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Verfluchte Versuchung
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eBook334 Seiten4 Stunden

Verfluchte Versuchung

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Über dieses E-Book

Peter Sahm, erfolgloser Maler begegnet eines Nachts in Rom an der Fontana di Trevi einer dämonischen Gestalt, die ihm Ruhm und Reichtum verspricht, wenn er einen Pakt mit ihr schließt. Sahm; als Maler erfolglos, willigt ein. Seine Gemälde werden zu künstlerischen Sensationen, sie werden Schlüssel zu Toren, die besser verschlossen bleiben sollten. Kann die Liebe zu Donna Teresa ihn vor den vernichtenden Zugriff des Dämons retten?
SpracheDeutsch
Herausgeber110th
Erscheinungsdatum30. Sept. 2014
ISBN9783958651357
Verfluchte Versuchung

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    Buchvorschau

    Verfluchte Versuchung - Stan Marlow

    werden.

    Verfluchte Versuchung

    Wie eine dunkelblaue, durchsichtige, in vielen rätselhaften Farben schimmernde Kuppel stand die Sommernacht über dem ewigen Rom. Es war eine jener Nächte, in denen Rom nicht schlafen geht und wo in den Osterien Becherklang, Musik und Gesang nicht verstummen. Die marmorweißen Götterstatuen schienen unter dem mildblauen Mondlicht zum Leben zu erwachen. Uralte Fontänen sangen ihr nie verstummendes Lied, so dass vor dem stillen Träumer die Jahrhunderte aus ihrem Schlaf erwachen und das Leben längst vergangener Zeiten sich zusammendrängt in einige flüchtige Gegenwartsstunden.

    Auf dem Rande der Fontana di Trevi saß ein einsamer Mann. Man könnte glauben er schliefe, doch er träumte nur. Es war Mitternacht. In der Luft zitterten noch die Echos der vielfach durcheinander tönenden zwölf Glockenschläge. In die letzten Nachklänge der ewig gleichen, in ihrer Unwandelbarkeit an die Ewigkeit ermahnenden Stimme der Zeit aber mischten sich schon wieder die lauten, lärmenden Stimmen der fröhlichen Gesellschaft, die sich drüben in der Osteria des Fidelinaro zusammengefunden hatte. Dort hockte, trotz der Wärme eng aneinander gedrückt, trinkend und singend ein sorgloses Völkchen. Künstler aller Gattungen, Weltenbummler aller Nationen vermischten sich mit den Söhnen des Landes. Die Lieder, egal, in welcher Sprache sie gesungen wurden, fügten sich zu einem rauschenden Akkord überschäumender Lebensfreude. Der Mann draußen auf dem Rande der Fontana di Trevi hob den Kopf und lauschte. Sein Gesicht war finster.

    „Warum sitze ich hier und kann mich von dem Ort nicht trennen?" murmelte er.

    „Warum gehe ich nicht hinein zu den anderen und berausche mich für meine letzte Lira in Lacrimae Christi? Nach einer Weile: „Weil ich ein vollkommener Narr bin. Oh, ich weiß, alle wie sie da drinnen sitzen, trinken, lachen und singen, sie alle sind Künstler und sie sind sich ihres Standes wohl bewusst. Das gibt ihnen Mut und Selbstvertrauen, obwohl ihre Geldbörse nicht voller ist als die meine. Ich dagegen bin mir meiner Unfähigkeit bewusst und das drückt mich zu Boden!

    Abermals nach einer Weile finsteren Schweigens:

    „Wie konnte ich nur ein solcher Dummkopf sein zu glauben, der Genius der Kunst, der mir in der Heimat nicht erscheinen wollte, würde sich hier meiner erbarmen! Ja, wenn ich Maler wäre! Meine Kunst reicht zur Not aus, eine Wand anzustreichen, doch nicht um aus einem Stück Leinwand ein Kunstwerk entstehen zu lassen. Bitter ist das, sehr bitter! Nun sehe ich ein, dass ich meinen erträumten Idealen ferner bin, als jemals zuvor."

    Er griff mit der Hand in die Westentasche und brachte ein Ein-Cent-Stück zum Vorschein. Er betrachtete die Münze mit verkniffener Miene, dann lachte er rau vor sich hin.

