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Mose - Stab und Schlange: Eine objektbasierte Untersuchung zu seiner Person und zum Exodus
Mose - Stab und Schlange: Eine objektbasierte Untersuchung zu seiner Person und zum Exodus
Mose - Stab und Schlange: Eine objektbasierte Untersuchung zu seiner Person und zum Exodus
eBook459 Seiten4 Stunden

Mose - Stab und Schlange: Eine objektbasierte Untersuchung zu seiner Person und zum Exodus

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Über dieses E-Book

Dieses Buch beschäftigt sich mit der Frage nach dem historischen Gehalt der biblischen Mose-Erzählungen - eine Frage, die bisher nicht befriedigend beantwortet werden konnte und deshalb heute gerne ausgeklammert bzw. für unwichtig erklärt wird.
Die hier vorgestellte objektbasierte Methode hat gegenüber allen bisherigen Zugängen zur Erschließung des biblischen Textes den entscheidenden Vorteil, dass mit ihr die historische Existenz Moses und der reale Hintergrund des Exodus allein aus dem kanonischen Bibeltext herausgearbeitet werden können.
Wer also war Mose? Die Antwort auf diese bisher unlösbare Frage geben der Stab und die Schlange - die beiden Objekte, die ihn leitmotivisch von seiner Erwählung durch Gott am Berg Sinai bis ans Ende der Wüstenwanderung begleiten, und die biblisch als Gottesstab, Banner Jahwes und eherne Schlange in Erscheinung treten. Diese Objekte ermöglichen aufgrund ihres einzigartigen Bezugs zum biblischen Mose den Zugang zum historischen Mose. Über diese Objekte wird daher das biblische Subjekt "Mose" in seiner historischen Gestalt greifbar. Und wie die Figur des "Mose" durch die beiden genannten Objekte erschlossen werden kann, so der reale Hintergrund des Exodus durch die übrigen Objekte (Lade, Tisch, Leuchter, goldenes Kalb, Silbertrompeten etc.).
Mit unserem objektbasierten Ansatz lassen sich deshalb die alten Rätsel lösen, und zwar die wichtigen (z. B. wer Aaron ist oder was es mit der Teilung des Meeres auf sich hat) ebenso wie die nebensächlichen (z. B. was Tahaschhäute sind).
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum16. Apr. 2015
ISBN9783738699647
Mose - Stab und Schlange: Eine objektbasierte Untersuchung zu seiner Person und zum Exodus
Autor

Klaus Magnoli

Werke des Autors, die in Zusammenarbeit mit Franka Foresti bisher erschienen sind: Mose - Stab und Schlange, Nofretete und die Königin von Saba (kostenlos), Der altägyptische Ursprung der Menora (kostenlos) sowie als Herausgeber Carl Hoffmann: Ein Schlosser in Ägypten.

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    Buchvorschau

    Mose - Stab und Schlange - Klaus Magnoli

    vertreten.

    I.

    Die Objekte

    I. Die Objekte

    I. Die Erzählung von der ehernen Schlange

    1. Das Problem

    a) Die Erzählung

    Wir behaupten, die Erzählung von der ehernen Schlange sei ein solches Unpassendes, also etwas, das essentiell nicht in den biblischen Text passt und trotzdem drin steht; wobei es nicht aus sich heraus unpassend ist, sondern aufgrund dessen, was der Text aus ihm gemacht hat.

    Die eherne Schlange selbst ist ein handfestes Objekt – wenn man sie wieder zu dem machen kann, was sie ursprünglich war, ergibt sich daraus eine Handhabe zur kritischen Beurteilung des biblischen Textes hinsichtlich seiner die Wiedergabe der realen Ereignisse um Mose betreffenden Qualität.

