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Präzision und Phantasie: Sehgal-Homöopathie und Hypnose
Präzision und Phantasie: Sehgal-Homöopathie und Hypnose
Präzision und Phantasie: Sehgal-Homöopathie und Hypnose
eBook459 Seiten6 Stunden

Präzision und Phantasie: Sehgal-Homöopathie und Hypnose

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Über dieses E-Book

Zwei sehr unterschiedliche Therapieformen werden hier kombiniert: Die gemütsorientierte Homöopathie nach Sehgal und die Hypnose.
Wertvoll für Sehgal-Homöopathen sind die präzise herausgearbeiteten Gemütsrubriken und die facettenreichen Arzneimittelbearbeitungen. Die jeweils zugeordneten Trancetexte ermöglichen ein vertieftes, bildhaftes Verständnis beider Elemente.

Hypnotherapeuten entdecken eine Fundgrube von Trancetexten und Methaphern, sowie Feinheiten in der Anamneseerhebung.
In den Falldarstellungen wird die Kombination dieser beiden Therapieformen verdeutlicht.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum29. Aug. 2014
ISBN9783735730916
Präzision und Phantasie: Sehgal-Homöopathie und Hypnose
Autor

Petra Vetter

Petra Vetter ist Heilpraktikerin für Klassische Homöopathie und Medizinische Heilhypnose. Sie lebt und arbeitet in Berlin (Schleswig-Holstein).

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    Buchvorschau

    Präzision und Phantasie - Petra Vetter

    übernommen.

    DIE SEHGAL–METHODE

    PHILOSOPHIE

    Zunächst einmal – M. L. Sehgal kam nicht auf seine neue Methode, weil er sich die Arbeit erleichtern wollte, sondern weil er in einem schwierigen, symptomarmen Fall nicht weiter kam. In Bd. VII seines Werkes „Die Wiederentdeckung der Homöopathie" beschreibt er, wie ein zehnjähriger Junge schwer unter Malaria litt. Das einzige feststellbare Symptom war, dass der Junge in Stupor verfiel, wenn das Fieber die 40⁰- Grenze überschritt. Die sonst üblichen Malariasymptome wie Knochenschmerzen, Schüttelfrost oder Schweiß tauchten nicht auf.

    Die Arzneimittel der Rubrik >Allg.- Schmerzlosigkeit, bei Beschwerden< Helleborus, Stramonium und Opium brachten keinerlei Erleichterung. Da die Lage des Jungen immer kritischer wurde – das Fieber stieg auf 41,5⁰– nahm M. L. Sehgal ihn bei sich auf, um ihn ausgiebig und in Ruhe beobachten zu können. Dabei fiel ihm auf, dass der Junge sich nie beklagte. Auf Fragen, wie es ihm gehe, immer mit „gut" antwortete und auch an fieberfreien Tagen im Bett blieb. Ansonsten interessierte ihn nichts – er machte keinerlei Probleme.

    Diese Beobachtungen führten zu drei Rubriken:

    Bett bleiben, möchte im

    (bed, remain in desires to)

    Gleichgültigkeit, klagt nicht

    (indifference, does not complain)

    Gesund zu sein, behauptet trotz schwerer Krankheit

    (well, says he is, when very sick).

    Hyoscyamus ist das einzige Mittel, das sich in diesen drei Rubriken findet, und es wirkte Wunder. Es gab noch drei weitere Fieberanfälle mit jeweils geringeren Temperaturen; anschließend blieb die Körpertemperatur normal.

    Als kurz darauf noch ein weiterer Malariafall auf die beschriebene Art gelöst werden konnte, war M. L. Sehgal überzeugt, einen revolutionären neuen Zugang zur homöopathischen Arzneimittelfindung entdeckt zu haben. Zunächst wandte er diese neue Methode nur bei Malariafällen an, später weitete er sie aus und beschrieb seine grundsätzlichen Überlegungen dazu.

