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Glanz und Untergang der Familie Napoleons. Band 2: Eine illustrierte Biographie in drei Bänden
Glanz und Untergang der Familie Napoleons. Band 2: Eine illustrierte Biographie in drei Bänden
Glanz und Untergang der Familie Napoleons. Band 2: Eine illustrierte Biographie in drei Bänden
eBook340 Seiten

Glanz und Untergang der Familie Napoleons. Band 2: Eine illustrierte Biographie in drei Bänden

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Über dieses E-Book

“Glanz und Untergang der Familie Napoleons” ist eine intensive Biographie der gesamten Familie Napoleons. Sowohl die Eltern, insbesondere die Mutter, als auch die Brüder, Schwestern sowie die Geliebten und Frauen werden eingehend porträtiert und in ihrer Bedeutung und ihrem Einfluss auf Leben und Wirken des großen französischen Herrschers dargestellt. In vielen Briefzeugnissen und überlieferten Äußerungen erhält man einen lebendigen Eindruck vom Denken und Fühlen Napoleons sowie dessen engsten Verwandten und Vertrauten. Deutlich tritt hier auch der private Mensch Napoleon Bonaparte hervor, der scheinbar genauso viel Energie aufbringen muss, um seine Familie zu regieren, wie es benötigt, um sein großes Reich zusammenzuhalten. Das ist vielleicht die größte Leistung dieses monumentalen Werkes der renommierten Historikerin Gertrude Aretz – man lernt neben dem Machtmenschen auch den Privatmenschen Napoleon Bonaparte kennen.

Das Werk ist reich bebildert mit den originalen Kupfertiefdrucken. Dieses ist der zweite Band der dreibändigen Reihe.
SpracheDeutsch
Herausgeberapebook Verlag
Erscheinungsdatum18. Juni 2023
ISBN9783961305834
Glanz und Untergang der Familie Napoleons. Band 2: Eine illustrierte Biographie in drei Bänden
Autor

Gertrude Aretz

Gertrude Aretz, geb. Kuntze-Dolton (1889-1938) war eine renommierte deutsche Historikerin und beschäftigte sich insbesondere mit den Lebensläufen berühmter historischer Persönlichkeiten wie z. B. Elisabeth von England und Napoleon.

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    Buchvorschau

    Glanz und Untergang der Familie Napoleons. Band 2 - Gertrude Aretz

    1. Napoleon I., als Kaiser.

    Es gibt kein Märchen aus Tausend und einer Nacht, das märchenhafter wäre als die Geschichte der Familie Bonaparte. Daß aber dieses Märchen in den ganz nüchternen Tagen der modernsten Zeit Wahrheit geworden ist, muß man als eine große Tat der Geschichte und als ein großes Glück betrachten.

    Aus: Ferdinand Gregorovius »Korsika«.

    GLANZ UND UNTERGANG DER FAMILIE NAPOLEONS wurde zuerst veröffentlicht vom Bernina Verlag, Wien - Leipzig - Olten 1937.

    Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von

    © apebook Verlag, Essen (Germany)

    www.apebook.de

    1. Auflage 2023

    V 1.1

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

    Band 2

    ISBN 978-3-96130-583-4

    Buchherstellung & Gestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    © apebook 2023

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    Inhaltsverzeichnis

    Glanz und Untergang der Familie Napoleons. Band 2

    Frontispiz

    Impressum

    Band II

    Drittes Kapitel. Lucien und seine beiden Frauen: Christine und Alexandrine

    Viertes Kapitel. Louis und Hortense

    Fünftes Kapitel. Jérôme und Katharina

    Eine kleine Bitte

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    Links

    Zu guter Letzt

    BAND II

    Drittes Kapitel. Lucien und seine beiden Frauen: Christine und Alexandrine

    I.

    Nach der Geburt Josephs vergingen sieben und ein halbes Jahr, ehe Letizia ihre Familie mit dem dritten Sohne beschenkte. Sie hoffte wohl auf eine Tochter, die ihr das im Jahre 1771 kurz nach der Geburt gestorbene Mädchen ersetzen sollte, doch war auch ein Bube herzlich willkommen. Ja, gerade dieser sollte der Liebling der Mutter werden, vielleicht weil er dem Vater am ähnlichsten war.