    Die Erzählung steht im vierten Buch Mose (Num 21, 4-9):

    4 Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege 5 und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, daß wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise. 6 Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, daß viele aus Israel starben. 7 Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, daß wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, daß er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. 8 Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. 9 Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biß, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

    Die Geschichte ist leicht nachvollziehbar: Das Volk zweifelt an der Sinnhaftigkeit des Exodus, der alle Beteiligten nur in den Hungertod in der Wüste führe, weshalb es gegen dessen Urheber, Gott und Mose, rebelliert. Gott ahndet den Aufstand, indem er Saraf-Schlangen (feurige Schlangen) gegen die Rebellierenden schickt, so dass viele aus dem Volk durch Bisse dieser feurigen Schlangen umkommen. Die Übrigen bereuen (um am Leben zu bleiben) die Rebellion und wenden sich an Mose, damit er Gott dazu bringe, die Schlangen von ihnen zu nehmen. Der Bitte wird entsprochen – allerdings nicht direkt, sondern Gott befiehlt Mose, einen Saraf herzustellen (Vers 8: »Mach dir einen Saraf«³) und ihn auf eine Stange zu stellen; dieser Saraf wird als eherne Schlange bezeichnet. Jeder nun, der von den Saraf-Schlangen gebissen wurde, muss, wenn er überleben will, dieses Objekt, den Saraf, anschauen.

    b) Die Analyse: das dreifach Unpassende

    Diese Geschichte ist so, wie sie dasteht, dreifach unpassend: sie steht am falschen Ort, spielt zur falschen Zeit und ist theologisch bedenklich.

    Wir befinden uns im biblischen Text fast am Ende der vierzigjährigen Wanderung durch die Wüste, die Wanderer sind auf dem Weg ins Ostjordangebiet, verlassen somit die Wüste. Beim Verlassen der Wüste den Gang in die Wüste nach so langer Zeit prinzipiell in Frage zu stellen, ist unpassend: »Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste?«. Diese Frage würde man vierzig Jahre früher, am Beginn der Wanderung, erwarten und entsprechend an einem anderen Ort, der nahe am Eingang zur Wüste liegen müsste.

    Das Volk wird für seine Rebellion zuerst von Gott durch tödliche Bisse von feurigen Schlangen bestraft, dann, nachdem es sich wieder unterordnen will, knüpft Gott das Überleben an eine Bedingung: Jeder einzelne Gebissene muss die eigens errichtete eherne Schlange auf der Stange ansehen: »Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.« Ein Metallobjekt errichten zu lassen, das man lediglich ansehen muss, um zu überleben, ist für den biblischen Gott unpassend. Dieser Gott tut normalerweise Wunder und verhängt Plagen größten Ausmaßes kraft seiner Allmacht, nur hier wählt er ein umständliches Vorgehen, um die tödliche Wirkung der von ihm selbst gesandten Schlangen wieder vom Volk zu nehmen.

    Ist schon die eherne Schlange als solche wegen des Bilderverbots theologisch befremdlich, so erst recht die Anweisung, dass es genügt, sie anzusehen, um zu überleben – wo doch jeder erwarten würde, dass dazu notwendigerweise ein Bezug zu Gott hergestellt werden müsste.

    Diese Anweisung, ebenso wie die Funktionsweise des Vorgangs ›Ansehen und Überleben‹, hat die Exegeten immer schon in große Verlegenheit gebracht. Bereits in der Antike versuchten sie sich daraus zu lösen, indem sie in der Anweisung sehr wohl doch einen Gottesbezug ausmachen wollten: sie deuteten den aufwärtsgerichteten Blick zur Schlange als Blick in den Himmel zu Gott oder die Haltung vor der Schlange als Gebetshaltung.⁴ Im biblischen Buch der Weisheit findet diese Auffassung ihren theologischen Ausdruck: »Wer sich dorthin wandte, wurde nicht durch das gerettet, was er anschaute, sondern durch dich, den Retter aller« (16, 7); also durch Gott, nicht durch die Schlange.⁵ In neuerer Zeit versucht man näher am Text zu bleiben und den Vorgang von ›Ansehen und Überleben‹ ohne supponierten Gottesbezug mit irgendeiner Art von sympathetischer Magie zu erklären, die aber dennoch in keiner Weise in Widerspruch zu Gottes Allmacht stehen soll.⁶ Für gewöhnlich wird dieser Punkt allerdings selbst heute noch stillschweigend übergangen, man begnügt sich bestenfalls mit Erörterungen über das Aussehen und die Herkunft der ehernen Schlange.

    All diese Erklärungsversuche machen deutlich, dass hier ein theologisch Unpassendes vorliegt, das als theologisch Passendes ausgegeben werden soll. Doch das Unpassende sträubt sich gegen diese Vereinnahmung. Keine dieser Erklärungen vermag zu überzeugen – eben weil sie die Problematik nicht lösen, sondern nur kompatibel machen wollen: Sie erklären nicht das Unpassende, sondern verklären es zum Passenden.⁷ Diese Absicht scheitert allerdings immer wieder an der einfach formulierten Anweisung: »Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.« Nichts weist hier über den Gegenstand hinaus; er ist nicht das sichtbare Mittel eines spirituellen Vorgangs, sondern hat seinen Zweck in sich.

