Freddy Quinn - Die Autobiografie: Wie es wirklich war
Von Daniel Böcking und Freddy Quinn
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Über dieses E-Book
Wie es wirklich war
»Ich war alles - aber kein einsamer Seemann!«
Man sollte Freddy Quinn niemals einen Schlagersänger nennen. Dann wird er unwirsch. Er ist viel mehr: ausgebildeter Sänger, Zirkusartist, Schauspieler, Moderator, Entertainer. Mit seiner unverwechselbaren Stimme prägte Freddy Quinn das Lebensgefühl einer ganzen Generation. 23 Top-Ten-Hits, große Filme und unvergessliche Momente auf der Bühne machten ihn zu einer der schillerndsten Figuren des deutschen Showbusiness. Doch hinter der Legende des einsamen Seemanns steckt weit mehr – und genau das will Freddy Quinn nun zum ersten Mal selbst erzählen, mehr als 15 Jahre, nachdem er sich von der Bühne verabschiedet hat.
Vom Zirkusartisten zum Superstar
Quinns Jugend war geprägt von Abenteuer- und Entdeckerlust. Er floh vor seinem Stiefvater vom Gymnasium ins Ausland, schloss sich dem Zirkus an, war sogar bei der Fremdenlegion, bevor er schließlich in der Washington Bar in Hamburg entdeckt wurde – der Startpunkt seiner phänomenalen Karriere. Die 50er und 60er Jahre wurden zu seinen großen Jahrzehnten: Freddy Quinn füllte die Hallen, seine Lieder erzählten von Sehnsucht, Heimat und Fernweh. Mehr als 60 Millionen Platten verkaufte er, teilte sich die Bühne mit Legenden wie Johnny Cash und Jerry Lee Lewis und wurde zum gefeierten Filmstar.
Ehrliche Einblicke in ein bewegtes Leben
Stets stand Freddy Quinn im Licht der Öffentlichkeit, aber nur selten wusste jemand, wie es wirklich in ihm aussah. Sein Privatleben: ein gut gehütetes Geheimnis. Erst heute, mit 93 Jahren, ist Freddy Quinn bereit, seine ganze Geschichte zu erzählen: seine schönsten und wichtigsten Momente, aber auch die tiefen Täler, durch die er gegangen ist – wie sein Prozess wegen Steuerhinterziehung. Die Hochzeit im hohen Alter von 91 ist Teil seines späten Glücks. Und seines endgültigen Abschieds von der Öffentlichkeit.
Daniel Böcking
Daniel Böcking arbeitet seit 25 Jahren als Journalist. 2010 reiste er als BILD-Reporter im Rahmen der Erdbebenkatastrophe nach Haiti. Dort erlebte er die aufopfernde Arbeit von Christen, wurde neugierig und ließ sich einige Jahre später selbst taufen. Über diese Erlebnisse und das Leben als Christ in einem sehr weltlichen Alltag hat er zwei Bücher geschrieben. Daniel Böcking ist Mitglied der BILD-Chefredaktion, Botschafter beim Bundesverband Kinderhospiz, er engagiert sich bei "Ein Herz für Kinder" und beim "ERF". Er lebt glücklich verheiratet mit seiner Frau Sophie, vier Kindern und einem Labrador in einem Dorf bei Berlin.
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Buchvorschau
Freddy Quinn - Die Autobiografie - Daniel Böcking
Freddy Quinn mit Daniel Böcking
Wie es
wirklich war
Die Autobiografie
www.editionkoch.de
IMPRESSUM
Deutsche Erstausgabe
© 2025 by Edition KOCH
Edition Koch, ein Imprint der KOCH International GmbH, Gewerbegebiet 2, A-6604 Höfen
www.editionkoch.de
info@hannibal-verlag.de
ISBN 978-3-85445-791-6
Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN978-3-85445-790-9
Coverfoto: © Meike Schrömbgens, United Archives/picturedesk.com
Coverdesign: Daniel Opderbeck
Umschlaggestaltung: Michael Bergmeister
Grafischer Satz: Thomas Auer
Deutsches Lektorat und Korrektorat: Dr. Matthias Auer
Hinweis für den Leser:
Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.
Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.