    Lucien kam am 21. Mai 1775 in Ajaccio zur Welt. Zu jener Zeit war Carlo Bonaparte Beisitzer der Junta von Ajaccio. Die Familie lebte ruhig, doch nicht ohne Sorgen. Die Würden des Vaters kosteten Geld, denn man mußte standesgemäß auftreten. Als es daher galt, auch diesem dritten Sohne eine Erziehung zu geben, versuchte Carlo, ihn, gleich seinen beiden Ältesten, auf Kosten des Königs in Autun unterzubringen. Aber vergebens. Man mußte in den sauren Apfel beißen und Luciens Unterricht bezahlen.

    Er hatte inzwischen sein sechstes Lebensjahr, also das schulfähige Alter erreicht. Mit seinem Onkel Fesch, der ihn nach Autun bringen sollte, verließ er im Jahre 1781 die Heimat. Zuerst führte der Onkel den Knaben nach Lyon, zu dem Bruder des Gönners der Bonaparte, dem Bischof Marbeuf. Er war früher Bischof von Autun gewesen, und man hoffte viel von seiner Gunst. So erhielt auch Lucien, wie Joseph, auf Marbeufs Veranlassung später eine für die geistliche Laufbahn bestimmte Erziehung.

    Nach einigen Tagen des Aufenthaltes bei dem »guten Monseigneur«, der den intelligenten Jungen mit Zärtlichkeit überhäufte, hielt Lucien in der Schule von Autun seinen Einzug. Dort sah er Joseph wieder, der in Tertia saß. Gerne würde er an der Seite dieses Bruders, dem er zugetan war, seine Studien fortgesetzt haben. Da jedoch sein Vater auch für ihn in Brienne eine Freistelle erlangt hatte, blieb er nur ein einziges Jahr in Autun. Lucien war ein guter Schüler und neben Napoleon gewiß das begabteste Kind Carlos und Letizias.

    Sobald Napoleon seine Studien in Brienne beendet hätte, sollte die Freistelle für Lucien dort in Kraft treten, denn es durfte immer nur ein Sprößling einer Familie das Stipendium genießen. Bis zu diesem Zeitpunkte aber waren es noch vier Monate. So mußte der Jüngere vorläufig als zahlender Schüler aufgenommen werden.

    Der Wechsel der Unterrichtsanstalt betrübte den kleinen Lucien besonders, weil er nun nicht mehr mit Joseph zusammen sein konnte. Später schreibt er in seinen Memoiren: »Napoleon empfing mich ohne den geringsten Beweis von Zärtlichkeit ... Ich glaube, diesen ersten Eindrücken von dem Charakter meines Bruders habe ich die Abneigung zu verdanken, die ich stets empfunden, mich vor ihm zu beugen. Joseph hingegen, der in meinen Augen der liebenswürdigste, sanfteste Mensch ist, hat mir bis auf den heutigen Tag eine fast väterliche Zuneigung eingeflößt.«

    Das Beisammensein der beiden Brüder in Brienne währte übrigens nicht lange. Napoleon bezog, nachdem seine Frist abgelaufen war, die Militärschule von Paris. Der Jüngere setzte seine Studien fort und rief bei den Mönchen, die dieses militärische Institut leiteten, durch seinen lebhaften Geist, seine Vorliebe für die schönen Künste, besonders aber durch seine glänzenden Fähigkeiten nicht geringes Erstaunen hervor. Doch der Knabe eignete sich wenig für den militärischen Beruf. Er war nicht allein kurzsichtig, sondern auch körperlich schwächlich. Zwar behauptete Lucien später, daß er mit seinen Augengläsern genug sähe, um sich schlagen zu können, aber Napoleon konnte ihn in seinem Generalstab wirklich nicht brauchen. In Brienne interessierte sich Lucien außerdem vielmehr für das literarische Studium als für den Soldatenberuf. Er wollte Geistlicher werden.

