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2984: Eine utopische Erzählung
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2984: Eine utopische Erzählung
eBook229 Seiten3 Stunden

2984: Eine utopische Erzählung

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Über dieses E-Book

Gibt es ein Leben nach der Klimakatastrophe? Hat sich die Welt verändert, haben sich die Menschen verändert?
Im hoch technisierten Frauenstaat Alphanien, regiert von den zwölf weisen Alpha, herrscht Frieden und Wohlstand. Männer leben im Reservat. Bedürfnislos und intellektuell rückentwickelt dienen sie den Frauen als Sexualobjekt und Samenspender.
Landor ist anders. Getrieben von ungeheurem Wissensdurst und ausgestattet mit einem fotografischen Gedächtnis will er kein geistloses Dasein im Reservat fristen. Sein Traum ist es, mit einer Frau partnerschaftlich und gleichberechtigt in Freiheit zusammenzuleben. In Aldina findet er diese Frau.
Wird es ihm gelingen, seinen Traum zu verwirklichen? Wie reagieren die Alpha auf einen Rückfall in antike, längst überwundene Verhaltensmuster?
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum12. Okt. 2012
ISBN9783848271931
2984: Eine utopische Erzählung
Autor

Utta Kaiser-Plessow

Utta Kaiser-Plessow ist promovierte Juristin. Sie war Richterin und hat nach der Pensionierung mit literarischem Schreiben begonnen. In verschiedenen Anthologien hat sie Kurzgeschichten veröffentlicht. Bei Book on Demand sind ihr utopischer Roman '2984' und die Kurzgeschichten 'Neun Arten zu Tode zu kommen' veröffentlicht.

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    Buchvorschau

    2984 - Utta Kaiser-Plessow

    friedlich.

    1

    Endlich Ferien!

    Aldina ist ungeduldig und freut sich, nach einem halben Jahr wieder einmal nach Hause zu kommen. Es sind ihre letzten Schulferien. Danach beginnt das Abschlussjahr mit den Prüfungen. Vor dem Schultor wartet schon Numas Gleiter. Ihre Mutter hatte ihn rechtzeitig losgeschickt. Aldina steigt ein, macht es sich im Schalensessel vor dem Display bequem, gibt die Koordinaten ein und betätigt das Startsignal. Die nächsten drei Stunden braucht sie sich um nichts zu kümmern. Sind die Daten eingegeben, fliegt und landet der Gleiter völlig selbstständig. Nur wenn sie unterwegs halten oder die Route ändern will muss sie eingreifen.

    Leise summend hebt sich das Gefährt in die Luft und dreht in eleganter Kurve nach Süden ab. Sie holt sich aus dem Getränkefach einen gekühlten Saft und überlegt, was sie in den Ferien alles unternehmen will. Keinesfalls wird sie – wie einige ihrer Mitschülerinnen – zum Großen Fest mitgehen. Dann müsste sie dauernd ins Reservat fahren und sich dort um diese Männer kümmern. Zwar kann sie sich nicht so richtig vorstellen, was sich dabei im Einzelnen abspielt. Trotzdem ist sie sich sicher, dass sie dazu jedenfalls keine Lust hat. Aber sie will unbedingt wissen, wie es im Reservat aussieht und was dort vor sich geht. Bisher ist es ihr nicht gelungen, darüber präzise Auskünfte zu erhalten. Aber diesmal wird sie es heraus bekommen und ihren Plan ausführen. Sie weiß genau, wie sie es anstellen wird. Die aussichtsreichste Methode ist, Ishta nicht aus den Augen zu lassen und ihr heimlich zu folgen, wenn sie sich zu ihrer Auszeit ins Reservat begibt.

    Aldina massiert ihr linkes Handgelenk. Gestern im Sportunterricht hat sie in der Kletterwand daneben gegriffen und konnte sich nur mit Mühe halten. Dabei hat sie wohl die Hand ein wenig verkrampft. An der steilen Wand in der Turnhalle herumzuklettern, das kann Aldina überhaupt nicht leiden. Zwar hat sie keine Schwierigkeiten auf Bäume zu klettern, das macht ihr sogar Spaß. Kein Baum im Park ihres Mutterhauses ist zu hoch für sie. Landor hat ihr Klettern beigebracht, als sie noch klein war. Er hat für sie ein Baumhaus gebaut und dort mit Aldina stundenlang gehockt und ihr immer neue Geschichten erzählt. Manchmal fragt sie sich, was wohl aus Landor geworden ist. An seinem zehnten Geburtstag ist er aus ihrem Leben verschwunden. Sie hat ihn damals überall gesucht, hat geweint, getobt, aber ihre Mutter blieb unerbittlich. Er musste aus dem Haus, hat sie gesagt, und ihr verboten, jemals wieder seinen Namen zu nennen. Im Laufe der Zeit ist die Erinnerung an Landor, den Begleiter ihrer Kindheit, verblasst. Merkwürdig, dass sie heute auf einmal an ihn denkt.