INHALT
VORWORT
WO MEINE WIEGE STAND
MEIN DRANG AUF DIE BÜHNE
DIE JAHRE IM KRIEG
MEIN VATER
AUF SPURENSUCHE
MEINE REISE BEGINNT
WIEN UND ICH
MANEGE FREI!
BILDERSTRECKE 1
PER AUTOSTOPP IN DIE FERNE
AUF DEM WEG IN DIE WASHINGTON BAR
MEINE SCHICKSALSJAHRE
DIE KARRIERE KLOPFT AN
MEIN DURCHBRUCH
MEIN IMAGE:
WER ICH SEIN SOLLTE
WER ICH WIRKLICH BIN
BILDERSTRECKE 2
MEINE GROSSEN HITPARADEN-ERFOLGE
AUF DER LEINWAND
DIE BRETTER, DIE DIE WELT BEDEUTEN
LANGE JAHRE IM RAMPENLICHT
VOR GERICHT
ZEIT, ABSCHIED ZU NEHMEN
EINE NEUE LIEBE
MEIN LEBEN ALS RENTNER
WAS MICH DAS LEBEN GELEHRT HAT
EIN BLICK NACH VORN
ZUGABE
DANK
NACHWORT UND DANK
(Daniel Böcking)
DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN
VORWORT
Wenn der stürmische Nordwestwind über Hamburgs Dächer fegt und ich vom Hafen her das Tuten der Dampfer höre, dann kommt es immer wieder über mich, das Fernweh, das ich damals verspürte, als ich zum ersten Mal in die Welt hinausging …
Das klingt hübsch, oder? Die Zeilen stammen aber leider nicht von mir. Mit diesen Worten begann meine erste sogenannte Autobiografie im Jahr 1960. Mein damaliger Produzent Lotar Olias schrieb sie für mich. Bereits vor mehr als 30 Jahren hat er öffentlich in Interviews eingeräumt, dass er einen Monat lang dafür gebraucht habe und – noch wichtiger – dass seine Fantasie dabei ziemlich mit ihm durchgaloppiert sei. Nein, das war keine Autobiografie. Wir haben eine Lebensgeschichte erzählt, die auf 70 Seiten passte und die sich an mein Leben anlehnte, die mir aber – und das war der eigentliche Grund für dieses recht eilige Werk – ein Image auf den Leib schrieb, das den Plattenproduzenten perfekt und passend erschien. Fakten und Präzision hatten nicht die oberste Priorität.
Von diesem Image werde ich Ihnen noch einiges erzählen: Der Einzelgänger sollte ich sein, der von der Unruhe getrieben war, seinen Vater zu finden, der in den USA lebte. Die Weltmeere sollte ich befahren haben auf der Suche nach Familie und Erfüllung.
Viele denken wohl noch heute, dass ich dieser mysteriösen Vaterfigur meinen Nachnamen verdanke. Aber – ich greife ein wenig vor – davon stimmt nicht allzu viel. Doch ich möchte nichts überstürzen …
Denn zunächst einmal: Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, diese Seiten zu lesen. Lange habe ich mich gesträubt, mich an eine richtige Autobiografie zu setzen. Nein, das passt mir eigentlich alles überhaupt nicht. „Autobiografie – das klingt nach Superstar. „Autobiografie
verbinde ich mit tiefen Weisheiten und mit schillernden Persönlichkeiten. So etwas liegt mir nicht. Ich habe mich nie als Star gefühlt. Ich war ein Angestellter. Ich habe meine Leistung gebracht und dafür gutes Geld verdient.
Außerdem stellt sich die Frage: Interessiert sich überhaupt noch jemand für mich?
Vielleicht findet dieses Buch nicht viele Leser. Meine liebe Frau Rosi und ich haben lange darüber gesprochen, ob es überhaupt sinnvoll ist, damit anzufangen. Jahrelang. Es rührt mich, dass ich bis heute jede Woche einige Dutzend Briefe von Fans erhalte, doch ich habe mich damit abgefunden, dass meine Zeit vorbei ist. Schon vor fast zwei Jahrzehnten zog ich mich aus der Öffentlichkeit zurück und tat mein Möglichstes, um in Vergessenheit zu geraten.