    Auch für M. L. Sehgal blieb Samuel Hahnemann das Fundament. In § 211 Organon heißt es:"

    Dieß geht so weit, daß bei homöopathischer Wahl eines Heilmittels, der Gemüthszustand des Kranken oft am meisten den Ausschlag giebt, als Zeichen von bestimmter Eigenheit, welches dem genau beobachtenden Arzte unter allen am wenigsten verborgen bleiben kann." Und in den „Chronischen ‚Krankheiten" schreibt er:

    „Doch oft schon etwas grobe Diätsünden, eine Verkältung, der Zutritt einer vorzüglich rauhen, naßkalten oder stürmischen Witterung, so wie der (auch noch so milde) Herbst, besonders aber der Winter und der winterliche Frühling, dann eine heftige Anstrengung der Körpers oder Geistes, besonders aber die Gesundheits-Erschütterung durch eine äußere, große Beschädigung, oder ein sehr trauriges, das Gemüth beugendes Ereigniß, öfterer Schreck, großer Gram und Kummer und anhaltende Ärgerniß (Hervorhebung durch die Autorin) brachten oft, (wenn die Anscheinend geheilte Krankheit eine schon weiter entwickelte Psora zum Grunde gehabt hatte, oder) bei einem geschwächten Körper, gar bald wieder das eine oder mehre der schon besiegt geschienenen Leiden, auch wohl mit einigen ganz neuen Zufällen verschlimmert, hervor, welche, wo nicht bedenklicher, als die vordem homöopathisch beseitigten, doch oft eben so beschwerlich und nun hartnäckiger waren."(.S Hahnemann, 2000, S.1).

    Doch die häufigste Aufregung der schlummernden Psora zu chronischer Krankheit, so wie die häufigste Verschlimmerung schon vorhandner chronischer Übel im Menschen-Leben entsteht von Gram und Verdruß.

    Ununterbrochner Kummer oder Ärgerniß erhöhet ja selbst die kleinsten Spuren noch schlummernder Psora gar bald zu größern Symptomen und entwickelt sie dann unvermuthet zum Ausbruche aller erdenklichen chronischen Leiden gewisser und öfterer, als alle andere nachtheilige Einflüsse im gewöhnlichen Menschen-Leben auf den Organism, wie denn beide eben so gewiß und oft die schon vorhandnen Übel verstärken.

    So wie der gute Arzt sich’s schon zum Vergnügen macht, zur Beförderung einer nicht mit solchen Hindernissen befangenen Kur zu veranstalten, daß das Gemüth des Kranken möglichst erheitert und Langweile von ihm abgehalten werde, so wird er auch hier um so mehr die Verpflichtung in sich fühlen, alles anzuwenden, was in dem Bereiche seines Einflusses auf den Kranken und seine Angehörigen und Umgebungen liegt, um Gram und Ärgerniß von seinem Kranken zu entfernen. Dieß wird, dieß muß ein Haupt-Gegenstand seiner Sorgfalt und Menschen-Liebe seyn.

    Sind aber des Kranken Verhältnisse hierin nicht zu bessern, hat er nicht so viel Philosophie, Religion und Herrschaft über sich selbst, alle Leiden und Schicksale, woran er nicht Schuld ist, und die zu ändern nicht in seiner Macht steht, geduldig und gelassen zu ertragen, stürmt Gram und Verdruß unabänderlich auf ihn ein, ohne daß der Arzt im Stande ist, dauernde Entfernung dieser größten Zerstörungs-Mittel des Lebens zu bewirken, so sage er sich lieber von der Behandlung der chronischen Krankheiten los und überlasse den Kranken seinem Schicksale, weil selbst durch die meisterhafteste Führung der Kur mit den ausgesuchtesten und dem Körper-Leiden angemessensten Heilmitteln nichts, gar nichts Gutes bei irgend einem chronischen Kranken unter fortwährendem Kummer und Verdrusse auszurichten ist, wo der Lebens-Haushalt durch stete Angriffe auf das Gemüth zerstört wird. Die Fortsetzung des schönsten Baues ist thöricht, wenn der Grund des Gebäudes täglich, obwohl nur allmählig von anspülenden Wellen untergraben wird.."(S. Hahnemann, 2000 S.170-171).

    Hinzu kommen für M. L. Sehgal James Tyler Kents Überlegungen zur „Anatomie des Gemütes", die dieser folgendermaßen strukturiert:

    Dieses stellt das Zentrum eines jeden menschlichen Organismus dar.