    „Wer von Rom Abschied nimmt und es wiederzusehen wünscht, der trinkt aus der Fontana di Trevi und wirft einen Centesimo über seine Schulter ins Wasser. Getrunken habe ich schon. Soll ich meinen Leichtsinn vollenden und den Centesimo werfen? Besser wäre es, ich ersäufte mich selbst im Tiber, um zu beweisen, dass ich in der Tat von Sinnen bin." Achselzuckend und mit höhnischem Gelächter schleuderte er die Münze in den mythischen Brunnen. Im selben Augenblick ertönte hinter ihm ein leises heiseres Lachen.

    „Sie haben zweifellos Recht, Herr Sahm. Wozu dieses überflüssige Überlegen und Grübeln!" Der einsame Mann drehte sich hastig um, nicht gerade erschrocken, doch durchaus überrascht von der Stimme, die so plötzlich hinter ihm erklang. Er sah sich einer höchst seltsamen Gestalt gegenüber, die mit langsamen Schritten, vom Pavillon kommend, auf ihn zu trat. Worin aber lag das Merkwürdige, was ihn von tausend anderen Menschen in auffallender Weise unterschied? Sein Gesicht war hässlich, dennoch interessant. Seine scharf ausgeprägten Züge hatten etwas merkwürdig Fließendes. Sie waren in ständiger Bewegung: die Augen, die in Sekundenschnelle den Ausdruck wechselten, die schmalen Lippen, die fortwährend leise zuckten wie in einem verhaltenen Lachen. Unsinn! Solch ein Gesicht konnte es gar nicht geben. Wie er sich auch anstrengte, dieses Gesicht mit seinen Blicken festzuhalten, es gelang ihm nicht. Menschlich anziehend und zugleich abstoßend war es, aber höchst fesselnd durch seine Eigenart. Darum vergaß er über dem Betrachten dieses Gesichtes ganz auf die Worte, die jener gesprochen hatte, zu antworten. Bis der Fremde, durch das Staunen des anderen erheitert, ihm zunickte und lächelte. Herrgott, dieses Lächeln! War dieses Lächeln menschlich? Es war so unerhört spöttisch, humorvoll und geistreich zugleich. War es das bleiche Mondlicht, das das Gesicht des unheimlichen Mannes so unwirklich erscheinen ließ oder verursachte der Asti Spumante des Fidelinaro eine so große Täuschung? Peter Sahm betrachtete den Fremden eine Weile schweigend. Dann zuckte er die Achseln und wandte sich halb von ihm ab.

    „Wir werden einen Vertrag miteinander schließen, Peter".

    „Wer? Sie und ich?" fragte der Maler verblüfft.

    „Sie und ich", nickte der andere.

    „Worauf wollen Sie hinaus?"

    „Das ist nicht so einfach beantwortet wie gefragt. „Möchten Sie gerne reich und unabhängig sein?"

    „Welch eine Frage!"

    „Versprochen! Sie werden es bald sein.

    „Das glaubt Ihnen der Teufel."

    „Da haben Sie ausnahmsweise ins Schwarze getroffen!" rief der andere mit einem grellen

    Lachen. „Der Teufel ist überzeugt davon. Aber im Ernst, Sie dürfen mir glauben; Sie werden der merkwürdigste Maler unserer Zeit werden. In einer Woche kennt man Ihren Namen in Italien, in drei Wochen in ganz Europa, in sechs Wochen in der ganzen Welt. Er hielt inne und betrachtete den Maler mit lauerndem Blick. Der aber lachte nervös auf. „Bitte, so reden Sie doch weiter. Schon lange hab ich mich nicht mehr so amüsiert, wie eben.