Ich weiß also, dass die Zahl meiner Fans über die Jahre abgenommen hat. Auch, weil wir gemeinsam alt geworden sind und lernen mussten, Abschied zu nehmen. Wieder und wieder. Wer mir aber so lange die Treue gehalten hat, dem mache ich hoffentlich mit diesem Lebensrückblick eine Freude.
Ich möchte Ihnen in diesem Buch erzählen, wie es wirklich war. Wo ich herkomme, was mich angetrieben hat, was mich das Leben gelehrt hat und was ich heute in der Rückschau besser verstehe als damals.
Natürlich war nicht alles Quatsch, was Sie über mich wissen oder je gelesen haben. Das Knifflige an solchen Geschichten und Legenden ist: Sie sind kein glasklarer Kokolores. Einiges ist übertrieben, anderes zu blumig ausgeschmückt worden, und, ja, viele Fakten waren erfunden. Doch der Kern ist echt und wahr. Es muss also niemand Sorge haben, auf den nächsten Seiten einen komplett neuen Freddy Quinn kennenlernen zu müssen. Nein, nein. Ich bin’s. Und ich bleib’s. Ihr Freddy.
Vor mehr als 60 Jahren wurde die oben erwähnte „Autobiografie" verfasst. Ich formuliere das im Passiv, weil ich mich in dieser PR-Maschine eher als kleines Rad gefühlt habe, das sich brav mitgedreht hat – obwohl das Buch, aus dem ich zu Anfang zitiert habe, in der Ich-Form verfasst war. Heute ärgere ich mich darüber, alles zu lange mitgemacht zu haben. Ich war sicher nicht die treibende Kraft hinter meinem Image, aber natürlich essenzieller Bestandteil. Ich habe Blödsinn erzählt. Ich habe in Interviews nicht immer präzise die Wahrheit gesagt. Habe mich nicht oder zu spät gegen Unsinn gewehrt, der angeblich mein Leben beschrieb.
Jetzt habe ich die Chance, es anders zu machen. Besser.
Ganz transparent will ich Ihnen deshalb erklären, wie ich es gemeinsam mit Rosi und dem Journalisten Daniel Böcking schaffen will, Sie mit auf eine Reise durch mein langes und abenteuerliches Leben zu nehmen. Ich will mit Ihnen zu den Anfängen in Wien zurückgehen, per Autostopp durch die Lande ziehen, die wilden Jahre in der „Washington Bar und der „Tarantella
in Hamburg noch einmal durchleben, die großen Erfolge feiern, von „Heimweh bis „100 Mann und ein Befehl
, von „Nur der Wind" bis zu den Musical-Premieren von Der Junge von St. Pauli oder Große Freiheit Nr. 7. Auch, warum ich „Junge, komm bald wieder" nicht mehr ganz so gern höre. Und weshalb ich eben nicht wiedergekommen bin.
Ich lade Sie ein hinter die Kulissen, in die Garderobe, in mein wahres Leben, das auch von Schicksals- und Tiefschlägen nicht verschont geblieben ist. Vielleicht interessiert es Sie sogar, wie der Rentner Freddy Quinn heute lebt und warum ich mich an Shopping Queen gar nicht satt sehen kann.
Sie merken schon: Es gibt viel zu berichten. Schönes, Pompöses, Nebensächliches. Lustige Anekdoten und sehr finstere. Traurige, tragische, herrliche, herzliche. Langweilig war es in 93 Jahren höchst selten.
Ich habe Herrn Böcking erlaubt, all unsere Gespräche auf Tonband aufzunehmen. Er benutzt natürlich gar kein Tonband, das macht man ja heute alles digital, und sein Gerät ist so groß wie eine Kreditkarte und klebt an seinem Handy. Egal. Jedenfalls ging keine unserer Unterhaltungen verloren.
Wir duzen uns inzwischen.
Also, die Sache hat sich folgendermaßen abgespielt: Daniel besucht mich in unserer Wohnstube in einem alten Haus nördlich von Hamburg. Rosi wohnt hier seit Jahrzehnten, ich bin vor ungefähr sechs Jahren bei ihr eingezogen. Rosi sitzt mit uns am Tisch. Wir reden und reden, unterbrochen von einer Markklößchen-Suppe, die Rosi serviert, oder von einem leckeren Kuchen. Wenn ich einmal in Fahrt komme, dann sprudeln die Anekdoten und Schilderungen aus mir heraus. Manchmal vergesse ich dabei rein zufällig mein Hörgerät oder schalte es ab, falls ich keine Lust mehr auf Unterbrechungen und Nachfragen habe. Ja, das Gehör hat nachgelassen. Dann wird’s schwierig für meine Gesprächspartner, meinen Redefluss zu stoppen. Das ist auch mal ganz schön.
