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Krieg und Frieden. Band Drei: Roman in vier Bänden
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eBook366 Seiten

Krieg und Frieden. Band Drei: Roman in vier Bänden

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Über dieses E-Book

Tolstois episches Meisterwerk verflechtet das Leben privater und öffentlicher Personen während der Zeit der napoleonischen Kriege und der französischen Invasion in Russland. Die Schicksale der Rostows und der Bolkonskys, von Pierre, Natascha und Andrej, sind eng mit der nationalen Geschichte verbunden, die sich parallel zu ihrem Leben abspielt. Bälle und Soireen wechseln sich ab mit Kriegsräten und den Machenschaften von Staatsmännern und Generälen, Szenen heftiger Kämpfe mit alltäglichen menschlichen Leidenschaften in einem Werk, dessen außergewöhnliche Vorstellungskraft nie übertroffen wurde. Die vielen kleinen und großen Charaktere scheinen zu handeln und sich zu bewegen, als wären sie durch Schicksalsfäden miteinander verbunden, während der Roman unerbittlich Ideen von freiem Willen, Schicksal und Vorsehung hinterfragt. Tolstois Darstellung der ehelichen Beziehungen und Szenen der Häuslichkeit ist ebenso wahrheitsgetreu und ergreifend wie die großen Themen, die ihnen zugrunde liegen.

Dies ist der dritte Band von insgesamt vier Bänden des Meisterwerks von Leo N. Tolstoi in der Übersetzung von L. A. Hauff.
SpracheDeutsch
Herausgeberapebook Verlag
Erscheinungsdatum10. März 2024
ISBN9783961306244
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    Buchvorschau

    Krieg und Frieden. Band Drei - Leo N. Tolstoi

    KRIEG UND FRIEDEN wurde in der hier zugrundeliegenden Übersetzung zuerst veröffentlicht von O. Janke, Berlin 1893.

    Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von

    © apebook Verlag, Essen (Germany)

    www.apebook.de

    2024

    V 1.0

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

    BAND 3

    ISBN 978-3-96130-624-4

    Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

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    Inhaltsverzeichnis

    Krieg und Frieden. Band 3

    Impressum

    133

    134

    135

    136

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    Zu guter Letzt

    133

    Am 29. Mai verließ Napoleon Dresden, wo er drei Wochen zugebracht hatte, umgeben von einem Hof von Fürsten, von Herzögen, Königen und sogar einem Kaiser. Vor seiner Abreise schmeichelte Napoleon den Prinzen und Königen, welche das verdient hatten, und gab den Königen und Fürsten, mit denen er unzufrieden war, seine Ungnade zu erkennen, beschenkte die österreichische Kaiserin mit Brillanten und umarmte zärtlich die Kaiserin Maria Luise, welche die Trennung kaum noch ertragen zu können schien. Obgleich die Diplomatie noch fest an die Möglichkeit des Friedens glaubte, und obgleich Napoleon selbst an Kaiser Alexander einen Brief geschrieben hatte, worin er ihn »mein Herr Bruder« nannte und versicherte, er wünsche keinen Krieg, fuhr er doch zur Armee ab und gab auf jeder Station neue Befehle, um den Marsch der Armee gegen Osten zu beschleunigen. Er fuhr in einem sechsspännigen Reisewagen, umgeben von seinen Adjutanten, über Posen, Thorn, Danzig, nach Königsberg; überall kamen ihm Tausende von Menschen zitternd und zögernd entgegen.

    Am 10. Juni holte er die Armee ein und übernachtete im Walde von Wilkowischki, wo auf dem Gute eines polnischen Grafen Quartier für ihn bereitgehalten wurde.

    Nachdem Napoleon am anderen Tag die Armee überholt hatte, fuhr er im Wagen an den Niemen, um die Örtlichkeit des Übergangs zu besichtigen. Er trug eine polnische Uniform und fuhr ans Ufer.

    Als er am jenseitigen Ufer Kosaken und die unabsehbare Ebene erblickte, gab er, für alle unerwartet und allen strategischen und diplomatischen Rücksichten entgegen, den Befehl zum Einmarsch, und am nächsten Morgen begann die Armee den Niemen zu überschreiten.