    „Lieber Freund, Sie werden mich nicht mehr lange für einen närrischen Schwätzer halten. Um Sie zu überzeugen, will ich Ihnen einiges über Ihr Schaffen sagen. Sie tragen sich augenblicklich mit dem Gedanken, eine Tänzerin zu malen, die den Fandango tanzt. Der Stoff will sich Ihnen aber nicht nach Wunsch fügen und das macht Sie so verstimmt, dass Sie bereits den dummen Entschluss fassten, als Tüncher nach Berlin zurückzukehren. Sie werden vielleicht nach Hause zurückkehren, doch als ein Künstler, der nur darum nicht der Begründer einer neuen Schule sein kann, weil sich niemand finden wird, der sich auf seine Bahnen wagt. Morgen früh werden Sie die Leinwand aufziehen und unverzüglich mit der Arbeit an der Tänzerin beginnen. Morgen Abend werden Sie das Bild fertig haben." Der Fremde hatte die Worte in kühlem, geschäftlichem Ton gesprochen. Der Maler war langsam, von einem sichtlichen Schauer ergriffen, vor ihm zurückgewichen.

    „Mein Gott, was sind Sie für ein Mensch, murmelte er verstört. „Sie reden wie ein Wahnsinniger und wissen Dinge, die niemand wissen kann. Woher haben Sie von dem Bild erfahren, das nur meine Gedanken kennen und das mich in der Tat verzweifeln lässt, weil es sich vor meinen Augen nicht formen will. Abermals stieß der Geheimnisvolle sein meckerndes Gelächter aus.

    „Ich brauche Ihnen nur zu sagen wer ich bin, dann hätten Sie für alles eine ausreichende Erklärung. Haben Sie Mut?"

    „Gewiss, solange ich es mit Sterblichen zu tun habe."

    „Das, mein Freund, ist ein billiger Mut. Aber mir scheint, Sie ahnen schon etwas. Von den Menschen habe ich nur die äußere Form."

    „Sind Sie ein Geist, der ruhelos umher wandert oder etwa selbst der sogenannte Seelenfänger?"

    „Gut, dass Sie sagen, der sogenannte. Denn all die törichten Menschlein, die das Wort gebrauchen, haben keine Ahnung, welch ein Wesen sie bezeichnen wollen. Sie aber meinen offenbar seine Majestät den Teufel."

    „Sie reden aber in hohen Tönen vom Antichristen."

    „Wie sich das geziemt, wenn man von seinem höchsten Herrn redet."

    Er sprach das alles in einer leicht hingeworfenen Weise. Er setzte sich wieder auf den Rand der Fontane. Eine Weile betrachtete er den Maler, der noch ganz steif stand und verstört ins Leere starrte. Dann ging ein spitzes Lächeln über sein Faungesicht.

    „Nicht wahr, Herr Sahm, das Ganze verwirrt Sie ein wenig? Ich kann's mir denken. Es geschieht auch nicht alle Tage, dass einem ein leibhaftiges Mitglied des Internums begegnet. Aber ich kenne Sie und weiß, dass Sie sich ziemlich schnell daran gewöhnen werden. Wir sind nämlich im Allgemeinen gar nicht so übel. Gerade das Menschliche, mit seinen vielen Schwächen und seinen wenigen Stärken, die aber genau betrachtet nichts anderes als verkappte Schwächen sind, ist unserem Wesen bis zu einem gewissen Grade verwandt. Man schätzt uns nur auf der Erde nicht sehr, weil zu viele schlechte Dinge über uns geschrieben werden. Aber ich gebe Ihnen die feierliche Versicherung, dass alle die, die das geschrieben haben, nichts Näheres von uns wussten. Dafür aber, er sprach diese Worte mit einem heiseren Gelächter, „haben sie uns später umso besser kennen gelernt. Peter Sahm machte ein paar Schritte auf und ab, dann setzte er sich ebenfalls auf den Rand der Fontana, doch so, dass zwischen ihm und dem Fremden einige Meter Abstand blieben. Der merkte es und kicherte in sich hinein.

    „Sie behaupten aus der Hölle zu stammen. An solche Dinge zu glauben, können Sie nur Einfältigen, Verrückten oder Betrunkenen zumuten. Mir dürfen Sie mit solchem Hokuspokus nicht kommen."

    „Nein, wie aufgeklärt Sie sind! gab der Fremde seiner Verwunderung spöttisch Ausdruck. „Mit anderen Worten: Sie glauben nicht an den Teufel?

    „Nein, natürlich nicht! antwortete Sahm missmutig. „Ich glaube an nichts Übersinnliches, weder an Gott noch Teufel, Himmel oder Hölle.