Ich sitze – wie Sie wohl schon geahnt haben – nicht selbst an einer schweren, alten Schreibmaschine und tippe diese Zeilen, sondern Daniel schreibt nach unseren stundenlangen Gesprächen alles auf und schickt mir das Ergebnis. Ich lese es mir durch und sage ihm, wo er Mist notiert oder mich falsch verstanden hat.
Rosi und ich gehen meist spät schlafen, bei mir ist es häufig nach Mitternacht. Oft kommen wir dann ins Plaudern, und Rosi schneidet unsere Unterhaltung mit und schickt sie Daniel per Handy als Sprachnachricht.
Sie können sich also darauf verlassen: Was hier steht, das stammt von mir.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Oft kommt es vor, dass ich Ereignisse nicht mehr so präsent habe, dann sucht Daniel alte Berichte über mich und Interviews mit mir heraus und fragt nach, was genau davon denn nun stimme und was ich heute vielleicht anders schildern oder sogar korrigieren würde. Er hat auch die bisher erschienenen Bücher und Serien – zum Beispiel in Magazinen – über mich durchgearbeitet (im Gegensatz zu mir), um abklopfen zu können, welche der Episoden für mich wichtig oder unwichtig gewesen sind und welche vielleicht nie stattgefunden haben. Nach Wien ist er mit dem Nachtzug gereist. Hier haben Gitta und Edi Klinger eine unheimlich beeindruckende Sammlung aufgebaut. Die beiden waren früher treue Fans und sind bis heute Wegbegleiter geblieben. Wir kennen uns inzwischen seit vielen Jahren persönlich, ich selbst habe ihr Freddy-Quinn-Archiv und -Museum schon besucht und kann nur sagen: sagenhaft, mit welcher Akribie und Sammelleidenschaft sie unzählige Exponate aus meinem Leben und meiner Karriere auf Flohmärkten, bei Musikverlagen, bei anderen Fans oder aus dem Internet zusammengetragen haben. Tausende Tonaufnahmen – auch unveröffentlichte –, Presseberichte, Erinnerungsstücke.
Es war sehr hilfreich, dass Daniel diese Touren gemacht hat, denn leider kann ich nicht aus dem Effeff referieren, wann genau ich welche Goldene Schallplatte bekommen habe oder ob es nun 1949 oder 1950 war, als ich zum wiederholten Male Reißaus von zu Hause genommen habe.
Mit 93 Jahren fällt mir das Erinnern nicht immer leicht. Wenn es so viele Versionen des eigenen Lebens gibt, die so oft in verschiedenen Varianten reportiert worden sind und die ich selbst immer wieder unterschiedlich erzählt habe, dann verschwimmt einiges. Viele Weggefährten, bei denen man nachfragen könnte, sind nicht mehr da. Nicht zu allen Details gibt es Aufzeichnungen. Und viele Begebenheiten sind einfach sehr, sehr lange her und nicht mehr endgültig zu klären. Sie sehen hoffentlich, dass wir uns dennoch große Mühe gegeben haben.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel, was ich damit meine, dass ich manche Ereignisse leider nicht präzise bis in den letzten Winkel ausleuchten kann: Bei dem Versuch, mehr über den Verbleib meines leiblichen Vaters zu erfahren, gerieten wir auf eine Spur, die mit einem finsteren Dreifachmord im Wien der 60er Jahre endete. Doch statt endgültiger Antworten ergaben sich nur noch mehr Fragezeichen.