    Nun aber geht M. L. Sehgal weiter als Samuel Hahnemann oder James Tyler Kent. Er fordert nicht mehr die Totalität der Symptome, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten. Er sucht auch nicht mehr nach den § 153er - Symptomen, um den Fall zu individualisieren. Es ist allein das Zentrum, das Gemüt, auf das er sein Interesse richtet. Die Begründung dafür ist einleuchtend: Vom Zentrum aus wird jede einzelne Zelle gesteuert. Es ist im Krankheitsfall immer in irgendeiner Art verändert. Daher muss zunächst die natürliche Ordnung des Zentrums wiederhergestellt werden. Anschließend werden sich alle fehlgerichteten körperlichen Zustände normalisieren. Die Aufgabe des Homöopathen besteht also darin, die Veränderungen des Gemütes (des Zentrums) aufzuspüren und diese Veränderungen durch Auffinden der entsprechenden Repertoriumsrubriken nutzbar zu machen. Mit dem so gefundenen Arzneimittel kann er direkt das Zentrum treffen und die Heilung einleiten.

    Ganz einfach also. Ganz einfach, wenn es dem Therapeuten gelingt, ein vorurteilsfreier Beobachter zu bleiben, „übersinnliche Ergrübelungen" (Hahnemann, Organon § 6) zu unterlassen und die Gemütsrubriken genauestens zu verstehen und einzusetzen.

    Glücklicherweise haben Sanjay und Yogeh Sehgal reichlich Vorarbeit geleistet und zahlreiche Rubriken sowie auch Facetten einiger Arzneimittel durchdacht und beschrieben.

    Zum geforderten „vorurteilsfreien Beobachter gibt es von M. L. Sehgal einen Tipp: Man betrachte den Patienten wie einen Computer und notiere emotionslos alle Äußerungen dieses „Apparates. Nichts ist unwichtig. Auch Äußerungen, die völlig normal erscheinen, also über keinen Wert im Sinne des § 153 verfügen, sind von Bedeutung. Nichts kann uns als Therapeuten wirklich tangieren. Selbst Wutausbrüche oder Beleidigungen sind nichts weiter als verwertbare Symptome. Ein guter Tipp, der oft – allerdings nicht immer – weiterhilft.

    Häufig ist auch echtes Mitleiden (homoios pathein) erforderlich, um dem Patienten zunächst in seiner Notsituation beizustehen.

    Die Repertoriumsrubriken wurden von M. L. Sehgal in einer neuen Art durchdacht und interpretiert. Zunächst einmal versuchte er sie mittels eines Wörterbuches genauestens zu verstehen. Dann übertrug er die erkannte Bedeutung auf Alltagssituationen.

    § 153

    Bei dieser Aufsuchung eines homöopathisch specifischen Heilmittels, das ist, bei dieser Gegeneinanderhaltung des Zeichen-Inbegriffs der natürlichen Krankheit gegen die Symptomenreihen der vorhandenen Arzneien um unter diesen eine, dem zu heilenden Übel in Ähnlichkeit entsprechende Kunstkrankheits-Potenz zu finden, sind die auffallendern, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome des Krankheitsfalles, besonders und fast einzig fest in’s Auge zu fassen; denn vorzüglich diesen, müssen sehr ähnliche, in der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen, wenn sie die passendste zur Heilung sein soll. Die allgemeinern und unbestimmtern: Eßlust-Mangel, Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger Schlaf, Unbehaglichkeit u.s. w., verdienen in dieser Allgemeinheit und wenn sie nicht näher bezeichnet sind, wenig Aufmerksamkeit, da man so etwas Allgemeines fast bei jeder Krankheit und jeder Arznei sieht

    Hierzu ein paar Beispiele:

    >Störungen; Abneigung gegen DISTURBED; averse to being< ant-c. ant-t. bamb-a. BRY. cench. cham. chinin-ar. Cocc. gels. gink-b. hell. iod. kali-m. lil-t. naja nat-ar. Nux-v. plut-n. sec. Sep. sulph. tub. ulm-c.