    Auf dem Videophon wählt sie die Id-Nummer ihrer Mutter. Numas Gesicht erscheint auf dem Schirm.

    „Hallo, ich bin gerade losgefahren."

    „Schön, mein Kind, da können wir ja allmählich beginnen, deinen Empfang vorzubereiten. Wir freuen uns auf dich. Hast du besondere Wünsche?"

    „Wenn es geht, möchte ich eine riesengroße Portion Eiscreme mit Erdbeergeschmack."

    „Das sind ja ganz antiquierte Gelüste, ich werde sehen, was sich machen lässt."

    Die Mutter lacht, ihr Gesicht verblasst und der Schirm ist wieder dunkel.

    Aldinas Schule, das Athenäum, in dem die intellektuelle Elite des Landes erzogen und ausgebildet wird, liegt fernab von allen Ansiedlungen. Nach Süden hin wird das Gelände von Hügeln abgegrenzt. Es folgen ausgedehnte Waldgebiete, unterbrochen von Flüssen und Seen. Erst nach einer guten Stunde Flugzeit beginnt die kultivierte Zone. Nun wechseln sich Wiesen, Wälder und ausgedehnte Anlagen für industrielle Fertigung ab. Aldina kann Scharen von Robotern erkennen. Sie eilen zwischen Gebäuden umher, transportieren Geräte, stapeln Kisten und beladen geräumige Lastengleiter. Weiter vorn ragen die mächtigen Türme des Bauzentrums empor. Hier werden vollautomatisch die Elemente für Wände, Mauern, Dächer, Türen und Fenster gefertigt, die später von Robokränen zu unterschiedlichen Häuser- und Gebäudeformen zusammengesetzt werden.

    2

    Aldinas Mutterhaus kommt in Sicht. Ein weitläufiges Haupthaus in U-Form und Nebengebäude. Der Gleiter senkt sich auf der Wiese vor dem metallisch blinkenden Gebäudekomplex nieder. Aldina steigt aus und läuft auf Mutter und Schwestern zu, die im Eingang warten.

    „Hallo Dina, da bist du ja endlich."

    Numa drückt ihre Älteste an sich.

    „Gut schaust du aus, bist aber ziemlich schmal geworden, seit du das letzte Mal hier warst."

    Die jüngeren Schwestern schubsen und drängen, auch sie möchten die große Schwester umarmen.

    „Komm rein, wir wollen erst mal essen, auspacken kannst du später."

    Wie ein Wirbelwind fegt Aldina den Gang hinunter, vorbei an den Wirtschaftsräumen, den Wohnräumen der Mutter und der Schwestern bis zum Speisezimmer. Der hohe Raum ist Licht durchflutet. Durch bodenlange Fenster geht der Blick in den Park. Die blühenden Sträucher und die vielen Blumen hat Ishta gepflanzt. Sie kann die landesüblichen knallbunten Ziergehölze und synthetischen Büsche nicht leiden. Am Ende des Parks züchtet sie deshalb in drei Gewächshäusern erfolgreich historische Pflanzen nach.

    Aldina flitzt um den Tisch herum, umarmt ihre Großmutter und schüttelt Hände. Ihrer zehnjährigen Schwester verwuschelt sie die Haare, bis von deren sorgfältig gekämmter Ponyfrisur nichts mehr übrig und das Kind den Tränen nah ist. Sie hebt ihren kleinen Bruder, den vierjährigen Nello hoch, schwenkt ihn im Kreis herum bis er vor Freude laut juchzt, und setzt ihn außer Atem wieder ab.

    „Meine Güte, er ist ja richtig schwer geworden, beklagt sie sich und plumpst auf einen Stuhl. Auf dem Tisch verteilt stehen Glasplatten mit handtellergroßen Scheiben. Kugeln in allen nur denkbaren Farben sind zu Pyramiden aufgehäuft. In einer Schale türmen sich daumendicke gefrostete Stangen. Eiscreme, wie Aldina sich gewünscht hat. Krüge mit Wasser und Flaschen mit einer hellgelben Flüssigkeit vervollständigen das Menü. Aldina greift sich gleich zwei Stangen, beißt große Stücke davon ab und stopft sich dazu zwei rosa Kugeln in den Mund. „Mhhmmm, lecker. Neben ihr thront Nello, drei dicke Kissen unter dem Po.

