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Harrowmore Diary (Band 2): Tibby und die Saat des Blutes
Harrowmore Diary (Band 2): Tibby und die Saat des Blutes
Harrowmore Diary (Band 2): Tibby und die Saat des Blutes
eBook264 Seiten

Harrowmore Diary (Band 2): Tibby und die Saat des Blutes

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Über dieses E-Book

Blut fließt in Malmö – und das fast jede Nacht. Immer mehr Menschen werden Opfer von Vampiren und nur wenige überleben das. Während die Angst in der schwedischen Küstenstadt um sich greift, kann Tibby es kaum glauben, dass ausgerechnet ihm die Aufgabe zufällt, das Versteck der Blutsauger aufzuspüren. Doch schon bald findet er eine Spur und diese führt ihn geradewegs in eine Schule …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Mai 2024
ISBN9783038963127
Harrowmore Diary (Band 2): Tibby und die Saat des Blutes

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    Buchvorschau

    Harrowmore Diary (Band 2) - Miriam Rademacher

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Epilog

    Dank

    Miriam Rademacher

    Harrowmore Diary

    Band 2: Tibby und die Saat des Blutes

    Fantasy

    Harrowmore Diary (Band 2): Tibby und die Saat des Blutes

    Blut fließt in Malmö – und das fast jede Nacht. Immer mehr Menschen werden Opfer von Vampiren und nur wenige überleben das. Während die Angst in der schwedischen Küstenstadt um sich greift, kann Tibby es kaum glauben, dass ausgerechnet ihm die Aufgabe zufällt, das Versteck der Blutsauger aufzuspüren. Doch schon bald findet er eine Spur und diese führt ihn geradewegs in eine Schule …

    Die Autorin

    Miriam Rademacher wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf und begann früh mit dem Schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie mag Regen, wenn es nach Herbst riecht, wenn es früh dunkel wird und die Printen beim Lesen wieder schmecken. In den letzten Jahren hat sie zahlreiche Kurzgeschichten, Fantasyromane, Krimis, Jugendbücher und ein Bilderbuch für Kinder veröffentlicht.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Mai 2024

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2024

    Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

    Lektorat / Korrektorat: Lektorat Laaksonen | Stefan Wilhelms

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-311-0

    ISBN (epub): 978-3-03896-312-7

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für Christiana

    Danke für unsere unerschütterliche Freundschaft

    Prolog

    September 1962, Malmö

    Fria Öberg spannte ihren Regenschirm auf. Nur Sekunden später drängte sich eine Gruppe Zweitklässler ganz nah an sie heran, um ebenfalls vor den dicken Regentropfen geschützt zu sein, die aus einem bleigrauen Himmel herabstürzten. Die Ecke eines Schulranzens traf sie dabei schmerzhaft am unteren Rippenbogen, doch Fria biss die Zähne zusammen und strich dem semmelblonden Besitzer der Tasche sanft über das akkurat gescheitelte Haar.

    Ein langer, trockener Sommer war zu Ende gegangen und machte einem nassen Herbst Platz, in dem es täglich kühler wurde. Die Kinder um sie herum wollten davon freilich noch nichts wissen. Und natürlich hatte keines von ihnen einen eigenen Schirm oder auch nur eine wetterfeste Jacke dabei, obwohl ihre Eltern es hätten besser wissen können.

    Doch im Alltag der Erwachsenen gingen solche Kleinigkeiten oft unter. Ganz besonders in diesem Teil der Stadt, wo es nur wenige Mütter gab, die nicht berufstätig waren.

    Fria Öberg arbeitete seit zwei Jahren als Lehrerin am Rande von Malmö und liebte ihre Arbeit mit den Kindern.

    Wenngleich sie in Wahrheit keinerlei Qualifikationen für eine solche Aufgabe besaß. Das aber wusste niemand, der sie hier kannte. Nicht die Kollegen, nicht der Schulrektor und schon gar nicht die Kinder.