    „Armer Mensch! Sie sind wirklich der Ansicht, dass das alles nur Märchen sind?" fragte der Fremde mit einem heiteren Erstaunen in Miene und Stimme.

    „Hirngespinste, fromme Erfindungen religiöser Menschen oder eine Art philosophischer Niederschlag, der in allen Menschen vorhandenen Gefühle für Recht und Unrecht widerspiegelt. Mögen das andere ergründen."

    „Wahrhaftig, Sie sind ein ganz Aufgeklärter! nickte der Geheimnisvolle anerkennend, doch mit einem Hohn, der den Maler maßlos aufbrachte. „Aber wissen Sie bester Herr Sahm, das ist nun so eine Art von Klugheit, die unsereiner nur schwer begreift. Allerdings, wir Überirdischen, Sie würden vielleicht sagen, Unterirdischen, haben es ja auch leichter, denn wir brauchen nicht zu glauben, weil wir wissen. Alles das, was Sie mit dem Begriff Übersinnlich bezeichnen, ist uns bekanntes Gebiet. Wer etwas genau kennt, der versteht nicht, dass ein anderer es nicht begreift, nicht daran glaubt. Dennoch, mir scheint an das Wichtigste von diesen Dingen müssten alle glauben. Besser noch, ihr müsstet fest davon überzeugt sein, da ihr es doch selbst in euch tragt.

    „Was haben wir denn in uns?", fragte der Maler, der allmählich, wenn auch wider seines Willens, von dem Reiz dieser seltsamen Unterhaltung erfasst und gefangen wurde.

    „Wie soll ich es Ihnen sagen?, überlegte der Fremde. „Sie zwingen mich Namen zu nennen, die ich nicht gerne ausspreche. Er zog den Kopf tief zwischen die Schulter, beugte sich nach vorn, das Gesicht der Erde zugekehrt, mit einer Geste, die den Eindruck einer ungewollten und erzwungenen tiefen Reverenz machte.

    „Gott flüsterte er fast unhörbar. „Sie müssen doch Gott, den großen Meister des Ganzen, in Ihrem Inneren spüren. Er äußert sich doch in allen Regungen Ihres Wesens und Ihrer Seele. Er schwieg ein paar Sekunden mit geschlossenen Augen. Dann zuckte ein Lächeln über sein Gesicht und seine Gestalt straffte sich. „Doch auch den anderen hohen Herrn, meinen erhabenen Gebieter, spürt ihr Menschen deutlich in eurem Blut. In eurer Lust am Bösen, am Sündigen, am Lügen und Betrügen, ach... befreit atmete er tief ein, „an so manchem, was euch mit der höchsten Macht in Widerspruch bringt.

    „Sie reden von der Moral", sagte Sahm mit einem Achselzucken.

    „Aber das ist ja etwas ganz anderes."

    „Etwas ganz anderes! lachte sein Gegenüber vergnügt und spöttisch. „Sie reden von diesen Dingen, wie der Blinde von der Farbe. Hat ein Pferd Moral oder ein Hund? Ein Baum? Oder ein Strauch vielleicht? Alle Lebewesen sind ganz bestimmten Lebensgesetzen unterworfen. Haben diese Wesen deswegen Moral oder etwas Derartiges? Nein, mein Herr Neunmalklug! Das, was Sie Moral nennen hat nur der Mensch. Warum? Weil der Mensch Gott in sich hat, der ihn zur Höhe zieht oder den Teufel, der ihn in die Tiefe zu führen versucht. Sieger ist, wer in der Seele des Menschen die stärkste Gewalt hat.

    „Jetzt habe ich Sie erst richtig durchschaut! lachte der Maler erzürnt. „Für den Teufel geben Sie sich aus und sind in Wirklichkeit nichts anderes als ein verkappter Pfarrer!

