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Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert: Ein Lehr- und Handbuch
Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert: Ein Lehr- und Handbuch
Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert: Ein Lehr- und Handbuch
eBook3.186 Seiten31 Stunden

Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert: Ein Lehr- und Handbuch

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Über dieses E-Book

Neue Erkenntnisse in der Neuro- und Molekularbiologie, der Epigenetik und Entwicklungspsychologie sowie der Psychotherapie- und der Stressforschung haben zu einem weitreichenden Paradigmenwechsel in der Psychosomatischen Medizin geführt.
Dieses Lehr- und Handbuch bietet in 100 Kapiteln zunächst eine aktuelle Bestandsaufnahme der wissenschaftlich gesicherten bio-psycho-sozialen Grundlagen dieser neuen Psychosomatik, um darauf aufbauend die Diagnostik und Therapie der wichtigsten psychosomatischen Erkrankungen umfassend darzustellen. Ergänzt wird dies durch Beiträge zur Geschichte der Psychosomatik, Epidemiologie, Gesundheitsökonomie, psychosozialen Prävention, Sozialmedizin und Begutachtung. Die 2. Auflage wurde um Kapitel zu assoziativen Lern- und Gedächtnisprozessen, PTBS, Diabetes mellitus Typ 2, Asthma, COPD, funktionellen Atemwegserkrankungen sowie Placebo- und Nocebo-Effekten erweitert.
Dieser umfassende, systematische und empirisch fundierte Überblick über die gesamte Psychosomatik hat sich als modernes Standardwerk für das Studium, die Aus- und Weiterbildung sowie die klinische Praxis etabliert.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Juni 2024
ISBN9783170413863
Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert: Ein Lehr- und Handbuch

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    Buchvorschau

    Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert - Ulrich T. Egle

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    Herausgeber und Herausgeberin

    Ulrich T. Egle, Christine Heim, Bernhard Strauß, Roland von Känel (Hrsg.)

    Psychosomatik – neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert

    Ein Lehr- und Handbuch

    2., erweiterte und überarbeitete Auflage

    Verlag W. Kohlhammer

    Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    2., erweiterte und überarbeitete Auflage 2024

    Alle Rechte vorbehalten

    © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Print:

    ISBN 978-3-17-041384-9

    E-Book-Formate:

    pdf: ISBN 978-3-17-041385-6

    epub: ISBN 978-3-17-041386-3

    Neue Erkenntnisse in der Neuro- und Molekularbiologie, der Epigenetik und Entwicklungspsychologie sowie der Psychotherapie- und der Stressforschung haben zu einem weitreichenden Paradigmenwechsel in der Psychosomatischen Medizin geführt.

    Dieses Lehr- und Handbuch bietet in 100 Kapiteln zunächst eine aktuelle Bestandsaufnahme der wissenschaftlich gesicherten bio-psycho-sozialen Grundlagen dieser neuen Psychosomatik, um darauf aufbauend die Diagnostik und Therapie der wichtigsten psychosomatischen Erkrankungen umfassend darzustellen. Ergänzt wird dies durch Beiträge zur Geschichte der Psychosomatik, Epidemiologie, Gesundheitsökonomie, psychosozialen Prävention, Sozialmedizin und Begutachtung. Die 2. Auflage wurde um Kapitel zu assoziativen Lern- und Gedächtnisprozessen, PTBS, Diabetes mellitus Typ 2, Asthma, COPD, funktionellen Atemwegserkrankungen sowie Placebo- und Nocebo-Effekten erweitert.

    Dieser umfassende, systematische und empirisch fundierte Überblick über die gesamte Psychosomatik hat sich als modernes Standardwerk für das Studium, die Aus- und Weiterbildung sowie die klinische Praxis etabliert.

    Prof. Dr. med. Ulrich T. Egle, Freiburg und Psychiatrische Klinik Sanatorium Kilchberg/Zürich.

    Prof. Dr. rer. nat. Christine Heim, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Psychologie und Exzellenzcluster NeuroCure.

    Prof. Dr. phil. Bernhard Strauß, Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie, Universitätsklinikum Jena.

    Prof. Dr. med. Roland von Känel, Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik, Universitätsspital Zürich und Universität Zürich.

    Inhaltsverzeichnis

    IGrundlagen

    1Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell – revisited

    1.1Einleitung

    1.2Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell

    1.3Wissenschaftliche Belege für das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell

    1.4Diskussion des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells

    1.5Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    2Geschichte der Psychosomatik

    2.1Einleitung

    2.2Entstehung des Begriffs »Psychosomatik« im 19. Jahrhundert und frühe Entwicklungen

    2.3Hypnose und Psychoanalyse im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert

    2.4Impulse aus der Physiologie und die Debatte zu einer »Krise der Medizin« (1920er Jahre)

    2.5Nationalsozialismus und »Medizin ohne Menschlichkeit«

    2.6Nach 1945: Universitäre Etablierung und konzeptionelle ­Ausdifferenzierung

    2.7Kassenzulassung und Integration in die Approbationsordnung für Ärzte

    2.8»Stress«-Konzept und bio-psycho-soziales Krankheitsmodell

    Literatur zur Vertiefung

    3Epidemiologie

    3.1Konzepte, Aufgaben und Grundbegriffe der Epidemiologie

    3.2Prävalenz und Krankheitslast psychischer Störungen

    Literatur zur Vertiefung

    4Gesundheitsökonomische Folgen psychosomatischer Erkrankungen

    4.1Einleitung

    4.2Methodische Herausforderungen bei der Quantifizierung der ökonomischen Folgen psychosomatischer Erkrankungen

    4.3Die ökonomischen Folgen psychosomatischer Erkrankungen in Deutschland im »Top-Down«-Ansatz

    4.4Die ökonomischen Folgen psychosomatischer Erkrankungen – »Bottom-up«-Evidenz in der internationalen Literatur

    4.5Diskussion der vorgestellten Studienergebnisse

    4.6Gesundheitsökonomische Evaluation neuer Behandlungsmethoden

    4.7Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    5Psychoendokrinologie

    5.1Einführung

    5.2Das endokrine System

    5.3Psychoneuroendokrinologie

    5.4Individuelle Variabilität in psychoneuroendokrinen ­Regulationssystemen

    5.5Chronobiologie des Hormonsystems

    5.6Zusammenfassung und Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    6Psychophysiologie und Autonomes Nervensystem

    6.1Einführung und Begriffsbestimmung

    6.2Innere Organisation und Kernfragen der Psychophysiologie

    6.3Zur offenen Frage der Psychosomatik: Kann eine psychische Disposition Organpathologie hervorrufen, und wenn ja, über welche »psychophysiologischen­ Kommunikationswege«?

    6.4Grundlagen der »psychophysiologischen Kommunikation« über neuronale Mechanismen des Autonomen Nervensystems

    6.5Arbeitsweise des Autonomen Nervensystems

    6.6Viszerale Afferenzen

    6.7Phylogenese des Autonomen Nervensystems

    6.8Enterisches Nervensystem (ENS)

    6.9Psychophysiologische Parameter

    6.10Psychophysiologische Stimulationsmethoden

    6.11Psychophysiologische und psychobiologische Konzepte

    6.12Psychosomatische Krankheitskonzepte aus psychophysiologischer Perspektive

    6.13Psychophysiologische Diagnostik und Therapie

    6.14Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    7Psychoimmunologie

    7.1Einleitung

    7.2Historische Entwicklung eines neuen Forschungsbereiches

    7.3Das Immunsystem: für jede Anforderung die richtige Antwort?

    7.4Einbindung der Immunantwort in die Stressreaktion

    7.5Psychoimmunologische Konzepte

    7.6Beispielbelastungen und -krankheiten

    7.7Einfluss von Psychotherapie auf die Interaktion zwischen NS/ES und IS

    7.8Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    8Neurobiologie der Emotionen: Anatomie, neuronale Schaltkreise und Alexithymie

    8.1Einleitung

    8.2Emotionsbezogene Prozesse

    8.3Neuronale Prozesse

    8.4Alexithymie

    8.5Zusammenfassung

    Literatur zur Vertiefung

    9Soziale Neurobiologie

    9.1Einleitung und Geschichte der Sozialen Neurobiologie

    9.2Personenwahrnehmung

    9.3Das Verstehen anderer Menschen: Handlungsverständnis, Empathie und Perspektivenübernahme

    9.4Zusammenfassung und Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    10Stress und Epigenetik

    10.1Einleitung

    10.2Primer zu Epigenetik

    10.3Die biologischen Rollen von Epigenetik

    10.4Epigenetik und Umwelt

    10.5Gen-Umwelt-Interaktionen

    10.6Epigenetik und positive Umwelt

    10.7Klinische Relevanz epigenetischer Mechanismen: Biomarker und neue Ziele für Therapien

    Literatur zur Vertiefung

    11Stress und Telomerbiologie

    11.1Einleitung

    11.2Das Telomersystem

    11.3Die Rolle von Telomerbiologie im Kontext von Alterungsprozessen, Krankheitsanfälligkeit und Lebensdauer

    11.4Stress und Telomerbiologie

    11.5Interventionsstudien und Telomerbiologie

    11.6Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    12Assoziative Lern- und Gedächtnisprozesse

    12.1Gefangen im Teufelskreis aus erlernter Furcht und Vermeidung: Ein Fallbeispiel

    12.2Das Furcht-Vermeidungs-Modell

    12.3Klassische Konditionierung

    12.4Operante Konditionierung

    12.5Das Extinktionslernen und die Expositionstherapie

    12.6Return of fear-Phänomene

    12.7Neurobiologische Grundlagen

    12.8Modulatoren emotionaler Lern- und Gedächtnisprozesse

    Literatur zur Vertiefung

    IIGrundkonzepte (translational)

    13Stressforschung

    13.1Einleitung: Geschichte, Konzepte, Definition(en)

    13.2Grundlagen und Methoden der Stressforschung

    13.3Angewandte Stressforschung im Labor und Feld

    13.4Zusammenfassung und Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    14Bindungsforschung

    14.1Grundannahmen der modernen Bindungstheorie

    14.2Neurobiologie von Bindung, Empathie und elterlicher Fürsorge

    14.3Bindung und (psychosomatische) Krankheit

    Literatur zur Vertiefung

    15Frühe Programmierung von Gesundheit und Krankheit

    15.1Das Konzept der frühen Programmierung von Gesundheit und Krankheit

    15.2Frühe Stresserfahrungen und Erkrankungsrisiko

    15.3Neurobiologische Folgen früher Stresserfahrungen

    15.4Fetale Programmierung der Krankheitsvulnerabilität

    15.5Gen-Umwelt-Interaktionen

    15.6Epigenetische Einbettung früher Stresserfahrungen

    15.7Transmission der Effekte früher Stresserfahrungen über Generationen

    15.8Implikationen

    Literatur zur Vertiefung

    16»Gesundes Altern«

    16.1Einleitung

    16.2Perspektiven des gesunden Alterns

    16.3Zusammenfassung

    Literatur zur Vertiefung

    17Resilienzforschung

    17.1Einleitung

    17.2Definition

    17.3Messung

    17.4Interventionen

    17.5Zusammenfassung

    Literatur zur Vertiefung

    18Arbeit und Krankheit

    18.1Arbeit – ihre Bedeutung für Gesundheit und Krankheit

    18.2Der Wandel moderner Erwerbsarbeit

    18.3Arbeit und Beschäftigung als Determinanten von Gesundheit und Krankheit

    18.4Krankheit als Determinante von Arbeit und Beschäftigung: Folgerungen für ärztliches Handeln

