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Harrowmore Diary (Band 1): Tibby und der Fluch der Trommel
Harrowmore Diary (Band 1): Tibby und der Fluch der Trommel
Harrowmore Diary (Band 1): Tibby und der Fluch der Trommel
eBook262 Seiten

Harrowmore Diary (Band 1): Tibby und der Fluch der Trommel

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Über dieses E-Book

Tibby Harrowmore hat gerade mit seinem Dasein als Kurier abgeschlossen, als ihm auch schon eine neue Aufgabe präsentiert wird: Seine mehr als eigenartigen Freunde Cayden und Abe raten ihm, sich einer Expeditionsreise anzuschließen, um sich in dem entlegensten Winkel Afrikas dem bisher seltsamsten Abenteuer seines Lebens zu stellen. Bald schon wird Tibbys Blick auf die Welt nie mehr derselbe sein …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Juni 2023
ISBN9783038962755
Harrowmore Diary (Band 1): Tibby und der Fluch der Trommel

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    Buchvorschau

    Harrowmore Diary (Band 1) - Miriam Rademacher

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Epilog

    Dank

    Miriam Rademacher

    Harrowmore Diary

    Band 1: Tibby und der Fluch der Trommel

    Fantasy

    Harrowmore Diary (Band 1): Tibby und der Fluch der Trommel

    Tibby Harrowmore hat gerade mit seinem Dasein als Kurier abgeschlossen, als ihm auch schon eine neue Aufgabe präsentiert wird: Seine mehr als eigenartigen Freunde Cayden und Abe raten ihm, sich einer Expeditionsreise anzuschließen, um sich in dem entlegensten Winkel Afrikas dem bisher seltsamsten Abenteuer seines Lebens zu stellen. Bald schon wird Tibbys Blick auf die Welt nie mehr derselbe sein …

    Die Autorin

    Miriam Rademacher wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf und begann früh mit dem Schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie mag Regen, wenn es nach Herbst riecht, wenn es früh dunkel wird und die Printen beim Lesen wieder schmecken. In den letzten Jahren hat sie zahlreiche Kurzgeschichten, Fantasyromane, Krimis, Jugendbücher und ein Bilderbuch für Kinder veröffentlicht.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Juni 2023

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2023

    Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

    Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Wolma Krefting

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-274-8

    ISBN (epub): 978-3-03896-275-5

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für Maurizio

    Ist es wirklich wahr,

    dass ich dir noch kein einziges Buch gewidmet habe?

    Das wurde aber Zeit.

    Prolog

    London, 1953

    Der sorgenvolle Blick der Garderobiere traf Alan Frazer, als er zur Mittagszeit die Räume seines Clubs in der Park Lane betrat. Die unausgesprochenen Gedanken der älteren Frau verdeutlichten dem Sprachwissenschaftler, wie mitgenommen er an diesem Montagmorgen auf seine Mitmenschen wirken musste.

    Zugegeben, er hatte keine Zeit gefunden, sich zu rasieren, seine Kleidung war noch immer die vom Vortag, und ein großer Portweinfleck auf seiner hellen Krawatte erinnerte an den Schrecken, der ihm beim Öffnen der Abendpost in die Glieder gefahren war.

    Mit zitternden Händen reichte er der jungen Frau seinen schweren Wintermantel, der nicht recht zu den sommerlichen Temperaturen dieses Augusttages passen wollte.

    Doch Alan fror. Es war eine Kälte, die sich von innen her in ihm auszubreiten drohte und jede Erinnerung an Wärme und Geborgenheit auszulöschen schien.

    Fröstelnd betrat er den Lesesaal des ehrwürdigen Etablissements, in dem zu seiner Freude ein Kaminfeuer flackerte, das ein umsichtiger Zeitgenosse allein der Gemütlichkeit wegen entzündet haben musste. Und im Schein der zuckenden Flammen saß, in einem grünen Ledersessel, sein guter Freund Deakon Hambling und gab vor, die Times zu studieren.

    Doch seine Augen fixierten seit Alans Eintreten nicht mehr die Worte auf dem Papier, sondern starrten über dessen Rand hinweg auf den Portweinfleck, der Alans Erscheinungsbild dominierte.

    Deakon Hambling war fast zehn Jahre älter als Alan. Ein ruhiger, stets nüchtern denkender Mann, auf dessen guten Rat man sich verlassen konnte. Er war genau die Gesellschaft, nach der Alan Frazer heute der Sinn stand.