    Für die Auffassung, dass hier ein Unpassendes vorliegt, spricht allein schon die auffällige Tatsache, dass das Objekt »eherne Schlange« seine Wirksamkeit trotz des ganzen Aufwands nur dieses eine Mal entfaltet.

    c) Das Vorgehen: Erschließen des Unpassenden

    Wir haben hiermit gezeigt, dass die Erzählung von der ehernen Schlange unserer Vorgabe eines dreifach Unpassenden entspricht.

    Dieses Unpassende ist, wie gesagt, nur unpassend, weil es unpassend gemacht wurde. Unsere Aufgabe ist es deshalb, aufzuzeigen, was die Erzählung von der ehernen Schlange war, bevor sie unpassend gemacht wurde. Es geht also darum, ihre ursprüngliche Passendheit aus dem jetzigen Text zu erschließen. Dazu genügt es nicht, aufgrund einzelner Merkmale vage Parallelen aufzeigen zu können, sondern man muss schlichtweg alle Komponenten der Erzählung auflösen können. Dies kann wiederum nur gelingen, wenn der jetzige Text tatsächlich die von uns postulierte Umarbeitung eines andern Textes ist.

    Den wichtigsten Anknüpfungspunkt für dieses Vorhaben gibt der Text selbst, indem in ihm die lebenden Schlangen und die metallene Schlange mit demselben Wort bezeichnet werden: Saraf (Feurige). Das ist zunächst einmal erstaunlich, denn die Charakterisierung der beiden Arten von ›Feurigen‹ könnte gegensätzlicher nicht sein: die einen sind lebend – bringen aber den Tod; die andere ist unbelebt – bringt aber das (Über-)Leben.

    Eine Lösung des Rätsels um die Sarafe kann also nur dann überzeugend sein, wenn es gelingt, zu erklären, weshalb es möglich ist, dass trotz der identischen Bezeichnung ihre Charakterisierung so gegensätzlich ausfällt. Das ist bisher nicht gelungen.

    d) Der Zugang: das Spezifische der Erzählung

    Was ist nun das Spezifische an dieser Geschichte? Gewöhnlich wird sie unter die sogenannten ›Murrgeschichten‹ – das Volk murrt in der Wüste gegen Mose, gegen Aaron, gegen Mose und Aaron oder (nur bei der ehernen Schlange) gegen Mose und Gott – gereiht, aber damit hat man eben bestenfalls das Typische der Geschichte erfasst, nicht das Spezifische. In den anderen Murrgeschichten wird der Beschwerde des Volkes über generellen Mangel an Grundnahrungsmitteln in der Wüste durch umgehende Behebung dieses Mangels entsprochen: Gott schickt ›Brot‹ (Manna), ›Fleisch‹ (Wachteln) und gibt Wasser. Kurz: Gott sorgt für das Volk.

    Hier dagegen reagiert Gott auf denselben Vorwurf mit äußerster Härte: er schickt tödliche Schlangen. Auf den Vorwurf als solchen geht Gott gar nicht ein, und selbst nachdem das Volk den Vorwurf zurücknimmt, gewährt er keine unmittelbare Vergebung, sondern verfügt, dass nur überlebt, wer die eigens dazu errichtete eherne Schlange ansieht. Wer sie also nicht ansieht, kommt trotz Reuebekundung ums Leben.

    Von einer Fürsorge Gottes kann deshalb hier keine Rede sein. Es ist ein reiner Machtkampf zwischen dem Volk und seinen Anführern (Mose und Gott), bei dem das Volk unterliegt.

    Genau dies ist das Spezifische der Geschichte: Sie hat keinen religiösen Inhalt, sondern zeigt das rein weltliche Geschehen eines Aufstandes und seiner brutalen Niederschlagung.