    „Ich auch, ich auch", kräht er und trommelt mit seinen kleinen Fäusten auf die Tischplatte. Er gibt erst Ruhe, als Aldina ihn mit Bröckchen der Eiscremestange füttert.

    „Gib ihm nicht zu viel davon, mahnt Numa, „er bekommt sonst Bauchweh und schläft die ganze Nacht nicht.

    Aldina sieht sich suchend um. „Ist Ishta nicht da?"

    „Nein, sie ist auf Auszeit", sagt die Mutter.

    Schade, denkt Aldina. Ishta ist immer so lustig. Auszeit, das bedeutet bei Ishta oft mehrere Tage Abwesenheit. Aldina will schon lange wissen, was es damit auf sich hat. In Abständen sind die Frauen immer mal einen oder zwei Tage weg. Wenn sie nachfragt, heißt es ‚auf Auszeit‘. Aldina kann sich nichts darunter vorstellen. Vermutlich handelt es sich um ein spirituelles Training, eine innere Einkehr oder Fortbildung. Aber warum? Fortbildung hätte sie sich bei ihrer Mutter noch vorstellen können. Schließlich arbeitet sie als Wissenschaftlerin im Labor für Biochemie. Aber gerade Numa ist schon ewig nicht auf Auszeit gewesen, jedenfalls soweit Aldina es weiß. Und was ist mit den anderen? Das wirst du verstehen, wenn du älter bist, haben Mutter und Großmutter letztes Jahr gemeint. Aber jetzt ist sie älter, und jetzt will sie es unbedingt erfahren. In diesen Ferien wird sie das Rätsel ergründen. Wenn sie es geschickt anstellt, dürfte es ihr in den drei Monaten gelingen herauszubekommen, wohin die Frauen immer mal wieder verschwinden und welche Zusammenhänge mit dem Reservat bestehen. Sie braucht nur aufzupassen, wenn sich eine von ihnen auf den Weg macht.

    Numa mustert ihre Tochter aufmerksam. Vor einem halben Jahr haben sie sich zuletzt gesehen. Bereits bei der Begrüßung ist ihr aufgefallen, dass ihre Dina reifer geworden ist. Das runde Kindergesicht ist schmaler, ihr Blick nicht mehr schelmisch verspielt, sondern ernsthaft und konzentriert. Sie wirkt fast fraulich. Es ist an der Zeit, Pläne für Aldinas Zukunft zu machen, ihr die Funktion des Reservates zu erklären und sie auf das Große Fest vorzubereiten.

    Es ist ein vergnügter Abend. Alle reden durcheinander, essen, trinken und singen die neuesten Schlager. Nello schlägt auf seinem Teller mit dem Löffel laut den Takt dazu.

    Aldina erzählt von der Schule. In Biochemie und Nanobiologie war sie besonders erfolgreich. Kichernd schildert sie ein Experiment ihrer Lehrerin:

    „Stellt euch vor, bei einem Versuch war plötzlich der ganze Klassenraum von einer blaugrünen Wolke erfüllt. Es war wie Nebel und roch intensiv nach Vanille. Wir alle sahen hinterher blaugrün aus, wie komplett in Farbe getaucht. Gesicht, Hände, Haare, Kleider, die Wände, alles gleichmäßig blaugrün. Es ging nicht abzuwaschen. Nach zwei Tagen wurden aus Alphania Kanister mit einer schaumigen Flüssigkeit geliefert. Damit haben wir uns eingerieben und sahen wieder normal aus."

    „Das ist ja kaum vorstellbar, da ist doch bestimmt irgendein Gas entstanden, war das nicht schädlich für euch?" Numa ist entsetzt.

    „Wie sich herausstellte, war derselbe Stoff entstanden, mit dem Nahrungsmittel eingefärbt und aromatisiert werden. Wir haben furchtbar gelacht und mochten tagelang nichts essen, was blaugrün war oder entfernt nach Vanille roch."

    „Total verständlich", sagt Numa.

    Als die anderen gegangen sind, sitzen Mutter und Tochter noch zwei Stunden zusammen. Numa erzählt von der Arbeit im Institut. Dort läuft gerade eine Versuchsreihe zur stärkeren Diversifikation bei der Produktion von Nahrungsmitteln.