    Der junge Sprachwissenschaftler zog einen weiteren Ledersessel dicht an den seines Freundes heran, setzte sich zu ihm ans Feuer und kam ohne Umschweife zum Punkt. »Er ist angekommen. Gestern Abend lag er zwischen den anderen Briefen in der Abendpost, die meine Hausangestellte mir bei meiner Rückkehr übergab. Ehrlich gesagt hatte ich einen geheimnisvollen Boten erwartet. Mit einem solch simplen Weg der Zustellung hatte ich nicht gerechnet.«

    Zum Beweis seiner Worte zog Alan ein Zigarettenetui aus seiner Brusttasche, klappte es auf und hielt es Deakon hin.

    Dieser legte seine Zeitung beiseite, machte aber keine Anstalten, den Inhalt aus dem Etui herauszunehmen. Stattdessen deutete er auf den gefalteten Zettel und fragte betont gelassen: »Und was steht darin?«

    »Es ist exakt die gleiche Botschaft, von der mir Nancy, meine Schwägerin, berichtet hat. Man schickt mir dieselbe Drohung wie zuvor meinem Bruder.« Alan schloss das Etui wieder, vergewisserte sich, dass sie noch immer allein im Lesesaal waren und rezitierte: »Mörder. Du bist der Nächste.« Er klopfte auf den silbernen Deckel. »Ich war klug genug, es nicht anzufassen, und werde bestimmt nicht so dumm sein, es achtlos wegzuwerfen. Wenn ich auch nicht weiß, wie es funktioniert, ich werde diese Nachricht für den Rest meines Lebens hüten wie meinen Augapfel, da ich möglicherweise auf diese Weise verschont bleibe. Aber allein die Tatsache, es erhalten zu haben, bringt mich um den Verstand. Deakon, ist dir klar, was das bedeutet? Sie sind hier. Hier in London. Sie haben uns gefunden, und sie bringen einen nach dem anderen von uns um.«

    »Mach dich nicht lächerlich, Alan. Sie können gar nicht hier sein.« Deakon Hambling klopfte seine erkaltete Pfeife im Aschenbecher aus und warf Alan einen geringschätzigen Blick zu. »Was ist denn schon geschehen? Man hat dir eine wenig freundliche Nachricht zukommen lassen, in der du bedroht wirst. Nun gut. Aber ein paar böse Worte sind meines Erachtens kein Grund, die Nerven zu verlieren.«

    »Es ist genau wie bei Robert«, widersprach Alan, der bei dem Gedanken an seinen jüngeren Bruder erschauerte. »Ich habe dir doch erzählt, was laut Nancy vor ein paar Wochen geschehen ist. Die beiden gingen im Hyde Park spazieren, als Robert von einem dunkelhäutigen Fremden fast umgerannt wurde. Dieser steckte meinem Bruder wortlos einen geschlossenen Umschlag zu. Und als Robert ihn öffnete und den Briefbogen herausnahm, hat Nancy auf diesem genau dieselben Worte lesen können wie hier.« Er deutete auf das Etui in seiner Brusttasche. »Wir müssen etwas unternehmen, Deakon. Wir sind die nächsten Opfer einer blutigen Vendetta.«

    »Blödsinn.« Deakon klang ungehalten. »Versuch wenigstens, die Ruhe zu bewahren, junger Freund. Blutige Vendetta, was redest du denn da? Es ist bisher überhaupt kein Blut geflossen. Kein einziger Tropfen und eine Leiche gibt es auch nicht.«

    »Aber Robert ist verschwunden.« Alans Stimme wurde mit jedem Wort lauter. »Niemand hat ihn seitdem mehr gesehen. Und erzähl mir nicht wieder, er würde sich aus Angst versteckt halten, denn so ist es nicht. Mir, seinem Bruder, hätte er sich zuvor anvertraut.«

    »Ich weiß, ich weiß.« Deakon erhob sich aus dem Sessel, legte einen Holzscheit im Kamin nach und setzte sich wieder. »Deine Schwägerin behauptet, Robert habe die Botschaft zuerst wütend zerknüllt, dann zerrissen und einfach ins Gras geworfen. Anschließend hat er die Verfolgung des Überbringers aufgenommen und ist vor ihren Augen verschwunden.«

    »Der Weg beschreibt an dieser Stelle einen fast rechten Winkel«, fiel Alan dem Freund ins Wort. »Einige Büsche versperrten ihr den Blick auf das Geschehen. Doch Nancy war dicht hinter Robert. Sie folgte ihm und hätte beide Männer gleich wieder sehen müssen. Doch vor ihr erstreckte sich mit einem Mal ein verwaister Pfad. Robert und derjenige, der ihm die Nachricht brachte, waren einfach weg. Von einer Sekunde zur anderen. Und seitdem hat niemand meinen Bruder mehr zu Gesicht bekommen.«

