Schelli: Die Abenteuer einer kleinen Seerobbe
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Über dieses E-Book
Hans-Joachim Wildner
Hans-Joachim Wildner wurde 1949 in Bad Lauterberg im Harz geboren, wo er heute noch mit seiner Frau lebt. Er hat zwei erwachsene Kinder und drei Enkelkinder, die ihn bald als geduldigen Vorleser und später als Autor entdeckt haben. So entstanden seine ersten Kinderbücher. Nach dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit, als Konstrukteur im Maschinenbau, fand er die Muse, sich intensiv dem Schreiben zu widmen und hat darin eine neue Erfüllung gefunden. Urwüchsige Natur, Bergbau und Mythen haben den Harz und seine Menschen geprägt und bieten eine ideale Kulisse für Fantasie, aber auch für Krimis und historische Romane. Vor diesem Hintergrund hat Hans-Joachim Wildner zwei Fantasieromane, drei Harzkrimis und einen historischen Roman geschrieben.
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Buchvorschau
Schelli - Hans-Joachim Wildner
Für meine Enkelkinder Darian, Lorena und Elida.
Nach einer Idee von Lorena
Ein herzliches Dankeschön gilt Simone Zacharias, die mit ihren wunderschönen Bildern sehr zum Gelingen dieses Buches beigetragen hat.
Inhalt
Die Felsenbucht
Ein Schutzengel
Sturm über dem Meer
Möwenküken in Not
Schelli wird erwachsen
Aufbruch ins Ungewisse
Bei Hilde
Auf dem Weg zur Dracheninsel
Die Dracheninsel
Die Suche nach dem Luftdrachen
Flucht vor dem Feuerberg
Gefangen
Endlich zu Hause
Die Felsenbucht
„Schelli, ruft die Mama ihr zu, „ich schwimme zum Fischen raus. Achte auf die Walrosse und geh ihnen aus dem Weg. Hörst du?
Schellis Mama ist wegen der Walrosse immer sehr besorgt, wenn sie Schelli zum Fischen allein lassen muss.
Der Strand in der kleinen Felsenbucht, in der Schelli und ihre Mama leben, ist sehr beliebt bei Robben und Walrossen, und deshalb geht es hier ziemlich eng zu. Es wird ständig geschubst, gestoßen und gedrängelt. Weiter oben in den Felsen streiten sich die Möwen um die besten Plätze. Die großen Walrosse nehmen meist wenig Rücksicht auf die Robben und stoßen sie einfach zur Seite, anstatt ihnen auszuweichen. Das ist besonders für die kleinen Robben gefährlich.
„Ja, ja, Mama. Mach dir keine Sorgen und komm bald zurück", antwortet Schelli und sieht ihrer Mama mit ihren großen, dunklen Kulleraugen nach. Sie legt sich etwas abseits in den weichen Sand nahe am Wasser und lässt sich von den ausrollenden Wellen am Bauch kitzeln. Schelli liebt diese Felsenbucht mit den hoch aufragenden Felswänden, die vor den kalten Winden schützen. Sie lauscht gern dem Heulen des Sturmes und dem Donnern der Wellen, die mit voller Wucht gegen die steilen Klippen schleudern. Das Wasser schäumt und spritzt wild umher. Die Luft schmeckt nach Salz und riecht nach Seetang. Bis ihre Mama vom Fischen zurückkommt, vertreibt sich Schelli die Zeit mit Muscheln. Am liebsten legt sie damit Mosaikbilder in den Sand. Diesmal soll es ein Schloss werden mit vielen Türmen und drum herum einem Garten aus Vogelfedern. Schelli betrachtet zufrieden das fertige Bild und ist ganz stolz darauf. Aber sie muss aufpassen. Da kommt ein Walrossbulle direkt auf sie zu. Er ist auf dem Weg zum Wasser und robbt schnurstracks geradeaus, egal, was ihm in die Quere kommt. Achtung, Schelli! – Zu spät.
Er rempelt sie an, stößt sie zur Seite und tritt ihr dabei auf die rechte Flosse. „Aua, schreit sie auf. Das schöne Muschelschloss ist auch dahin. Schelli ist echt sauer und schreit ihn an: „Pass doch auf, wo du hintrittst. Sieh, was du angerichtet hast, du – du – Grobian.