    Literatur zur Vertiefung

    19Soziale Isolation und Krankheit

    19.1Einleitung

    19.2Definition

    19.3Epidemiologie

    19.4Gesundheitliche Folgen von sozialer Isolation

    19.5Soziale Isolation im Alter

    19.6Psychoneuronale Netzwerke sozialer Zurückweisung

    19.7Therapeutische Interventionen

    19.8Schlussbetrachtungen

    Literatur zur Vertiefung

    20Krankheitsbewältigung

    20.1Einleitung

    20.2Begriffsbestimmung: Krankheitsbezogene Belastung und Bewältigung

    20.3Strategien der Krankheitsbewältigung

    20.4Messung von Krankheitsbewältigung

    20.5Herausforderungen bei der Messung von Bewältigung

    20.6Individuelle und interpersonale Ressourcen im Zusammenhang mit Krankheitsbewältigung

    20.7Zusammenfassung

    Literatur zur Vertiefung

    IIIKrankheitsbilder

    21Langzeitfolgen früher Stress­erfahrungen für die körperliche Gesundheit und Lebenserwartung

    21.1Einleitung

    21.2Frühe Stressbelastungen und Krankheitsvulnerabilität

    21.3Frühe Stressbelastung und Vulnerabilität für körperliche Erkrankungen

    21.4Frühe Stressbelastung und reduzierte Lebenserwartung

    21.5Gesundheitliche Langzeitfolgen vermittelnde Faktoren

    21.6Risikogruppen

    21.7Protektive Faktoren

    21.8Diskussion und Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    22Komorbide depressive Störungen

    22.1Einleitung

    22.2Epidemiologie von Depressivität und sozialer Isolation bei körperlichen Erkrankungen

    22.3Fallvignette

    22.4Bio-psycho-soziale Pathogenese

    22.5Therapie

    22.6Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    23Somatisierung, somatische Belastungsstörung und Angst

    23.1Einleitung

    23.2Definition und klinisches Erscheinungsbild

    23.3Epidemiologie der somatischen Belastungsstörung

    23.4Fallvignette

    23.5Bio-psycho-soziale Pathogenese

    23.6Therapie

    Literatur zur Vertiefung

    24Körperdysmorphe Störung

    24.1Einleitung

    24.2Definition und klinisches Erscheinungsbild

    24.3Bio-psycho-soziale Pathogenese

    24.4Therapie

    24.5Fallvignette

    24.6Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    25Psychotraumatologie

    25.1Grundlagen der Psychotraumatologie

    25.2Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

    26Kardiovaskuläre Erkrankungen

    26.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren von ­kardiovaskulären Erkrankungen

    26.2Bluthochdruck und Hypotonie

    26.3Koronare Herzkrankheit und Herz­insuffizienz

    26.4Takotsubo-Syndrom (Stress-Kardiomyopathie)

    26.5Schlaganfall

    26.6Rhythmusstörungen und ICD-Trägertum

    27Atemwegserkrankungen

    27.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei Störungen der Atmung

    27.2Asthma

    27.3Chronisch Obstruktive ­Lungenerkrankung (COPD)

    27.4Funktionelle Atemstörungen

    28Gastroenterologische Erkrankungen

    28.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei funktionellen und chronisch-entzündlichen Darm­erkrankungen

    28.2Entzündliche Darmkrankheiten

    28.3Reizdarmsyndrom und weitere funktionelle gastrointestinale Störungen

    29Stoffwechselerkrankungen

    29.1Stress und Schilddrüsenfunktion

    29.2Psychosomatische Zusammenhänge bei Hyper-/Hypothyreose und endokriner Orbitopathie

    29.3Die Selfish-Brain-Theorie: Vorrangstellung des Gehirns im Energiestoffwechsel

    29.4Typ-2-Diabetes mellitus

    30Essstörungen

    30.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei Essstörungen

    30.2Anorexia nervosa und Bulimia nervosa

    30.3Binge-Eating-Störung und Adipositas

    31Schmerzerkrankungen

    31.1Schmerz und Stress – bio-psycho-soziale Wechselwirkungen und Konsequenzen für Diagnostik und Therapie

    31.2Chronisches ausgedehntes Schmerzsyndrom (»Fibromyalgie-Syndrom«)

    31.3Chronischer Rückenschmerz

    31.4Chronischer Kopfschmerz

    32Neurologische Erkrankungen

    32.1Dissoziative Störungen: Psychobiologische Mechanismen und ­Risikofaktoren

    32.2Dissoziative Störungen mit neurologischen Symptomen

    33Schlafstörungen

    33.1Neurobiologische Grundlagen von Schlaf, Wachheit und Schlaf-Wach-Störungen

    33.2Insomnie

    33.3Nicht-Insomnie-bedingte Schlaf-Wach-Störungen

    34Chronische Erschöpfung

    34.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren chronischer Erschöpfungszustände

    34.2Chronische Erschöpfungszustände

    35Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde

    35.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei Tinnitus

    35.2Tinnitus

    35.3Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei Schwindel

    35.4Psychosomatischer Schwindel

    36Psychodermatologie

    36.1Bio-psycho-soziale Grundlagen der Psychodermatologie

    36.2Psychodermatologische Erkrankungen

    37Gynäkologische Störungen

    37.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei ­gynäkologischen Erkrankungen

    37.2Klinische Implikationen bei ausgewählten gynäkologischen ­Erkrankungen

    37.3Psychosoziale Aspekte in der Reproduktionsmedizin

    38Sexuelle Funktionsstörungen

    38.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei sexuellen Funktionsstörungen

    38.2Psychosexuelle Funktionsstörungen

    39Zahnmedizin

    39.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren beim Kausystem

    39.2Craniomandibuläre Dysfunktion

    40Onkologie

    40.1Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei Tumoren

    40.2Psychoonkologie

    41Transplantationsmedizin

    41.1Psychosomatische Aspekte der Transplantationsmedizin

    42Pädiatrie

    42.1Risikofaktoren und psychobiologische Mechanismen bei Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen

    42.2Somatisierung bei Kindern und Jugendlichen

    43Arbeitsmedizin

    43.1Stress und Arbeit

    43.2Burnout

    IVDiagnostik

    44Bio-psycho-soziale Anamnese

    44.1Einleitung

    44.2Ziele

    44.3Durchführung

    44.4Der Einfluss der Bindungstypologie auf die Arzt-Patient-Beziehung

    44.5Evaluation

    Literatur zur Vertiefung

    45Klassifikation

    45.1Einleitung

    45.2Historische Anmerkungen

    45.3International Classification of Diseases (ICD)

    45.4Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM)

    45.5Gegenüberstellung ICD-11 und DSM-5

    45.6Diagnostischer Prozess

    45.7Fazit und Perspektiven

    Literatur zur Vertiefung

    46Psychometrie in der Psychosomatik

    46.1Einleitung

    46.2Zielsetzungen

    46.3Interessengruppen

    46.4Methodik

    46.5Herausforderungen

    46.6Ausblick

    46.7Zusammenfassung

    Literatur zur Vertiefung

    47Biomarker bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen

    47.1Einleitung

    47.2Was sind Biomarker?

    47.3Wozu Biomarker?

    47.4Wann werden Biomarker eingesetzt?

    47.5Biomarkerforschung

    47.6Grenzen der Verwendung von Biomarkern in der Psychosomatik

    Literatur zur Vertiefung

    VBehandlung

    48Psychotherapieforschung und ­Psychosomatische Medizin

    48.1Geschichte und wesentliche Ansätze der Psychotherapieforschung

    48.2Neue Trends in der Psychotherapieforschung

    48.3Differenzielle und personalisierte Psychotherapie-Ergebnis-Forschung

    48.4Befunde der Psychotherapieforschung mit Relevanz für die Psychosomatik und das bio-psycho-soziale Modell

    48.5Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    49Gruppenpsychotherapie

    49.1Stellenwert von Gruppenpsychotherapie

    49.2Wirkungen von Gruppenpsychotherapien

    49.3Gruppentherapieforschung und die Effekte von Gruppenpsychotherapie

    49.4Systematische Forschungsreviews und Metaanalysen

    49.5Gruppenpsychotherapie in der Psychosomatik

    49.6Struktur und Strukturierung von Gruppen

    49.7Patientenmerkmale

    49.8Bindungsmerkmale und Alexithymie

    49.9Gruppendynamik

    49.10Gruppenleitung

    49.11Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    50Paar- und Familientherapie in der Psychosomatik

    50.1Einleitung

    50.2Familiäre und partnerschaftliche Interaktionen und Krankheit

    50.3Von der »psychosomatischen Familie« zum »Biobehavioralen Familienmodell«

    50.4Weitere interpersonelle Prozesse und Faktoren

    50.5Salutogenetische und Resilienzfaktoren

    50.6Selbstregulierung und Mentalisierung als (mehrgenerational) vermittelnde Prozesse

    50.7Einbeziehung von Angehörigen und Familientherapie

    50.8Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    51Die Kombinationsbehandlung von Psychotherapie und Pharmakotherapie

    51.1Einleitung

    51.2Kombinationsbehandlung der unipolaren Depression

    51.3Auswahl des Antidepressivums im Rahmen einer Kombinationstherapie

    51.4Kombinationsbehandlung der Angststörungen

    51.5Kombinationsbehandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)

    51.6Kombinationsbehandlung von Essstörungen

    51.7Die Kombinationstherapie der Insomnie

    Literatur zur Vertiefung

    52Placebo- und Nocebo-Effekte: Beispiele für ein bio-psycho-soziales Krankheits- und Behandlungsverständnis

    52.1Einleitung

    52.2Definition Placebo- und Nocebo-Effekte

    52.3Klinische Beispiele für Placebo- und Nocebo-Effekte

    52.4Wie entstehen Placebo-Effekte?

    52.5Wie können Placebo- und Nocebo-Mechanismen für die Therapie genutzt werden?

    Literatur zur Vertiefung

    53Patienteninformation, Psycho­edukation und Patientenschulung

    53.1Einleitung

    53.2Ziele und Inhalte

    53.3Didaktische Vorgehensweise

    53.4Beispiel: die Fibromyalgie-Schulung

    53.5Wirkungen

    53.6Fazit

    Literatur zur Vertiefung

    54Entspannungsverfahren

    54.1Einleitung

    54.2Grundlagen der Entspannungsreaktion

    54.3Wirkfaktoren von Entspannungsmethoden

    54.4Entspannungsverfahren

    54.5Indikation und Kontraindikation

    54.6Differenzialindikation – welche Methode für welchen Patienten

    54.7Bedeutung der Beziehung

    54.8Entspannung und Achtsamkeit

    54.9Entspannung bio-psycho-sozial

    Literatur zur Vertiefung

    55Achtsamkeit

    55.1Hintergrund und Entstehungsgeschichte

    55.2Definition

    55.3Achtsamkeitsübungen

    55.4Implementierung

    55.5Ausgewählte Forschungsbefunde

    Literatur zur Vertiefung

    56Klinische Körperpsychotherapie

    56.1Begriffe, Entwicklung und Einordnung der Körperpsychotherapie

    56.2Theoretische Grundlagen einer integrativen klinischen KPT

    56.3Behandlungstechnische Erwägungen und allgemeine Wirkfaktoren in der KPT

    56.4KPT und Psychosomatische Medizin am Beispiel der funktionellen somatischen Syndrome (FSS)