    Ja, tatsächlich ahnte auch keiner der Menschen an der Lindeström-Schule, dass Fria Öberg gar nicht ihr richtiger Name war und sie nicht einmal aus Schweden stammte.

    Lauter kleine Geheimnisse, die, nach Frias Meinung, niemandem wehtaten und demnach zwangsläufig auch keinen etwas angingen außer sie selbst.

    »Wann kommt denn endlich der Bus?«

    Die kleine Ava sah treuherzig zu ihr auf. In den zerzausten weißblonden Haaren des Mädchens glitzerten Regentropfen, und sie schien in ihrem dünnen Sommerkleid, über dem sie nur eine Strickjacke mit zu kurz gewordenen Ärmeln trug, zu frieren.

    »Er hat noch fast fünf Minuten, um pünktlich einzutreffen«, antwortete Fria nach einem schnellen Blick auf ihre Armbanduhr. »Hab noch etwas Geduld.«

    Wie an jedem Freitagmittag führte Fria die Busaufsicht an der Haltestelle hinter der Schule. Von diesem Punkt aus wurden die Kinder, deren Schulweg als ›zu weit zum Laufen‹ erachtet wurde, abgeholt und näher an ihr Zuhause herangefahren.

    Meist waren es die jüngeren Schüler, die den Bus nahmen. Etwa ab der fünften Klasse zogen es die Schüler vor, das Fahrrad zu benutzen. Daher war keines der Buskinder an diesem Tag älter als zehn Jahre.

    Jeden Tag kam der klapprige Kleinbus hier an, dessen Fenster sich nie ganz schließen ließen, weswegen die Hälfte der Buskinder auch ständig erkältet war, und holte die Horde ab. Bei schlechtem Wetter wie heute bestand keine Gefahr, dass die Kinder zu wild am Straßenrand herumtollten.

    Aber oft genug war es nur Frias Wachsamkeit zu verdanken, dass keiner der Rabauken zu Schaden kam.

    Jetzt jedoch waren alle Blicke auf die Kurve nahe der Bäckerei gerichtet, durch die sich ihnen der Bus jeden Moment nähern musste. Sie alle wollten ins Trockene.

    Lediglich Frias Aufmerksamkeit wanderte gelegentlich nach oben, zu dem Balkon auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Auf ihm konnte sie die Gestalt des einsamen Mannes erkennen.

    Wie jeden Tag stand er dort und schaute auf sie und die Schüler herab. Wie jeden Tag verharrte er an dieser Position und bewegte sich nicht. Er rauchte noch nicht einmal eine Zigarette, was seine Anwesenheit im Freien bei solch einem Wetter irgendwie erklärt hätte, er war einfach nur da.

    Fria war die Gestalt des Mannes unheimlich. Ihr gefiel der Gedanke nicht, dass ein Fremder ihr und ihren Schützlingen tagtäglich so viel Interesse entgegenbrachte. Ein Grund mehr dafür, diese Person genauso im Auge zu behalten wie er sie. So war ihr das Hinaufschauen zum Balkon längst zur festen Gewohnheit geworden.

    »Wie lange noch?«, quengelte nun ein zweites Kind. Ein Junge, dessen Name Sven war, wenn sich Fria richtig erinnerte.

    »Etwa vier Minuten.« Dieses Mal sah sie gar nicht erst auf die Uhr. Es konnte noch nicht viel Zeit vergangen sein, seit Ava ihr dieselbe Frage gestellt hatte.

    »Da ist er«, riefen mehrere Kinder unvermittelt und deuteten mit den Fingern nach vorn.

    Und tatsächlich bog soeben ein Bus um die Ecke und näherte sich der Haltestelle. Es war nicht derselbe, der die Kinder gestern und vorgestern abgeholt hatte. Die Farbe war eine andere und die Größe stimmte auch nicht mit dem üblichen Gefährt auf dieser Route überein.