    „Sie tun mir Unrecht. Ich begreife nicht, warum Sie nicht an mich und meinesgleichen glauben wollen! Alle Gebildeten kennen ihren berühmten Landsmann Goethe und sein Meisterwerk Faust, mit dem der Ahnungsvolle so dicht wie möglich an unsere Sphäre herangerückt ist. Was glauben Sie wohl, wie viele Brüder Mephistos noch heute lebendig unter den Menschen wandeln als Künstler, als Dichter, Maler und Musiker, als Tänzer und Modeschöpfer? Sie brauchen nur zu wollen und Sie bekommen über den Punkt vollkommene Gewissheit. Reizt Sie denn nicht wenigstens das Verlangen zu sehen und zu wissen? Sie müssen nur ein wenig Vertrauen zu mir haben und mir Ihre Hand reichen, damit ich Sie in das Reich der höchsten Genüsse der Welt und der absoluten Macht über die Menschen führen kann!"

    „Ein Vertrag mit Ihresgleichen, sprach er hastig, „hat immer eine höchst unangenehme Klausel, nämlich, das man nicht davon zurücktreten kann, wenn man aussteigen will.

    „Ich sage Ihnen, Sie täuschen sich. Wenn Sie jemals den ernsthaften Wunsch haben, von unserem Vertrag zurückzutreten, dann sollen Sie davon befreit sein."

    „Auf Ehre?"

    „Ich schwöre."

    „Also sind wir uns einig?"

    „Wie? Worüber denn?"

    „Hören Sie genau zu. Sie wissen, dass sich um das Menschliche zwei Parteien streiten. Beide lieben den Menschen, wenn auch auf verschiedene Weise. Auch sind die Kräfte beider Parteien so ziemlich gleich verteilt. Es kommt dabei sehr viel auf die Zeitströmung an. Es scheint, als beginnt gerade jetzt für uns wieder einmal eine bessere Geschäftszeit. Obwohl die Zeiten für das Höllenreich nie schlecht sind."

    „Woraus schließen Sie das?"

    „Aus der Kunst, der Literatur, der Politik, vor allem aber aus der Mode, mein Lieber. Aus der Damenmode", versetzte der andere mit einem schlauen Lächeln.

    „Oh, Sie glauben gar nicht wie die Mode der Frauen für uns wirbt. Doch das nur nebenbei. Wenn wir im Großen und Ganzen auch eine ziemlich bedeutende Macht haben und über Mittel verfügen, denen der Mensch nur schwer widerstehen kann, so stoßen wir doch hin und wieder auf sehr heftigen Widerstand, gerade dort, wo uns am meisten am Sieg liegt. Dann sind wir mit unseren direkten Mitteln am Ende und wir müssen zu den indirekten greifen. Wir können dann auch nicht mehr selbst mitwirken, sondern bedürfen gewisser Mittelspersonen, wenn das Schauspiel stockt. So eine Art Hilfskraft, verstehen Sie?"

    „Dazu haben Sie mich auserwählt?"

    „Ganz recht."

    „Ich fühle mich dadurch nicht gerade geehrt."

    „Das ist ein ganz unberechtigtes Vorurteil. Wenn ich Ihnen eine Anzahl unserer Hilfsregisseure nennen würde, berühmte Namen aus eurer sogenannten Weltgeschichte, dann würden Sie staunen. Gekrönte Häupter, Staatsmänner, Feldherren, Schriftsteller, Gelehrte, Künstler, Menschen aus den sogenannten besten Kreisen."

    „Außerdem fühle ich in mir zu solch einem Amt keine rechte Begabung."

    „Das kommt noch. Sie sind klug, gewandt und dazu Künstler. Ich werde Ihnen die besten Aufträge vermitteln. Sie werden mit den Spitzen der großen Welt, der Kunst und des Adels verkehren. Ihr Name wird in aller Munde und Ihre Kasse nie leer sein. Sie werden leben wie ein Fürst, nur bei weitem freier als ein solcher."

    „Sie wissen vielleicht nicht, dass ich ein Gewissen habe."

    „Sie haben auch einen Blinddarm! Sehen Sie, wir leben in einer Zeit, wo man solch ein überflüssiges Ding ohne Schwierigkeiten wegschneidet."

    „Dann würde ich ja in seelischer Beziehung ein Krüppel sein. Schon allein der Gedanke verursacht in mir ein ekelerregendes, widerliches Gefühl."

    „In Ihnen scheinen sich alle Eigenschaften eines Spießbürger zu vereinigen. Die Überflüssigkeit des Blinddarms ist noch nicht sicher nachgewiesen, doch das Gewissen wirkt wie ein Kropf oder Höcker. Es ist einem überall im Weg. Ich werde Ihnen das Übel schmerzlos beseitigen lassen."