    So bezog er denn nach fast zweijährigem Aufenthalt in Brienne das geistliche Seminar in Aix. Dort hatte auch sein Onkel Fesch studiert. Man hätte es gern gesehen, für Lucien in Aix ein Stipendium zu bekommen. Sogar Napoleon, der ziemlich kümmerlich als Leutnant in Auxonne lebte, bemühte sich im Jahre 1785 darum und schrieb in dieser Angelegenheit an den Direktor des Seminars, Herrn Amielh. Zwei Jahre später wandte er sich an den Intendanten von Korsika. Aber seine Gesuche hatten keinen Erfolg. Die Mutter war im Jahre 1788 nochmals genötigt, darum zu bitten. Sie war nicht glücklicher als der Sohn, obwohl sie ihre kümmerliche Lage in beredten Worten schilderte. Dennoch sah die Familie Lucien bereits als ruhmvollen Nachfolger des Mönches Philipp Bonaparte von San Miniato, als den reichsten und angesehensten Mann des Clans! Es kam anders.

    Der Aufenthalt im Seminar von Aix war für den jungen Bonaparte, den man als einen Bittsteller betrachtete, und noch dazu als einen, der nichts erreichte, ziemlich niederdrückend. Auch das Studium machte ihm jetzt keine Freude mehr. Er arbeitete wenig und wurde oft getadelt. Seines Bleibens im Seminar war daher nicht von langer Dauer, um so mehr, da die Familie nicht mehr die Mittel zu seinem Studium aufbringen konnte. Mit 15 Jahren, als die Revolution in Frankreich ausbrach, war er wieder in der Heimat.

    Das Zusammentreffen Letizias mit ihrem Sohne Lucien muß seltsam gewesen sein. Der Junge hatte vollkommen seine Muttersprache verlernt. Einstweilen setzte er seine Studien unter der Leitung des kranken Onkels Archidiakon fort, schriftstellerte zu seinem Vergnügen, verschrieb ungeheuer viel Papier, deklamierte, redete und gestikulierte.

    Lucien hatte einen viel zu beweglichen Geist, als daß er sich ernstlich und dauernd dem Priesterberufe härte widmen können. Die Politik interessierte ihn bei weitem mehr und änderte mit einem Schlage alle seine Pläne für die Zukunft. Er begrüßte mit Freuden die politische Bewegung, die sich auf seiner Heimatinsel bemerkbar machte, warf das geistliche Gewand von sich und stürzte sich mit der naiven Begeisterung eines jungen Stürmers kopfüber, kopfunter in die Ereignisse. Trotz seiner Jugend war er einer der eifrigsten Verteidiger der Revolution. Da er eine glänzende Redegabe besaß, spielte er bereits als Sechzehnjähriger in dem patriotischen Klub von Ajaccio eine gewisse Rolle. Die andern jungen Männer waren zwar etwas älter als er, aber keineswegs gereifter. Er schien das Zeug zu einem Politiker in sich zu haben. Gern wäre er an der Seite des großen Nationalhelden berühmt geworden. Ja er behauptete sogar, eine Zeitlang Paolis Sekretär gewesen zu sein, und erdichtete darüber eine seltsam phantastische Geschichte. Aber Paoli wollte ihn nicht. Er nannte Lucien einen Gelbschnabel und schien mit der Zeit den Söhnen seines alten Freundes Carlo zu mißtrauen. Er irrte sich nicht. Wie Joseph und Napoleon, so ging auch Lucien zu den Franzosen über, um für die Sache Frankreichs einzutreten.