    Aber er war genauso alt und klapprig, wie Fria es von Schulbussen gewohnt war, und als er hielt und die Tür aufschwang, lächelte der Fahrer ihr und den Kindern freundlich entgegen.

    »Na? Habt ihr die Nase voll für heute? Wollt ihr nach Hause?«, rief der Mann mit der Schiebermütze und dem grauen Kittel, die ihm irgendwie einen offiziellen Anstrich verliehen, obwohl seine Gummistiefel das Bild störten. Ein gewaltiger Schnurrbart beherrschte sein Gesicht. Fria war davon überzeugt, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben.

    Es war diese Kombination aus einem fremden Bus und einem ihr unbekannten Fahrer, die sie kurz misstrauisch werden ließ.

    »Ist das hier der Bus für die Kinder der Lindeström-Schule?«, fragte sie sicherheitshalber und hielt Ava zurück, die es kaum erwarten konnte, ins Trockene zu kommen.

    »Aber ja.« Er strahlte sie an. »Meine Güte, du erinnerst mich an jemanden, ich weiß gerade nur nicht, an wen.«

    Das bekam Fria häufig zu hören. So häufig, dass diese Bemerkung eine Art Vertrautheit zwischen ihr und dem Fahrer schuf. Dies war eine ganz alltägliche Situation, es gab keinen Grund für ihre Besorgnis.

    »Also gut, dann hinein mit euch.« Sie ließ Ava los, die als eine der ersten die zwei steilen Stufen hinaufstieg und sich den vordersten Platz, gleich hinter dem Fahrersitz sicherte. Die anderen Kinder ließen sich mehr Zeit, schlenderten betont lässig am Fahrer vorbei und verzogen sich freiwillig in die hinterste Sitzreihe.

    »Schönen Tag noch! Ah! Jetzt weiß ich es! Du siehst aus wie Schwester Hildgitha«, rief der Fahrer ihr zu, bevor sich die Tür zwischen ihnen schloss.

    Die kleine Ava winkte ihr überschwänglich mit beiden Händen gleichzeitig zu. Fria winkte zurück und sah dem davonschaukelnden Bus nach.

    Nun war der Feierabend zum Greifen nah. Nur ein paar Straßen weiter befand sich ihre kleine Wohnung. Dort konnte sie dem Regen entfliehen und es sich mit einem guten Buch vor dem Ofen gemütlich machen.

    Noch einmal schielte sie hinauf zu dem Mann auf dem Balkon, doch nun war er verschwunden.

    So verhielt es sich immer. Waren die Kinder erst fort, verließ auch der seltsame Beobachter seinen Posten.

    Es war und blieb eigenartig, doch wer war sie, dass sie sich über die Schrullen anderer Leute den Kopf zerbrach?

    Ausgerechnet sie.

    Gerade wollte sich Fria abwenden und zurück zum Schulgebäude gehen, um ihre Tasche zu holen, als ein unvorhergesehenes Ereignis ihren Herzschlag plötzlich stolpern ließ. Um die Kurve beim Bäcker bog soeben ein weiterer Bus. Und dieses Mal handelte es sich genau um das Modell, das die Kinder an den Vortagen eingesammelt hatte.

    Mit wachsendem Entsetzen beobachtete Fria, wie das Gefährt direkt vor ihr abstoppte, die Tür sich öffnete, und ein ihr wohlbekannter Fahrer rief: »Nanu? Hast du heute keine Kinder für mich?«

    Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ihr fehlten die Worte. Ein eiskalter Schauer überlief sie.

    »Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirst so blass.«

    Frias Blick schweifte vom Gesicht des Mannes in jene Richtung, in die der fremde Bus mit den Kindern verschwunden war.

    Noch immer weigerte sich ihr Mund, die Worte zu formulieren, die ihr durch den Kopf schossen. Es war ja auch ein zu absurder Gedanke.