    Bisher ist man immer, der biblischen Darstellung gemäß, von einem religiösen Gehalt der Erzählung ausgegangen und hat sie dementsprechend in einem religiösen Rahmen zu interpretieren versucht; so wird etwa die eherne Schlange – bei aller Verschiedenheit der Erklärungsansätze – doch immer nur als kultisches Objekt aufgefasst.⁹ Sieht man jedoch das Unpassende in der biblischen Darstellung, so wird klar, dass hier ein rein politischer (weltlicher) Vorgang geschildert wird.

    Hat man dies erst einmal erkannt, lassen sich auch die zunächst nicht erklärbar scheinenden Elemente der Geschichte in ihren weltlichen Kern auflösen, nämlich die feurigen Schlangen und die eherne Schlange: Die Schlangen sind die weltlichen Instrumente dieses Aktes der Herrschaftsausübung. Um also zu verstehen, wie beißende ›feurige Schlangen‹ und eine ›feurige Schlange‹ auf einer Stange in dieser Auseinandersetzung eine Rolle spielen können, muss man nicht nur ihr biblisches Erscheinungsbild und ihre biblische Bezeichnung berücksichtigen, sondern ebenso ihre Zugehörigkeit zu einem Herrschaftsgefüge.

    Wir versuchen im Folgenden zuerst den weltlichen Kern der ehernen Schlange zu bestimmen, da ihr Erscheinungsbild mehr Ansatzpunkte bietet als das der beißenden Schlangen. Wir erinnern uns an ihr Aussehen: eine Stange mit einem Objekt obendrauf. Zu diesem Typus fällt einem unweigerlich Gesslers Hut ein: das (angemaßte) Herrschaftssymbol des habsburgischen Landvogts, das dieser in Altdorf aufrichten ließ und welchem Wilhelm Tell die Huldigung verweigerte.

    Es liegt also nahe, in der ehernen Schlange ein Herrschaftssymbol zu sehen – allerdings ein nicht angemaßtes, da es ja von Mose auf Gottes Befehl hergestellt wurde.

    2. Die eherne Schlange

    a) Die Schlange als Herrschaftssymbol

    Man muss nicht weit suchen, um ein solches nicht angemaßtes Herrschaftssymbol in Form einer Schlange auf der Stange zu finden, denn ein solches gab es im unmittelbaren Herkunftsland der biblischen Wüstenwanderer, in Ägypten.

    Für das Selbstverständnis Ägyptens war es seit der früh erfolgten Reichseinigung durch alle Zeiten hindurch konstitutiv, dass die politische Einheit des Landes nur als Vereinigung der beiden eigenständigen Länder Unterägypten und Oberägypten gesehen wurde. Der offizielle Titel des Königs lautete deshalb: König von Ober- und Unterägypten, oder kürzer: Herr beider Länder. Die heute geläufige Bezeichnung Pharao, bei der diese Dualität nicht zum Ausdruck kommt, entstand dagegen erst im Lauf der Geschichte und war nie ein Ersatz für jenen Titel.

    Als König von Ober- und Unterägypten standen dem Herrn (neb) beider Länder die beiden Herrinnen (neb.ti) als Schutzgöttinnen dieser Länder zur Seite: die Göttin Nechbet, die Herrin von Oberägypten, und die Göttin Wadjet, die Herrin von Unterägypten. Die beiden Herrinnen (neb.ti) und damit die beiden Länder bildeten eine ideelle Einheit, deren Repräsentant der König war.

    Die ideelle Zusammengehörigkeit der beiden Herrinnen (neb.ti) wurde sprachlich durch den Dual (.ti)¹⁰ und politisch durch den Nebti-Namen ausgedrückt, der einen Bestandteil der königlichen Titulatur bildete.

    Als Ideogramm in der Hieroglyphenschrift wurden beide Göttinnen in ihrer Tiergestalt, jede auf einem Korb¹¹ sitzend, nebeneinander dargestellt, und zwar üblicherweise als Geier (Nechbet) bzw. als Schlange (Wadjet), häufig aber auch als zwei Schlangen, seltener dagegen als zwei Geier (Abb. 5).

