Public History - Angewandte Geschichte
Von Lena Mörike, Conrad Kunze, Anika Kolster-Sommer und
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Über diese Serie
Titel in dieser Serie (17)
- Mahnmale als Zeitzeichen: Der Nationalsozialismus in der Erinnerungskultur Nordrhein-Westfalens
1
Erinnerungszeichen sind seltsame Wesen und stecken voller Widersprüche. Errichtet, um von der Vergangenheit zu künden, fristen sie oft ein Leben am Rande der Wahrnehmung. Jan Niko Kirschbaum nimmt 13 nordrhein-westfälische Erinnerungszeichen für den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg aus den 1950er bis 1980er Jahren in den Fokus. Er befragt sie nach den Motiven ihrer Errichter*innen und bekommt verblüffend vielfältige und kontroverse Antworten. Denn Erinnerungszeichen verraten meist mehr über die Zeit, in der sie errichtet wurden, als über die historische Zeit, die sie thematisieren.
- Historisches Lernen und Materielle Kultur: Von Dingen und Objekten in der Geschichtsdidaktik
2
Im Zuge der Etablierung des »New Materialism« wird die Bedeutung von Objekten für menschliche Gesellschaften neu verhandelt. Welches Potenzial dieser Neue Materialismus für Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik hat, ist bisher nur ansatzweise ausgelotet worden, doch es scheint vielversprechend: Wenn Sachquellen nicht als passive Überreste gedeutet werden, sondern auch als Akteure der Gegenwart, wenn sie gesichertes Wissen über die Vergangenheit ermöglichen, dann sind sie in besonderem Maße geeignet, historisches Lernen zu fördern. Oder sind gegenständliche Objekte der interpretativen Willkür genauso ausgeliefert wie jede andere Quelle?
- Wirtschaftswunder und Mangelwirtschaft: Zur Produktion einer Erfolgsgeschichte in der deutschen Geschichtskultur
4
Aktuelle Schulbücher erzählen eine Erfolgsgeschichte der »Sozialen Marktwirtschaft«, welche die Forschung der letzten 40 Jahre kaum berücksichtigt und seit Jahren als überholt gilt. Anhand der Darstellung des »Wirtschaftswunders« und der Planwirtschaft liefert Kai Krüger nicht nur einen Überblick der Wirtschaftsgeschichte von BRD und DDR für die Jahre 1945-1973, sondern zeigt auch auf, dass zeitgenössische Quellen für Schulbücher gezielt verändert werden, damit sie in die deutsche Erfolgsgeschichte passen. Seine Schulbuchanalyse schließt aber nicht bloß auf bewusste Ideologieproduktion oder fehlendes Wissen, sondern auch auf den Konkurrenzkampf unter den Verlagen.
- Flucht und Vertreibung in europäischen Museen: Deutsche, polnische und tschechische Perspektiven im Vergleich
3
Als in Europa der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, begann ein bis heute umstrittenes Kapitel europäischer Geschichte: die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa. Dieser geschichtspolitische Konflikt lässt sich ›besichtigen‹: Er materialisiert sich in verschiedenen europäischen Museen, die ›Flucht und Vertreibung‹ interpretieren und ausstellen. Vincent Regente arbeitet die erinnerungskulturellen Auseinandersetzungen am Beispiel von sieben aktuellen Museumsprojekten in Berlin, Danzig, Brüssel, Görlitz, Kattowitz, Aussig und München erstmalig vergleichend heraus. Sein konsequent trinationaler Ansatz, der die deutschen, polnischen und tschechischen Sichtweisen gleichermaßen berücksichtigt, eröffnet neue Perspektiven für das Verständnis des Diskurses über ›Flucht und Vertreibung‹.
- Übersetzung als Erinnerung: Sachbuch-Übersetzungen im deutschen Diskurs um NS-Verbrechen in den 1950er-Jahren
5
In den 1950er-Jahren spielten übersetzte Sachbücher eine Schlüsselrolle bei der Etablierung von Diskursräumen zu den NS-Verbrechen in der BRD und in der DDR. Die Übersetzung war für eine kleine Gruppe von Akteur*innen ein wichtiges Instrument, mit dem sie explizites Wissen in den deutschen Diskurs einschreiben wollten. Georg Felix Harsch beschreibt, wie dieser Sprachtransfer nicht-nationalsozialistische deutsche Sprachformen zum NS-Massenmord entwickelte, wie diese Sprache marginalisiert wurde und wie Übersetzer*innen dennoch Grundlagen für einen ehrlich erinnernden Diskurs schafften, der sich überwiegend erst Jahrzehnte später entfalten konnte.