    Literatur zur Vertiefung

    57Biofeedback

    57.1Einleitung

    57.2Prinzipien des Biofeedbacks

    57.3Biofeedback in der Anwendung

    57.4Zusammenfassung

    Literatur zur Vertiefung

    58Musiktherapie

    58.1Musiktherapeutische Methoden

    58.2Musiktherapeutische Techniken

    58.3Evidenzbasierte Musiktherapie

    58.4Indikation und Evidenz für psychosomatische Anwendungsbereiche

    58.5Musiktherapie bei chronischen, nicht malignen Schmerzen

    58.6Ausblick/Schlussfolgerungen

    Literatur zur Vertiefung

    59Sport- und Bewegungstherapie

    59.1Einleitung

    59.2Sport- und Bewegung im therapeutischen Kontext

    59.3Wirkungsebenen körperlicher Aktivität

    59.4Wirksamkeit/Evidenzen

    59.5Methoden der Sport- und Bewegungstherapie in der Psychosomatik

    59.6Besonderheiten in der Durchführung von Sport- und Bewegungstherapie

    59.7Prävention und Gesundheitsförderung

    59.8Zusammenfassung

    Literatur zur Vertiefung

    60Psychosomatische Rehabilitation

    60.1Einleitung

    60.2System der medizinischen Rehabilitation

    60.3Indikation und Störungsspektrum

    60.4Therapeutisches Angebot

    60.5Forschung und Qualitätsmanagement

    60.6Perspektive und Ausblick

    Literatur zur Vertiefung

    61Stationäre psychosomatische Behandlung

    61.1Einleitung

    61.2Definition und Spezifika

    61.3Das therapeutische Team

    61.4Ziele, Indikation und Kontraindikation

    61.5Multimodalität – Chancen, Risiken und Evidenzbasierung

    Literatur zur Vertiefung

    62Psychosomatische Versorgung

    62.1Die ambulante psychosomatische und psychotherapeutische Versorgung

    62.2Die Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Krankenhaus

    62.3Sektorenübergreifende psychosomatische Versorgung

    62.4Psychosomatische Rehabilitation

    Literatur zur Vertiefung

    VIPrävention

    63Psychosoziale Prävention

    63.1Einleitung

    63.2Allgemeine Wirksamkeit psychosozialer Prävention

    63.3Volkswirtschaftliche Bedeutung psychosozialer Prävention

    63.4Beispiele für erfolgreiche Präventionsprogramme

    63.5Welche Präventionsprogramme können in Deutschland empfohlen werden?

    63.6Rechtliche Rahmung psychosozialer Prävention in Deutschland

    63.7Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz

    63.8Landesrahmenvereinbarungen zur Umsetzung der nationalen ­Präventionsstrategie

    63.9GKV-Leitfaden Prävention

    63.10Forderungen an die Politik und Gesellschaft

    Literatur zur Vertiefung

    VIIBegutachtung

    64Juristische Grundlagen

    64.1Einleitung

    64.2Grundlagen

    64.3Beweismittel

    64.4Sachverständige

    64.5Auswahl der Sachverständigen

    64.6Voraussetzungen

    64.7Tatsachen

    64.8Gutachten

    64.9Straf- und Haftungsrecht

    Literatur zur Vertiefung

    65Sozialmedizinische Leistungs­beurteilung

    65.1Einleitung

    65.2Sozialmedizinische Grundbegriffe

    65.3Die gutachterliche Rolle

    65.4Das sozialmedizinische diagnostische Interview

    65.5Der psychopathologische Befund

    65.6Funktionsdiagnostik nach der ICF

    65.7Bio-psycho-sozialer Befund

    65.8Beschwerdenvalidierung und Konsistenzprüfung

    65.9Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung

    65.10Die bio-psycho-soziale Gutachtensituation

    Literatur zur Vertiefung

    66Kausalitätsbegutachtung

    66.1Einleitung

    66.2Erlebnisreaktive psychische Störungen

    66.3Psychische Störungen aufgrund einer körperlichen Schädigung

    66.4Gutachtliche Bewertung

    Literatur zur Vertiefung

    Verzeichnisse

    Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

    Sachwort-Verzeichnis

    Literaturverzeichnisse zum Download

    Die vollständigen Literaturverzeichnisse zu jedem Kapitel dieses Buches können Sie unter folgendem Link herunterladen:

    https://dl.kohlhammer.de/978-3-17-041384-9

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    Vorwort zur 2. Auflage

    Psychosomatik 4.0 – Das bio-psycho-soziale Modell revisited

    Die 1. Auflage unseres Lehr- und Handbuchs, die im Juni 2020 erschien, fand vermutlich auch aufgrund der konsequent neurobiologischen und evidenzbasierten Ausrichtung großes Interesse und war bereits nach einem Jahr vergriffen, so dass ein Nachdruck erforderlich war und bereits die Planung für die jetzt vorgelegte 2. Auflage begann. Diese 2., erweiterte und überarbeitete Auflage beinhaltet nun zusätzliche Kapitel zu den Themen: Placebo- und Nocebo-Effekte, Atemwegserkrankungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Typ-2-Diabetes sowie assoziative Lern- und Gedächtnisprozesse. Einige bereits vorhandene Kapitel wurden von anderen Autorengruppen vollständig neu konzipiert. Insgesamt wurden alle Beiträge auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht und jeweils durch zusammenfassende Kernaussagen zu Beginn des jeweiligen Kapitels ergänzt. Vor dem Hintergrund der Gender-Diskussion haben wir versucht, einen guten Kompromiss zu finden: Neben geschlechtsneutralen Bezeichnungen sowie der aufgrund einer besseren Lesbarkeit stellenweise verwendeten generisch maskulinen Form, die jedoch auf Personen jedweden Geschlechts bezogen ist, verwenden wir bei Patientinnen und Patienten durchgehend die weibliche und die männliche Form, zumal die Mehrheit der Patientinnen und Patienten in der Psychosomatik weiblich sind.

    Übergeordnetes Ziel des Buchs bleibt weiterhin, den weitreichenden Wissenszuwachs im Bereich der Psychosomatischen Medizin umfassend abzubilden, der im Hinblick auf vorausgegangene metapsychologische Annahmen fast schon den Charakter eines Paradigmenwechsels hat. Wesentlich dazu beigetragen hat eine enorme Zahl wissenschaftlicher Erkenntnisse etwa in der neurobiologischen und molekularbiologischen Grundlagenforschung, der Epigenetik, Bindungs- und Säuglingsforschung sowie der Stressforschung. Dadurch wurden jene bio-psycho-sozialen Wechselwirkungen, die der amerikanische Internist, Psychiater und Psychoanalytiker G. L. Engel als Basis eines »neuen medizinischen« Krankheitsmodells propagierte (Engel 1977, 1997) und auf das sich die Psychosomatische Medizin seither bezieht, mehr und mehr empirisch belegt.

    Dieser Paradigmenwechsel hat auch Konsequenzen für die klinische Praxis in Diagnostik und Therapie. Leider werden bisher in der Ausbildung von Ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell und die damit zusammenhängenden Implikationen nur selten hinreichend berücksichtigt.

    Es gab in der Geschichte der Psychosomatik vielerlei Strömungen und oft in Verbindung mit spezifischen Psychotherapieverfahren (speziell psychodynamischen und verhaltenstherapeutischen) tradierte Modelle, an denen noch festgehalten wird – vielleicht, weil ihr Verständnis einer körperlichen Symptombildung und deren Behandlung konzeptuell erheblich weniger komplex ist als moderne Konzeptionen:

    –  Das psychoanalytische Modell, ideengeschichtlich sicher das erste wissenschaftliche Modell der Psychosomatik, verstand das Auftreten körperlicher Beschwerden in erster Linie als »Konversion« nicht lösbarer intrapsychischer Konflikte vom Seelischen ins Körperliche. Später wurde es um ein Verständnis körperlicher Beschwerden als Affektkorrelat vor dem Hintergrund einer vermeintlichen affektiven Agnosie (»Alexithymie«) ergänzt. Für die Therapie bedeutet dies, die emotionale Wahrnehmungs- und Reflexionsfähigkeit zu verbessern, um dadurch den Patienten in die Lage zu versetzen, seine intrapsychischen Konflikte zu erkennen und sie lösen zu können. Allerdings wurde, wie Freud selbst es ausdrückte, der »rätselhafte Sprung aus dem Seelischen ins Körperliche« nur marginal verstanden. Freud war die zeitliche Begrenztheit seiner metapsychologischen Konzepte durchaus bewusst. Vor genau 100 Jahren schrieb er in »Jenseits des Lustprinzips«: »Die Mängel unserer Beschreibungen würden wahrscheinlich verschwinden, wenn wir anstatt der psychologischen Termini bereits die physiologischen und chemischen einsetzen könnten […] Die Biologie ist wahrlich ein Reich der unbegrenzten Möglichkeiten, wir haben die überraschendsten Aufklärungen von ihr zu erwarten und können nicht erraten, welche Antworten sie auf die von uns an sie gestellten Fragen einige Jahrzehnte später geben würde. Vielleicht gerade solche, durch die unser ganzer künstlicher Bau von Hypothesen umgeblasen wird« (Freud 1920, S. 63/64).

    –  Das behaviorale Modell wurde später in der Verhaltensmedizin realisiert und auf beobachtbares Verhalten im Umgang mit körperlichen Beschwerden übertragen. Um Veränderungen zu bewirken, ist es dabei nicht unbedingt erforderlich, deren Ursachen zu verstehen. In der Therapie steht insofern eine bessere Bewältigung (Coping) der körperlichen Symptome im Mittelpunkt (z. B. Stressmanagement, Problemlösetraining, Schmerzbewältigungstraining, Tinnitustraining).

    –  Die Psychobiologie (einschließlich der Psychophysiologie, Psychoneuroendokrinologie und Psychoneuroimmunologie und der Neurowissenschaften) hat sich sicherlich sehr viel vertiefter mit körperlich-seelischen Zusammenhängen befasst als die beiden anderen Richtungen, indem sie sich mit den Interaktionen zwischen psychischen Vorgängen (Emotionen) und basalen körperlichen Funktionen (Blutdruck, Hormone, vegetatives Nervensystem, Immunsystem) und neuronalen Mechanismen auseinandersetzte. Im Mittelpunkt standen dabei aber vornehmlich Stressreaktionen, Entspannung, Erholung und Schlaf. Für die darauf basierende Therapie steht die Durchführung von Entspannungsverfahren (z. B. Progressive Relaxation, Biofeedback) im Vordergrund, um darüber die Balance zwischen (vegetativer) Anspannung und Entspannung besser zu regulieren.

    Das vorliegende Hand- und Lehrbuch Psychosomatik hat sich zum Ziel gesetzt, die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrer Komplexität so aufzuarbeiten, dass sie noch mehr in der Breite der Versorgung ankommen und dort auf tradierten Krankheitsmodellen basierende Psychotherapie-Schulen ablösen und damit die Basis für die Entwicklung von neuen und noch wirksameren Behandlungskonzepten legen. Wir sehen in einer neurobiologisch fundierten, evidenz-basierten Psychosomatik ein neues Modell, das wir in der Reihe der o. g. als eine »Psychosomatische Medizin 4.0« bezeichnen.

    Alle vier Herausgeber haben jahrzehntelange Erfahrung in der universitären Lehre und fühlen sich in ihrer beruflichen Identität einem evidenzbasierten Handeln auf der Basis der Ergebnisse sorgfältig durchgeführter wissenschaftlicher Studien verpflichtet. Zwei von ihnen (Christine Heim, Bernhard Strauß) sind Psychologin bzw. Psychologe und leiten forschungsaktive und klinisch orientierte universitäre Abteilungen für Med. Psychologie bzw. Psychosoziale Medizin (welche die Psychosomatik einschließt), die beiden anderen (Ulrich T. Egle, Roland von Känel) haben einen ärztlichen Hintergrund (Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Innere Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie) mit breiter Erfahrung in der (evidenzbasierten) Patientenversorgung, klinischen Grundlagenforschung sowie anwendungsorientierten Forschung. Synergieeffekte vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen boten die Voraussetzung für die Konzeption und Umsetzung der Anliegen dieses Buchs.