    So gern Lucien sich von seinem älteren Bruder raten und leiten ließ, weil es bei Josephs Sanftmut nie mit Gewalt geschah, so wenig ließ er sich von Napoleon, den er immer als seinesgleichen betrachtete, Vorschriften machen. Er verabscheute den herrischen Ton, den Napoleon anzuschlagen pflegte, wenn er mit dem Jüngeren sprach. Mit 17 Jahren fällte Lucien sein Urteil über den Bruder in einem Briefe an Joseph vom 24. Juni 1792. In diesem heißt es: »Ich habe in Napoleon stets einen Ehrgeiz entdeckt, der nicht gerade egoistisch ist, der aber bei ihm seine Liebe für das öffentliche Wohl übertrifft. In einem freien Staate wäre er, glaube ich, ein sehr gefährlicher Mann. Er scheint mir sehr zum Tyrannen geneigt, und ich glaube auch, er würde es sein, wenn er König wäre. Zum mindesten würde sein Name für die Nachwelt und für den empfindsamen Patrioten ein Schrecken sein.« – Es kränkte Lucien besonders, von Napoleon als Revolutionär und Politiker nicht für voll angesehen zu werden. Denn als Napoleon die Proklamation an das korsische Volk gelesen hatte, die sein junger Bruder dem General Paoli unterbreiten oder veröffentlichen wollte, sagte er zu dem Hitzkopf: »Ich habe deinen Aufruf gelesen. Er taugt nichts. Es sind viel zu viel Phrasen und zu wenig Gedanken drin. So spricht man nicht zu den Völkern. Diese haben mehr Verstand und Feingefühl, als du glaubst. Deine Schrift würde mehr Schaden anrichten als Gutes tun.« Napoleon meinte den Brausewind durch Vernunft zur Mäßigung zu bringen. Er irrte sich. Lucien hatte seinen eigenen Kopf.

    Mehr Glück als bei Napoleon hatte er bei seiner klugen Schwester Elisa. Sie liebte er von allen seinen Geschwistern am meisten. Sie verstand und sprach Französisch, war fast im gleichen Alter mit ihm und interessierte sich für seine Reden. Sie erregten zwar Widerspruch in ihr, da sie in Frankreich ganz aristokratisch erzogen worden war, aber gleichzeitig bewunderte sie auch den Bruder. Sie war intelligent; er konnte mit ihr über alles sprechen, ohne daß er befürchten mußte, nicht, wie bei den Brüdern, für voll angesehen zu werden. »Elisa versprach keine Schönheit zu werden, aber ihre herrlichen Augen verrieten Geist.« Vom ersten Tage an, da sich die Geschwister in der Heimat wiedersahen, waren sie Freunde. Da auch die übrigen Familienmitglieder, besonders die weiblichen, Lucien bewunderten, glaubte er mit siebzehn Jahren zu allem fähig zu sein. Vom Schicksal hielt er sich bestimmt, eine bedeutende politische Rolle zu spielen. Er hielt sich für das gottbegnadete Genie der Familie.

    Da kam das Unglück. Letizia mußte mit den jüngeren Kindern fliehen. Der Hauptschuldige war der junge Lucien. Sein Selbstbewußtsein überschritt alle Begriffe! Er war auf die Fähigkeiten seines Geistes so eingebildet, daß er meinte, sich alles gestatten zu dürfen. Seine Ideen, seine Ansichten und Aussprüche waren seiner Meinung nach untadelhaft. Niemand durfte ihm dreinreden. Er trat mit einer Frechheit auf, die nicht allein erstaunte, sondern sogar eine gewisse Achtung einflößte. Er hielt sich für den klügsten und erfahrensten Politiker. Kurz er brannte darauf, wie seine Brüder Joseph und Napoleon eine Rolle zu spielen. Die Gelegenheit schien günstig. Im März 1793 war er als Sekretär des Diplomaten Sémonville nach Toulon gegangen und hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als in dem dortigen Klub Paoli anzuklagen. Er nannte ihn einen Verräter, einen Tyrannen. Er sei durchaus nicht der Verteidiger Korsikas, als den er sich aufspiele. Mit französischem Gelde habe er ein Schweizer Regiment geworben, das ihm ganz ergeben sei. Er wolle sich zum Alleinherrscher über die Insel machen und verübe allerlei Bedrückungen und barbarische Handlungen gegen die Bewohner. So ließen Lucien der gekränkte Ehrgeiz und die verletzte Eigenliebe sprechen. Die Reue über seine unedle Handlung packte ihn erst später, als er allein war, als er nicht mehr den Beifall und die Begeisterung seiner Zuhörer um sich vernahm. Sie währte übrigens nicht lange. Bald fand er großen Geschmack an seiner neuen Rolle.

    Er richtete an den Konvent eine Adresse, die sofort an den Abgeordneten des Departements Var befördert wurde und in die Versammlung gerade in dem Augenblick hineinfuhr, als man die Anklage Dumouriez' ausgesprochen hatte. Der Verrat war klar, und der Konvent beschloß, Paoli und Pozzo di Borgo vor die Schranken zu fordern.