Irgendwann habe ich die Entscheidung getroffen: Dieses Buch wird keine chronologische Datensammlung meines Werdegangs, keine kleinteilige Recherche. Auch die Einordnung meiner Arbeit in die Zeitgeschichte überlasse ich anderen, die sich schon immer dazu berufen fühlten. Was ich Ihnen anbiete, sind meine Geschichte, meine Erinnerungen, meine Wahrheit. Ich will mich öffnen und nicht verborgen halten, was in den entscheidenden Momenten in mir vorging – oder in den Minuten in der Garderobe nach einem Auftritt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich habe Lust, alles zu erzählen. Es gibt genug, was ich Ihnen schildern möchte. Und ich freue mich aufrichtig darüber, wenn Sie Lust haben, mich durch diese Erzählung zu begleiten.
Mehr als 70 Millionen Tonträger mit meinen Liedern wurden verkauft. Eine irre Zahl, nicht wahr? „Heimweh war die erste Single in Deutschland, die es über die Millionen-Marke schaffte. Drei meiner Filme waren die jeweils erfolgreichsten Kino-Höhepunkte des Jahres. 2003 wurde meine Version von „La Paloma
zum Jahrhundert-Hit der Deutschen gewählt. 10 Lieder landeten auf Nummer 1, 23 Titel in den Top 10. 15 Goldene Schallplatten durfte ich in Empfang nehmen (eine habe ich abgelehnt, weil offiziell 20 000 Verkäufe bis zur Million fehlten) und 1984 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse für „Verdienste um die Verbreitung des deutschen Liedguts. Mit Johnny Cash und June Carter habe ich in meiner TV-Show gesungen. Ich bin vor US-Präsident George Bush sen. aufgetreten, war mit Bundeskanzler Helmut Schmidt in Australien und durfte bei der WM 1974 gemeinsam mit den Fischer-Chören „Das große Spiel
der Welt präsentieren. Die liebsten Auszeichnungen für mich waren allerdings die aus der Zirkuswelt, darunter der Saltarino-Preis und die „Goldene Ehrenmedaille der Artistic".
Natürlich bin ich dankbar für das, was ich erreicht habe. Aber ich werde mich auf diesen Seiten nicht unterwürfig anbiedern, als sei alles ein Riesenglück und Geschenk gewesen. Ich habe Ihnen Ehrlichkeit versprochen. Zu dieser Ehrlichkeit gehört: Der Erfolg war harte Arbeit und nicht einfach ein Lottogewinn. Mein Blick auf meinen Beruf war stets sehr nüchtern. Ich habe geliefert, war immer zuverlässig, immer da. Ich wollte mein Potenzial ausschöpfen. Im Gegenzug habe ich Erfolge gefeiert und musste mir keine Sorgen um die Finanzen machen. Ich war ein Dienstleister. Ein normaler Bürger, der seine Arbeit gemacht hat. Jetzt bin ich in Rente. Ich muss mich nicht mehr rechtfertigen. Ich muss mit nichts aufräumen und mit niemandem wortgewaltig abrechnen.
Ich stehe voll und ganz zu meinem Weg.
Zwar ärgere ich mich über manche Entscheidung, die ich früher getroffen habe, zwar bin ich rückblickend nicht einverstanden mit allem, wozu ich gedrängt wurde. Das bedeutet aber nicht, dass ich wütend zurückschaue oder großen Groll hege gegen irgendjemanden, der mich begleitet hat. Alles ist für irgendetwas gut gewesen, und der Tod setzt alle Verfehlungen auf null. Viele wichtige Personen in meinem Leben sind bereits verstorben. Es wäre unehrenhaft, jetzt nachzutreten.
Daniel wies mich mehrfach darauf hin, dass ich schon vor Jahrzehnten in Interviews gesagt hätte: „Mein Leben war eine Lüge! Es ist eine Illusion, eine Erfindung." Komischerweise haben die Reporter sehr selten nachgehakt. Vielleicht schwante ihnen, dass es kompliziert werden würde, dass zwischen Weiß und Schwarz – zwischen wahr und falsch – ganz viel Grau lauert, das womöglich die Sendezeit gesprengt hätte.
Mir geht es also mitnichten um große Worte wie „Lebenslüge" oder seitenlange Rechtfertigungen. Erklären möchte ich, aber mich damit nicht freisprechen. Ich möchte lediglich der Ehrlichkeit die Bühne bereiten, um Ihnen dann gut gelaunt, farbenfroh und hoffentlich kurzweilig aus meinem Leben zu erzählen, das genug Stoff für einen Abenteuerroman bietet: Wie es wirklich war!