    Bei der Darstellung in Form der Herrinnenstäbe hingegen wurden beide immer als zwei Schlangen wiedergegeben. Genau diese letztere Art der Darstellung als Schlange auf der Stange ist für unser Thema relevant (Abb. 2, 6-9).

    b) Die Schlange auf der Stange: die Herrinnenstäbe

    Beim Herrinnenstab unterscheiden sich die beiden Herrinnen nicht mehr durch die Gestalt, da beide in derselben Weise als Schlange dargestellt werden. Jede der beiden Herrinnen präsentiert sich hier als Kobra, die eine Krone auf dem Kopf trägt und sich um einen Pflanzenstängel ringelt, dem sie hoch aufgerichtet aufsitzt (Abb. 2). Der Unterschied zwischen ihnen wird jetzt durch die Art der Krone sichtbar gemacht: jede Schlange trägt die ihr zugehörige Landeskrone (die weiße Krone für Oberägypten, die rote Krone für Unterägypten).

    Zusätzlich werden sie wie üblich durch den jeweiligen Pflanzenstängel, dem sie nun hoch aufgerichtet aufsitzen, unterschieden, denn dieser ist nichts anderes als die landesspezifische Wappenpflanze (Lilie für Oberägypten, Papyrus für Unterägypten).

    Dieses Aussehen behalten die Herrinnenstäbe auch bei, wenn – wie in Abb. 8 zu sehen – die Herrin in Frauengestalt auftritt und den ihr zugehörigen Stab in der Hand hält.¹²

    Die ägyptische ›Schlange auf der Stange‹ ist also ein ganz spezifisches Symbol: die ›Schlange‹ ist ganz spezifisch eine aufgerichtete Kobra und die ›Stange‹ ganz spezifisch ein Stängel (Lilie oder Papyrus).

    Die Herrinnen beschützen den König und ihr Land und gewähren dem Schutz, der den rechtmäßigen Herrscher anerkennt. Wer aber rebelliert, verwirkt diesen Schutz und wird von ihnen vernichtet. Nur wenn sich die Aufrührer wieder unterwerfen, können sie überleben.

    c) Eherne Schlange und Herrinnenstäbe

    Genau diese Situation haben wir bei der ehernen Schlange vorgefunden: Rebellen, die ihr Leben erkaufen, indem jeder einzelne dieses Herrschaftssymbol explizit anerkennt (»anschaut«). Wer dies nicht tut, bleibt nicht am Leben. Es geht in der biblischen Erzählung also nicht um medizinische oder wundersame Heilung eines letalen Schlangenbisses durch Anschauen der Schlange auf der Stange, sondern um rein politische Unterordnung bei sonstiger Verwirkung des Lebens. Die eherne Schlange hat somit dieselbe Funktion wie die Herrinnenstäbe.

    Diese Herrinnenstäbe als ägyptische Herrschaftszeichen sind als Flachbilder in zahlreichen Tempeln, meist aus der Ptolemäer- und Römerzeit, erhalten, wo sie unter anderem an den Türlaibungen und Fenstern der Tempel angebracht wurden. Ältere Belege finden sich – soweit uns bekannt – nur in einigen wenigen Tempeln,¹³ aber auch im Grabschatz Tutanchamuns. Die Exemplare aus Tutanchamuns Grab sind dabei besonders erwähnenswert, da sie nicht nur die ältesten bisher bekannten Darstellungen der Herrinnenstäbe sind, sondern sich darunter auch die einzigen erhaltenen plastischen Darstellungen befinden (siehe Abb. 1, 2 und 4).

    Wir werden später detailliert auf dieses Material eingehen; vorläufig halten wir fest, dass diese Herrinnenstäbe in Form, Ausführung und Funktion der biblischen ›Schlange auf der Stange‹ so sehr entsprechen, dass eine bloß zufällige Ähnlichkeit schon weitgehend ausgeschlossen werden kann. Um alle Zweifel auszuräumen, müssen allerdings noch die beiden offenkundigsten Unterschiede zur biblischen Schlange geklärt werden, nämlich: Wieso im Mose-Bericht nur ein Stab vorkommt; und was es damit auf sich hat, dass die eherne Schlange eigens vor Ort in der Wüste angefertigt wurde. Auch auf diese beiden Punkte gehen wir erst später ein.

    Zuerst wollen wir uns nun der zweiten Art von Sarafen zuwenden, also der Problematik der beißenden, todbringenden ›feurigen Schlangen‹.

    3. Die lebenden Saraf-Schlangen

    a) Eine todbringende feurige Schlange: die Jaret

    Wir haben gezeigt, dass die biblische ›feurige Schlange‹ auf der Stange in wesentlichen Merkmalen Ähnlichkeit mit dem ägyptischen Herrschaftszeichen »Herrinnenstab« aufweist. Wie steht es aber nun mit den todbringenden ›feurigen Schlangen‹? Haben auch sie eine ägyptische Entsprechung?

