. Der Inspektor bedauerte es,