    Frühmorgens am 12. Juni trat er aus dem Zelt, welches am Ufer des Niemen für ihn errichtet worden war, und blickte durch ein Fernrohr nach den Heersäulen, welche aus dem Wald von Wilkowischki hervorkamen und sich über die drei Brücken, die über den Niemen geschlagen waren, ergossen. Den Truppen war es bekannt, daß der Kaiser zugegen war, sie suchten ihn mit ihren Blicken, und als sie vor dem Zelt auf der Höhe seine Gestalt im Mantel und Hut erblickten, warfen sie die Mützen in die Höhe und riefen: »Vive l'empereur!« – »O, wenn der Kaiser selber da ist, dann geht's vorwärts! Jetzt gibt's einen lustigen Feldzug!« – »Sieh doch, da ist er! Hurra!« – »Und dort sind diese asiatischen Steppen! Wirklich ein sonderbares Land! Auf Wiedersehen. Beaugieu! Wenn ich Gouverneur von Indien bin, mache ich dich zum Minister von Kaschmir.« – »Hurra! Siehst du, da ist er! Ich habe ihn zweimal gesehen, den kleinen Korporal!« riefen die Stimmen alter und junger Soldaten von den verschiedensten Charakteren und Lebensstellungen. Auf allen diesen Gesichtern sah man nur Freude über den Anfang des langersehnten Feldzugs und Enthusiasmus für den Mann im grauen Rock, der auf dem Berge stand.

    Am 13. Juni brachte man Napoleon ein kleines, arabisches Vollblutpferd. Er stieg auf und ritt im Galopp zu einer der Brücken über den Niemen, unaufhörlich von den enthusiastischen Zurufen der Soldaten begleitet, die er augenscheinlich nur ertrug, weil man den Soldaten nicht verbieten konnte, ihre Begeisterung für ihn auf diese Weise auszudrücken. Aber diese Zurufe waren ihm lästig und störend. Er ritt über die schwankende Schiffbrücke hinüber, wandte sich scharf zur Linken und ritt im Galopp in der Richtung nach Kowno weiter, wohin seine glückstrahlenden, reitenden Gardejäger ihm vorausgaloppierten. Als er an die Wilja kam, hielt er neben einem polnischen Ulanenregiment an, das am Ufer stand.

    »Vivat!« schrien die Polen ebenso enthusiastisch. Ihre Reihen lösten sich auf und sie drängten einander, um ihn zu sehen. Napoleon stieg vom Pferde und setzte sich auf einen Balken, der am Ufer lag. Auf ein stummes Zeichen reichte man ihm das Fernrohr. Er legte es auf die Schulter eines herbeigeeilten Pagen und blickte nach dem anderen Ufer hinüber. Dann betrachtete er lachend die Landkarte, welche auf dem Balken ausgebreitet war. Ohne den Kopf zu erheben, sagte er etwas, und zwei seiner Adjutanten galoppierten zu den polnischen Ulanen.

    »Was hat er gesagt?« fragten die polnischen Ulanen, als einer der Adjutanten sie erreichte.

    Sie brachten den Befehl, die Furt aufzusuchen und auf das jenseitige Ufer überzusetzen. Der polnische Ulanenoberst, ein schöner, alter Mann, blickte errötend vor Aufregung den Adjutanten an und fragte, ob es ihm erlaubt sein werde, mit seinen Ulanen den Fluß zu durchschwimmen, ohne die Furt aufzusuchen. Wie ein Knabe, der um die Erlaubnis bittet, ein Pferd zu besteigen, erwartete er gespannt die Erlaubnis, den Fluß unter den Augen des Kaisers zu durchschwimmen. Der Adjutant sagte, wahrscheinlich werde der Kaiser über diesen Eifer nicht unzufrieden sein.

    Kaum hatte der Adjutant dies gesagt, als der alte Offizier mit strahlenden Augen den Säbel in die Höhe hob und rief: »Vivat!« und den Ulanen befahl, ihm zu folgen. Er gab dem Pferde die Sporen und ritt im Galopp an den Fluß. Er trieb sein Pferd an und ritt in den reißenden Strom. Die Ulanenschwadron galoppierte ihm nach. Es war kalt in der Mitte des Stroms. Die Ulanen hingen sich aneinander, einige Pferde sanken ein und die Leute bemühten sich, nach dem anderen Ufer zu schwimmen, und obgleich eine halbe Werst weiter ein Übergang war, waren sie doch stolz darauf, über diesen Fluß zu schwimmen oder zu ertrinken unter den Augen des Mannes, der auf dem Balken saß und nicht einmal nach ihnen sah, was sie machten. Der zurückkehrende Adjutant wählte einen passenden Augenblick, um den Kaiser auf die Hingebung der Polen für seine Person aufmerksam zu machen. Der kleine Mann im grauen Mantel stand auf, rief Berthier zu sich und ging mit ihm am Ufer auf und ab, gab Befehle und blickte zuweilen gemütlich nach den ertrinkenden Ulanen.