    Das vorliegende Werk möchte besonders die jüngere Generation von Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen und Psychologen und weiteren an der Psychosomatik interessierten Personen ansprechen, welche sich in ihrem Studium zumindest teilweise mit den Erkenntnissen der Grundlagenforschung auseinandergesetzt haben und diese in ihrer beruflichen Tätigkeit anwenden und umsetzen möchten. Gleichzeitig beinhaltet das Buch eine umfassende wissenschaftliche Bestandsaufnahme unseres Fachs, das in Deutschland seit 30 Jahren eine eigenständige Facharzt-Disziplin ist und noch länger an den meisten deutschsprachigen Universitäten gut etabliert ist. Das Buch zeigt auch bestehende Forschungsdesiderate für die kommenden Jahre auf, zu denen sicher eine noch tiefere Beachtung der sozialen Aspekte des bio-psycho-sozialen Modells sowie daraus resultierender Präventionsmaßnahmen gehört.

    Unser Anspruch spiegelt sich auch in der Gesamtkonzeption des Buchs wider:

    Die ersten 20 Kapitel (Teile I und II) sind – nach einer wissenschaftlichen Überprüfung des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells (▶ Kap. 1) und einem historischen Abriss zur Entwicklung der Psychosomatik (▶ Kap. 2) – den Erkenntnissen der Grundlagen- (▶ Kap. 3–12) sowie translationalen (▶ Kap. 13–20) Forschung für psychosomatische Zusammenhänge gewidmet.

    Teil III beinhaltet 57 Kapitel zu unterschiedlichen Krankheitsbildern (▶ Kap. 21–43.2), bei denen bio-psycho-soziale Zusammenhänge in der Pathogenese und/oder im Krankheitsverlauf heute als besonders gut gesichert gelten können. Bei diesen Krankheitsbildern ist fast durchgehend zunächst ein Kapitel zu den jeweiligen Erkenntnissen von Grundlagen- und translationaler Forschung hinsichtlich bio-psycho-sozialer Zusammenhänge in der Pathogenese vorangestellt, d. h. es wird ein störungsspezifischer Bezug zur Grundlagenforschung hergestellt. Die sich daran jeweils anschließenden Kapitel zum Krankheitsbild sind fast durchgehend im Stil eines Lehrbuchs gegliedert.

    Es folgen vier Kapitel (▶ Kap. 44–47) zur Diagnostik (Teil IV), bevor im Teil V die wesentlichen psychosomatischen Therapieansätze und deren Umsetzung in der Versorgung in Deutschland dargestellt werden (▶ Kap. 48–62). Teil VI gibt einen Überblick über gut evaluierte Präventionskonzepte zur Vorbeugung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, die trotz entsprechender Gesetzgebung in der Umsetzung insgesamt leider immer noch weit hinter den Erfordernissen liegen (▶ Kap. 63). Den Abschluss bilden drei Kapitel (▶ Kap. 64–66) zur bio-psycho-sozialen Begutachtung (Teil VII).

    Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, eine so große Zahl von wissenschaftlich renommierten Kolleginnen und Kollegen trotz ihrer hohen Belastung in Forschung, Lehre und Krankenversorgung von der innovativen Konzeption des Buchs zu überzeugen und möchten uns bei ihnen herzlich bedanken, dass sie unser Konzept »Psychosomatik 4.0« auch bei der 2. Auflage mitgetragen und in ihren Beiträgen umgesetzt haben! Auch wir Herausgeber haben durch ihre sorgfältige Arbeit viel Neues dazu gelernt.

    Danken möchten wir auch Dr. Ruprecht Poensgen sowie Anita Brutler und Dr. Carmen Rommel vom Verlag W. Kohlhammer für die verlässliche Begleitung und verlegerische Umsetzung der 2. Auflage unseres über mehrere Jahre vorbereiteten Buchprojekts. Dank schulden wir auch einigen Rezensentinnen und Rezensenten der 1. Auflage für ihre konstruktiven kritischen Anmerkungen.

    Freiburg, Berlin, Jena und Zürich,

    im Frühjahr 2024

    Ulrich T. Egle

    Christine Heim

    Bernhard Strauß

    Roland von Känel

    IGrundlagen

    1Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell – revisited

    Ulrich T. Egle, Christine Heim, Bernhard Strauß und Roland von Känel

    Kernaussagen

    –  Ein großer Teil der modernen Medizin beruht weiterhin auf einem bio-medizinischen Verständnis von Krankheit und Gesundheit.

    –  Als Grundlage des vorliegenden Lehr- und Handbuchs wird in diesem Kapitel ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell dargestellt, wie es von G. L. Engel (1977) erstmals konzipiert und durch das Situationskreis-Modell (von Uexküll und Wesiack 1988) ergänzt wurde.

    –  Es erfolgt eine Bestandsaufnahme wesentlicher Studien, welche die Verzahnung der drei Dimensionen inzwischen empirisch eindrucksvoll belegen, sowie eine Auseinandersetzung mit verschiedenartigen Kritiken am bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell.

    –  Vom bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell abgegrenzt wird das bio-behaviorale sowie das Krankheitsmodell der psychoanalytischen Psychosomatik.

    –  Die aus dem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell resultierenden Veränderungen für die Arzt-Patienten-Beziehung sowie für die »personalisierte Medizin« der Zukunft werden skizziert.

    –  Vor dem Hintergrund des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands werden einige Modifikationen hinsichtlich der im ursprünglichen Modell differenzierten Systemebenen vorgeschlagen.

    –  Eine wesentliche Ergänzung stellt die explizite Berücksichtigung einer biografischen Längsschnittdimension dar, welche u. a. frühe Prägungen und deren Interagieren mit epigenetischen Mechanismen berücksichtigt.

    1.1Einleitung

    An den Anfang eines medizinischen Lehr- und Handbuchs ein Kapitel über das wissenschaftstheoretische Grundverständnis zu stellen, ist unüblich. Der Leser soll sich dieses Grundverständnis, wenn es denn vorliegt, in der Regel implizit selbst erschließen. In der modernen Medizin steht dabei weiterhin das Reiz-Reaktions-Prinzip der Physik aus der Mitte des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt, das den menschlichen Körper nach dem Modell einer hochkomplexen physikalisch-chemischen Maschine interpretiert, wie dies bereits im 18. Jahrhundert von J. Offray de La Mettrie (»L’homme machine«, 1748, dt. 1985) postuliert wurde. »Krankheit ist nach diesem Modell eine räumlich lokalisierbare Störung in einem technischen Betrieb. Wie ein Techniker auf der Basis eines Schaltplanes den Betriebsschaden eines Autos, eines Fernsehers oder Computers lokalisieren und danach die Reparatur durchführen kann, so kann der Arzt eine Krankheit, die als Betriebsschaden im menschlichen Körper – als Klappenfehler im Herzen, als Geschwür im Magen oder als Enzymdefekt in einem Gewebe oder Transportsystem – lokalisiert wurde, mit gezielten technischen Eingriffen (chirurgischer oder medikamentöser Art) reparieren« (von Uexküll und Wesiack 1990, S. 5). »Das Modell hat auch den Vorteil, immer modern zu sein, denn sobald die Technik eine neue, noch kompliziertere und noch leistungsfähigere Maschine erfindet, kann die Medizin ihr Bild des Maschinenmenschen entsprechend verfeinern, ohne das Grundprinzip preisgeben zu müssen« (von Uexküll und Wesiack 1990, S. 8).

    Die Schwäche des »Maschinenmodells« – von Uexküll sprach von einer »Medizin der seelenlosen Körper« – liegt wesentlich in der Annahme begründet, der Reiz sei ein vom Organismus unabhängiger Parameter, auf dessen Applikation die Maschine warte, um zu reagieren. Beziehung und subjektives Erleben stellen in diesem Modell allenfalls Störfaktoren dar. Sind der Organismus und seine Organe jedoch primär aktive Systeme, deren Funktionieren auf phylo- und ontogenetischen Prägungen beruht, kann ein aus der Umgebung einwirkender Vorgang im besten Falle das Verhalten des bereits aktiven Systems, d. h. dessen inneren Zustand modulieren. Zur Beschreibung selbst einfacher biologischer Vorgänge sind deshalb lineare Ursache-Wirkung-Modelle durch kybernetische Modelle zu ersetzen (vgl. von Uexküll und Wesiack 1988), die letztlich auf die Allgemeine Systemtheorie bezogen sind (von Bertalanffy 1968). In dieser Theorie wird eine komplexe strukturelle und funktionelle Interaktion in einem System angenommen, zu dem das kleinste physikalische Teil ebenso gehört wie die Person und ihre soziale Umwelt.

    Neben der »Medizin der seelenlosen Körper« stellte von Uexküll als weiteres reduktionistisches Krankheitsmodell die »Medizin der körperlosen Seele« der klassischen Psychoanalyse dar, in der zwar Beziehung und subjektives Erleben eine große Rolle spielen, der Körper auch als zentral erachtet wird (»Das Ich ist vor allem ein körperliches …«, Freud 1923), körperliche Störungen jedoch lange kaum mit mehr als einem »rätselhaften Sprung vom Seelischen ins Körperliche« (Freud 1916/17, S. 451) erklärt werden konnten und der damit implizit ebenfalls ein reduktionistisches Ursache-Wirkungs-Prinzip zugrunde liegt.

    1.2Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell

    Aufbauend auf das kybernetische Funktionskreis-Modell bei Tieren seines Vaters Jakob von Uexküll, eines renommierten Biologen, entwickelte Thure von Uexküll am Beispiel der essenziellen Hypertonie (Pflanz und von Uexküll 1962; von Uexküll und Wick 1962) ein »Situationskreis-Modell« (von Uexküll und Wesiack 1979, 1988). Danach entsteht situativ eine »individuelle Wirklichkeit« aus Wahrnehmungen unseres Körpers und unserer Sinnesorgane nach physiologischen Programmen sowie aus verhaltensbezogenen Reaktionsschemata, die der Einzelne sich in seiner Biografie erworben hat. »Das heißt, die in der Biografie erworbenen Muster der Wirklichkeitswahrnehmung und -deutung zusammen mit der jeweils aktuellen körperlichen und emotionalen Verfassung des Subjekts ergeben zusammen die ‚Wirklichkeit‘, auf die das Subjekt dann mit bereitgestellten psychophysiologischen Reaktionsmustern reagiert« (Roelcke 2021, S. 500). Von Uexküll und seine Mitarbeiter gingen davon aus, dass im Körper ebenso wie im Gehirn verschiedene Systeme bereits aktiv am Arbeiten sind und durch äußere Einflussfaktoren in ihrer Funktion ggf. moduliert werden können.

    Ausgangspunkt der Untersuchungen zur essenziellen Hypertonie von von Uexküll und seinen Mitarbeitern war eine Kontroverse zwischen Alexander Mitscherlich und Paul Martini, Ordinarius für Innere Medizin in Bonn und Leibarzt Adenauers, über die Wissenschaftlichkeit (i. S. einer Reproduzierbarkeit von Erkenntnissen) des neuen Fachgebiets Psychosomatik beim Internistenkongress in Wiesbaden 1949 (▶ Kap. 2).