Denn wenn Sie sich noch immer fragen, warum ich mit 93 Jahren trotz aller Ungereimtheiten nun eine Autobiografie verfasse, ist die Antwort einfach: Weil Sie es verdient haben. Ich hoffe schlicht, Ihnen, die sich noch für mich interessieren, einige schöne Lesestunden zu bescheren. Außerdem habe ich die Zeit, habe den Raum eines ganzen Buches und die Freiheit, das zu sagen und zu schreiben, was mir auf dem Herzen liegt. Es gibt niemanden, der mich drängelt oder in die eine oder andere Richtung schieben will. Niemand, der sagt: „Das muss mehr nach Einsamkeit oder Seemann klingen." Das gefällt mir gut.
Auch eine weitere Begebenheit hat mich bestärkt, Ja zu diesem Projekt zu sagen: Rosis 14-jährige Enkelin Ida sollte vor einigen Monaten in der Schule ein Referat über einen Sänger halten. Sie hat mich als Thema gewählt. Das kam wohl sehr gut an. Da reifte die Idee, dass ich doch selbst in der Klasse vorbeischauen könnte, um ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern. Gesagt, getan. So saß ich dann da, neben dem Musiklehrer. Wache, junge Gesichter auf mich gerichtet (ein Foto davon habe ich diesem Buch beigefügt). Ich erfuhr, dass Videos meiner Lieder auf YouTube schon viele hunderttausendmal abgespielt worden sind, manche millionenfach. Gern möchte ich einen so abgebrühten Künstler treffen, der sagt, dass ihn so etwas innerlich nicht berühre, auch wenn er eigentlich nichts mehr mit Quoten und Zahlen zu tun haben will. Hin und wieder wird die Liebe zu meinen Liedern wohl weitervererbt. Deshalb möchte auch ich etwas weitergeben.
Es war richtig schön vor der Klasse. Ich war kein Sänger von gestern, sondern mittendrin im Heute. Am Ende habe ich den Boogie-Woogie „Caledonia auf dem Klavier gespielt und mit dem Musiklehrer das Lied „Rolling Home
gesungen. Es gab kindlichen Applaus! Ich ging mit dem wohligen Gefühl: Ja, vielleicht hat mein Leben wirklich ein Buch verdient. Und dann ist es auch gut.
Ich freue mich sehr, dass Sie es lesen, und wünsche Ihnen viel Vergnügen!
WO MEINE WIEGE STAND
Erinnern Sie sich noch an Ihre Geburt? Nein? Ich auch nicht.
Trotzdem werde ich seit Jahrzehnten immer wieder gefragt, wo genau ich denn nun zur Welt gekommen sei, als hätte ich schon bei meinem ersten Atemzug ein Notizbuch in der Hand gehabt.
Bei Wikipedia lesen Sie als mögliche Geburtsorte von mir: Wien, Niederfladnitz und Pula. Ich habe selbst oft auf diese Nachfrage geantwortet: „Suchen Sie sich was aus …" Österreichische Mutter, italienischer Vater, geboren irgendwo zwischen all dem oder im heutigen Kroatien. Ein wenig so, als hätte das Schicksal einen Würfelbecher genommen und mich irgendwohin gewürfelt. Später wandelte sich meine Geschichte etwas: Mein Vater sei Amerikaner, hieß es, oder auch mal irischer Kaufmann. An diesen Aussagen stimmt nur, dass meine Mutter Österreicherin war.
Ich selbst legte mich immerhin in Interviews irgendwann auf Wien als Geburtsort fest. All diese widersprüchlichen Angaben stammen teils von mir, teils haben sich Journalisten auch etwas zusammengereimt, teils haben sich falsche Behauptungen verselbstständigt.
Daran, dass sich die Geschichten ständig änderten, merken Sie schon: Niemals hatte ich einen Masterplan oder gar eine sorgsam konstruierte Geschichte im Kopf. Gerade ganz am Anfang meiner Karriere war es so, dass ich einfach losgeredet habe. Wenn mir jemand eine Frage stellte, die eine lange Antwort erforderte, mich aber dabei ansah, als würde eine Zeitbombe ticken: Dann habe ich fast reflexartig irgendetwas erzählt.