Aber das berührt ihn gar nicht. Er dreht nur kurz seinen riesigen Kopf über die Schulter, blickt Schelli abfällig an und brummt: „Von wegen Grobian. Sei froh, dass ich dir nur auf die Flosse getreten bin."
Als Schelli ihn so ansieht, ist sie ein wenig verdutzt. Er sieht irgendwie anders aus als die anderen Walrosse, nicht ganz so grimmig, findet Schelli. Der eine Stoßzahn ist etwas kürzer als der andere, und seine Barthaare hängen lockig herunter. Das hat sie noch nie bei einem Walross gesehen. Ach du dickes Ei, denkt sie, der sieht ja lustig aus. Sie muss ein Grinsen unterdrücken, hält sich schnell eine Flosse vor den Mund und starrt ihn erschrocken an. Trotzdem, denkt Schelli, auch wenn er nicht so grimmig aussieht, er hat mir wehgetan und mein schönes Muschelschloss kaputt gemacht, er ist und bleibt für mich ein Grobian.
„Mama hat recht. Ich muss einfach mehr auf der Hut sein, wenn sie nicht da ist", flüstert Schelli leise zu sich selber. Der Walrossbulle robbt inzwischen zielstrebig weiter zum Wasser und verschwindet in den Wellen.
Schelli ärgert sich noch eine Weile, beginnt aber sogleich ihr Muschelschloss wieder aufzubauen. Diesmal geht es einfacher, und sie findet ihr Muschelschloss noch schöner als beim ersten Mal. Zwischendurch blickt sie immer wieder aufmerksam um sich, ob nicht wieder so ein rücksichtsloses Walross auf sie zusteuert. Als sie fertig ist und sich noch einmal nach allen Seiten umschaut, da sieht sie den Walrossbullen mit dem abgebrochenen Stoßzahn gerade wieder aus dem Wasser zurückkommen.
„Oh nein, der schon wieder", sagt Schelli laut vor sich hin. Sie legt sich vor ihr Muschelschloss, bereit, es diesmal zu verteidigen. Da bemerkt sie, dass er sich sehr langsam und hinkend aus dem Wasser bewegt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleppt er sich über den Sand und stöhnt leise vor sich hin. Nanu, da stimmt doch was nicht, denkt Schelli.
Als er näher kommt, sieht sie unterhalb seiner rechten Flosse einen Blutfleck auf seinem Fell.
Er ist verletzt, denkt sie und hat auf einmal gar keine Angst mehr, sie verspürt sogar etwas Mitleid mit ihm.
„Du blutest. Kann ich dir helfen?" fragt sie mutig und ist über sich selbst erschrocken. Ein verletzter Walrossbulle kann sehr gefährlich werden. Das weiß Schelli von ihrer Mama.
„Du willst mir helfen, obwohl ich dir vorhin wehgetan habe? Das ist aber sehr nett von dir", antwortet der Walrossbulle mit stotternder Stimme.
„Leg dich auf die Seite und heb die Flosse hoch. Ich sehe mir das mal an", sagt Schelli bestimmt, so, als würde sie keinen Widerspruch dulden. Gehorsam legt sich der Walrossbulle auf die Seite und hebt die Flosse an. Schelli sieht ein Stück von einer Koralle im Fell stecken.
„Das muss raus, sagt sie, „sonst wird sich die Wunde entzünden.
„Kannst du es rausziehen?", fragt der Walrossbulle.
„Es wird aber wehtun. Du musst mir versprechen, dass du mir nichts tust."
„Versprochen. Nun mach endlich."
Schelli nimmt das Stück Koralle zwischen ihre Kiefer und zieht es mit einem Ruck heraus. „Auaaaaa", brüllt der Walrossbulle so laut auf, dass sich alle in der Bucht fürchterlich erschrecken. Die hektische Betriebsamkeit am Strand und in den Felsen kommt spontan zum Erliegen. Die Möwen hören auf zu streiten, die anderen Walrosse und Robben blicken sich ängstlich an.