    Deakon stieß einen Seufzer aus und griff nach einem Glöckchen, das neben seinem Sessel auf einem Beistelltisch stand. »Ich bestelle mir einen Kaffee. Möchtest du auch einen? Du siehst aus, als könntest du etwas Starkes vertragen.«

    Alan winkte ab und rieb sich die müden Augen. »Ich wette, Basil ist genau dasselbe zugestoßen. Nur gab es in seinem Fall keine Zeugen, die von der Botschaft berichten können.«

    »Unser Freund Basil war schon immer ein unruhiger Geist«, konterte Deakon. »Es ist nicht ungewöhnlich für ihn, überraschend eine lange Reise anzutreten und niemandem etwas davon zu erzählen.«

    »Aber er hat überhaupt nichts mitgenommen.« Alan verlor langsam die Geduld mit seinem älteren Freund. »Ich habe mit Basils Schwester telefoniert. Sie wohnt genau wie Basil noch im Elternhaus und wartet verzweifelt auf ein Lebenszeichen von ihm. Sie hofft auf seine baldige Rückkehr und hält seine Zimmer in Ordnung, bis er endlich wieder da ist. Dabei hat sie sich eifrig umgesehen. Laut ihrer Meinung fehlt nichts von den Habseligkeiten ihres Bruders. Sogar seine Lesebrille lag noch auf dem Nachttisch. Alles ist an seinem Platz, nur Basil nicht, und daran ändert sich seit Monaten nicht das Geringste. In seinen chinesischen Pantoffeln, die akkurat vor dem Bett standen, hat sich ihrem Bericht nach mittlerweile eine freche Maus eingenistet. Diesen Schädling zu jagen, ist derzeit ihre einzige Ablenkung.« Alan gab ein Stöhnen von sich. »Sein Vater will jetzt ganz offiziell nach ihm suchen lassen. Aber sie werden ihn nicht finden, Deakon. Denn ihm ist das Gleiche zugestoßen wie meinem Bruder.«

    »Ich ertrage diesen Unsinn nicht länger«, erklärte Deakon und bestellte bei dem lautlos herangetretenen Butler zwei Kaffee und zwei Cognac. »Basil hat mal wieder das Reisefieber gepackt, und dein Bruder wird sich irgendwo verkrochen haben. Vermutlich sitzt er noch immer unter einem Busch im Hyde Park und hat genauso viel Angst wie du. Trink etwas, dann kann dein Hirn besser denken, und du wirst mir zustimmen.«

    »Nancy hat die ganze Umgebung abgesucht«, erinnerte Alan. »Sie hat überall nachgesehen, doch Robert und der Fremde waren einfach weg.«

    »Hat sie wirklich überall nachgeschaut?« spottete Deakon, dessen hellblondes Haar im Feuerschein rötlich schimmerte. Er tat, als müsste er angestrengt nachdenken. »War es nicht eher so, dass deine tollpatschige Schwägerin wie ein aufgescheuchtes Huhn herumlief, Roberts Namen kreischte und sich dabei den Knöchel vertrat? Wie gewissenhaft kann die Suche einer solchen Person wohl ausgesehen haben?«

    »Ihr ist ein streunender Hund zwischen die Beine geraten und hat sie zu Fall gebracht«, verteidigte Alan die treue Seele. »Und trotz eines verstauchten Knöchels hat sie sich weiterhin bemüht, Robert zu finden.« Er beugte sich im Sessel vor und seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Sie glaubt, Trommeln gehört zu haben. Mitten im Hyde Park. Während sie nach Robert suchte. Das kann doch kein Zufall sein.«

    »Ach, Robert selbst wird ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt haben, um sie ein bisschen zu erschrecken«, winkte Deakon ab. »Vielleicht führt seine Spur ja in ein Bordell, und Nancy kann ihn nicht finden, weil er nicht gefunden werden will.« Deakon rieb sich die Finger und hielt offensichtlich Ausschau nach dem Butler und seiner Bestellung. »Herrgott, wie lange dauert das denn?«

    Alan, dem soeben erneut ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen war, stutzte. Sein Freund fror offensichtlich kaum weniger als er selbst. Und das an einem warmen Sommertag, den sie beide in unmittelbarer Nähe eines wärmenden Feuers verbrachten.