    Bedeutung: Gestört(adj): Aus dem Gleichgewicht gebracht, unruhig.

    Interpretation: Es gilt für beide Richtungen. Wenn man bereits gestört ist, möchte man die Störung beenden, und wenn man ausgeglichen ist, hat man es nicht gerne, wenn man aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Was kann gestört werden? Etwas, was in Frieden und Ruhe ist oder etwas, das fest steht. Man stelle sich vor, da ist ein Tank voll Wasser im Zustand der vollständigen Ruhe, in den nun ein Stein geworfen wird. Das wird man als gestört oder aus dem Gleichgewicht gebracht bezeichnen. Ebenso, wenn jemand um seinen Sitzplatz gebracht wird oder aus seiner ursprünglichen Position geholt wird. Das kann umgekehrt genauso sein. Irgendetwas ist bereits gestört, und es versucht nun, seine ursprüngliche Position wiederzuerlangen, d. h. den Zustand des Friedens. Und bei diesem Prozess der Wiederherstellung mag er es nicht, wenn er in irgendeiner Weise gestört wird und wird das ablehnen. Der Zustand des Gemütes kann dann ebenso als „Gestört werden, will nicht" bezeichnet werden.

    Versionen:

    1. ´Wenn ich einmal eine Stellung eingenommen habe, so ändere ich sie nicht gerne. Denn es nimmt mir die Gemütlichkeit weg, die ich auf die eine oder andere Weise versuche zu erhalten.´

    2. ´Ich fühle mich innerlich aus dem Gleichgewicht gebracht, ich möchte gern meinen ursprünglichen Zustand im Gemüt und Körper wiederherstellen.´

    3. ´Wenn ich diese Schmerzen los bin, wird es mir gut gehen.´

    4. ´Ich möchte mich hinsetzen oder mich hinlegen, ich habe ein Bedürfnis danach, aber ich bin nicht in der Lage so zu handeln, wie ich gerne möchte.´" (M. L. Sehgal 2004, S. 463 f.).

    >Aufzuhetzen, anzustacheln; andere INCITING others<

    cimic. coloc. hyos. plb.

    „Bedeutung: (D: incite = aufwiegeln, aufhetzen, anstiften)

    Jemanden zu einer Handlung veranlassen.

    Interpretation: Andere zu Handlungen veranlassen und sich selbst ruhig im Hintergrund halten

    Version: Es kann sein, dass Sie viele Leute erfolgreich behandelt haben, aber ich werdeIhre Fähigkeit erst dann anerkenne, wenn Sie mich geheilt haben.´" (M. L. Sehgal,2004,S.479).

    >Furcht - Extravaganz, vor Fear, extravagance,of<

    op.

    „Furcht: Unbehagen bei dem Gedanken an etwas Spezifisches, z. B. Furcht vor einem Löwen, Furcht vor Versagen usw.

    Extravaganz: bedeutet, dass man für eine Sache mehr ausgibt, als sie wert ist. Gewöhnlich wird dieser Ausdruck nur bei Geldangelegenheiten benutzt, aber es funktioniert auch, wenn man es in einem ausgedehnteren Sinn benutzt, indem wir andere Aspekte des Lebens ebenfalls in Betracht ziehen." (M. L. Sehgal, 2004, S. 1103).

    „Bedeutung: Ein Übermaß, ein Zuviel in jeder Richtung löst Unbehagen aus und kann nicht toleriert werden.

    Interpretation: Bis zu einer persönlichen Grenze ist vieles auszuhalten, aber ab einem bestimmten Punkt geht es zu weit.

    „So wie jede andere Rubrik hat sie zwei Seiten, weder hält sie Exzesse durch andere aus, noch möchte sie irgendwelche Exzesse anderen zumuten." (M. L. Sehgal, 2004, S. 1103).

    Mögliche Patientenäußerungen: „Ab und zu mal Kopfschmerzen vertrage ich ja, aber nun habe ich sie schon jeden zweiten Tag!"

    „Ich bin jetzt schon das dritte Mal bei Ihnen, ohne dass ihre Behandlung irgendetwas gebracht hat. Jetzt suche ich mir einen anderen Homöopathen."