    Zeitlich parallel zu von Uexkülls Situationskreis-Modell entwickelte der amerikanische Internist, Psychiater und Psychoanalytiker G. L. Engel zur Überwindung des reduktionistischen Mensch-Maschinen-Modells in der Medizin das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell (Engel 1977, 1980, 1997). Den Anstoß dazu gab die zunehmende Spaltung in der amerikanischen Psychiatrie zwischen »Biologisten« und »Behavioristen«. Die einen sahen psychische Erkrankungen als Folge genetischer Veranlagung und darauf fußenden Störungen von Stoffwechselprozessen, die anderen als Ausdruck von erworbenen (»gelernten«) Verhaltensstörungen. Engel, der zu Beginn seiner medizinischen Ausbildung sehr stark von einer physikalisch-chemischen Herangehensweise an den Kranken geprägt war, erkannte mit zunehmender klinischer Erfahrung durch die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe des Psychiaters J. Romano, dass durch die beobachtende Haltung des Naturwissenschaftlers der Faktor Subjektivität, d. h. das individuelle Erleben des Patienten und die Kommunikation mit diesem, vernachlässigt wird. Er begann sich verstärkt mit der Schnittstelle von objektiven chemisch-physikalischen und ärztlichen (Untersuchungs-)Befunden einerseits und Beschwerdeschilderungen und Krankheitserleben des Patienten andererseits auseinanderzusetzen. Schließlich bezog er immer mehr lebensgeschichtliche Kontextfaktoren in der Gegenwart wie in der Vergangenheit seiner Patienten mit ein und gab diesen in Publikationen eine immer größere Bedeutung (z. B. Engel 1959). In seinem wegweisenden Science-Artikel illustrierte Engel (1977) am Beispiel des Diabetes mellitus und der Schizophrenie, dass bei somatischen wie bei ­psychiatrischen Krankheitsbildern ein bio-medizinisches Krankheitsverständnis in der Pathogenese ebenso wie in Diagnostik und Verlauf zu kurz greift und damit zusammenhängende Schwierigkeiten nur durch eine Erweiterung zu einem bio-psycho-sozialen Modell lösbar erschienen. In diesem ist der Mensch Teil umfassender übergeordneter Systeme (Zwei-Personen-Ebene, Familie, Gesellschaft, Kultur/Subkultur, Staat/Nation, Biosphäre) und selbst wiederum ein System aus mehreren Subsystemen (Nervensystem, Organsystem/Organe, Gewebe, Zelle, Organelle) bis hinab auf die molekulare Ebene (▶ Abb. 1.1).

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    Abb. 1.1:Bio-psycho-soziales Krankheitsmodell (Engel 1977) vs. bio-medizinisches und bio-behaviorales Krankheitsmodell

    Diese Ebenen sind so integriert, dass das jeweilige Subsystem über eine gewisse Autonomie verfügt, gleichzeitig von den über- und untergeordneten Subsystemen aber auch beeinflusst und geregelt werden kann. Es handelt sich also um eine Hierarchie von Systemen mit Programmen aus Regulation und Gegenregulation, zugehörigen Soll- und Ist-Werten, die über Steuer- und Rückmelde-Variablen funktionieren und jeweils über eigene Zeichen und Kodierungen verfügen (Meyer 1989). Auf der physiologischen Ebene verständigen sich Nervensysteme und Organsysteme mit Hilfe biochemischer und elektrophysiologischer Signale, die von spezifischen Rezeptoren empfangen werden und der jeweiligen Prozessregulation dienen. Dabei lassen sich verschiedene Systeme unterscheiden, u. a. das immunologische, endokrine und autonome System sowie neuronale Schaltkreise. Auch bei den psychosozialen Systemen gibt es spezifische und voneinander differenzierte »Zeichensysteme« (i. S. der Semiotik, Krampen et al. 1981), welche den Austausch der Person mit ihrer Umwelt regulieren. Auf den verschiedenen biologischen ebenso wie den psychosozialen Systemebenen spielen als wesentliches Kontrollprinzip negative Feedback-Mechanismen eine zentrale Rolle (Carey et al. 2014).

    Noch nicht vollständig geklärt ist bisher, über welche grundlegenden Mechanismen die Wechsel zwischen den verschiedenen Ebenen des bio-psycho-sozialen Modells ­erfolgen. Gesichert sind Konditionierungsprozesse (▶ Kap. 12), Veränderungen der Dynamik in zentralen und peripheren Regulationssystemen (▶ Kap. 7), sowie epigenetische Wechselwirkungen zwischen spezifischen Umweltfaktoren und Aktivierung bestimmter Genabschnitte (▶ Kap. 10).

    Umwelt und Organismus bilden so ein sich dynamisch entwickelndes Gesamtsystem, das maßgeblich durch die individuelle Sozialisation bzw. Biografie des Einzelnen geprägt wird. Diese ist teilweise phylogenetisch vorgegeben, teilweise baut sie sich im Rahmen der Entwicklung im Austausch mit der Umwelt ontogenetisch auf. Das enorme Ausmaß der Wechselwirkungen zwischen Organismus und Umwelt wurde in den letzten 20 Jahren durch wissenschaftliche Erkenntnisse zur erfahrungsgesteuerten neuronalen Plastizität (»synaptic modelling«) und insbesondere durch das für die Psychosomatik bislang relativ neue Forschungsgebiet der Epigenetik zunehmend entschlüsselt. Nachgewiesen wurde ein Interagieren zwischen genetischer Ausstattung und Umweltbedingungen in Form eines An- und Abschaltens bestimmter Genabschnitte und damit einhergehender physiologischer und neurobiologischer Prozesse (▶ Kap. 10). Dies beginnt bereits pränatal und setzt sich lebenslang in der Kindheit und über die Lebensspanne fort (▶ Kap. 15, ▶ Kap. 21), wobei nicht hinreichend bekannt ist, ob es sensible Zeitfenster für epigenetische und andere Prozesse gibt (Schaefer et al. 2022). Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell beschränkt sich insofern nicht auf eine additive Ergänzung des bio-medizinischen Modells, vielmehr kommt es durch die Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychischen und sozialen Systemen zu Emergenz-Effekten (van de Wiel und Paarlberg 2017; te Velde et al. 2016).

    Bereits zu Beginn der 1980er Jahre lieferten erste psychoneuroimmunologische und psychoneuroendokrinologische Studien (z. B. von M. Hofer und seiner Arbeitsgruppe, Hofer 1984) Belege dafür, dass bei Säugetieren (Ratten) eine frühe Mutter-Deprivation neben einer erhöhten motorischen Aktivität auch Einschränkungen bei der Regulation der Körpertemperatur und der Ausschüttung von Wachstumshormon (mit der Folge von Minderwuchs und Gewichtsreduktion) sowie eine Reduktion der Katecholamin-, Protein- und Nukleoprotein-Spiegel im Gehirn (mit einer Disposition zu Verhaltensstörungen) bewirkt. Es kommt zu einer erhöhten Krankheitsvulnerabilität im späteren Leben, u. a. Neigung zu häufigen Infektionen, Steigerung von Blutdruckwerten und Herzfrequenz sowie Schlafstörungen. Bereits kurz zuvor waren zwei Publikationen erschienen, die für den Menschen belegten, dass es durch Trennung und Verlust zu Veränderungen von Immunparametern kommen kann (Bartrop et al. 1977; Schleifer et al. 1983). Im Hinblick auf das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell wurde damit experimentell erstmals der Einfluss der »Zwei-Personen«-Ebene auf verschiedene biologische Prozessebenen belegt. Bedenkt man, dass noch zu Beginn der 1970er Jahre einflussreiche entwicklungsbiologische Forscher davon ausgingen, dass bei der Differenzierung der peripheren ebenso wie der zentralen Organisation des Nervensystems ein Einfluss durch sensorisches Feedback und Umweltstimulation keine Rolle spielt (vgl. Tobach et al. 1971), bewirkten diese Studien sowie die später erschienenen ersten epigenetischen Studien der Arbeitsgruppe um M. Meaney (Liu et al. 1997; Meaney 2001) zur Exprimierung von Glukokortikoid-Rezeptoren in Abhängigkeit vom Pflegeverhalten des Muttertiers (Weaver et al. 2004, 2005) einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Hinblick auf die Interaktion zwischen Umwelt und Organismus (▶ Kap. 5, ▶ Kap. 7, ▶ Kap. 10).

    1.3Wissenschaftliche Belege für das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell

    Bereits 2007 wurde von Novack et al. eine Übersichtsarbeit zu den wissenschaftlichen Grundlagen und Belegen des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells publiziert. Im Mittelpunkt standen dabei basale psychophysiologische Mechanismen des zentralen und des autonomen Nervensystems sowie bis zu diesem Zeitpunkt wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu psychoneuroendokrinologischen und psychoneuroimmunologischen Zusammenhängen bei kardiovaskulären und gastrointestinalen Erkrankungen sowie HIV-Infektionen.

    Inzwischen ist die Zahl der empirisch belegten Schnittstellen zwischen den biologischen, den psychologischen und den sozialen Subsystemen weiter angewachsen, was nachfolgend mit beispielhaften Studien, systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen aufgezeigt werden soll.

    1.3.1Die bio-psychische Schnittstelle

    Körperliche Krankheiten und Prozesse beeinflussen die Psyche. Beispielhaft wurde in den letzten 30 Jahren zunehmend erkannt, dass Entzündungsmediatoren im Kontext somatischer Erkrankungen oder als Therapeutika klinisch relevante und neurobiologisch vermittelte psychologische Auswirkungen haben (Dantzer et al. 2008). Der hiermit assoziierte Begriff ist das Zytokin-induzierte Sickness Behavior, eine adaptive Antwort auf die Stimulation des unspezifischen Immunsystems bei einer Infektion, der psychischen Stressantwort, entzündlichen Krankheiten und weiteren pathologischen Zuständen (Dantzer und Kelley 2007) (▶ Kap. 7) ­Dieser motivationale Zustand geht einher mit Lethargie, Müdigkeit, Ängstlichkeit, Unwohlsein, Inappetenz, Hyperalgesie, sozialem Rückzug und Konzentrationsstörungen, und ermöglicht dem Organismus, seine Kräfte zur Bewältigung einer Infektion und anderer Bedrohungen zu priorisieren (Johnson 2002). Eine Metaanalyse weist darauf hin, dass von den diskutierten beteiligten Zytokinen Interleukin-6 und Interleukin-1β am konsistentesten signifikante Zusammenhänge mit dem Sickness Behavior im Kontext von Infektionskrankheiten zeigen (Shattuck und Muehlenbein 2016).

    Unabhängig von der Indikation für eine Interferon-(IFN-)Therapie sind IFN mit einem Risiko von 30–70 % für das Auftreten einer behandlungsbedingten Depression verbunden (Pinto und Andrade 2016). Im Speziellen entwickeln unter der Therapie mit IFN-α 20–50 % der Patienten mit einer Hepatitis C (Dieperink et al. 2000) oder einem malignen Melanom (Musselman et al. 2001) eine klinische Depression. Ein erhöhtes Risiko für eine Depression und Suizidalität wurde auch unter der Therapie einer Multiplen Sklerose mit IFN-β beobachtet, wobei der Effekt womöglich auf Patienten mit der psychiatrischen Vorgeschichte einer Depression beschränkt ist (Goeb et al. 2006). Spät in der IFN-α Therapie auftretende depressive und kognitive Symptome sind mit Veränderungen der neuroendokrinen Aktivität und im Serotoninstoffwechsel assoziiert und sprechen gut auf Antidepressiva an. Die ebenfalls beobachteten neurovegetativen Symptome mit psychomotorischer Verlangsamung und Müdigkeit, welche früher in der Therapie mit IFN-α auftreten, sprechen auf Antidepressiva nicht an und werden durch Veränderungen im Dopaminstoffwechsel der Basalganglien vermittelt (Capuron und Miller 2004). Die Prävalenz von depressiven und Angstsymptomen ist bei Patienten mit einer entzündlichen Darmkrankheit oder einer rheumatoiden Arthritis in der aktiven entzündlichen Krankheitsphase höher als in der inaktiven Krankheitsphase und Remission (Walker et al. 2011). Umgekehrt waren eine Tumornekrosefaktor-hemmende und immunmodulierende Therapie bei Patienten mit einer entzündlichen Darmerkrankung über einen Beobachtungszeitraum von bis zu 5 Jahren mit einem signifikanten Rückgang von Angstzuständen und depressiven Symptomen verbunden (Siebenhüner et al. 2021).