    Es war ihm nicht neu, daß seine Anwesenheit an allen Enden der Welt überall die Soldaten in einen sinnlosen Enthusiasmus versetzte.

    Etwa vierzig Ulanen ertranken im Fluß, obgleich man Boote zur Hilfe sandte. Die meisten kehrten an das diesseitige Ufer zurück, der Oberst und einige Ulanen aber durchschwammen den Fluß und erstiegen mit Mühe das andere Ufer. Sobald sie es erstiegen hatten, riefen sie: »Vive l'empereur!« und blickten entzückt nach der Stelle, wo Napoleon stand.

    Am Abend gab Napoleon den Befehl, dem polnischen Obersten, der sich ganz ohne Not in den Fluß gestürzt hatte, den Orden der Ehrenlegion zu verleihen, dessen Haupt Napoleon war.

    134

    Währenddessen hielt sich der russische Kaiser seit mehr als zwei Wochen in Wilna auf, wo er Revuen und Manöver abhielt. Nichts war zum Kriege vorbereitet, den alle erwarteten. Es existierte kein Kriegsplan, von den drei Armeen hatte jede ihren besonderen Oberkommandierenden, aber einen Befehlshaber über alle Armeen gab es nicht und der Kaiser übernahm diesen Posten nicht.

    Je länger der Kaiser in Wilna war, desto weniger geschah für den bevorstehenden Krieg. Die Umgebung des Kaisers schien nur an Bälle und Festlichkeiten zu denken. An demselben Tag, wo Napoleon den Befehl zum Überschreiten des Niemen gab und seine Vortruppen die Kosaken zurückdrängten und die russische Grenze überschritten, war Kaiser Alexander auf einem Ball, den die Generaladjutanten vorbereitet hatten, im Landhaus des Generals Grafen Bennigsen, der bei Wilna ein Gut besaß.

    Der Ball war glänzend. Selten hatten sich so viele Schönheiten auf einer Stelle versammelt. Auch Boris Drubezkoi, welcher seine Frau in Moskau zurückgelassen hatte, war zugegen, und obgleich er kein Generaladjutant war, hatte er sich doch mit einer bedeutenden Summe für die Kosten des Festes unterschrieben. Boris war jetzt reich, suchte nicht mehr nach Gönnerschaften, sondern stand auf gleichem Fuß mit hohen Würdenträgern. Um zwölf Uhr nachts wurde noch getanzt. Helene, die keinen würdigen Tänzer hatte, forderte selbst Boris zur Masurka auf. Gleichmütig blickte er über die glänzenden Schultern Helenes weg, welche aus einem dunklen Gazekleid mit Goldstickerei hervorsahen, erzählte von alten Bekannten und beobachtete dabei beständig den Kaiser, der nicht tanzte und bald an den einen, bald an den anderen freundliche Worte richtete, wie nur er sie auszusprechen verstand.

    Beim Anfang der Masurka bemerkte Boris, daß der Generaladjutant Balaschew sich dem Kaiser näherte und stehenblieb, während der Kaiser mit einer polnischen Dame sprach. Der Kaiser blickte ihn fragend an und begriff, daß Balaschew eine wichtige Meldung zu machen habe. Er nickte der Dame zu und wandte sich an den General. Nach den ersten Worten desselben drückte sich auf dem Gesicht des Kaisers Verwunderung aus. Er nahm Balaschew unter den Arm und ging mit ihm durch den Saal, wo sich sogleich eine weite Gasse vor ihm öffnete. Boris bemerkte das aufgeregte Gesicht Araktschejews, des Kriegsministers, welcher Balaschew neidisch nachsah und dem Kaiser folgte.

    Aber der Kaiser bemerkte ihn nicht und ging mit Balaschew in den hell erleuchteten Wintergarten.