    „Unser Säugling wird nachts alle zwei Stunden wach. Das kann man keinem Babysitter zumuten."

    >Furcht - verraten zu werden; davor FEAR - betrayed; of being<

    bell. hyos. ign. lach. lyss. nat-m. petr-ra.

    „Furcht: Eine Art von Unbehagen, das durch eine spezifische, drohende Gefahr hervorgerufen wird. Die Person kann den Grund ihrer Furcht angeben.

    verraten: (D: betray= Verrat begehen, hintergehen, jmd. die Treubrechen. Synonym deceived = betrogen) Getäuscht.

    Interpretation: Furcht von Personen, Situationen und/oder Ereignissen getäuscht zu werden." (M. L. Sehgal, 2004, S. 468).

    Mögliche Patientenäußerungen: „Haben Sie diese Art Krankheit schon behandelt?" –

    „Meine Medikamente weglassen? Und wenn ihre Homöopathie dann nicht hilft? Das ist mir zu riskant." –

    Man sieht, dass diese Rubriken in einer viel umfassenderen Art gebraucht werden können, als es zunächst den Anschein hat. Ja, einige Rubriken können überhaupt erst verwandt werden, wenn ihr weitergehender Sinn entdeckt wurde (Furcht, Extravaganz, vor).

    Diese Beispiele mögen hier genügen, um aufzuzeigen, dass man tatsächlich den momentanen Gemütszustand eines Patienten durch Rubriken erfassen kann, auch und gerade dann, wenn er nicht besonders auffallend ist.

    ANAMNESE NACH SEHGAL

    In der Anamnese nach M. L. Sehgal soll vor allem die akute Form der Krankheit festgestellt werden, so wie sie sich im Gemüt ausdrückt.

    Die PPP-Regel gibt dazu eine Hilfestellung: Die Gemütssymptome, die zur Arzneimittelwahl führen, sollen PRESENT (gegenwärtig), PREDOMINATING (vorherrschend) und PERSISTING (anhaltend) sein – im Einzelnen:

    PRESENT (gegenwärtig) – das jeweilige Symptom wird mit Betonung und Emotion geäußert,die z. B. Gleichgültigkeit oder Wut oder Unruhe ist spürbar. Möglicherweise lassen sich auch nonverbale Signale beobachten, die dieses bestätigen.

    PREDOMINATING (vorherrschend) – das betreffende Symptom beherrscht das Denken des Patienten.

    PERSISTING (anhaltend) – der Patient kann die jeweiligen Gedanken/Gefühle nicht „abschalten und nur zeitweise „zurückdrängen. Sie kommen immer wieder, auch, wenn er es nicht will.

    Wie schafft man es nun, den aktuellen Gemütszustand mit seinen deutlichsten Merkmalen zu erfassen?

    In meiner Praxis hat sich dabei das „Narrative Interview" (von Seckendorf, 2012) bewährt. – Worum geht es dabei ?

    Narrativ heißt erzählend, und so ermutigt der Interviewer den Patienten, seine Geschichte zu erzählen. So wie er sie wahrnimmt und empfindet.

    Dazu wird zunächst ein Stimulus gesetzt, der kürzer oder länger ausfallen kann, und der auch den Schluss der Geschichte ins Auge fasst. Z. B. so: „Bitte erzählen Sie mir die Geschichte Ihrer Beschwerden und Ihrer Krankheit. Wie sie angefangen hat und wie sie heute ist. Was Sie dagegen getan haben. Sie können ganz frei berichten, ohne dass ich Ihren Bericht durch Fragen lenke oder unterbreche. Sie haben genügend Zeit, und wenn Sie am Ende Ihres Berichtes angekommen sind, werden Sie es mir sagen. Mich interessieren alle Dinge, die für Sie von Interesse sind, und die Sie besonders belasten. Reden Sie nun ganz frei und unbeeinflusst. Ich werde Ihnen sehr aufmerksam zuhören und keine Fragen stellen. Anschließend erlaube ich mir, Ihnen Fragen zu stellen." (von Seckendorff, 2012, S. 3).