Ich wollte kein Mysterium erschaffen, kein Rätsel um meine Herkunft. Ich wollte nur singen, auftreten, davon leben können – und nicht über den Kreißsaal diskutieren.
Fragen nach meiner Herkunft waren stets störendes Beiwerk, denn für eine tiefgehende Antwort hätte sich in den Interviews gar kein Platz gefunden. Irgendwann erzählte ich die Geschichten so oft und so anders, dass ich gar nicht mehr wusste, welche davon die aktuelle Version war. Und wenn mich dann ein Produzent oder jemand mit mehr Erfahrung im Showbusiness mit einer Variante versorgte, die zu meinem gewollten Image passte und die plausibel klang, nahm ich sie dankbar auf und gab sie weiter – Hauptsache, ich musste gedanklich nicht allzu tief in die Ungewissheiten meiner Kindheit eintauchen. Ich dachte mir immer: Wen interessiert’s schon ernsthaft, wo genau ich zur Welt gekommen bin? Welche Rolle spielt das?
Aber natürlich gehört zu einer Autobiografie, zumindest einen ernsthaften Versuch zu unternehmen, dieses Durcheinander zu ordnen, nicht zähneknirschend oder schuldbewusst, sondern: ENDLICH! Mit all der Zeit, die wir dafür brauchen.
Fangen wir also ganz vorn an: mit Tag 1 in meinem Leben.
Pula können wir getrost als Erstes von der Liste der möglichen Geburtsorte streichen. In Presseberichten aus den 50er Jahren liest man mehrfach, hier habe meine Wiege gestanden – und es existieren sogar Fotos eines angeblichen Geburtshauses. Gern würde ich auflösen, warum ich in diesem Ort auf der Halbinsel Istrien im heutigen Kroatien das Licht der Welt erblickt haben soll. Aber das kann ich nicht. Ich lese uralte Zitate von mir, dass ich dort herkäme, doch was mich zu dieser Aussage verleitete, kann ich heute nicht mehr sagen.
Ich ahne jedoch, woher meine Verbindung zu der Stadt kommt: Mein Stiefvater, Baron Rudolf Anatol von Petz, stammte aus Pula. Schon als Kind hörte ich, wie er von Pula schwärmte – dem angeblich schönsten Ort der Welt, den er wie ein Paradies beschrieb. Dieser Enthusiasmus weckte in mir den Wunsch, Pula eines Tages mit eigenen Augen zu sehen. Eine meiner ersten Ausreißer-Reisen führte mich dann dorthin. Mein Geburtsort war es aber sicherlich nicht, denn der Herr Stiefvater trat erst in unser Familienleben, als ich längst auf der Welt war.
Dann gibt es Niederfladnitz, einen Ort in Niederösterreich, kurz vor der Grenze zu Tschechien, wo es ruhig und traditionell zugeht. Mit Niederfladnitz verbinde ich ein Gefühl von Geborgenheit – hier habe ich viele sonnenreiche Tage und Wochen verbracht, im Häuschen meiner Großmutter. Aber auch hier, so meine Überzeugung, bin ich nicht zur Welt gekommen.
Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass ich aus Wien stammen würde; genauer gesagt, aus dem achten Bezirk, aus der Laudongasse 10. 27. September 1931: Gestatten, Manfred Franz Eugen Helmuth Nidl! Angeblich war es sogar eine Hausgeburt, in einer Wohnung in der vierten Etage. Wie gesagt und wenig überraschend: Ich habe keinerlei Erinnerung daran. In meiner Geburtsurkunde wird die Laudongasse als der Ort genannt, wo meine Wiege stand, und laut Kirchenurkunden folgte am 8. Oktober 1931 meine Taufe in der katholischen Kirche Allerheiligste Dreifaltigkeit in der Wiener Alservorstadt. Zumindest in den ersten Tagen meines Lebens war Wien meine Heimat.
Meine Mutti, Edith Henriette Eloisa Nidl, war damals erst 21 Jahre alt – und Single!