    Als feurige todbringende Schlange wurde in Ägypten die Jaret charakterisiert, die jedermann als Uräus bekannte, aufgerichtete Kobra an der Stirn des Königs von Ober- und Unterägypten. Sie ist das am besten belegte und auch noch von den römischen Kaisern als Inhabern des Pharaonenthrons verwendete Kennzeichen des Herrschers über Ägypten. Die Jaret schützt nach ägyptischer Vorstellung den König mit dem todbringenden »Gluthauch ihres Feueratems«¹⁴ vor seinen Feinden, sie ist die ›Feuer Speiende‹, die ›Brennende‹, die »Feurige mit großer Lohe«.¹⁵ Der König behauptet seine Herrschaft, indem er durch die Macht der Jaret seine Gegner – innere und äußere – bezwingt, denn »kein Leib ist frei von Furcht vor ihr«.¹⁶

    Die folgenden Textbeispiele verdeutlichen diese für das ägyptische Verständnis des Königtums wesentliche Auffassung.

    Der Gott Amun spricht zu König Thutmosis III.:

    »... die Schlange an deinem Haupte verzehrt deine Feinde, sie verbrennt mit ihren Flammen die Bewohner der Marschen und enthauptet die Asiaten und keiner von ihnen entkommt ...«.¹⁷

    Ganz ähnlich steht auf einer Stele aus Der-el-Medina:

    »... das Schlangendiadem wird Flammengluten ausspeien auf das Haupt (der Frevler), vernichtend ihre Glieder, verzehrt es ihre Leiber ...«.

    Im Papyrus Chester Beatty IV wird von der Stirnschlange gesagt:

    »Ihre Schutzkraft gehört dem Palastbewohner [= dem König], / ihre Stärke ist gegen die gerichtet, die sich gegen ihn empören.«¹⁸

    b) Die Jaret und die Saraf-Schlangen

    Die Jaret (der Uräus) ist also genauso eine feurige Schlange wie die feurigen Schlangen in der biblischen Beschreibung, allerdings ist in der Bibel von unbestimmt vielen Schlangen die Rede, während die Jaret nur eine einzelne, noch dazu nicht lebende Schlange ist.

    Dass diese Diskrepanz jedoch nur scheinbar ist, lässt sich am biblischen Text selbst aufzeigen. In allen biblischen Übersetzungen steht die Schlange in Num 21, 7 im Plural:

    6 Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, daß viele aus Israel starben. 7 Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, daß wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, daß er die Schlangen von uns nehme.

    Im hebräischen Text steht aber nur der Singular: »Bitte den Herrn, dass er die Schlange (hanna ) von uns nehme«.

    Es wird also von den Exegeten und deshalb auch von den Übersetzern einfach vorausgesetzt, dass die Schlange hier, wo sie im Singular vorkommt, genauso aufzufassen sei wie an der vorhergehenden Stelle (Vers 6), in der sie im Plural vorkommt; es wird ihr somit eine kollektive Bedeutung unterstellt.¹⁹ Deshalb wird in den Übersetzungen der Singular einfach zum Plural gemacht, der Text auf diese Weise harmonisiert. Genauso gut kann man dies aber auch umgekehrt sehen: In der Bitte steht die ursprünglichere Fassung, nämlich die Einzahl der Schlange.

    Stellt man sich eine solche einzelne Schlange nun als konkrete lebende Schlange vor, so könnte sie zugegebenermaßen als einzelne (rein praktisch gesehen) nicht das ganze Volk beißen – genau deshalb wurde sie schließlich auch in Num 21, 6 nachträglich in den Plural gesetzt. Die singuläre ›feurige Schlange‹ kann demzufolge keine lebende Schlange sein; sie kann aber ein Herrschaftssymbol sein, das seine Macht ausübt. Als Herrschaftssymbol aufgefasst, kann man genau dies von einer einzelnen feurigen Schlange sagen: in ihrem Zeichen wird das rebellische Volk unterworfen. Eine einzelne Schlange kann somit durchaus gegen das ganze rebellische Volk vorgehen (s. oben: »... die Schlange an deinem Haupte verzehrt deine Feinde ...«). Die Bitte des Volkes, die Schlange wieder von ihm zu nehmen, ist daher nichts anderes als die Bitte an den Urheber der Gewalt, mit den Repressalien aufzuhören.