    Mein Stimulus sieht kürzer aus: „Erzählen Sie einfach mal, und sagen Sie mir, wenn Sie fertig sind. – In den Folgekonsultationen reicht dann „Erzählen Sie oder manchmal nur „Ja?"

    Zur Selbstkontrolle und um eine genaue Analyse zu ermöglichen, empfiehlt es sich, eine Audio- oder Videoaufnahme zu machen. Dies erleichtert auch die Fokussierung auf den Patienten.

    Es ist hochinteressant zu erleben, wie unterschiedlich Patienten auf den Stimulus „Erzählen Sie einfach mal und sagen Sie mir, wenn Sie fertig sind, reagieren. Manche können es kaum erwarten und lassen den Therapeuten fast nicht ausreden. Manche sind verunsichert und wissen nicht, was von ihnen erwartet wird: „Was soll ich erzählen? – Können Sie nicht lieber fragen? – Meist reicht dann ein: „Mich interessiert alles oder „Ich will erst mal nur zuhören. – Einige bringen bereits Notizen mit ihrer Krankengeschichte mit oder einen Stapel von Befunden und eine Tasche voller Medikamente. So kommt man schon in den ersten Minuten zu sehr wichtigen Eindrücken und Beobachtungen.

    Ebenso interessant ist das Ende des Interviews. Meist wird es ganz deutlich geäußert: „Ja, das war alles – oder so ähnlich. Dann lohnt es sich fast immer noch ein bisschen zu warten, zu lächeln und zu nicken. Sehr oft kommen dann noch ganz besonders wichtige Aussagen. Der Patient ist dann „warmgelaufen. Er hat das ernsthafte Interesse und die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Therapeuten erlebt und traut sich nun oft an den „wunden Punkt" heran; an das, was vielleicht zu schmerzhaft oder zu unangenehm ist, um es gleich zu erzählen.

    Schwierig wird es nur, wenn wir einen Patienten vor uns haben, der zu Redseligkeit neigt und endlose Schleifen produziert. Wie gut auch immer die Kondition des Therapeuten sein mag – irgendwann lässt die Konzentration nach. Da ist es schon erlaubt, die Fortsetzung des Gespräches auf einen späteren Termin zu verlegen. Oder sogar sanft zu lenken: „...hm, aber was sind Ihre Gefühle dabei?" –

    Ein Vorteil des narrativen Interviews liegt auch darin, dass der Interviewer ausreichend Zeit findet, um sein Gegenüber zu beobachten. Gerade sehr gesprächige Patienten, deren Wortflut eher verwirrt, lassen sich über die Beobachtung ihrer Sprache, Gesten, ihres Äußeren und ihrer Haltung doch noch gut analysieren.

    Dazu einige Auszüge zu Samuel Hahnemanns Anamneseanleitung im Organon, die den Gemütszustand des Patienten betreffen:

    § 84

    „ Der Kranke klagt den Vorgang seiner Beschwerden; die Angehörigen erzählen seine Klagen, sein Benehmen, und was sie an ihm wahrgenommen; der Arzt sieht, hört und bemerkt durch die übrigen Sinne, was verändert und ungewöhnlich an demselben ist. Er schreibt alles genau mit den nämlichen Ausdrücken auf, deren der Kranke und die Angehörigen sich bedienen. Wo möglich läßt er sie stillschweigend ausreden, und wenn sie nicht auf Nebendinge abschweifen, ohne Unterbrechung. Bloß langsam zu sprechen ermahne sie der Arzt gleich Anfangs, damit er dem Sprechenden im Nachschreiben des Nöthigen folgen könne".

    Jede Unterbrechung stört die Gedankenreihe der Erzählenden und es fällt ihnen hinterdrein nicht alles genau so wieder ein, wie sie es Anfangs sagen wollten." (Hervorhebungen durch Autorin).

    § 90

    „ Ist der Arzt mit Niederschreibung dieser Aussagen fertig, so merkt er sich an, was er selbst an dem Kranken wahrnimmt und erkundigt sich, was demselben hievon in gesunden Tagen eigen gewesen. Z. B. Wie sich der Kranke bei dem Besuche gebehrdet hat, ob er verdrießlich, zänkisch, hastig, weinerlich, ängstlich, verzweifelt oder traurig, oder getrost, gelassen, u.s. w.; ob er schlaftrunken oder überhaupt unbesinnlich war? ob er heisch, sehr leise, oder ob er unpassend, oder wie anders er redete? (..)"