    „Sind Sie endlich bereit?"

    „Warten Sie! Das ist mir alles noch zu unklar. Wenn ich nun ja sage, wie wird sich dann unser künftiges Verhältnis gestalten?"

    „Dafür ist bereits gesorgt. Sie werden ein großer Herr sein und ein Haus führen müssen. Dazu brauchen Sie Dienerschaft. Für das alles werde ich sorgen, denn ich selbst werde Ihnen einen Privatsekretär aussuchen."

    „Sagen wir lieber einen Aufseher und Anführer in den höllischen Geschäften", bemerkte der Maler mit einem schalen Lächeln.

    „Egal! Jedenfalls werden Sie mit mir zufrieden sein. Sie werden sich in Zukunft sehr wohl fühlen, viel wohler, als wenn Sie Tüncher in Berlin wären."

    „Gut ich bin bereit, rief er heiser, „hier, meine Hand!

    Der Fremde griff mit einer gewissen Hast nach der ihm gebotenen Hand und hielt sie eine Weile zwischen seinen harten, knöchernen Fingern fest.

    „Nun haben Sie sich verpflichtet und sind mein", sprach er mit einer Stimme, die dem Maler ein Frösteln durch den Körper jagte. Dabei legte der seltsame Sprecher auf jedes seiner Worte einen starken, eigenen Ton, so dass sie sich dem Maler wie ebenso viele schwere Gewichte auf die Seele legten. Nie würde er diese Worte vergessen solange seine Seele zu menschlichem Fühlen fähig war. Eine plötzliche Schwäche überkam ihn, so dass er fast zusammensank. Er stützte seine Ellenbogen auf die Knie und legte das Gesicht in die Hände. So saß er eine ganze Weile, bis eine Hand ihn bei der Schulter berührte. Da richtete er sich langsam wieder auf. Sein Gönner stand vor ihm und hielt ein winziges Fläschchen in der Hand.

    „Ich sehe, Ihnen ist ein wenig unwohl geworden. Das liegt aber nicht an meinen Eröffnungen, sondern daran, dass Sie heute noch nichts gegessen haben. Das wird ab morgen anders sein. Nun schöpfen Sie etwas Wasser aus der Fontana." Peter Sahm gehorchte willenlos und der Fremde ließ aus seiner Phiole einen einzigen Tropfen in das Wasser fallen, das der Maler ihm in der hohlen Hand entgegen hielt. Sofort wurde das Wasser bernsteingelb und ein dünner, doch äußerst belebender Dampf stieg auf.

    „Nun schlürfen Sie, schnell!"

    Peter Sahm tat es. Es waren nur wenige Tropfen, die über seine Lippen kamen, da das Nass zwischen seinen Fingern hindurch gesickert war. Doch die wenigen Tropfen machten ihn zu einem ganz anderen Menschen. Er fühlte sich plötzlich von einer gewaltigen, unbeschreiblichen Lebenskraft und Daseinsfreude durchströmt. Alle Dinge der Welt erschienen ihm nun auf einmal in einem rosafarbenen Licht. Überall sah er nur dieses Licht, ohne jeden Schatten. Eine wunderbare Leichtigkeit war in allen seinen Gliedern, nicht nur in seinem Körper, sondern auch in seinem Geist. Er glaubte fliegen zu können, sofern er's nur versuchte.

    „Teufel, ist das ein Trank, den lasse ich mir gefallen! rief er und lachte laut und übermütig in die Nacht hinaus. „Ich bin gerade zu beschwingt! Was also nun?

    „Sie werden jetzt nach Hause gehen und eine ganze Nacht hindurch ausgezeichnet schlafen. Morgen früh beginnen Sie sofort Ihr neues Bild. Inzwischen werden Sie von mir hören. Gute Nacht, Peter Sahm!" Er lüftete mit tadelloser Weltmannsgeste seinen Zylinder, machte vor Sahm eine höfliche Verbeugung und ging dann mit merkwürdig schnellen, lautlosen Schritten auf den kleinen Pavillon zu. Bevor er aber soweit gekommen war, verlor sich seine Gestalt wie in einem Nebel. Peter Sahm, der ihm nachblickte, fröstelte ein wenig. Kopfschüttelnd ging er auf die Stelle zu, wo jener, trotz des hellen Mondlichts, im Nichts verschwunden war.