    „Weißt du, es gibt Gruppen, die propagieren eine Rückkehr zu biologischer Nahrung, wie es in früheren Jahrhunderten der Fall war. Die wollen Landwirtschaft betreiben, Früchte und Gemüse anbauen. Sie denken sogar über Nutzviehhaltung nach. Aus meiner Sicht sind das ewig Gestrige. Aber immerhin führt das dazu, dass wir daran arbeiten, unsere Produktpalette zu erweitern und zu verbessern. Willst du auch noch etwas?" Numa nimmt den Krug vom Tisch und schenkt nach.

    „Das klingt interessant. Forscht ihr auch an stofflichen Körpern für Roboter, das soll doch inzwischen schon möglich sein?"

    „Wir stehen da noch am Anfang. Aber wenn dich das interessiert, besuch mich doch mal im Labor. Vielleicht wäre das später eine geeignete Tätigkeit für dich. Du könntest dich schon mal für die Tests zur Aufnahme in den Ausbildungskader vorbereiten. Ich kann dir dabei helfen." Numa sieht, dass Aldina zustimmend nickt, trinkt einen Schluck und fährt fort.

    „Während der Ausbildungszeit könntest du bei mir als Praktikantin arbeiten und nach den Prüfungen meine Assistentin werden. Wenn du gut bist – woran ich keine Zweifel habe – schaffst du es in wenigen Jahren zu einer leitenden Position. Dann kannst du dir, wenn du willst, einen eigenen Hausstand zulegen."

    „Erst mal abwarten, aber eine solche Arbeit würde mich schon sehr interessieren. Die Vorstellung stofflicher Produktion von Robotern auf biochemischem Wege finde ich faszinierend. Ob es auf diese Weise möglich ist Wesen, etwa Tiere, mit einer gewissen Intelligenz herzustellen?

    Wäre doch spannend, oder?"

    „Ich weiß nicht, sagt Numa, „dann doch lieber die herkömmliche Erzeugung.

    „Sag mal, Nello ist doch mein Bruder, oder?"

    „Ja sicher", antwortet die Mutter.

    „Und wer ist unser Zeuger, ist es Juri oder sind wir Klone?"

    „Unsinn, Juri ist doch schon lange nicht mehr bei uns. Er war mein Spielzeug und hat mich zum Lachen gebracht.

    Mit ihm konnte ich mich immer so gut entspannen."

    Stimmt, denkt Aldina und hat Bilder aus ihrer Kindheit vor Augen: Numa im Innenhof am plätschernden Springbrunnen auf der Ottomane. Der braun gebrannte Juri, ein weißes Tuch um die Hüften geschlungen, auf Kissen gebettet vor ihr. Sein Kopf liegt in Numas Schoß, während sie ihn mit gezuckerten Eiskugeln füttert.

    „Natürlich bist du kein Klon. Früher wurde eine Zeit lang damit experimentiert, aber die auf diese Weise entstandenen Menschen waren anfällig für Krankheiten und ziemlich emotionslos. Außerdem fehlte ihnen die Fähigkeit, sich intellektuell weiterzuentwickeln."

    „Was bedeutet eigentlich Vater?"

    Aldina lässt das Thema nicht los, sie sieht ihre Mutter erwartungsvoll an.

    „Du liest zu viele alte Romane, erwidert Numa. „Das bezieht sich auf eine Gesellschaftsstruktur, die längst überwunden ist. Vater war damals die Bezeichnung für den Samenspender, der mit Mutter und Kindern zusammen in einer Gruppe lebte. Das wurde als Familie bezeichnet. Diese Struktur stammt aus einer Zeit, als die Abstammung noch wichtig war. Die Erbanlagen verteilten sich in der Gruppe und wurden noch nicht kontrolliert und gesteuert. Aber weißt du was, Dina, es ist schon spät, geh jetzt schlafen. Wir setzen uns in den nächsten Tagen zusammen, dann können wir ausführlich reden.

    „Versprochen?"

    „Versprochen", sagt Numa und streicht ihr über die wie immer verstrubbelten Haare.