- Mit Geschichte spielen: Zur materiellen Kultur von Spielzeug und Spielen als Darstellung der Vergangenheit
6
Spielzeug und Spiele gehören zur grundlegenden Lebenswelt von Kindern. In der alltäglichen Praxis des Spielens begegnet ihnen eine Vielzahl an geschichtskulturellen Produkten. Die in diesen Dingen lagernden Narrationen und Interpretationen vermitteln Vorstellungen von der Vergangenheit und ihrer Beschaffenheit. Was Kinder über Geschichte wissen, wird damit ganz basal von diesen Objekten beziehungsweise den damit verbundenen Praxen mitbestimmt. Mit den Beiträgen des Bandes nähern sich erstmals Expert*innen aus der Geschichtsdidaktik, Geschichts-, Kultur- und Erziehungswissenschaft diesem Phänomen an. Sie fokussieren dabei vor allem Aspekte der materiellen Kultur und des spielerischen Umgangs mit sowie Darstellungsmodi von Geschichte.
- Geschichten im Wandel: Neue Perspektiven für die Erinnerungskultur in der Migrationsgesellschaft
10
In Migrationsgesellschaften begegnen sich vielfältige Vorstellungen, Perspektiven und Bewertungen von Geschichte. Nationale Bezugsrahmen von Erinnerung und Geschichtspolitik werden dabei herausgefordert und in Frage gestellt. Wie reagieren Angebote historischer Bildung im pädagogischen Alltag auf diese Pluralisierung historischer Sinnbildung angesichts von Migration und Vielfalt? Welchen veränderten Bedarfen begegnen Akteur:innen dabei? Auf Basis empirischer Befragungen in Schulen, Schulbuchverlagen, Museen und Gedenkstätten sowie non-formalen Bildungsinitiativen geht der Band dem geschichtskulturellen Wandel in der deutschen Migrationsgesellschaft auf den Grund.
- Europäisierung des Gedenkens?: Der Erste Weltkrieg in deutschen und britischen Ausstellungen
8
Gaskrieg und Schützengräben prägen die Geschichtsbilder des Ersten Weltkrieges und unterliegen nationalen geschichtspolitischen Deutungen. In Zeiten jedoch, in denen die Einheit Europas beschworen wird, drängt sich die Frage nach einer Europäisierung der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg auf. Die Studie von Judith Heß fasst namhafte deutsche und britische Museen wie das Deutsche Historische Museum und das Imperial War Museum als selbstständige geschichtspolitische Akteure im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Es zeigt sich: Wirkmächtige nationale Erinnerungskulturen erschweren eine gemeinsame europäische Erinnerung.
- Mapping Black Europe: Monuments, Markers, Memories
7
Black communities have been making major contributions to Europe's social and cultural life and landscapes for centuries. However, their achievements largely remain unrecognized by the dominant societies, as their perspectives are excluded from traditional modes of marking public memory. For the first time in European history, leading Black scholars and activists examine this issue - with first-hand knowledge of the eight European capitals in which they live. Highlighting existing monuments, memorials, and urban markers they discuss collective narratives, outline community action, and introduce people and places relevant to Black European history, which continues to be obscured today.
- Wie der Krieg ins Museum kam: Akteure der Erinnerung in Moskau, Minsk und Tscheljabinsk, 1941-1956
14
Der »Große Vaterländische Krieg 1941-1945« machte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sowjetischen Museen, die ›muzejsciki‹, zu Akteuren der Erinnerung. An der Front, im Hinterland und in den besetzten Gebieten sammelten sie Relikte von Kämpfen und erlittenem Leid. Ihre zeitnahen und überraschend vielschichtigen Kriegsausstellungen fanden große Resonanz bei den Besucherinnen und Besuchern. Anne E. Hasselmann setzt den Fokus auf die Sammel-, Ausstellungs- und Vermittlungsarbeit der ›muzejsciki‹ am Übergang von Erlebnis zur Erinnerung. Damit eröffnet sie neue Einblicke in die Gesellschaft im Stalinismus und schließt eine Lücke in der Erinnerungsgeschichte des Krieges, der das Selbstverständnis der russischen Gesellschaft bis heute prägt.
- Denkmalpflege zwischen System und Gesellschaft: Vielfalt denkmalpflegerischer Prozesse in der DDR (1952-1975)
9
Denkmalpflege und -schutz befanden sich in der DDR in einem Gefüge divergierender Interessen, die es wiederholt auszuhandeln galt. Franziska Klemstein präsentiert ein differenziertes Bild denkmalpflegerischer Denk- und Arbeitsweisen sowie regionale Unterschiede im Zeitraum von 1952 bis 1975. Sie veranschaulicht das Handlungsgefüge der institutionellen Denkmalpflege im Spannungsfeld zwischen Kultur und Bauwesen und rückt exemplarisch Handlungsmöglichkeiten und die Auswirkungen konkreter Entscheidungen ausgewählter Akteur*innen wie Ludwig Deiters, Fritz Rothstein und Käthe Rieck ins Zentrum der Untersuchung.
- Deutschland als Autobahn: Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus
12
Sie ist die Heldin der heimlichen Nationalhymne und das hiesige Äquivalent zum Waffenwahn der USA. Schon in ihren Anfängen war sie ein rechter Raum für die vom Futurismus besungene neue Männlichkeit: die Autobahn. Mussolini und Hitler machten sie nicht zufällig zu Staatsprojekten ersten Ranges und ihre Propaganda überdauert versteckt bis heute - und zeigt sich zunehmend wieder ganz offen. Mit dem drohenden Klimakollaps ist überdeutlich, dass Auto und Autobahn historische Fehler waren. Conrad Kunze liefert eine Handreichung für alle, die davon träumen, diese Form der fossilen Moderne zugunsten einer Moderne von Klimaschutz und Emanzipation zu überwinden.