    »Du hast auch eine Botschaft erhalten«, stieß Alan tonlos hervor. »Du klapperst ja schon fast mit den Zähnen, so sehr hat dich die unheimliche Kälte im Griff. Du bist genauso verflucht wie ich und leugnest noch immer, was hier vor sich geht?«

    »Ich weigere mich lediglich, meinen gesunden Menschenverstand einer fixen Idee zu opfern.« Deakon wurde laut. »Dies hier ist London, unsere Heimat. Hier gelten unsere Regeln, unsere Gesetze. Niemand kann uns etwas anhaben. Diese Drohungen sind nichts weiter als Worte auf Papier, und diese Kälte ist ein billiger Trick.«

    »Der wie herbeigeführt wurde?« wollte Alan wissen.

    »Was weiß denn ich? Sie können solche Dinge eben!« Deakon griff in die Tasche seiner Weste und zog einen noch ungeöffneten Umschlag hervor, den er jetzt vor Alans Augen aufriss. »Den überreichte mir gerade auf der Straße ein Mann mit fremdländischem Aussehen. Ich habe gar nicht erst hineingeschaut, es ist ja doch nur Blödsinn.« Er schüttelte das Kuvert, und heraus fiel ein mehrfach gefaltetes Blatt, das Deakon glatt strich und nur einen kurzen Blick darauf warf, bevor er es zerknüllte. »Na bitte. Ja, ich habe tatsächlich auch so einen Schrieb erhalten, ich gebe es zu. Doch ich lasse mich davon nicht ins Bockshorn jagen. Das ist alles nur Augenwischerei. Man will uns Angst machen, in den Wahnsinn treiben oder was auch immer. Aber nicht mit mir.« Er stand auf, warf das Papier ins Feuer und hielt kurz die Hände über die Flamme, um sie zu wärmen.

    »Was machst du denn da?«, rief Alan, sprang aus dem Sessel, stieß Deakon beiseite und versuchte, den blassgelben Briefbogen zu retten, doch es war zu spät. Er loderte noch einmal für einen kurzen Moment hell auf, bevor er nur noch schwach glomm. »Du Idiot«, rief er, während er noch mit einem Schürhaken in den Flammen herumstocherte, um wenigstens Teile der Botschaft zu bergen. »Du verbrennst den Fluch, ohne zu wissen, ob es genau das ist, was sie von uns erwarten.«

    Als auch der letzte Rest des Blattes sich zu einer schwarzen Masse zusammengerollt hatte, gab Alan auf und hängte den Schürhaken zurück zum übrigen Kaminbesteck.

    Dann wandte er sich zu seinem Freund um, doch dessen Sessel war leer.

    Verwundert musterte Alan seine Umgebung: Er war allein im Lesesaal des Clubs. Von Deakon Hambling fehlte jede Spur.

    Der Diener, der in diesem Moment mit einem Tablett eintrat, auf dem zwei Kaffeetassen und der gewünschte Cognac standen, ließ sich keinerlei Überraschung anmerken.

    Erst als Alan ihn fragte, wohin Mister Hambling gegangen war, hob er eine Augenbraue und erwiderte: »Sir?«

    »Er muss Ihnen doch entgegengekommen sein«, beharrte Alan. »Aus diesem Raum führte nur eine einzige Tür hinaus in den Flur. Sie müssen meinen Freund gesehen haben, als er den Raum verließ.«

    »Nein, Sir.« Die Braue senkte sich. »Aber wenn er sich nicht verabschiedet hat, kommt Ihr Freund bestimmt gleich zurück.«

    Obwohl ihm ohnehin schon kalt war, spürte Alan den eisigen Hauch in seinem Nacken, und ein furchtbarer Verdacht keimte in ihm auf.

    Sollte er von nun an der Letzte sein? Der letzte von vieren, denen furchtbare Rache geschworen worden war?

    »Schnell!« Er nahm dem Butler das Tablett ab und stellte es auf den frei gewordenen Sessel am Feuer. »Wir müssen Mister Hambling finden. Stellen Sie den ganzen Club auf den Kopf, bitten Sie jedes anwesende Mitglied und die Dienstboten, sich an der Suche zu beteiligen. Lassen Sie nichts aus, kontrollieren Sie das Gebäude vom Keller bis zum Dach und am besten auch die Straße.«

    Ein wenig verdattert gehorchte der Mann, und in den nächsten Stunden ließ Alan nichts unversucht, um Deakon Hambling irgendwo aufzustöbern.

    Dabei war ihm immer wieder, als hörte er irgendwo in der Ferne den sonoren Klang einer schlagenden Trommel, regelmäßig wie ein Uhrwerk, doch das bildete er sich gewiss nur ein. Es war eine Erinnerung, nicht mehr. Eine Erinnerung an die schlimmste Nacht seines Lebens.