    „Hallo, hören Sie mal!" rief er laut.

    Der andere blieb verschwunden, nur ein leises, heiseres Lachen tönte als Antwort. Es schien von der mittleren Gruppe des Brunnens zu kommen, wo in einer Muschel, gezogen von Fabeltieren und gelenkt von Tritonen, der Meeresgott stand. Der Maler fasste die einzelnen Gestalten schärfer ins Auge, doch sie waren alle starr und steinern.

    „Vielleicht war das Lachen nur eine Täuschung meiner Sinne. Mag es gewesen sein was es wolle, amüsant war es auf jeden Fall." Er ging langsam noch einmal um die Fontana herum und machte sich auf den Heimweg.

    Es waren seltsame Gefühle, mit denen Peter Sahm am nächsten Morgen erwachte. Zunächst war er geneigt, das nächtliche Erlebnis für einen Traum zu halten. Dieser Glaube aber verschwand, je mehr er über das Geschehen nachdachte. So deutlich träumt man nicht, zumal nicht mit leerem Magen und klarem Kopf. Außerdem, dieses ganz unglaubliche Gefühl, das er in sich verspürte, seit er aus der hohlen Hand den Teufelstrank geschlürft hatte, war über Nacht nicht gewichen. Im Gegenteil, es hatte sich, vielleicht durch den guten festen Schlaf, noch verstärkt und erfüllte ihn bis ins Innerste seines Wesens. Dieses Gefühl trieb ihn nun aus seinem Bett. Immer noch ganz in Gedanken versunken ging er ins Atelier. Da stand auf der Staffelei die Leinwand, die für das Bild der tanzenden Römerin bestimmt war. Er betrachtete die Leinwand mit verkniffenen Augen und schüttelte den Kopf.

    „Die Malkunst soll die Brücke sein, die mich auf die Höhe meines Lebens führen wird, so lautet der Orakelspruch des geheimnisvollen Boten des Infernums. Es müsste eine andere Malerei sein! Ganz anders. Ich glaube..." Er brach ab und hob lauschend den Kopf. Irgendwer hatte an seine Tür geklopft.

    „Was, so früh schon Besuch? murmelte er erstaunt. „Wer könnte denn das wohl sein? Etwa wieder mein Spukgeist? Herein! Wer da zu ihm hereintrat, das war nicht der, mit dem er in der vergangenen Nacht verhandelt hatte. Ein Mann von schlankem, schmächtigem Körperbau, mit bleichem, glattrasiertem Gesicht, das einen äußerst klugen, dabei durchaus angenehmen Eindruck machte, trat geräuschlos ins Zimmer. Er war ganz in schwarz gekleidet und konnte auf den ersten Blick wohl für einen jungen Priester gehalten werden.

    „Guten Morgen, Herr Sahm, sprach er mit gedämpfter Stimme und verbeugte sich höflich, doch nicht unterwürfig. „Ich heiße Nifer Luzi. Vor einer Stunde war ich schon einmal hier, aber Sie schliefen noch.

    „Womit kann ich Ihnen dienen?" fragte der Maler verwundert.

    „Mit der Erlaubnis, Ihnen dienen zu dürfen", versetzte der andere mit einem Lächeln.

    „Ich bin als Ihr Privatsekretär angestellt worden."

    „Ah!" entfuhr es dem Mund des überraschten Malers.

    „Wer hat Sie denn angestellt?"

    „Oh, ein gewisser Herr."

    „Das sagt weniger als nichts. Wurde mit Ihnen ein Vertrag gemacht?"

    „Ein Vertrag? Gewissermaßen. Mein Gehalt hat man mir für drei Jahre im Voraus bezahlt. Ich freue mich natürlich sehr, eine so gute Stellung gefunden zu haben, denn an dem Wesen und der Großzügigkeit Ihres Beauftragten erkennt man sofort den großen Herrn."

    „Sind Sie über die Art der Dienste, die Sie mir zu leisten haben genügend unterrichtet?"