    1.3.2Die psycho-biologische ­Schnittstelle

    Psychische Faktoren, einschließlich subjektivem Stresserleben und affektiver/emotionaler Zustände sowie Traumata, wurden in vielen Studien mit körperlichen Endpunkten in Zusammenhang gebracht. Konsequenterweise ist dies auch der Fall für (patho-)physiologische Veränderungen, welche den Zusammenhang zwischen psychologischen Vorgängen und körperlichen Krankheiten erklären sollen, bspw. bei kardiovaskulären Erkrankungen (Kivimäki und Steptoe 2018; Ladwig et al. 2022) (▶ Kap. 26). Eine Metaanalyse von sechs prospektiven Studien (n = 118.696) mit einer mittleren Verlaufsbeobachtung von 13,8 Jahren ergab ein um 27 % erhöhtes relatives Risiko für das erstmalige Auftreten einer koronaren Herzkrankheit bei Individuen mit hohem gegenüber niedrigem subjektiven Stresserleben im Alltag (Richardson et al. 2012). Bei Individuen, die bereits eine Arteriosklerose aufweisen, geht heftiger Ärger mit einem bis zu 5-fach erhöhten Risiko einher, in den darauffolgenden ein bis zwei Stunden einen akuten Herzinfarkt zu erleiden (Mostofsky et al. 2014). Daran beteiligte Mechanismen sind unter anderem eine durch das aktivierte sympathische Nervensystem vermittelte Ruptur einer arteriosklerotischen Plaque, Vasokonstriktion und Aktivierung der Blutgerinnung (von Känel 2015; Pedersen et al. 2017).

    Als Zeichen einer stressbedingten Beschleunigung von biologischen Alterungsprozessen wurde ein Zusammenhang zwischen erhöhtem Stresserleben im vergangenen Monat und kürzeren Telomeren gefunden (▶ Kap. 11), wobei dieser Effekt für länger andauernde und kumulative Stresserfahrungen noch deutlicher ausfiel (Mathur et al. 2016). Letzteres wurde am Beispiel von pflegenden Müttern kranker Kinder (Epel et al. 2004) und Pflegenden eines Familienangehörigen mit einer Demenz (Kiecolt-Glaser et al. 2011) sowie nach belastenden Kindheitserfahrungen (Shalev et al. 2013; Hanssen et al. 2017) eindrücklich gezeigt. Neben Studien zur Telomerverkürzung als Indikator für eine beschleunigte biologische Alterung verwenden Studien zunehmend sogenannte epigenetische »Uhren«, die anhand spezifischer Änderungen der DNA- Methylierung die biologische Alterung einschätzen (Ryan 2021; Li et al. 2022). Abweichungen der epigenetischen Alterung (Beschleunigung oder Verlangsamung) können in Abhängigkeit von sozialen und psychischen Faktoren auftreten (Oblak et al. 2021). Als psychobiologische Erklärungen für das erhöhte Krankheitsrisiko von informellen Demenzpflegenden werden unter anderem entzündliche, immunologische und neuroendokrine Veränderungen postuliert (Allen et al. 2017). Die kalifornische Adverse Childhood Experience-Studie (Felitti et al. 1998) belegt ein erhöhtes Risiko für das Auftreten körperlicher Erkrankungen (kardiovaskulär, Typ-2-Diabetes, Schlaganfall, COPD, bestimmte Tumorerkrankungen) infolge eines kumulativen Einwirkens psychischer Stressoren in Kindheit und Jugend, was letztendlich zu einer reduzierten Lebenserwartung von knapp 20 Jahren führen kann (Brown et al. 2009, ▶ Kap. 21).

    1.3.3Die bio-soziale Schnittstelle

    Eine erhöhte Krankheitslast und chronische körperliche Krankheiten können zu Belastungen und Funktionsverlusten in wichtigen sozialen Bereichen wie Beruf, Familie und Freizeitaktivitäten führen. So zeigen Patienten mit chronischen Schmerzen im Vergleich zu einer schmerzfreien Kontrollgruppe eine geringere Intensität von körperlicher Aktivität im Alltag und eine längere Zeitdauer, die sie liegend anstatt sitzend verbringen (van den Berg-Emons et al. 2007), was wiederum das Funktionsniveau infolge körperlicher Dekonditionierung beeinträchtigen kann. Die Zufriedenheit mit der Partnerschaft und dem Sexualleben und die wahrgenommene partnerschaftliche Unterstützung sinken nach dem Beginn einer Schmerzkrankheit oft ab (Leonard et al. 2006). In den drei Jahren nach einer Krebs-Diagnose verloren 26–53 % der Krebs-Überlebenden ihre Arbeitsstelle oder gaben diese auf, wobei nur jeder zweite Patient, der die Arbeit verlor, auch wieder angestellt wurde. Eine hohe Anzahl der Patienten erlitt zumindest vorübergehend Veränderungen im Anstellungsverhältnis, Gehalt und der Arbeitsfähigkeit (Mehnert 2011).

    Die Belastung durch sichtbare Hautkrankheiten umfasst nicht nur körperliche Symptome, sondern auch psychosoziale Folgen wie Depressionen, Ängste, Beeinträchtigung der Lebensqualität und geringes Selbstwertgefühl. Es hat sich gezeigt, dass Stigmatisierung bei Menschen mit Hautkrankheiten eine große Rolle spielt (Germain et al. 2021). Neben einer öffentlichen Stigmatisierung beinhalten die sozialen Auswirkungen einer sichtbaren chronischen Hautkrankheit wie der Psoriasis und Vitiligo subtile offene Zurückweisung und Diskriminierung, Geheimnistuerei sowie schambedingt unbefriedigende (sexuelle) Beziehungen (Basavarai et al. 2010).

    1.3.4Die sozio-biologische ­Schnittstelle

    Veränderungen in der sozialen Umwelt eines Individuums, so in der Arbeitswelt, den zwischenmenschlichen Beziehungen und bezogen auf sozioökonomische Gegebenheiten haben weitreichende biologische Auswirkungen (▶ Kap. 18, ▶ Kap. 19, ▶ Kap. 43.1). Diese gehen im wahrsten Sinne des Wortes »unter die Haut« und werden mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko assoziiert. In Studien, in welchen Alter und weitere Kovariaten kontrolliert wurden, war Arbeitslosigkeit mit einem um 63 % höheren relativen Mortalitätsrisiko assoziiert (Roelfs et al. 2011). Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit steigt das Mortalitätsrisiko bei beiden Geschlechtern (Garcy und Vågerö 2012), scheint sich dann aber nach zehn Jahren wieder abzuflachen (Roelfs et al. 2011). In einer Metaanalyse von Studien, in denen mehrere mögliche Störfaktoren statistisch kontrolliert wurden, waren soziale Isolation, Einsamkeit und Alleinleben jeweils mit einer um ca. 30 % erhöhten Sterblichkeitswahrscheinlichkeit verbunden. Die Frage, ob die Messung der sozialen Isolation nach objektiven oder subjektiven Gesichtspunkten erfolgte, sowie das Geschlecht, die Dauer der Nachbeobachtung und die Weltregion, in der die Studien durchgeführt wurden, hatte keinen Einfluss auf das Resultat. Allerdings hatten soziale Beeinträchtigungen bei Menschen unter 65 Jahren eine größere Vorhersagekraft für die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit (Holt-Lunstad et al. 2015). Bezogen auf die kardiovaskuläre Gesundheit ist eine geringe soziale Unterstützung ein prognostischer Faktor für das erstmalige Auftreten eines Herzinfarkts und das Versterben an einer kardialen Ursache nach einem Infarkt (Barth et al. 2010). Selbständig lebende ältere nordamerikanische Frauen mit einer finanziellen Belastung hatten eine um 60 % höhere relative Wahrscheinlichkeit, im Vergleich zu Frauen ohne finanzielle Sorgen innerhalb der nächsten fünf Jahre zu sterben; dieser Zusammenhang war unabhängig von Alter, Ethnie, Bildungsstand, Einkommen, Versicherungsstatus und Komorbiditäten (Szanton et al. 2008).

    1.3.5Die psycho-soziale Schnittstelle

    Psychische Faktoren haben unmittelbare soziale Auswirkungen. Das mit den Angststörungen einhergehende charakteristische Vermeidungsverhalten hat weitreichende Auswirkungen im Beruf und auf das soziale Funktionsniveau, so gezeigt für die soziale Phobie hinsichtlich vorzeitiger Schulabbrüche, reduzierter Arbeitsleistung und finanzieller Probleme (Stein und Kean 2000). Die eine schwerere depressive Erkrankung begleitenden Energieverlust und Apathie tragen zum sozialen Rückzug bei und fördern die soziale Isolation (Baek 2014). Tritt eine Depression bereits in der Adoleszenz auf, so steigt prospektiv das Risiko, keinen höheren Schulabschluss zu erlangen, das Risiko für Arbeitslosigkeit sowie das einer Schwangerschaft/Elternschaft (Clayborne et al. 2019).

    Als Persönlichkeitszug ist eine erhöhte Feindseligkeit mit Zynismus und Misstrauen gegenüber Mitmenschen mit einem Mangel an sozialer Unterstützung assoziiert, wobei dieser Zusammenhang bei Frauen stärker scheint als bei Männern (Hart 1998). Persönlichkeitszüge mit dem Hang, Mitmenschen aus einer eigenen Opferrolle heraus impulsiv zu manipulieren, gehen mit erhöhtem interaktionellen Konfliktpotenzial und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz mit Mitarbeitenden und Vorgesetzten, aber auch im Privatleben einher (Frankowski et al. 2016).

    Eindrückliche Daten der kalifornischen Adverse Childhood Experiences (ACE) Study zeigten einen positiven Zusammenhang zwischen der Anzahl belastender Lebensereignisse bis zum 18. Lebensjahr, einschließlich von Faktoren eines belasteten häuslichen Umfelds (u. a. Gewalt und Kriminalität in der Kernfamilie) und einer depressiven Erkrankung (Chapman et al. 2004) sowie von Suizidversuchen und risikoreichem Gesundheitsverhalten mit Drogenabusus und Promiskuität (Felitti et al. 1998, ▶ Kap. 5, ▶ Kap. 21).

    1.3.6Die sozio-psychische Schnittstelle

    Soziale Faktoren, allen voran der sozioökonomische Status (u. a. bezogen auf Einkommen, Bildung, Anstellungsgrad), haben einen eminenten Einfluss auf die psychische Gesundheit. Ein niedriger sozioökonomischer Status mit chronischem Stresserleben (Baum et al. 1999) ist mit einem erhöhten Risiko für Depression, bipolare Störung, Schizophrenie und Angststörung assoziiert (Muntaner et al. 2004). Nachbarschaftsfaktoren, wie die Verfügbarkeit einer Umgebung mit Grünflächen, erhöht das emotionale Wohlbefinden durch Kontakt mit der Natur und Ermöglichung eines günstigen Gesundheitsverhaltens in Form von körperlicher Aktivität (Barton et al. 2009). Unabhängig von somatischen Krankheiten, Alter, Geschlecht und dem sozioökonomischen Status, ergab eine große Metaanalyse, dass Stress am Arbeitsplatz das relative Risiko für das erstmalige Auftreten einer klinisch relevanten Depression erhöht, und zwar um 77 % in veröffentlichten Studien und um 27 % in unveröffentlichten Studien (Madsen et al. 2017).