    Lucien war selig, den »entscheidenden Schlag gegen die Feinde«, besonders gegen Paoli, ausgeführt zu haben. Napoleon selbst wußte nichts von dem Streiche seines Bruders. Er machte sogar im Klub von Ajaccio den Vorschlag, eine Adresse an den Konvent zu senden, damit dieser den Beschluß gegen Paoli zurücknehme. Als er erfuhr, wer der Urheber gewesen, war er über die Unüberlegtheit Luciens entrüstet, denn das bedeutete für die Gegner Paolis Verfolgung und Verbannung, für Korsika den offenen Krieg mit der französischen Republik. Drei Jahre später sagte Napoleon von seinem Bruder: »Lucien vereinigt mit ein wenig Geist einen sehr harten Kopf und besitzt obendrein noch eine wahre Wut, sich in Politik zu mischen.«

    In der Tat sollte diese Handlung Luciens schwere Folgen für die Familie nach sich ziehen. Paoli hatte außerdem einen Brief des jungen Bonaparte an seine Brüder aufgefangen, in welchem er der Guillotine geweiht wurde. Das war zu viel. Er schwor den Bonaparte ewige Rache. Nur mit Mühe vermochten sie seiner Wut zu entgehen.

    Nach vierjähriger Abwesenheit betrat Lucien wieder den Boden Frankreichs, wo er einst seine Studien so schroff abgebrochen hatte. Damals war er noch ein Schüler, jetzt beinahe schon eine Persönlichkeit. Seine Jugend war ihm zwar dabei ein wenig hinderlich, aber das brachte ihn nicht in Verlegenheit. Er erhöhte einfach sein Alter von 18 auf 26 Jahre. Auch zuviele Kenntnisse besaß der angehende Jakobiner nicht, dafür aber desto mehr Eitelkeit, Einbildungskraft und frühreife Beredsamkeit.

    Ende August 1793 hatte er schon einen Beruf. Als der General Carteaux mit seiner Revolutionsarmee nach Marseille kam, um dort den beginnenden Aufruhr zu unterdrücken, verschaffte er Lucien eine Stelle als Magazinverwalter in Saint-Maximin. Es war eine kleine Stadt im Departement Var, die dank Luciens und Barras' Marathon genannt ward. Luciens Anstellung war eine Gunst, die ihm als korsischen Emigranten zuteil wurde. Freilich war sein Einkommen dürftig: 1200 Franken im Jahr! Aber schon begann er von sich reden zu machen. Er sprach im Klub mit einer Flüssigkeit, einem Feuer und vor allem einer Überzeugung, die Bewunderung erregten. Die Anhänger strömten ihm von allen Seiten zu. Bald wurde er zum Präsidenten des revolutionären Komitees von Saint-Maximin ernannt. Die angesehensten Bürger der Stadt verdankten seinem Einfluß, daß sie als »verdächtig« in den Gefängnissen saßen. Er war eifriger Jakobiner, glühender Sanskülottist und unterzeichnete alle seine Schriftstücke mit »Brutus Buonaparte«. Ehemalige Galeerensträflinge, Diebe und Gauner waren seine Freunde. Als echter Republikaner mußte er doch das Beispiel der Gleichheit geben! Mehr als einmal stellte er sich bloß, denn seine Jugend ging oft mit seiner Vernunft durch. So schrieb er am Tage nach der Einnahme von Toulon an die Volksvertreter: »Bürger Repräsentanten! Vom Felde des Ruhmes aus, während meine Füße noch im Blute der Verräter schreiten, melde ich Ihnen mit Freuden, daß Ihre Befehle ausgeführt worden sind und Frankreich gerettet ist. Weder Alter noch Geschlecht sind verschont worden! Diejenigen, welche das republikanische Geschütz nur verwundete, sind durch das Schwert der Freiheit und das Bajonett der Gleichheit in die andere Welt befördert worden. Gruß und Bewunderung! Brutus Buonaparte, Bürger Sanskülottist.«