    Vor Kälte klapperte Alan mittlerweile mit den Zähnen. Der Tag ging bereits in den Abend über, als er endlich einsah, dass er nicht nur der Nächste, sondern auch der Letzte war, dem die Drohung galt.

    Vor Angst und Feigheit zitternd ließ sich Alan Frazer von der Garderobiere seinen Mantel aushändigen und hielt überrascht inne, als er einige weiße Haare auf dem wollenen Stoff bemerkte, die zuvor definitiv nicht darauf gewesen waren.

    Als er die Angestellte des Clubs darauf aufmerksam machte, eilte diese mit einer Fusselbürste herbei und entschuldigte sich vielmals. »Das wird die Katze gewesen sein. Sie streicht schon seit Stunden um den Kleiderständer herum und lässt sich nicht verscheuchen.«

    Jetzt bemerkte auch Alan das schneeweiße Tier hinter dem Tresen der Garderobe, dessen Blick aus bernsteinfarbenen Augen lange auf ihm ruhte, bevor es davonsprang.

    Alan Frazer verließ den Club, um sich in seinem Zuhause zu verkriechen, solange dies vonnöten war, um sich vor dem Fluch zu schützen.

    Es sollten fünf lange Jahre werden.

    Kapitel 1

    London, August 1958

    Ein letztes Mal drehte Tibby Harrowmore den Schlüssel zu seinen Geschäftsräumen in der Lexington Street herum, zog ihn ab und warf ihn beim Hausmeister in den Briefkasten.

    Er war frei. Über vier Jahre hatte sich alles um seine Firma, Tibby’s Transports gedreht, und es hatte sich gelohnt. Tibby warf nicht das Handtuch, weil er nicht genug Aufträge als Kurier erhielt, ganz im Gegenteil. Ihm wuchs der Betrieb zunehmend über den Kopf.

    Und so hatte er sich einige Wochen zuvor die alles entscheidende Frage gestellt: War dies das Leben, das er für sich anstrebte? War er bereit, den nächsten Schritt zu wagen, mehr Personal einzustellen, mehr Transportwagen zu kaufen und endgültig Wurzeln zu schlagen, um am Ende seiner Tage auf ein erfolgreiches Unternehmen, ein kleines Vermögen, ein eigenes Haus am Stadtrand samt Ehefrau und Kindern blicken zu können?

    Die Antwort darauf zu finden, war ihm nicht schwergefallen und sie lautete: Auf gar keinen Fall! Die Fünfzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts gingen ihrem Ende entgegen und damit auch seine eigenen Zwanziger. Er war kein junger Hüpfer mehr, das dunkle Haar an seinem Hinterkopf begann, wenn man ganz genau hinsah, sich bereits zu lichten. Doch noch fühlte er sich zu jung, um alt zu sein oder es auch nur zu werden.

    Tibby’s Transports mochte hinter ihm liegen, aber das nächste Abenteuer befand sich direkt vor ihm. Er wusste nur noch nicht, wie es sich ihm präsentieren würde.

    Tibby trat hinaus auf die Straße, sah hinüber zum Pepper Pub und beschloss, sein Bier an diesem Abend woanders zu trinken. Veränderungen konnten nicht entstehen, wenn man sich nur auf ausgetretenen Pfaden fortbewegte.

    So schlenderte er durch Soho, bis er in einer schmalen Gasse ein noch schmaleres Gasthaus entdeckte. Das schlauchförmige Etablissement trug den passenden Namen ›Der Wurm‹ und nannte ganze vier runde Tische sein Eigen.

    Am letzten saßen zwei Herren, deren Anwesenheit hier Tibby überraschte. Die beiden trugen schwarze Anzüge, grell gestreifte Krawatten, und während die Haare des einen so weiß waren wie der Schnee in der Antarktis, glänzten die des anderen tiefschwarz. Abe und Cayden, ihre Nachnamen kannte er nicht, schienen auf ihn gewartet zu haben.

    »Tibby, alter Freund, setz dich zu uns«, rief Abe und winkte ihm hektisch, woraufhin Tibby spontan entschied, genau das zu tun.

    Während er sich am Tresen ein Bier geben ließ und es vorsichtig zum letzten Tisch des Pubs balancierte, fragte er sich, ob diese Begegnung ein Wink des Schicksals war.

    Er war diesen beiden Herren zu Beginn seiner Tätigkeit als Kurier einmal in Paris begegnet. Seitdem hatten sie ihm in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Aufträge zugeschanzt, die sich in finanzieller Hinsicht meist als lohnenswert herausgestellt hatten.

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