    »Kann ich irgendwie helfen?« Der Fahrer des Busses drehte den Zündschlüssel herum, der Motor erstarb und er kam die zwei Stufen seines Gefährts zu ihr heruntergestiegen.

    »Die Kinder.« Endlich hatte sie ihre Sprache wiedergefunden. »Jemand hat die Kinder entführt! Wir müssen die Polizei rufen!«

    Kapitel 1

    Vier Wochen später

    Bereits kurz nach dem Anlegen der Fähre wurde Tibbys Gepäck ausgeladen und ihm direkt vor die Füße gestellt. Der Blick des Kofferträgers sprach Bände, als er ihm die geöffnete Hand entgegenstreckte und mit der anderen auf die Kiste von der Größe einer Hundehütte klopfte. Für die Plackerei, sie Tibby bis hierher nachgetragen zu haben, erwartete er offensichtlich ein angemessenes Trinkgeld.

    »Hier, guter Mann.« Tibby kramte ein paar Kronen aus seiner Geldbörse und hoffte, sein Gegenüber damit ausreichend entlohnt zu haben. »Und wo bekomme ich ein Taxi?«

    Als eine Antwort ausblieb und der Gepäckträger sich brüsk von ihm abwandte, wusste Tibby nicht, ob seine gut gemeinte Gabe zu klein ausgefallen war oder der andere kein Englisch verstand. So setzte er sich erst einmal auf sein sperriges Gepäckstück, kramte eine Zigarette aus dem Rucksack, zündete sie an und ließ seinen Gedanken freien Lauf.

    Vier Jahre lag es nun schon zurück, seit Tibby zum letzten Mal als Kurier durch die Welt gereist war.

    In der Zwischenzeit hatte er eine Reihe beruflicher Experimente gewagt, war mit einem Zirkus herumgezogen, hatte sich als Unterhalter in Nachtclubs versucht und war kurzfristig sogar als Totengräber tätig gewesen.

    Bei all seinen Unternehmungen hatte ihn sein Glück nie verlassen, und es war der Hunger nach ›noch mehr Leben‹, der ihn unablässig weitertrieb. Jetzt, mit Anfang Dreißig, fühlte er sich noch genauso rastlos wie zehn Jahre zuvor, und eben dieser Wesenszug hatte ihn hierher nach Schweden gebracht.

    »Hey! Hey, hallo!«, rief eine Stimme in diesem Moment.

    Als Tibby den Kopf hob, bemerkte er ganz in seiner Nähe ein knallgelbes Schwedentaxi der Marke Volvo, vor dem ein kleiner Mann stand und seine Chauffeurmütze schwenkte.

    Erneut hatte sein Glück die Dinge für ihn geregelt und ihm zur rechten Zeit Hilfe geschickt.

    In Ermangelung einer Mütze winkte Tibby mit seiner brennenden Zigarette als Zeichen dafür, dass er tatsächlich eine Mitfahrgelegenheit suchte, und deutete dann auf sein Gepäckstück. Eilig kam der Mann angelaufen und begutachtete die Tragegriffe der Holzkiste mit skeptischem Blick.

    Besagte Griffe bestanden lediglich aus Tauen, die um den Korpus geschlungen worden waren. Probehalber rüttelte und zog der Fahrer daran. Doch die Kiste rührte sich keinen Millimeter vom Fleck.

    »Der Gepäckträger von der Fähre hat es auch ganz allein geschafft«, meinte Tibby, sah aber sofort am ratlosen Gesichtsausdruck seines Gegenübers, dass er nicht verstanden worden war. »Na gut, dann versuchen wir es eben zu zweit.«

    Nach einer kurzen Phase des Gestikulierens wuchteten sie das Ungetüm gemeinsam in die Höhe und trugen es zum Volvo.

    In dessen Kofferraum fand das gute Stück so gerade eben Platz. Tibbys Rucksack musste auf der Rückbank verstaut werden.