    Als soziale Faktoren in der Kindheit, welche das Risiko der Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung bis zum 26. Lebensjahr erhöhten, wurden u. a. mütterlicher Stress, Verlust eines Elternteils und ein niedriger sozioökonomischer Status gefunden (Koenen et al. 2007).

    Ein Migrationsschicksal ist mit einem erhöhten Risiko für psychische Belastungen verbunden, mit einem erhöhten Risiko für Suizid und der Entwicklung von psychotischen Störungen (Patel et al. 2017). Bei Migranten, die im Ankunftsland Unterbeschäftigung und einen sozioökonomischen Abstieg erfahren, ist das Risiko, eine psychische Störung zu entwickeln, höher als bei Migranten, die keine Veränderung oder einen Aufstieg in der sozioökonomischen Position erfahren (Das-Munshi et al. 2012). Eine systematische Übersicht von Studien mit aus Syrien Geflüchteten zeigt eine hohe Prävalenz für Belastungen durch Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (26–84 %), einer majoren Depression (35–59 %) und einer Angststörung (32–92 %) (Sá et al. 2022).

    1.4Diskussion des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells

    1.4.1Kritik am bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell

    Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell wurde vor allem von Psychologen, Psychiatern und Psychosomatikern mit ganz unterschiedlichen Begründungen kritisiert. Die vier wesentlichen Kritikpunkte lauten:

    –  Das Modell sei wissenschaftlich nicht überprüfbar, da zu allgemein und nicht gut operationalisiert (Foss und Rothenberg 1987; McLaren 1998; Creed 2005).

    –  Das Modell sei ineffizient und zeitintensiv und damit in der Alltagsroutine beim einzelnen Patienten nicht anwendbar (Schwartz et al. 1985; Sadler und Hulgus 1990; McLaren 1998; Creed 2005; Herman 2005; Ghaemi 2009; Freudenreich et al. 2010; Konos 2011).

    –  Es fehlten Instrumente und Methoden, um bio-psycho-soziale Informationen beim einzelnen Patienten systematisch zu erheben (Schwartz et al. 1985; Sadler und Hulgus 1990; Herman 2005; Ghaemi 2009; Freudenreich et al. 2010).

    –  Das Modell sei überholt, da es nur für bestimmte Stress­erkrankungen verwendbar sei, und sollte in der Psychosomatik – vor dem Hintergrund eines neuen Verständnisses des Gehirns als aktivem Organ, das mit Erwartungen und Vorhersagen (»predictive processing«) arbeitet – durch das bio-hermeneutische Modell des »verkörperten Selbst« ersetzt werden (Henningsen 2021).

    Dass das Modell wissenschaftlich nicht überprüfbar ist, wurde – auf dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand – ausführlich widerlegt (▶ Kap. 1.3). Insbesondere die psychophysiologische, neurobiologische und epigenetische Forschung der letzten 20 Jahre hat eine Fülle von empirischen Befunden erbracht, die das Modell inzwischen wissenschaftlich sehr gut unterfüttern. Zugunsten der o. g. Kritiker sei gesagt, dass diese Befunde zum Zeitpunkt ihrer Kritik noch nicht oder zumindest nicht in dem jetzigen Umfang vorlagen.

    Die Kritik, dass das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell beim einzelnen Patienten aufgrund eines erhöhten zeitlichen Aufwands im Alltag nicht umsetzbar ist, ist sicherlich so pauschal nicht haltbar. Es hängt davon ab, welche inhaltlichen Priorisierungen in Klinik und Praxis Routineabläufe bestimmen. Dabei spielen u. a. die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter (z. B. Smith et al. 2013) sowie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Gesundheitswesens, z. B. ökonomische Zwänge im Rahmen einer zunehmend privatisierten und auf Rendite ausgerichteten Gesundheitsversorgung oder eines chronisch unterfinanzierten staatlichen Gesundheitswesens (z. B. das NHS in Großbritannien), eine wesentliche Rolle.

    Bereits in den 1970er Jahren wurde an mehreren medizinischen Fakultäten (z. B. McMaster Hamilton/Kanada, Maastricht/NL, Bern/CH) und später auch an US-amerikanischen Medizinfakultäten (z. B. Florida State University, Universities of California San Francisco und Davis, Washington State University sowie University of Rochester, vgl. Jaini und Lee 2015) ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell in unterschiedlicher Art und Weise ins Medizinstudium integriert.

    Ein Hindernis bei der späteren Umsetzung im praktischen Handeln ist die verbreitete Einstellung von Medizinstudierenden, dass die Berücksichtigung psychosozialer Einflussfaktoren nicht zu den ärztlichen Aufgaben gehöre (Astin et al. 2008). In Deutschland wurde das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell in der Ausbildung zum Arzt in den 1970er Jahren vor allem an den medizinischen Fakultäten in Ulm, u. a. als Ausgangspunkt der sog. studentischen Anamnesegruppen-Bewegung (Schüffel et al. 1979; Schüffel und Egle 1983), sowie später in Marburg, Köln, Witten-Herdecke, Dresden und Heidelberg umgesetzt. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Ausbildung war die Vermittlung einer bio-psycho-sozialen Anamneseerhebung. Dieses Instrument war von G. L. Engel selbst entwickelt (Morgan und Engel 1969) und im deutschsprachigen Raum v. a. von dem Engel-Schüler R. Adler eingeführt und vertreten worden (Adler und Hemmeler 1986). In den letzten Jahren wurde es im Hinblick auf Validität und Reliabilität durch aus einem Interview gewonnene Erkenntnisse ergänzt und weiterentwickelt (Smith et al. 2013, ▶ Kap. 44).

    Eine Erweiterung der Perspektiven im Sinne des Modells innerhalb des Studiums der Medizin wurde mit der letzten Novellierung der Approbationsordnung 2002 intendiert und wird noch mehr auf der Basis eines Nationalen Kompetenzorientierten Lernzielkatalogs für die Medizin (NKLM) im »Masterplan Medizinstudium 2020« eine Rolle spielen.

    Auch in der Psychotherapie werden vor dem Hintergrund der aktuellen Psychotherapieforschung sowie eines bio-psycho-sozialen Modells verfahrensübergreifende Störungsmodelle diskutiert, in die sich die Perspektiven unterschiedlicher Psychotherapie-Verfahren eingliedern lassen (Rief und Strauß 2018).

    Die Kritik, dass kein Instrument zur Anwendung des bio-psycho-sozialen Modells für die klinische Praxis zur Verfügung stehe, war und ist insofern nicht gerechtfertigt.

    Das Postulat, dass das bio-psycho-soziale Modell nur für das Verständnis bestimmter Stresserkrankungen verwendbar sei, wurde von Henningsen (2021) nicht genauer ausgeführt oder gar wissenschaftlich belegt. Offensichtlich dient es der Legitimierung des vom Autor beim Verständnis psychosomatischer Erkrankungen als umfassender propagierten »bio-hermeneutischen« Krankheitsmodells, das nicht nur äußere Stressoren, sondern auch innere Prägungen, z. B. durch Vorerfahrungen (»Priors«), und deren Wechselwirkungen mit äußeren Anforderungen berücksichtige, deren individuelle Sinnhaftigkeit in der Therapie zu entschlüsseln sei. Das bio-psycho-soziale Modell auf den Umgang mit äußeren Stressoren zu beschränken, greift vor dem Hintergrund der oben dargestellten Wechselwirkungen wissenschaftlich zu kurz.

    1.4.2Veränderung der Arzt-Patient-Beziehung

    Engels bio-psycho-soziales Krankheitsmodell führt zu einer Veränderung der ärztlichen Rolle: im bio-medizinischen Modell ist der Arzt – vergleichbar mit einem naturwissenschaftlichen Forscher – in der Rolle des distanzierten Beobachters, der vor dem Hintergrund seines Wissens um biologische Krankheitsmechanismen (»Ätio-Pathogenese«) die Beschwerdeschilderungen des Patienten, seine körperlichen Untersuchungsbefunde sowie die technisch-apparativ gewonnenen chemischen und physikalischen Befunde miteinander in Verbindung setzt, um sie zu bewerten und zu klassifizieren. Die Erweiterung der Informationsgewinnung um die psychosoziale Dimension, d. h. die individuellen Kontextfaktoren und das emotionale Erleben des Patienten vor dem Hintergrund seiner biografischen Prägungen, verändern auch die Rolle des distanzierten Beobachters: affektive Faktoren nehmen Einfluss auf die Beziehung, subjektives Erleben ist in das ärztliche Rollenverhalten zu integrieren – und idealerweise für Diagnostik und Therapie zu nutzen. Dieser »patientenzentrierte« Ansatz führt im Vergleich zum »krankheitszentrierten« des bio-medizinischen Modells auch zu einer erheblichen Verringerung der Asymmetrie in der Arzt-Patient-Beziehung. Dies schlägt sich zum einen nieder in einer zunehmenden Reflexion über die Rolle eines Arztes im interpersonalen Geschehen (z. B. Brenk-Franz et al. 2013) wie auch in einer wachsenden Bedeutung von Arzt-Patient-Begegnungen, die sich an Modellen der partizipativen Entscheidungsfindung (»shared decision making«) orientieren (Butzlaff et al. 2003).

    1.4.3Bio-psycho-soziales versus bio-behaviorales Krankheitsmodell

    Vom bio-psycho-sozialen ist ein bio-behaviorales Krankheitsmodell abzugrenzen. Bei diesem stehen die Auswirkungen einer Erkrankung auf das Verhalten des Patienten im Vordergrund. Eine bio-medizinische Differenzierung hinsichtlich pathogenetischer Entstehungsmechanismen wird dabei meist genauso ausgespart wie die Bedeutung psychosozialer Einflussfaktoren auf die biografische Entwicklung. Es handelt sich um eine additive Ergänzung des bio-medizinischen Konzepts mit dem Ziel, den Umgang des Patienten mit den Auswirkungen der Erkrankung im Alltag zu verbessern. Das bio-medizinische Pathogenese-Konzept wird dabei nicht hinterfragt, biografische Prägungen im Rahmen der Entwicklung in Kindheit und Jugend nicht berücksichtigt. Exemplarisch ausgearbeitet wurde es zu Beginn der 1990er Jahre bei chronischen Schmerzzuständen (Waddell 1987; Loeser 1991; Gatchel et al. 2007). Beim Auftreten von Schmerzen und v. a. deren Chronifizierung ist danach das individuelle Ausmaß des Leidens, das daraus resultierende Schmerzverhalten, die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung im Alltag in der Behandlung zusätzlich zu berücksichtigen. Die Ätiopathogenese der Schmerzen interessiert dabei genauso wenig wie vorausgegangene biografische Prägungen, vielmehr geht es um eine bessere Bewältigung der chronischen Schmerzerkrankung als Stressor. Im Unterschied dazu geht es im Rahmen eines bio-psycho-sozialen Schmerzmodells um die Wechselwirkungen zwischen sozialen Faktoren (»Zwei-Personen-Ebene«) und intrapsychischen Faktoren (»Personen-Ebene«) auf eine erhöhte Schmerzvulnerabilität, z. B.