    Während Boris tanzte, quälte ihn beständig die Neugierde, was Balaschew Neues zu melden hatte, und wie er das früher als andere erfahren könnte. Als er eine Dame zu wählen hatte, flüsterte er Helene zu, er wolle die Gräfin Potocki auffordern, welche auf den Balkon hinausgegangen sei. Er glitt über das Parkett bis zur Eingangstür des Saales, und als er den Kaiser auf der Terrasse erblickte, hielt er an. Der Kaiser hatte sich mit Balaschew der Tür wieder zugewandt. Boris drückte sich diensteifrig, als ob er nicht mehr Zeit habe, zurückzutreten, an die Wand und senkte den Kopf.

    Mit der Aufregung eines persönlich beleidigten Mannes sprach der Kaiser folgende Worte: »Ohne Kriegserklärung in Rußland einzufallen! Ich werde nur dann Frieden schließen, wenn nicht ein bewaffneter Feind mehr auf meinem Boden steht«, sagte er. Der Kaiser schien über die Ausdrucksform seines Gedankens sehr befriedigt zu sein, aber unzufrieden darüber, daß Boris seine Worte gehört hatte.

    »Es soll niemand davon erfahren«, fügte der Kaiser mit finsterer Miene hinzu. Boris begriff, daß das ihm galt, schloß die Augen und senkte den Kopf. Der Kaiser trat wieder in den Saal und blieb noch eine halbe Stunde auf dem Ball.

    So hatte Boris zuerst die Nachricht vom Übergang der Franzosen über den Niemen erfahren und benutzte dies auf geschickte Weise, um einigen hochgestellten Persönlichkeiten bemerklich zu machen, daß er vieles wisse, was anderen verborgen sei und dadurch in der Meinung dieser Personen zu steigen.

    *

    Diese Nachricht kam besonders unerwartet nach einer monatelangen Erwartung, und auf einem Ball in der ersten Aufregung hatte der Kaiser diesen später berühmt gewordenen Ausspruch gefunden, der ihm selbst so gefiel. Als der Kaiser von dem Ball zurückgekehrt war, sandte er um zwei Uhr nachts nach seinem Sekretär Schischkow und befahl, eine Proklamation an die Truppen zu schreiben, in der durchaus seine Worte wiederholt werden sollten, daß er nicht Frieden schließen werde, bis kein bewaffneter Franzose mehr auf russischem Boden stehe. Am folgenden Morgen schrieb er einen Brief an Napoleon, worin er seine Bereitwilligkeit zum Frieden aussprach.

    135

    Am 13. Juni um zwei Uhr nachts ließ der Kaiser Balaschew zu sich rufen, las ihm seinen Brief an Napoleon vor und trug ihm auf, den Brief dem französischen Kaiser persönlich zu übergeben. Der Kaiser hatte jene Worte in dem Brief an Napoleon nicht angewendet, weil er sie hier nicht für angebracht hielt, wo er einen letzten Versuch zur Versöhnung machen wollte, aber er schärfte Balaschew ein, sie mündlich Napoleon zu wiederholen.

    Begleitet von einem Trompeter und zwei Kosaken ritt Balaschew gegen Morgen nach dem Dorfe Rykonty zu dem französischen Vorposten und wurde von einem französischen Kavallerieposten angehalten. Der französische Husarenunteroffizier in dunkelblauer Uniform und Pelzmütze rief Balaschew zu, zu halten, und als dieser im Schritt weiterritt, rief der Unteroffizier zornig den russischen General an, ob er taub sei. Balaschew nannte seinen Namen, worauf der Unteroffizier einen Soldaten zum Offizier schickte. Eben ging die Sonne auf und die Luft war frisch und tauig. Auf dem Wege vom Dorf wurde eine Herde fortgetrieben. Während Balaschew sich nach dem Offizier umsah, blickten die Kosaken und die Franzosen einander neugierig an. Ein französischer Husarenoberst, der eben erst das Bett verlassen zu haben schien, kam auf einem schönen, wohlgenährten Pferd, begleitet von zwei Husaren, vom Dorf her. Es war die erste Zeit des Feldzuges, wo die Truppen noch in bester Verfassung und in jener heiteren, unternehmungslustigen Stimmung sich befinden, welche immer den Anfang eines Feldzuges begleitet. Der französische Oberst unterdrückte mit Mühe ein Gähnen, war aber höflich und begriff die Bedeutung Balaschews. Er führte ihn an den Soldaten vorüber hinter die Kette und äußerte, sein Wunsch, dem Kaiser vorgestellt zu werden, werde wahrscheinlich sogleich erfüllt werden, da sich das Hauptquartier, soviel er wisse, in der Nähe befinde. Als sie durch das Dorf und an einem Krug vorbeigeritten waren, kam ihnen eine Gruppe Reiter entgegen. An der Spitze derselben erblickten sie einen hochgewachsenen Reiter mit einem Federhut, mit schwarzen, auf die Schultern herabhängenden Haaren und einem roten Mantel. Dieser Reiter kam Balaschew im Galopp entgegen, während seine Edelsteine an Armbändern und Goldstickereien in der Sonne glänzten.