    Tibby sprach kein einziges Wort Schwedisch, doch er zögerte nicht, dem Taxifahrer in Englisch zu erklären, was es mit seinem Gepäck auf sich hatte. »Nein, ich habe keine Ahnung, was sich darin befindet. Ein Londoner Anwalt hat mir hundert Pfund plus Spesen geboten, wenn ich dieses Schwergewicht zu einem seiner Klienten bringe. Hierher nach Malmö. Das habe ich natürlich angenommen. Hätten Sie auch, oder?«

    Der Mann zuckte mit den Schultern und zog eine Grimasse, bevor er sich zu einer ausführlichen Antwort hinreißen ließ, die Tibby ebenfalls nicht verstand. Er öffnete sich selbst eine der Autotüren, stellte zufrieden fest, dass in diesem Land genau wie bei ihm zuhause Linksverkehr herrschte, und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Als der Chauffeur seinerseits hinter dem Steuer Platz nahm, reichte er dem Mann einen zusammengefalteten Zettel.

    »Zu dieser Adresse soll ich das Riesenbaby bringen, und danach bin ich frei, zu tun und zu lassen, was ich will. Ich habe gehört, in diesem Land soll es wunderschöne Frauen geben.« Er strich sich über das schwarze Haar und richtete den Sitz seiner nagelneuen goldgeränderten Sonnenbrille. Sicherheitshalber klappte er die Sonnenblende herunter und vergewisserte sich mit einem Blick in den Spiegel, dass er noch immer derselbe gut aussehende Mann wie zu Beginn dieser Reise war.

    Das war der Fall, auch wenn die Geheimratsecken bei dieser Beleuchtung nicht mehr zu leugnen waren. Indes war er zweifellos nach wie vor jung und attraktiv.

    Er zwinkerte sich selbst durch die getönten Gläser zu, klappte die Sonnenblende wieder nach oben und bemerkte, wie der Taxifahrer beim Lesen des Zettels anerkennend nickte.

    Offensichtich handelte es sich um eine gute Adresse, an die er nun gebracht werden würde.

    Die Fahrt durch Malmö dauerte nur wenige Minuten. Doch diese Zeit reichte aus, um Tibby zu zeigen, wie viele hübsche Damen allein dieser Teil der Stadt zu bieten hatte. Sie flanierten in knappen Miniröcken die Trottoirs entlang, ließen ihr Haar offen bis auf den Rücken fallen und scherten sich offensichtlich nicht darum, dass die Witterung an diesem Tag eher für wärmere Kleidung gesprochen hätte. Ja, die Mode hatte sich in den letzten Jahren sehr verändert, und Tibby begrüßte die Erfindung des Minirocks zu einem Zeitpunkt, da er sich noch jung genug fühlte, um der Trägerinnen dieses Kleidungsstücks den Hof machen zu dürfen.

    »Ich mag Schweden.« Tibby kurbelte das Seitenfenster hinunter und warf einer vorbeigehenden Frau in kniehohen Stiefeln eine Kusshand zu, die diesen Gruß spontan erwiderte. »Ich denke, ich werde eine Weile bleiben.«

    Gerade wollte er sich zurücklehnen, als das Taxi auch schon wieder hielt. Ungläubig schaute Tibby aus dem Fenster und las den Schriftzug an dem hohen Gebäude vor sich.

    »Wir sind schon am Scandic Hotel? Das war ja nur ein Katzensprung. Wie viel bin ich schuldig?«

    Er bezahlte dem Taxifahrer eine horrend hohe Summe an Kronen, woraus Tibby schloss, dass sein Trinkgeld für den Gepäckträger nach dem Anlegen der Fähre wohl wirklich zu klein ausgefallen war, und stieg aus.

    Das Scandic Hotel wirkte modern und hätte an jedem x-beliebigen Ort der Welt stehen können. Auf Individualität war beim Bau dieses Komplexes kein Wert gelegt worden. Aber was das anging, konnte Malmö in den kommenden Jahren ja noch dazulernen.