    § 96

    „Zudem sind die Kranken selbst von so abweichender Gemüthsart, daß einige, vorzüglich die sogenannten Hypochondristen und andere sehr gefühlige und unleidliche Personen, ihre Klagen in allzu grellem Lichte aufstellen und, um den Arzt zur Hülfe aufzureizen, die Beschwerden mit überspannten Ausdrücken bezeichnen"

    § 97

    Andere, entgegengesetzt geartete Personen aber, halten theils aus Trägheit, theils aus mißverstandener Scham, theils aus einer Art milder Gesinnung oder Blödigkeit, mit einer Menge von Beschwerden zurück, bezeichnen sie mit undeutlichen Ausdrücken oder geben mehrere als unbedeutend an.

    Eine große Gefahr, das narrative Interview zu verlassen, entsteht, wenn der Therapeut direkt um Rat gefragt wird. Dann gehört schon etwas Übung dazu, freundlich lächelnd in der Rolle zu bleiben und abzuwarten, was kommt.

    Daher lese ich mir die folgende Einleitung einer Kurzgeschichte von Sommerset Maugham immer mal wieder durch:

    „Es ist sehr gefährlich, in das Leben anderer Leute einzugreifen, und ich habe mich immer über das Selbstvertrauen gewundert, mit dem Politiker, Reformer und sonstige Wohltäter ihre Mitmenschen zwingen, liebgewordene Gewohnheiten und Lebenshaltungen aufzugeben. Ich meinerseits erteile nur ungern Ratschläge. Wie soll ich jemanden raten, den ich nicht ebenso genau kenne, wie mich selbst? Und um die Wahrheit zu sagen: ich kenne mich schon selbst nicht ganz genau. Meine Mitmenschen sind mir völlig fremd; das heißt, dass ich nur vermuten kann, was sie denken und fühlen. Jeder von uns ist ein Gefangener seines eigenen Ichs und kann sich von seiner Einzelzelle aus nur durch verabredete Zeichen und Symbole mit den anderen Gefangenen verständigen, denen es ebenso ergeht. Es ist klar, dass diese Zeichensprache zu Missverständnissen führen muss, und es ist erwiesen, dass einmal begangene Fehler sich im Rahmen unseres kurzen Erdenwallens nur sehr schwer gutmachen lassen." (William Sommerset Maugham: Ein glücklicher Mensch, in Hutsch (Hrsg.), 2011, S. 40).

    DER VORURTEILSLOSE BEOBACHTER

    Um diesen Gemütszustand festzustellen, braucht es in erster Linie den „vorurteilslosen Beobachter", so wie ihn schon Samuel Hahnemann in § 6 fordert:

    §6

    „Der vorurtheillose Beobachter, - die Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelungen kennend, die sich in der Erfahrung nicht nachweisen lassen, - nimmt, auch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder einzelnen Krankheit nichts, als äußerlich durch die Sinne erkennbare Veränderungen im Befinden des Leibes und der Seele, Krankheitszeichen, Zufälle, Symptome wahr, das ist, Abweichungen vom gesunden, ehemaligen Zustande des jetzt Kranken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden an ihm wahrnehmen, und die der Arzt an ihm beobachtet. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen repräsentiren die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit."

    Und der ist leider eine Illusion.

    Jede Beobachtung - jede Wahrnehmung - ist auch vom Vorwissen des Akteurs geprägt.

    Dazu gibt es eine schöne Geschichte aus „Der kleine Prinz" von Antoine de Saint Exupéry. Zu Beginn berichtet der Autor, wie er sich als Kind über die Erwachsenen geärgert hatte.