    »Der König von Neapel!« flüsterte der französische Oberst.

    Es war wirklich Murat, welcher jetzt König von Neapel genannt wurde, obgleich dies ganz unbegreiflich war. Er war so fest überzeugt, daß er wirklich König von Neapel sei, daß er am Abend vor seiner Abreise von Neapel, als einige Italiener ihm bei einem Spaziergang mit seiner Frau durch die Straßen zuriefen: »Es lebe der König!« mit melancholischem Lächeln zu seiner Gattin sagte: »Die Unglücklichen, sie wissen nicht, daß ich sie morgen verlasse.«

    Als er den russischen General erblickte, warf er feierlich, in königlicher Haltung den Kopf zurück und blickte fragend den französischen Oberst an. Dieser meldete seiner Majestät den Auftrag Balaschews, dessen Namen er nicht aussprechen konnte.

    »De Bal-macheve! Sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen, General!« sagte der König mit gnädiger Gebärde. Sogleich aber verließ ihn die königliche Würde und er verfiel in seinen gewohnten Ton.

    »Nun, wie ist's, General, es scheint, es kommt zum Kriege?« sagte er.

    »Der Kaiser wünscht keinen Krieg, wie Eure Majestät sehen werden«, sagte Balaschew, der bei jeder Gelegenheit die Anrede »Eure Majestät« anwendete und durch alle Fälle deklinierte.

    Das Gesicht Murats strahlte in einfältigem Vergnügen. Die königliche Würde legte Verpflichtungen auf, er empfand die Notwendigkeit, mit dem Gesandten Alexanders von politischen Angelegenheiten als König und Verbündeter zu sprechen. Endlich richtete er sich feierlich auf und sagte mit einer königlichen Handbewegung: »Ich halte Sie nicht länger zurück, General, und wünsche Ihnen allen Erfolg.« Dann ritt er mit wallenden Federn zu seiner Suite zurück, die ihn ehrerbietig erwartete. Balaschew erwartete nach den Worten Murats, sehr bald dem Kaiser vorgestellt zu werden, aber er wurde zunächst nur zum Marschall Davoust geführt.

    136

    Davoust war der Araktschejew des Kaisers Napoleon. Araktschejew war kein Feigling, aber ebenso pünktlich und grausam und wußte seine Ergebenheit nicht anders auszudrücken als durch Grausamkeit. Im Mechanismus eines Reichsorganismus sind solche Leute notwendig, wie Wölfe im Organismus der Natur, und sie sind immer vorhanden, wie wenig auch ihre Anwesenheit an der Spitze der Regierung erklärlich scheint. Nur durch diese Notwendigkeit wird es erklärlich, wie der grausame, ungebildete, unhöfliche Araktschejew, der den Grenadieren selbst die Schnurrbarte in die Höhe drehte und aus Nervenschwäche keine Gefahr ertragen konnte, bei dem ritterlichen, edlen und milden Charakter Alexanders die Obergewalt erlangen konnte.

    Balaschew traf Marschall Davoust in der Scheune eines Bauernhauses an, auf einem Fäßchen sitzend und mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt. Ein Adjutant stand neben ihm. Davoust hätte ein besseres Unterkommen finden können, aber er war einer jener Menschen, welche absichtlich die düstere Umgebung aufsuchen, um das Recht zu haben, ein finsteres Wesen zu zeigen. »Wie kann ich an die glückliche Seite des Menschenlebens denken, wenn ich hier, wie Sie sehen, in einer schmutzigen Scheune auf einem Fäßchen sitze und arbeite«, sagte seine Miene. Er vertiefte sich noch mehr in seine Arbeit, und als er auf dem Gesicht Balaschews den unangenehmen Eindruck dieses Empfangs wahrnahm, erhob er den Kopf und fragte kühl, was er wünsche. Balaschew schrieb diesen Empfang dem Umstand zu, daß Davoust nicht wußte, daß er Generaladjutant des Kaisers Alexander und dessen Vertreter sei, und beeilte sich daher, Davoust seinen Stand und seine Bedeutung mitzuteilen. Wider Erwarten aber wurde Davoust noch finsterer und unhöflicher.