    »Hey!« Der Taxifahrer hatte die Heckklappe geöffnet und wies auf Tibbys Gepäck. Offensichtlich hatte er nicht die Absicht, es allein aus dem Auto zu heben.

    Seufzend griff Tibby nach dem Strick und unter großem Ächzen schleppten sie die Kiste bis direkt vor die Hoteltür.

    Allmählich, so gestand er sich ein, wurde ihm das Ding lästig. Der Inhalt interessierte ihn nicht, er wollte es einfach nur noch loswerden. Und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als ein Hotelpage mit bitterbösem Blick aus dem Gebäude trat und sich vor ihm aufbaute.

    Augenblicklich bat Tibby den Taxifahrer darum, ihm den Notizzettel zurückzugeben, was dieser auch prompt tat.

    »Ich habe nicht vor, den Eingangsbereich zu verschandeln, ich führe nur einen Auftrag aus«, sagte er zu dem spitznasigen Burschen in Livree und hielt ihm die Notiz hin. »Schauen Sie hier: Scandic Hotel, Zimmer 417, Mister Havelock. Ich muss diesen Kram nur abgeben, und alles Weitere sollten Sie besser mit Mister Havellock besprechen, ja? Aber vielleicht wären Sie so nett, mir zu helfen, das unförmige Ding bis zum Fahrstuhl zu schleppen. Ha-hallo?«

    Tibbys Wortschwall verebbte. Er wurde einfach stehen gelassen, und zwar sowohl von dem Pagen als auch von dem Taxifahrer, der soeben davonbrauste.

    »Na, großartig.« Verärgert blickte Tibby auf die Kiste. »Jetzt gibt es also nur noch dich und mich, ja? Wenn ich es mir recht überlege, wäre Schieben bestimmt eine gute Idee. Spätestens sobald dadurch dort drinnen ein teurer Fußboden Schaden nimmt, werden ein paar Helfer angelaufen kommen.«

    Energisch packte er den Tragegurt und bugsierte das sperrige Objekt gerade unter Aufbietung all seiner Kräfte durch die gläserne Drehtür, als der Hotelpage mit einem Gepäckwagen aus Messing zurückkehrte, der an einen überdimensionalen Vogelkäfig erinnerte. Mit vereinten Kräften hoben sie die Kiste auf die Transportfläche. Und schon konnte Tibby seine Fracht zu den Fahrstühlen rollen, die offensichtlich gerade für eben diesen Gepäckwagen plus einer weiteren Person, die zwischen Falttür und Gefährt eingequetscht stehen konnte, konstruiert worden waren.

    »Vierter Stock?«, fragte Tibby noch, bevor sich die Tür zwischen ihm und dem Pagen schloss. Dann setzte sich der Lift mit einem Ruck in Bewegung.

    Als die Kabine hielt und er das Wägelchen herausgezerrt hatte, war Tibby schweißgebadet und wünschte sich nichts mehr als eine erfrischende Dusche und ein sauberes Hemd. Letzteres trug er, wie auch seinen Pass, seinen Reisekamm, sein Tagebuch, ein paar Socken und ein Stück Kernseife in seinem Rucksack bei sich. Mehr Gepäck brauchte es seiner Meinung nach nicht, um Schweden zu erkunden. Alles andere konnte er bestimmt kaufen.

    »Zimmer 417.« Er klopfte an und hoffte von ganzem Herzen, dass dieser Mister Havellock nicht ausgegangen war. »Nun endet der anstrengende Teil meiner Reise. Auf Wiedersehen Plackerei und Hallo Schweden. Ich kann es kaum erwarten, mir den Bauch mit Smörrebröd vollzuschlagen.«

    In diesem Moment wurde die Tür des Hotelzimmers schwungvoll geöffnet und eine ihm wohlbekannte Person stand vor ihm.

    Tibbys Kinnlade sank hinunter bis auf seine Schuhspitzen.

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