    „Vollkommen. Ich soll Ihnen in jeder Beziehung von Nutzen sein und hoffe, dass meine Kenntnisse der meisten lebenden Sprachen, sowie von Ländern und Menschen mir viel Gelegenheit dazu geben werden."

    „Sie sind viel gereist?"

    „Seit vielen Jahren tue ich nichts anderes."

    „Seit vielen Jahren? fragte der Maler lächelnd. „Ich meine, Sie sind noch gar nicht so alt, um viele Jahre gereist zu sein. Nifer Luzi lächelte ein wenig melancholisch.

    „Sie täuschen sich in meinem Alter. Wenn Sie mich erst einmal näher kennen, werden Sie sehen, dass ich mich in allen Winkeln der Erde auskenne. Peter Sahm fasste den anderen scharf ins Auge. „Sagen Sie einmal offen und ehrlich; sind Sie ein Verwandter des, ich meine, des Anderen?

    „Welches Anderen?" fragte Luzi harmlos.

    „Der Ihnen diese Anstellung gab."

    „Ein Verwandter? Hat er gesagt, er wolle einem seiner Verwandten den Posten anvertrauen? Übrigens, wie hieß er doch gleich? Peter Sahm biss sich auf die Lippen. „Hören Sie, ich frage und Sie antworten mit Fragen.

    „Ich bitte um Verzeihung, Herr Sahm, sprach jener mit gemessener Höflichkeit, „ich fragte, um Ihnen Auskunft geben zu können.

    „Nun ja. Was gedenken Sie als nächstes zu tun?"

    „Was sie mir auftragen."

    „Da wäre ich in Verlegenheit."

    „Ich sah, als ich bei Ihnen eintrat, dass Sie arbeiten wollten. Wenn ich Ihnen bei Ihrem künstlerischen Werk mit Rat und Tat zur Seite stehen dürfte, würden Sie mich sehr glücklich machen."

    „Verstehen Sie denn etwas von der Malerei?"

    „Ich verstehe von allen Künsten ein wenig."

    „Auch von Musik?"

    „Ich spiele alle Instrumente. Natürlich laienhaft."

    „Dort steht meine Violine. Wenn Sie so gütig sein wollen, dann spielen Sie etwas. Das regt mich in der Regel sehr zum Schaffen an."

    „Sehr gern. Was wünschen Sie zu hören?"

    „Spielen Sie, was Ihnen gerade einfällt."

    „Ich werde Ihnen eine von mir komponierte Mazurka vorspielen, in die ich hier und dort nach Laune Variationen und Kadenzen einstreuen werde." Peter Sahm hatte derweil seine Malergerätschaften bereitgestellt und trat mit der Kohle in der Hand vor die Leinwand. Es war ein sonderbares Gefühl in ihm, eine Spannung ohnegleichen, eine Erregung, die ihn durchströmte bis in die feinsten Nervenspitzen. Dennoch war die Hand mit der Kohle von einer vollkommenen Ruhe. Die ersten Striche, die dem Bild seinen Umriss geben sollten, gelangen aufs allerbeste. Welch eine Schaffenskraft steckte nur an diesen Morgen in ihm! Eine Leidenschaft zum Arbeiten, ein Drang zur Vollendung, der dem Schaffen selbst den Stempel des Genialen aufdrückte.

    Inzwischen hatte Nifer Luzi den Bogen angesetzt. Nach den ersten Tönen drehte der Maler sich erstaunt um und sah dem Geiger eine Zeit lang zu. Was jener da spielte, schien ihm eine sehr seltsame Musik. Auch die Geige klang ihm so fremd. Ganz anders als unter seinen eigenen Händen. Der Klang war so seltsam menschlich. So als sänge eine außerordentlich begabte Frauenstimme diese wunderlichen Koloraturen. Wie das durcheinanderwirbelte und durch die Saiten stürmte, maßlos sinnlich und leidenschaftlich, dann wieder unaussprechlich süß und innig. Doch immer, ob Sturm oder Stille, klang eine unwiderstehliche, heiße Liebeslockung durch das Spiel.

    Peter Sahm hätte dieser Musik mit geschlossenen Augen

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