- Praktiken der Geschichtsschreibung: Vergleichende Perspektiven auf Forschungs- und Vermittlungsprozesse
17
Geschichte boomt! Ob Audio- und Fernsehbeiträge, Comics, Science Slams oder Ausstellungen - historische Themen werden auf vielfältige Weise vermittelt. Die zum Teil forschungsnahen Präsentationsformen ergänzen und bereichern nicht nur den wissenschafts- und bildungspolitisch fest verankerten Umgang mit Geschichte an Schulen und Universitäten. In diesem Sammelband stehen die Praktiken der Geschichtsschreibung im Zentrum, etwa des Recherchierens, Auswählens oder Zusammenstellens. Das Ziel ist, den vermeintlichen Antagonismus ›klassischer‹ Geschichtsforschung und Public History aufzulösen und neu über wissenschaftliche Forschung, ihre Ergebnisse, ihre Kommunikation und Präsentation nachzudenken. Die Beiträger*innen liefern einen aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen des Doing in Forschung und Vermittlung.
- Mythos Ägypten - eine kultursemiotische Studie
13
Das öffentliche Bild der altägyptischen Kultur ist von der Ägyptomanie geprägt, die sich auch in Ausstellungen reproduziert und der Ägyptologie die Deutungshoheit über das Alte Ägypten verweigert. Ihre Wirkmacht und Funktionsweise sind bis heute ungeklärt, weil eine theoretische Durchdringung des Phänomens fehlt. Orientiert an Geschichte und Gestalt der Ägyptenausstellung unterzieht Anika Kolster-Sommer die Ägyptomanie einer rigorosen kultursemiotischen Analyse. In eingehenden Einzelanalysen, die den Bogen vom Ursprung der Ägyptenausstellung über Tutanchamun und Kleopatra bis zur modernsten Reproduktionstechnik ägyptischer Artefakte spannen, erklärt sie den Funktionsmechanismus der Ägyptomanie.
- Die Colonia Dignidad zwischen Erinnern und Vergessen: Zur Erinnerungskultur in der ehemaligen Siedlungsgemeinschaft
15
Die Colonia Dignidad erlangte wegen zahlreicher bis heute unaufgeklärter Menschenrechtsverbrechen internationale Bekanntheit. Dass einstige Mitglieder der deutschen Gruppe das historische Siedlungsgelände in Chile unter dem Namen »Villa Baviera« (deutsch: bayerisches Dorf) schrittweise zu einem touristischen Freizeitort umfunktioniert haben, sorgt angesichts der mangelnden Aufarbeitung für anhaltende Kritik. Meike Dreckmann-Nielen untersucht, wie sich einstige Mitglieder der Gruppe heute an ihre eigene Vergangenheit erinnern. In ihrer Studie ermöglicht sie einen intimen Einblick in komplexe erinnerungskulturelle Dynamiken im Mikrokosmos der ehemaligen Siedlungsgemeinschaft.
- Nationale Geschichtspolitik: Der Versailler Friedensvertrag in der 100-jährigen Erinnerung in Schulbüchern aus vier Nationen
16
Schulgeschichtsbücher spiegeln das historische Verständnis einer Gesellschaft zur jeweiligen Zeit wider. Als Konglomerat dessen, was an nachfolgende Generationen weitergegeben werden soll, stellen sie damit einen zentralen und ergiebigen Forschungsgegenstand dar. Anhand der Darstellung des Versailler Vertrags in Schulbüchern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA vergleicht Lena Mörike die Entwicklung nationaler Erinnerungskulturen zwischen 1919 und 2019. Dabei zeigt sie Wechselwirkungen zwischen Geschichtsbildern und politischen Einflüssen auf, legt persistierende Narrative frei und untersucht bewusste und unbewusste Mechanismen der kollektiven Erinnerungsbildung.
- Konkurrenz um öffentliches Gedenken: Erinnerungskulturen im Raum Potsdam und Brandenburg
20
Öffentliches Gedenken ist durchzogen von Konkurrenz. Private Erinnerungsgemeinschaften versuchen, sich gegenüber öffentlichem Gedenken zu behaupten, neue Räume zu besetzen oder vorherrschende Rituale zu überschreiben. Sie fordern damit ein anderes Erinnern, stoßen Debatten an und hinterfragen bestehende Werte. Die Beiträger*innen fragen im Kontext der Public History nach den dominierenden und marginalisierten Akteuren, nach den historischen Hintergründen der Konkurrenzen sowie nach Lösungsansätzen für bestehende Konflikte. Sie stellen insbesondere für Potsdam verschiedene Ansätze vor, wie Erinnerungsräume analog oder digital eingenommen und neue Dialoge eröffnet werden können.
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