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ALT BÖSE TOT: Dahinwelken im Altersheim? Die ehemalige Krimiautorin Melli will das nicht! Doch dann findet sie im Lainzer Tiergarten eine Leiche und ruft die Polizei. Vorbei ist es mit dem Dahinwelken!
ALT BÖSE TOT: Dahinwelken im Altersheim? Die ehemalige Krimiautorin Melli will das nicht! Doch dann findet sie im Lainzer Tiergarten eine Leiche und ruft die Polizei. Vorbei ist es mit dem Dahinwelken!
ALT BÖSE TOT: Dahinwelken im Altersheim? Die ehemalige Krimiautorin Melli will das nicht! Doch dann findet sie im Lainzer Tiergarten eine Leiche und ruft die Polizei. Vorbei ist es mit dem Dahinwelken!
eBook370 Seiten3 Stunden

ALT BÖSE TOT: Dahinwelken im Altersheim? Die ehemalige Krimiautorin Melli will das nicht! Doch dann findet sie im Lainzer Tiergarten eine Leiche und ruft die Polizei. Vorbei ist es mit dem Dahinwelken!

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Über dieses E-Book

Dahinwelken im Altersheim? Die ehemalige Krimiautorin Melli will das nicht!
Doch dann findet sie im Lainzer Tiergarten eine Leiche und ruft die Polizei. Vorbei ist es mit Dahinwelken, ihre kriminalistischen Instinkte erwachen.
Aber Chefinspektor Angermann ist gar nicht begeistert, dass ihm nun eine 82-jährige Hobby-Detektivin ins Handwerk pfuscht.
Und dann passieren auch noch weitere Morde.

Ein vergnüglicher und spannender Wien-Krimi mit Witz und Wiener Schmäh und einer ungewöhnlichen Ermittlerin im Stil einer frechen Miss Marple.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Feb. 2023
ISBN9783347876682
ALT BÖSE TOT: Dahinwelken im Altersheim? Die ehemalige Krimiautorin Melli will das nicht! Doch dann findet sie im Lainzer Tiergarten eine Leiche und ruft die Polizei. Vorbei ist es mit dem Dahinwelken!
Autor

Ingrid J. Poljak

Geboren in Wien, entdeckte die Autorin im Alter von 13 Jahren das Buch "Der Geisterseher" von Schiller/Ewers, es wurde zu ihrem langjährigen Kultbuch. Gleichzeitig begann sie in Ermanglung von anderen Büchern, die ihr gefallen hätten, selbst Romane zu schreiben. Nach dem Studium an der TU Wien war sie viele Jahre als Architektin und nebenberuflich als Grafikerin tätig. Während dieser Zeit kam sie nur sporadisch zum Schreiben, einige Romane und Romanfragmente blieben liegen. Seit sie vor einigen Jahren den Beruf aufgegeben hat, widmet sie sich ganz dem Schreiben. Sie verfasst hauptsächlich Krimis, Thriller und mysteriöse Kurzgeschichten. Veröffentlichungen: "Bildermord", ein Salzburger Künstlerkrimi, Berenkamp-Verlag 2012, 2. Ausgabe bei Epubli 2015. "Auch Mord ist (k)eine Kunst", eBook mit Kurzkrimis, Verlag Stories & Friends 2014. "Die Hände des Doktor Kinich", tredition 2014. "Alles Theater", seltsame Kurzgeschichten, tredition 2015. "DIABELLIS INFERNO", Psychothriller, tredition, Neuauflage Juni 2018. "Rot wie Blut", böse Kurzgeschichten, tredition, 2019. "BLINDE BILDER", Psychothriller, tredition 2021. Homepage der Autorin: www.ingrid-j-poljak.com

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    Buchvorschau

    ALT BÖSE TOT - Ingrid J. Poljak

    01 Dienstag

    13:00 h

    Melli hatte nie genug Zeit. Zehn Minuten wartete sie jetzt auf diesen Scheiß-Bus, und an der Umsteigstelle würde sich nochmals zehn Minuten warten. Das waren insgesamt 20 Minuten Wartezeit. 20 Minuten vergeudete Zeit. Ja, Zeitvergeudung! Als sie jung war, störte sie diese Zeitverschwendung nicht, da hatte sie noch das ganze Leben vor sich. Aber jetzt war sie 82.