    –  durch frühe Bindungsstörungen, psychische Traumatisierungen oder frühe körperliche Schmerzerfahrungen mit Auslieferungserleben (z. B. postoperativ) in der Kindheit und deren Bedeutung für die Schmerzentstehung ebenso wie für das aktuelle subjektive Schmerzerleben. Dabei entwickelt sich als Versuch der Adaptation an widrige frühe Lebensbedingungen neurobiologisch eine Dysfunktion zwischen zwei zentralen Konnektivitätsnetzwerken, was bei verschiedenartigen Sinneseindrücken zum Vorherrschen einer »Hab-Acht-Haltung« und darüber zu deren Fehlinterpretation führen kann (vgl. ▶ Kap. 31.1).

    –  aufgrund anhaltender familiärer oder Arbeitsplatzkonflikte bestehender psychischer Anspannungen, welche zur Entwicklung von Ängsten führen, die wiederum über psychophysiologische Mechanismen zu muskulärer Anspannung und schließlich zu Schmerzen führen.

    –  aufgrund einer – im Rahmen einer ungeordneten Familiensituation in der Kindheit – überwertigen Bedeutung von Kontrolle und Perfektionismus, die zu einer permanenten Selbstüberforderung im beruflichen wie familiären Bereich führt und schließlich chronische (Kopf-)Schmerzen auslöst.

    1.4.4Krankheitsmodell der psycho­analytischen Psychosomatik

    Für die Psychoanalyse und die psychoanalytische Psychosomatik, die im deutschsprachigen Raum auch an den Hochschulen lange Zeit sehr einflussreich waren – Storck (2022) sieht in der Psychoanalyse das Fundament der Psychosomatik in institutioneller und fachgeschichtlicher Hinsicht –, haben sich konzeptuelle Entwicklungen ergeben, die den »Sprung vom Seelischen ins Körperliche« (Freud 1916/17, S. 265) enträtseln sollen. In dem wohl aktuellsten Lehrbuch der psychoanalytischen Psychosomatik sieht Ermann (2020) »Psychosomatosen« (i. e. organische Erkrankungen mit morphologischen Veränderungen und nachweisbaren psychischen Einflussfaktoren) als Folge des Einflusses unbewusster emotionaler (Mangel-)Zustände: »Das (psycho-)somatische Symptom steht für Erfahrungen, die durch eine somatische Erregung repräsentiert sind und in der präverbalen Entwicklung keine seelische Repräsentanz erlangt haben. Sie sind nicht symbolisiert« (Ermann 2020, S. 389). Bezüglich der psycho-biologischen Schnittstelle spielt die »psychosomatische Grundstörung« eine zentrale Rolle, die auch durch die Unfähigkeit gekennzeichnet ist, Affekte als »psychisches Erleben wahrzunehmen und mental zu handhaben, so dass sie im Körperlichen verbleiben« (Ermann 2020, S. 391). Letztlich, so Storck (2022) ist die psychoanalytische Psychosomatik eine Theorie des Denkens, da sie psychosomatische Störungen mit Beeinträchtigungen der Symbolisierungsfähigkeit verbindet. Bisher fehlt dafür allerdings der Nachweis einer wissenschaftlichen Evidenz bei größeren Stichproben von Patientengruppen mit solchen »Psychosomatosen«. Mit dem Konzept des »Embodiment« als Beschreibung der Wechselwirkung zwischen körperlich repräsentierten Erfahrungen und »leibgetragenem psychischem Erleben« wird in aktuellen psychoanalytischen Arbeiten die psycho-biologische Schnittstelle konzeptualisiert. Dabei wird zwischen dem Leib (als dem semantisch aufgeladenen Körper) und dem Körper (als dem materiellen Körper) differenziert (vgl. Storck 2022). Dieses Embodiment-Konzept steht zunehmend auch in der Psychotherapieforschung im Kontext der Theorien des Psychotherapieprozesses und nonverbaler Manifestationen der therapeutischen Arbeitsbeziehung im Blickpunkt (vgl. z. B. Tschacher und Meier 2023).

    Eine soziale Perspektive in der psychoanalytischen Psychosomatik richtet sich vermutlich vornehmlich auf die Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene, in denen Körper und Leib eine besondere Rolle spielen, wie etwa Schönheitsoperationen, virtuelle Körperrealitäten oder Entwicklungen in der Reproduktions- oder Transplantationsmedizin (z. B. Decker 2004; Storck 2022).

    1.4.5Der bio-psycho-soziale Ansatz bei der Beurteilung krankheits­bedingter Beeinträchtigungen

    Bei der Beurteilung der körperlichen und psychischen Beeinträchtigung der Gesundheit v. a. von chronischen Krankheiten ist die Beurteilung des Einflusses von Umweltfaktoren (sozialer Hintergrund wie Arbeitswelt und soziale Netze, ökonomische Faktoren) und personengebundenen Faktoren (z. B. Alter, Geschlecht, Bildungsstand) erforderlich. Dies erfordert eine Erweiterung des bio-medizinischen Modells zu einem bio-psycho-sozialen Verständnis von Gesundheit und Krankheit. In einer Jahrzehnte dauernden Arbeit wurde dafür von der WHO die International Classification of Functioning and Disability (ICF) entwickelt. Diese soll die ICD-Klassifikation der Krankheitsbilder um eine systematische Erfassung und Darstellung der Auswirkungen der diagnostizierten Erkrankung auf das individuelle Funktionsniveau ergänzen, wie z. B. Einschränkungen der Mobilität, der Kommunikation, der sozialen Kompetenz oder der Selbstversorgung. Auch die Auswirkungen dieser krankheitsbedingten Funktionseinschränkungen auf die Teilhabe am sozialen Leben (Arbeitsplatz, Beruf, Partnerschaft, Familie) werden dabei systematisch erfasst, was bei der Zunahme chronischer Erkrankungen sowohl für Therapie als auch für Rehabilitation und Prävention von wesentlicher Bedeutung ist. Funktionsstörungen werden in der ICF nicht nur als Krankheitsfolgestörungen abgebildet, sie sind auch Ergebnis von Wechselwirkungen zwischen Bedingungen des sozialen Umfeldes und der technischen Umwelt, in dem bzw. der die Person lebt, sowie den persönlichen Eigenschaften des Patienten. Dabei können diese Einflüsse nicht nur pathogen, sondern auch kompensatorisch gesundheitserhaltend einwirken. Damit ist die ICF auch eine Erweiterung des einseitig Defizit-orientierten Ansatzes der ICD hin zur Erfassung von Ressourcen (vgl. Egle und Zentgraf 2017). Das ICF-Modell besteht in Ergänzung der ICD-Diagnose aus zwei Ebenen:

    –  Die erste Ebene umfasst die durch die diagnostizierte Erkrankung bedingte körperliche und/oder psychische Funktionsstörung sowie die daraus abzuleitenden Beeinträchtigungen bei der Teilnahme am sozialen Leben (Teilhabestörung), sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben.

    –  Die zweite Ebene umfasst die sog. Kontextfaktoren (umwelt- und personbezogene Faktoren).

    Weitere Ausführung dazu finden sich im Kapitel »Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung« (▶ Kap. 65).

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    Abb. 1.2:Weiterentwickeltes bio-psycho-soziales Krankheitsmodell

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    Abb. 1.3:Um die biografische Längsschnittdimension erweitertes bio-psycho-soziales Krankheitsmodell

    1.4.6Weiterentwicklung des bio-psycho-sozialen ­Krankheitsmodells

    Vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.3 exemplarisch aufgeführten Studien, welche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Systemebenen des bio-psycho-sozialen Modells Engels belegen, sowie zahlloser weiterer Studien, auf die in vielen der Grundlagen-Kapitel des vorliegenden Werks verwiesen wird, haben wir den Versuch unternommen, das bio-psycho-soziale Modell weiterzuentwickeln und zu spezifizieren (▶ Abb. 1.2 und ▶ Abb. 1.3).

    Einige der biologischen Systeme wurden dabei spezifiziert. Eine große Bedeutung im Hinblick auf stressbezogene Erkrankungen haben Rezeptoren und Botenstoffe (z. B. Hormone, Cytokine) bekommen, in jüngster Zeit auch das Mikrobiom (▶ Kap. 28.1). Neu hinzugekommen ist das Schlaf-Wach-System, dessen grundlegende Bedeutung für Gesundheit und Krankheitsvulnerabilität in den letzten zehn Jahren wissenschaftlich immer klarer wurde und dem in diesem Buch drei Kapitel gewidmet sind (▶ Kap. 33.1 bis 33.3). Aufgrund der zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hirnforschung in den letzten 15 Jahren erscheint es uns erforderlich, das Gehirn und die Vernetzung seiner verschiedenen Bereiche sowie die direkte Beeinflussung seines Funktionierens durch biologische ebenso wie durch psychische und soziale Faktoren als eigenständige Systemebene abzugrenzen.

    Bei den sozialen Systemen haben wir hingegen Engels Modell weitestgehend übernommen. Nur sein Subsystem »community« haben wir in »soziales Netz« und »Arbeit« aufgeteilt; auch dies auf der Basis differenzierterer wissenschaftlicher Erkenntnisse.

    Bei der genaueren Beschäftigung mit Engels Krankheitsmodell fällt auf, dass die psychische Dimension (»Person-Ebene«) mit den Begriffen »experience« und »behavior« wenig differenziert ist. Uexkülls Situationskreis-Modell kann hier als eine konzeptionelle Ergänzung bzw. Erweiterung gesehen werden.

    Ergänzt haben wir Engels Modell, dessen bio-psycho-soziale Wechselwirkungen in erster Linie auf eine Querschnittsbetrachtung ausgerichtet waren, um eine Längsschnittdimension, welche auch frühe Umweltbedingungen und damit einhergehende Prägungen berücksichtigt (▶ Abb. 1.3). Diese sind sowohl Bestandteil von von Uexkülls Situationskreis-Modell als auch des neuen Konzepts des »predictive processing«, nach dem das Gehirn mit Hypothesen bzw. Erwartungen arbeitet. Diese beruhen auf vorausgegangenen Lernerfahrungen, welche die Diskrepanz zwischen realem und erwartetem sensorischem Input zu minimieren und dadurch nicht zuletzt den Energieverbrauch auf das Nötigste zu reduzieren versuchen (▶ Kap. 29.3).

    Neben aversiven Kindheitsbelastungen spielen hier oft auch kompensatorisch wirksame Resilienzfaktoren eine Rolle (▶ Kap. 17, ▶ Kap. 21). Beide können in der biografischen Entwicklung direkt wie indirekt – über epigenetische Gen-Umwelt-Interaktionen – zu individuell bedeutsamen bio-psycho-sozialen Prägungen führen.

    1.4.7»Personalisierte Medizin« und bio-psycho-soziales Krankheits­modell

    Unter dem Begriff »personalisierte Medizin« oder »Präzisionsmedizin« gibt es aktuell in der Medizin Bestrebungen, das bio-medizinische Krankheitsmodell weiterzuentwickeln: medizinische Behandlung, v. a. im Bereich der Pharmakotherapie, soll in Form individueller Genom- und molekularbiologischer Analysen für den einzelnen Patienten maßgeschneidert werden (National Research Council 2011). Dies geschieht auf der Basis des Konzepts einer evidenzbasierten Medizin. Deren Ergebnisse haben in den letzten zwanzig Jahren zwar zu einer besseren wissenschaftlichen Fundierung medizinischen Handelns beigetragen, dem in der praktischen Versorgung tätigen Arzt jedoch oft keine hinreichende Orientierungshilfe für den individuellen Patienten gegeben. Die Erhebung genetischer und molekularbiologischer Parameter wird dieses Problem allein nicht hinreichend lösen können, wenn nicht psychische, soziale und umweltbezogene sowie biografische Faktoren des einzelnen Patienten

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