    »Wo ist Ihr Brief?« sagte er. »Geben Sie her! Ich werde ihn dem Kaiser übersenden.«

    Balaschew erwiderte, er habe Befehl, den Brief dem Kaiser selbst zu übergeben.

    »Die Befehle Ihres Kaisers werden in Ihrer Armee ausgeführt«, erwiderte Davoust, »hier aber müssen Sie tun, was man Ihnen sagt.«

    Balaschew zog den Brief aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. Davoust ergriff ihn und las die Adresse.

    »Es steht Ihnen frei, mir Achtung zu erweisen oder nicht«, sagte Balaschew, »aber erlauben Sie mir, zu bemerken, daß ich die Ehre habe, Generaladjutant Seiner Majestät zu sein!«

    »Man wird Ihnen erweisen, was Ihnen zukommt«, sagte Davoust, sichtlich befriedigt über die Aufregung Balaschews. Er steckte den Brief in die Tasche und verließ die Scheune. Bald darauf trat ein Adjutant des Marschalls, Herr de Castrie, ein und führte Balaschew in ein für ihn bereitetes Quartier. Balaschew speiste an diesem Tage in der Scheune mit dem Marschall auf einer Tür, welche über zwei Fässer gelegt war. Am anderen Tag fuhr Davoust frühmorgens davon, nachdem er Balaschew zu sich berufen und ihm eindringlich gesagt hatte, er bitte ihn, hierzubleiben und mit der Bagage weiterzurücken, wenn er dazu Auftrag habe, aber mit niemand zu sprechen, außer mit Herrn de Castrie.

    Nach viertägiger Einsamkeit und Langweile im Gefühl der Ohnmacht und Nichtigkeit, das besonders drückend war, nachdem er sich vor kurzem erst in der Sphäre der Macht befunden hatte, wurde Balaschew mit der Bagage nach Wilna geführt, das die Franzosen eingenommen hatten. Am anderen Tage teilte ihm ein Kammerherr mit, Napoleon wünsche ihn in Audienz zu empfangen. Vier Tage zuvor hatten vor dem Hause, in das Balaschew geführt wurde, Schildwachen vom Preobraschenskischen Regiment gestanden. Jetzt standen an derselben Stelle französische Grenadiere und eine glänzende Suite von Adjutanten und Generalen erwartete Napoleons Herauskommen. Sein Reitpferd stand vor der Vortreppe des Hauses bereit neben dem Mameluken Rustan. Napoleon empfing Balaschew in demselben Hause in Wilna, von dem aus Alexander ihn abgesandt hatte.

    137

    Obgleich Balaschew an den Luxus des Hoflebens gewöhnt war, setzte ihn doch der Glanz am Hofe Napoleons in Erstaunen. Der Adjutant, Graf Turenne, führte ihn in ein großes Empfangszimmer, wo viele Generale, Kammerherren und polnische Magnaten warteten, von denen Balaschew viele am Hofe des russischen Kaisers gesehen hatte. Nach kurzen Worten trat ein Kammerherr in das Empfangszimmer, verbeugte sich höflich vor Balaschew und lud ihn ein, ihm zu folgen. Balaschew trat in ein kleines Empfangszimmer, von dem eine Tür in das Kabinett führte, dasselbe, aus dem ihn Kaiser Alexander abgesandt hatte. Rasch öffneten sich beide Flügeltüren, alles verstummte, und aus dem Kabinett kam Napoleon mit raschen, entschiedenen Schritten, in blauer Uniform, mit weißer Weste und Reitstiefeln. Sein weißer, dicker Hals trat scharf hervor aus dem schwarzen Kragen der Uniform, er war mit kölnischem Wasser parfümiert. Auf seinem Gesicht mit dem scharf hervortretenden Kinn lag der Ausdruck kaiserlicher Majestät und Gnade. Er beantwortete die tiefe Verbeugung Balaschews mit einem Kopfnicken, trat auf ihn zu und begann sogleich zu sprechen, wie ein Mann, der jede Minute seiner Zeit zu schätzen weiß.

    »Guten Tag, General«, sagte er. »Ich erhielt den Brief des Kaisers Alexander, den Sie brachten, und bin

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