    Die Herrschaftssymbolik (eine einzelne Schlange) verweist somit über das Herrschaftszeichen (die feurige Schlange) auf den Träger der Herrschaft selbst: dieser kann demzufolge – nur ein Pharao sein. Denn einzig aus der ägyptischen Herrschaftssymbolik heraus ergibt die biblische Beschreibung des Vorgangs einen klaren Sinn: Die singuläre ›feurige Schlange‹, die den Aufständischen den Tod bringt, ist die Jaret (Uräus) auf der Stirn ihres Trägers, des Pharao. Wie aber passt ein Pharao in den biblischen Rahmen? Darauf gehen wir unten (S. →) ein.

    Zunächst halten wir als Ergebnis unserer bisherigen Untersuchung fest, dass die Verlebendigung und Vervielfachung der feurigen und todbringenden Schlange in der biblischen Schilderung lediglich eine literarische Modifikation jener einen, symbolischen Schlange darstellt, die durch ihren Träger als Ausführenden handelt und allen Aufständischen den Tod bringt: der Jaret.

    Auch im nicht-jüdischen antiken Umfeld wurde die Jaret auf dieselbe Weise als ›lebende Schlange‹ fehlinterpretiert: der Basilisk bildet das griechisch-römische Pendant zu den biblischen Saraf-Schlangen. Wir werden in einem eigenen Kapitel (S. →f.) näher darauf eingehen.

    4. Die biblischen und die ägyptischen Schlangen: Saraf und Jaret

    a) Ihre Funktion: Bestrafen und Vergeben

    Der Bezug zwischen dem biblischen und dem ägyptischen Typus von Schlangen lässt sich somit wie folgt herstellen: Die Jaret bestraft die Aufständischen, und der Herrinnenstab gewährt dem Gnade, der sich wieder unterwirft (ihn »ansieht« im biblischen Text). Stirnschlange und Stabschlange ergänzen sich somit sinnvoll in ihrem Anwendungsbereich und erfüllen damit genau die gegensätzlichen Charakteristika, die der biblische Text den beiden Arten von Sarafen zuteilt.

    b) Ihre Namen

    Jetzt müssen wir nur noch zeigen, dass auch die ägyptischen Schlangen (Jaret und Nebti) unter einem Namen zu fassen sind. Das fällt nicht schwer, denn wie ein Blick auf die Abbildungen 1, 6 und 14 schon zeigt, sind sowohl die Stirnschlange als auch die Stabschlangen in der Form einer sich aufbäumenden Kobra (Jaret) dargestellt. Beide haben denselben Herkunftsbereich und werden deshalb als Jaret bezeichnet. Dem biblischen Wort Saraf entspricht somit das ägyptische Wort Jaret.

    Wir verwenden absichtlich die ägyptische Eigenbezeichnung Jaret für diese Herrschaftssymbole, denn bei der üblicherweise verwendeten griechisch-lateinischen Bezeichnung Uräus denkt man für gewöhnlich nur an die Stirnschlange, nicht aber an die Stabschlange; zudem geht beim Wort Uräus der weibliche Charakter des ägyptischen Nomens verloren. Ein weiterer Grund ergibt sich aus der Tatsache, dass der Name Jaret in der Bibel selbst als Eigenname erhalten geblieben ist, allerdings wie beim Uräus auch männliche Form angenommen hat: Jaret ist im Buch Genesis (5, 18-27) einer der Urväter der Menschheit und wird in der Lebensdauer (962 Jahre) nur von seinem Enkel Methusalem übertroffen (969 Jahre). Als männlicher Vorname und auch als Nachname (in unterschiedlicher Schreibung Jared, Jaret, Jareth, Jarrett, Yaret, Jeret etc.) erfreut sich die weibliche Jaret somit eines bis heute andauernden, unverhofften Nachlebens. Die von uns benutzte Schreibung ›Jaret‹ soll diesen Bezug vor Augen halten und wird deshalb der in der Ägyptologie üblichen Schreibung ›Iaret‹ vorgezogen.