    Numa kann nicht einschlafen. Das Gespräch mit Aldina beschäftigt sie noch. Schade, dass Ishta nicht da ist, sie hätte gerne mit ihr darüber gesprochen, was sie Aldina sagen soll. Sie holt sich etwas zu trinken und setzt sich auf die Terrasse. Es ist ganz still. Der Mond blickt bleich und voll durch die Bäume und malt silberne Streifen auf den Teich. Merkwürdig, dass Aldina wissen will, von wem sie abstammt. Eine mehr als ungewöhnliche Frage. Als wenn es darauf ankäme. Der Begriff ‚Vater‘ ist absurd. In dieser Gesellschaft gibt es für Väter keinen Platz. Ihre Rolle beschränkt sich auf die Samenspende, ohne emotionale Bindung oder Beziehung zu der Mutter oder dem Produkt. Jedenfalls ist es nach den Gepflogenheiten Alphaniens so und Numa würde nie auf eine andere Idee kommen. Ishta sieht das vielleicht anders. Numa lehnt sich in ihrem Schwingsessel zurück, trinkt einen Schluck und denkt nach. Eine dauerhafte Beziehung zu einem Reservatsangehörigen, so wie Ishta zu Thor, ist Numa nie eingegangen. Sie hat auch kaum jemals mit einem ihrer Sexpartner gesprochen. Es kam ihr allein auf die Zeugung an. Die ganze Sache war ihr sowieso mehr als lästig gewesen. Und hätte Ishta nicht geholfen, wer weiß, ob es heute dann Aldina gäbe. Numa hat keine Ahnung, wer von den Partnern in Aldinas Sprachgebrauch als ‚Vater‘ in Betracht kommt. Zwar liegen die genetischen Daten abrufbereit vor, aber es interessiert sie nicht. Nello, ihr jüngstes Kind, leider ein Junge, ist jetzt vier Jahre alt. Das reicht, damit ist das Kapitel Auszeit und Besuche im Reservat für sie abgeschlossen. Aldina hat Juri genannt. Numa erinnert sich an die Zeit, als er in ihrem Haus war. Ihre sonst eher herben Züge werden weich und sie lächelt vor sich hin. Ja Juri: Er war sechs Jahre lang ihr Lustknabe. Während alle Männer und männliche Kinder ab zehn Jahre ausschließlich im Reservat leben, gilt dies nicht für Lustknaben. Das sind ausgewählte, besonders gut aussehende junge Männer. Sie werden pharmakologisch sterilisiert und einem besonderen Training unterworfen. Sie sollen ihren Herrinnen gefallen und sie in jeder Hinsicht zufrieden stellen. Für besonders mächtige und einflussreiche Frauen sind sie ein unerlässliches Statussymbol. Juri war anschmiegsam wie ein Kätzchen und unendlich zärtlich, sein Körper war ebenmäßig wie der einer Statue. Aber irgendwann war er ihr langweilig und sie gab ihn an die Vermittlungsstelle zurück.

    3

    Plötzlich wird Aldina wach. Draußen ist es noch dunkel. Irgendetwas hat sie geweckt. Aber was? Sie tappt auf bloßen Füßen zum Fenster und schaut hinaus. Nichts zu sehen, alles dunkel. Sie lauscht. Nichts. Sie geht zur Tür, öffnet sie. Nun hört sie Schritte, Gewisper, Weinen und Stöhnen. Die Geräusche scheinen von draußen zu kommen. Aldina nimmt einen dunklen Umhang, huscht aus ihrem Zimmer und geht eilig den Gang entlang. Vorsichtig macht sie die Tür zu dem weitläufigen Innenhof auf und späht hinaus. Vor den hell erleuchteten Räumen ihrer Mutter ist Bewegung. Menschen eilen geschäftig hin und her. Im Schutz der Säulen, die den Hof umgrenzen, schleicht sich Aldina lautlos näher. Auf einer Trage liegt Yana, eine junge Frau. Ihr Kleid ist zerrissen, sie blutet aus mehreren Wunden an Brust und Hals. Es war ihr Weinen und Stöhnen, das Aldina geweckt hat. Was ist passiert? Nach ihrer Ankunft hat Aldina sie noch nicht gesehen, auch beim festlichen Abendessen war Yana nicht dabei. Aldina hat vermutet, dass sie zusammen mit Ishta auf Auszeit war. Sie beobachtet ihre Mutter, wie sie, assistiert von zwei Dienerinnen, Yana untersucht und die Wunden desinfiziert und verbindet. Numa setzt Yana eine Spritze. Das Stöhnen wird leiser und hört schließlich ganz auf.

    „Alles fertig. Bringt sie vorsichtig ins Bett. Jemand soll bei ihr bleiben, bis sie aufwacht", sagt Numa und setzt sich auf die Bank. Die Dienerinnen tragen Yana weg, während

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