Das erklärt vielleicht das Wirrwarr, das sich um meine Anfänge rankt. Wir befinden uns schließlich im Wien der frühen 30er, einer Stadt, in der starre gesellschaftliche Normen herrschten, zwischen dem Glanz vergangener Kaiserzeiten, wirtschaftlicher Anspannung und den ersten Anzeichen politischer Krisen. Eine alleinerziehende Mutter erntete kaum Respekt – im Gegenteil, es galt als anstößig, keinen Ehepartner zu haben. Lassen Sie es mich sehr deutlich sagen: In jener Zeit bekam so jemand schnell das Etikett „Schlampe". Wo der Vater war? Abgehauen! Er wollte mit einer unehelichen, schwangeren Frau nichts zu tun haben. Er hätte sie einfach heiraten können – hat er aber nicht.
Weil dieser Mann – mein Papa – eine so große Rolle in meiner weiteren Lebensgeschichte spielt, handelt das vierte Kapitel in aller Ausführlichkeit von ihm. Sehen Sie mir also bitte nach, dass ich ihn an dieser Stelle keines weiteren Gedankens würdige.
Es trifft mich, wenn ich darüber nachdenke, was meine Mutter alles zu ertragen und wie sehr sie zu kämpfen hatte. Man kann sagen: Sie ist mit mir aus Wien geflüchtet in das Ferienhäuschen meiner Großmutter. Später lebte die Großmutter wieder mit uns in Wien. Ob wir uns unmittelbar nach meiner Geburt aufs Land verdrückten oder mit einigen Monaten Abstand: Das lässt sich nicht mehr herausfinden. Es wird auch immer Stimmen geben, die behaupten, es sei genau andersherum gewesen: Ich sei in Niederfladnitz zur Welt gekommen und direkt danach mit Mutti und Oma nach Wien zurückgekehrt. Doch da glaube ich den Worten meiner Mutter und verlasse mich auf die Geburtsurkunde. Um im Bild zu bleiben: Ich hatte eine Wiege in Wien UND in Niederfladnitz.
Diese zwei Frauen – meine Mutter Henriette und meine Großmutter Rosa Philomena – waren meine Familie. Zwei gute Frauen. Besonders wenn ich an meine Großmutter denke, wird mir sofort warm ums Herz, und ich muss lächeln. Sie war nicht einfach meine Oma – sie war mein sicherer Hafen. Sie stammte aus Brünn, das im heutigen Tschechien liegt, und war eine moderne Frau. Zwar war sie einmal verheiratet gewesen, aber sie hatte auch später Partner, ohne direkt vor den Traualtar zu treten. Großmutter war sanftmütig, feinfühlig, und Außenstehende würden vermutlich sagen, dass sie mir etwas zu viel habe durchgehen lassen. Sie war eigentlich immer da. Entweder, weil ich mit ihr Zeit in Niederfladnitz verbrachte oder weil sie mit uns in Wien wohnte. Wenn ich entscheiden müsste, wem ich im Leben am meisten zu verdanken habe: Diese wunderbare Frau würde wohl oben auf meiner Liste stehen.
Nicht so heitere Erinnerungen überkommen mich hingegen, wenn ich an meinen Stiefvater denke.
Meine Mutter hatte zu jener Zeit meiner ersten Jahre einmal einen Verehrer gehabt – einen Schuster, der orthopädische Schuhe herstellte. Ich glaube, sie war damals sehr verliebt, doch ein Schuster sollte es nicht sein. Wir hatten nicht viel Geld, und Mutti strebte nach mehr.
Sie selbst hatte sich als Journalistin ausbilden lassen und vor meiner Geburt – wie sie mir erzählte – in Hamburg beim „Hamburger Fremdenblatt gearbeitet. Sie beherrschte die spitzwinkelige Kurrentschrift, die damals in Behörden noch Pflicht war, und konnte Latein. Eine kluge Frau mit Sehnsucht nach einem höheren gesellschaftlichen Status – und so musste der Schuster weiterziehen, und stattdessen trat der Baron in unser Leben: der feine Herr, der zwar kaum Geld mitbrachte, dafür aber den schicken Titel „Rudolf Anatol Freiherr von Petz
. Er hielt sich als Schriftsteller, später als Journalist und Herausgeber einer Tier-Zeitschrift über Wasser. Mein Stiefvater war der Typ Feingeist, ein Intellektueller, der in meiner Wahrnehmung überhaupt nicht anpacken konnte. Meine Mutter musste sich oft plagen,