    Sein Aufenthalt in Samt-Maximin entbehrte auch nicht des Idyllischen. Er verliebte sich in die junge, reizende Schwester des Gastwirts, bei dem er wohnte. Es war jene Katharine Boyer, die Lucien selbst später Christine nannte, »die beste, die liebenswürdigste, die sanfteste aller Frauen«. Als er sie das erstemal in der dumpfigen, raucherfüllten Gaststube sah, war sie zwanzig Jahre als, zwei Jahre älter als er selbst. Christine war groß, schlank, wohlgebaut und unvergleichlich anmutig, ganz ein Kind des Südens. Die Lieblichkeit und Zartheit ihrer Züge wurde nicht einmal durch die Spuren beeinträchtigt, die die Pocken auf ihrem Gesicht zurückgelassen hatten. Sie hatte wunderbar sanfte Augen und konnte bezaubernd lachen. Der leicht entzündbare Lucien liebte das Mädchen leidenschaftlich und heiratete es, trotzdem es sehr wenig gebildet war und weder lesen noch schreiben konnte. Sie wurden am 4. Mai 1794 in Samt-Maximin getraut. Lucien erklärte sich in seinem Ehevertrag als »Brutus Buonaparte, korsischer Patriot, 26 Jahre alt, geboren den 26. Mai 1768 in Ajaccio«. Merkwürdig ist es, daß alle drei Brüder bei ihrer Verheiratung in einem und demselben Jahre geboren sein wollen! In solchen Dingen waren die Bonaparte nie verlegen. Der Neunzehnjährige machte sich um sieben Jahre älter. Das war so Brauch in der Familie. Jeder gab sich das Alter und den Namen, die ihm zusagten. So nannte sich Marianne später Elisa; aus Maria Annunziata ward Karoline. Lucien beeilte sich, seine Frau Katharine in Christine umzutaufen und sich selbst Lucien-Joseph zu nennen. Auch die Familienpapiere gingen aus einer Hand in die andere, wie in manchen Kreisen die Kleider, die von einem Kind auf das andere vererbt werden.

    Obgleich Lucien nichts weniger als hübsch war, hatte er doch Eindruck auf Katharine Boyer gemacht. Er hatte viel zu lange Arme und Beine, einen übermäßig kurzen Oberkörper, dazu die unsicheren Bewegungen eines Kurzsichtigen. Er zwinkerte beständig mit den kleinen, angestrengten Augen, und um seinen Mund spielte ein ewiges Lächeln. Seine Stimme hatte wenig Klang, und er sprach, obwohl sehr gewandt und fließend, stark durch die Nase. Da er jedoch fortwährend von seinen großen Brüdern, dem General und dem Kriegskommissar, von seinen Freunden Robespierre, Saliceti, Fréren und Arena erzählte, hätte er auch auf weniger einfache Gemüter als die Gastwirtstochter Eindruck gemacht. Sie gab sich die größte Mühe, ihre mangelhafte Bildung zu vervollständigen, um ihres geistreichen Gatten würdig zu sein. Lucien war ihr Lehrer. Unter seiner Anleitung lernte sie lesen und schreiben und wurde mit der französischen Literatur und Kunst bekannt. Bald schrieb sie sehr nette Briefe, die sie nicht vor den Damen der guten Gesellschaft zu verstecken brauchte. Die einfache Frau hatte auch Geschmack. Sie verstand sich gut zu kleiden und konnte in dieser Hinsicht später sogar mit der eleganten Josephine wetteifern.

    Von der Familie hatte niemand, außer Napoleon, etwas gegen die Heirat Luciens einzuwenden. Sie war auch damals durchaus nicht unter seinem Stand. Was war er denn selbst? Ein kleiner Angestellter mit 1200 Franken Gehalt! Die Zeiten waren hart, das Geld war selten und der Klassenunterschied überhaupt nicht mehr vorhanden. Das bewies Lucien selbst durch seinen Umgang mit allen möglichen Leuten. Beständig sprach er von Gleichheit und Brüderlichkeit. Und was Christine an Reichtum und äußerer Bildung fehlte, ersetzte sie durch ihren Seelenadel. Sie entwaffnete sogar Napoleon durch ihre herzgewinnende Reinheit und Einfachheit. Als sie im Jahre 1797 nahe daran war, zum drittenmal Mutter zu werden, F8 schrieb sie an ihren unversöhnlichen Schwager, den General Bonaparte:

    »Erlauben Sie mir, daß ich Sie mit dem Namen Bruder anrede. Mein erstes Kind kam zu einer Zeit zur Welt, da Sie gegen uns aufgebracht waren. Wie sehr wünschte ich, daß es Sie bald liebkosen dürfe, um Sie ein wenig über den Kummer zu trösten, den unsere Heirat Ihnen verursacht hat. Mein zweites Kind hat das Licht der Welt nicht erblickt, denn da ich auf Ihren Befehl Paris verlassen mußte, hatte ich eine Fehlgeburt in Deutschland. Aber in einem Monat hoffe ich Ihnen einen Neffen zu schenken ... Und das verspreche ich Ihnen: er soll ein Soldat werden! Nur möchte ich, daß er Ihren Namen trüge, und daß Sie sein Pate seien. Ich hoffe, Sie werden dies Ihrer Schwester nicht verweigern ... Wenn wir auch arm sind, so werden Sie uns doch nicht verachten, denn Sie sind ja unser Bruder. Meine Kinder sind Ihre einzigen Neffen und Nichten, und wir lieben Sie mehr als den Reichtum. Könnte ich Ihnen eines Tages alle Zärtlichkeit beweisen, die ich für Sie empfinde!«

    Einem solchen Brief konnte Napoleon nicht widerstehen. Er versöhnte sich mit seiner Schwägerin und hat Christine Boyer später sehr geachtet.

    Lucien hatte seinen Posten als Verwalter in Saint-Maximin verloren, da das dort befindliche Magazin nicht mehr bestand. So war er ohne Stellung und ohne Einkommen. Die Ereignisse des 9. Thermidor zwangen ihn, Saint-Maximin zu verlassen. Christine konnte ihrem Mann nicht sogleich folgen, da sie bald darauf ihrem ersten Kinde das Leben gab. Zum Glück fand Lucien in Saint-Chamans bei Cette eine Stellung als Inspektor der Fuhrwerke bei einem Armeelieferanten des Italienischen Heeres. Aber er hatte Feinde in Saint-Maximin, denn bisweilen hatte er sich auch als Verteidiger der Schwachen und Unterdrückten gezeigt. Wie sein Bruder Napoleon in Antibes, wurde er im Jahre 1795 von einem Demagogen als Freund des jüngeren Robespierre angezeigt und verhaftet. Auf Befehl der Volksvertreter Chambon und Guérin schleppte man ihn nach Aix ins Gefängnis. Seine Festnahme fand in einer ihm befreundeten Familie in Saint-Chamans statt, in der es gewöhnlich sehr lustig zuging. Man vergnügte sich gerade mit Pfänderspielen. Lucien war zur Auslösung seines Pfandes soeben im Begriff ein Gedicht vorzutragen, als ein gewisser August Rey unter die Gesellschaft trat und ihn im Namen des Gesetzes verhaftete. Dieser Rey war aus Samt-Maximin. Brutus-Lucien hatte dessen Vater und Mutter einst vorm Schafott gerettet. Unter den Tränen seiner reizenden Gesellschafterinnen wurde Lucien gebunden abgeführt. Noch war sein Kerker vom Blute der Gefangenen feucht, die man am Tage vorher niedergemetzelt hatte, um für neue Unglückliche Platz zu schaffen!

    Es bedurfte des ganzen Einflusses des Generals Bonaparte, um seinen Bruder aus dieser Gefangenschaft zu befreien. Napoleon ließ nichts unversucht und versah Lucien auch mit Geld. Lucien selbst schrieb einen Brief nach dem andern an seinen Bruder, an den Volksvertreter und Landsmann Chiappe, an den Bürger Rey, den Vater desjenigen, der ihn verhaftete. Ferner wandte er sich an Letizia, die sich wiederum bei Chiappe für ihren Sohn verwendete und an Frau Isoard in Aix schrieb. Luciens Angst war groß. Der kühne Redner von einst, der Brutus der Revolution, verzagte jetzt beinahe und wurde ganz klein. Welcher Gegensatz

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