    Wir fassen unsere bisherigen Resultate in Bezug auf die eherne Schlange und die feurigen Schlangen kurz zusammen. Wir haben gezeigt, dass beide als ägyptische Herrschaftszeichen aufgefasst werden können: die eherne Schlange als Stabschlange (Herrinnenstab), die feurigen Schlangen als Stirnschlange (Uräus). Die hebräische Bezeichnung Saraf findet in der ägyptischen Bezeichnung Jaret ihre Entsprechung. Diese Herleitung impliziert zugleich: Wo die Herrschaftszeichen sind, muss auch ihr Träger sein, also ein Pharao.

    5. Die biblischen Schlangen als ägyptische Herrschaftszeichen

    a) Ihr Träger, ein Pharao

    Wenn die Geschichte von der ehernen Schlange durch die Rückführung ihres Hauptelements – des Sarafen in zweifacher Ausformung – auf die ägyptische Herrschaftssymbolik der Stirn- und Stabschlange aufgelöst werden kann, so ergibt sich daraus von selbst, dass ein Pharao als Repräsentant und Träger dieser Symbolik in diese Geschichte involviert gewesen sein muss.

    Unsere Lesart der Ereignisse in der Wüste mag auf den ersten Blick etwas befremdlich wirken, denn sie muss lauten: ein ägyptischer König hat einen Volksaufstand in der Wüste brutal niedergeschlagen, indem er alle tötete, die seine Autorität nicht mehr anerkennen wollten. Doch wie soll dieser Pharao in die Szene passen, da ja in der biblischen Erzählung Gott und Mose die Träger der Handlung sind? Die Erklärung ist naheliegend: Mose ist der Pharao!

    Es ist demnach ein Pharao namens Mose, der diesen Aufstand niederschlägt. Wenn aber die Auseinandersetzung zwischen dem Pharao und dem Volk ein rein weltlicher Vorgang war, wie ist dann Gott in dieser Geschichte zu erklären? Die Antwort auf diese Frage wird wiederum durch den biblischen Text selbst nahegelegt:

    4 Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege 5 und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, ... (Num 21, 4 - 5)

    Das Volk spricht hier von Gott und Mose wie von einer Person: es »redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du ...«.

    Doch wie könnte Mose zugleich Gott sein? Das stellt kein Problem dar, wenn Mose ein Pharao ist, denn ein geläufiger Beiname des ägyptischen Königs lautet: der »gute Gott« (nefer netjer). In diesem Sinne kann Mose auch als Gott bezeichnet werden. Die Verbindung von ›Mose und Gott‹ in einer Person, wie sie das ›du‹ des biblischen Textes nahelegt, ist also durchaus plausibel.

    Es gibt aber auch Überlieferungen des biblischen Textes, in denen Mose und Gott nicht gleichgesetzt werden: »Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt ...«. ²⁰ Üblicherweise wird mangels Anhaltspunkten keiner der beiden Versionen der Vorzug gegeben. Wir sehen jedoch hier eine deutliche Parallele zu dem in Num 21, 6 festgestellten Vorgang, bei dem ebenfalls der Singular (Schlange) durch den Plural (Schlangen) ersetzt und der Sinn dadurch vordergründig ein ganz anderer wurde. Deshalb stellt für uns die erstgenannte Variante die ursprüngliche Fassung dar.

    Eine Gleichsetzung von Mose und Gott im genannten Sinn erhält also durch den Bibeltext ihre volle Berechtigung. Gott im theologischen Sinn kommt hier nicht vor. Das Volk redete vielmehr wider den ›guten Gott‹ (Pharao) Mose, nicht Gott und Mose.²¹

    Der Erzählung von der ehernen Schlange liegt somit tatsächlich ein durch und durch profaner Vorgang zugrunde.

    Die Geschichte von der ehernen Schlange stellt sich für uns bisher folgendermaßen dar: ein Pharao sieht sich in der Wüste mit einem Aufstand des Volkes, das er anführt, konfrontiert; der Aufstand richtet sich gegen ihn selbst als Anführer mit dem Vorwurf, das Volk in der Wüste in den Tod zu führen; es geht für ihn um Alles, seine Gegenmaßnahme besteht deshalb in entschlossener Niederschlagung des Aufstands zur Sicherung seiner Position.

    b) Eine Schlange oder zwei Schlangen?

    Die wesentlichen Elemente

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