    Er hatte nämlich eine Zeichnung angefertigt, die ungefähr so aussah:

    (Nachzeichnung der Autorin)

    Jeder, der diese Zeichnung sah, meinte gleich, darin einen Hut zu erkennen. Der kleine Junge wurde ärgerlich, denn für ihn war es völlig klar, dass er etwas ganz anderes gezeichnet hatte, nämlich eine Schlange, die einen Elefanten gefressen hatte (vgl. Saint Exupéry, 1956).

    So ungefähr stelle ich mir die Situation eines Patienten vor, der seinem Therapeuten sein Problem erklären möchte, und dieser hat bereits eine feste Vorstellung davon. Für den Patienten ist es ganz klar und für den Therapeuten auch. Aber beide sehen etwas völlig anderes und kommen einfach nicht auf einen Nenner.

    Und sogar gegenüber Vorurteilen gibt es Vorurteile. Z. B. dass sie immer negativ seien. Aber eine Denkart, die so weit verbreitet ist, und die sich so hartnäckig zeigt, kann nicht nur Nachteile haben, sonst gäbe es sie längst nicht mehr.

    Aber was sind Vorurteile überhaupt?

    Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man wohl eine vorgefasste negative Meinung über etwas oder über jemanden.

    Ein Lexikon der Psychologie definiert wie folgt: „Vorurteil, eine nicht sachlich begründete bzw. durch Erfahrung erworbene, affektiv mitbestimmte Einstellung gegenüber Dingen oder Menschen, besonders auch gegenüber der eigenen Gruppe oder Fremdgruppen, durch die ihnen positive oder negative Eigenschaften zugesprochen werden. Vorurteile sind grundsätzlich übernommen und auch durch entgegen gesetzte Erfahrungen nur schwer korrigierbar. Oft werden durch Vorurteile diejenigen Erfahrungen selbst provoziert, deren Eintreffen ihnen gemäß erwartet wird (z. B. durch eine feindselige oder geringschätzende Haltung)." (Faktum, (Hrsg.), 1995, S. 515).

    Hier erfahren wir schon mal, dass Vorurteile emotional mitbeeinflusste Einstellungen sind, die auch positive Eigenschaften umfassen können.

    Aber worin besteht der Nutzen, den Vorurteile bieten können?

    Das wichtigste Plus ist wohl der Sicherheitsaspekt. So kann z. B. das Vorurteil „alkoholisierte Jugendliche neigen zu Aggressionen" durchaus mal lebensrettend sein, auch wenn im Einzelfall die betreffenden Jugendlichen völlig harmlos sein mögen und man selbst noch nie negative Erlebnisse dieser Art hatte.

    Zum anderen erhöht es die Reaktionsgeschwindigkeit. Das Vorurteil „alle Frauen lieben Blumen" hat sicher schon manchem aus schwierigen Situationen geholfen.

    Und schließlich: Vorurteile vereinfachen das Leben. Wenn ich schon weiß, dass ich – z. B. Opern, diese Angebertypen von Nachbarn, Gartenarbeit – oder was auch immer nicht mag, brauche ich mich auch nicht damit auseinanderzusetzen und kann es mir bequem machen.

    Dies gilt insbesondere auch für Homöopathen, die zusätzlich noch über ein paar spezifische Vorurteile verfügen. Da sind zum einen die Arzneimittelbilder, die sich manchmal nur schwer zurückdrängen lassen. Die anhängliche Pulsatillapatientin, der hektische Nux-vomica-workoholic, der geschniegelte Arsenicum Patient – gut zu merken und auch oft hilfreich, so lange man nach der Kent´schen Methode repertorisiert.

    Nicht so, wenn man mit der Sehgal-Methode arbeitet. Die Konstitution, das Äußere, der miasmatische Hintergrund – interessant, aber keine Hilfe bei der Arzneimittelauswahl.

    Dann die Einteilungen nach Bönninghausen in kurz, mittel und lang wirkende Arzneimittel. Sie kann verhindern, dass z. B. Belladonna als Mittel bei schweren Pathologien in Betracht gezogen wird, da man diesem Arzneimittel keine tiefer gehende Wirkung zutraut.

    Auch die Kenntnis von § 153iger-Symptomen kann hinderlich sein: „Hunger um 11.00 Uhr morgens? – Na klar: Sulphur! Hautjucken besser durch heißes Wasser?

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