    Sie stieg in den Bus.

    Der Bus blieb länger in der Station stehen, weil eine Alte aus dem Heim mit ihrem Rollator angetrippelt kam. Sie musste ja unbedingt den Bus erreichen.

    Der Fahrer stieg aus und half ihr. Der gute Herr Erdic. Immer hilfsbereit.

    Inzwischen fuhr der Gegen-Bus ein. Ein paar vom Heim stiegen aus, darunter der Stinke-Joe. Der arme Erdic! Wenn sie sich vorstellte, was er und seine Kollegen täglich alles aushalten mussten …

    Na endlich! Erdic stieg wieder ein und der Bus fuhr ab. Joe verschwand im Eingang zum Heim. Den Göttinnen sei Dank: Sie waren einander nicht begegnet.

    Diesmal musste Melli beim Umsteigen nicht lange auf den anderen Bus warten. Zehn Minuten später schritt sie fröhlich durch das Tor. Ihr zweites Paradies. Das erste war immer noch ihre kriminelle Fantasie.

    Diese Hermesvilla. Vielleicht sollte sie hier einmal einen richtig makabren Mord geschehen lassen. Leichenteile mussten in den Vitrinen einer Ausstellung verfaulen oder von den Kronleuchtern hängen. Geil! – Ja, geil und grauslich! Genau das musste es sein, wenn man heutzutage Erfolg haben wollte …

    Hinter den Nebengebäuden der Villa hielt sie kurz an. Im steinernen Brunnen lagen Münzen, hauptsächlich Fünf-Cent-Stücke. Aberglaube regiert die Welt.

    Melli schaute genauer hin: Da lag doch eine Uhr im Wasser, eine Armbanduhr! Sie schob den rechten Ärmel hoch und griff ins Becken. Eiskalt! Sie fischte die Uhr heraus, legt sie auf den Brunnenrand, betrachtete sie. Wassertröpfchen hafteten daran, keine Ablagerungen. Keine grünlichen Algen, wie sie an den Brunnenwänden klebten. Diese Uhr war noch nicht lange im Brunnen gelegen. Sie wischte die Uhr mit einem Papiertaschentuch trocken und inspizierte sie dann genauer. Eine HOREX, sicher sauteuer.

    Sie steckte die Uhr ein, lächelte und marschierte weiter. Ob sie die Uhr irgendwo abgeben sollte? Eine Uhr, die jemandem gehörte, der sich auch einen Ersatz dafür leisten konnte. Der nicht arm war wie eine alte Pensionistin, die auch früher kein Vermögen gescheffelt hatte.

    Sie stapfte den steilen Waldweg hinauf bis zur Brücke. Von dort nahm sie nicht mehr den Waldweg, sondern wanderte auf der Fahrstraße weiter. Während sie die große Kehre in Richtung Rohrhaus passierte, roch sie das erste Mal Schweine. Wildschweine.

    Der Gestank nach Wildschweinen wurde immer intensiver. Ein Grunzen drang an Mellis Ohr. Da erblickte sie auch schon das Vieh. Links von der Straße, auf dem leicht abfallenden Waldboden. Es stand bis zum Bauch im Schlamm, bohrte die Nase in den Grund. Schmatzte und sabberte.

    Es hob den Kopf, schaute eine Sekunde lang zu Melli herüber. Sie fasst ihre Walking Sticks fester, bereit sich zu verteidigen, wenn das Schwein angreifen sollte.

    Doch es stand wie angewachsen da und rührte sich nicht.

    Blöde Sau! – Oder war es ein Eber?

    Melli fuchtelte mit den Stöcken in der Luft herum, das Vieh beeindruckte das nicht. Im Gegenteil, es steckte den Rüssel wieder in den Schlamm und wühlte und grunzte. Weit und breit keine Jungen, keine Rotte. War es ein einsamer, alter Eber? Es schnüffelte und zerrte an einem großen Ding herum, das dort im Morast lag.

    Melli stakte vorsichtig den leichten Abhang hinunter. Stützte sich auf ihre Stöcke. Sie näherte sich dem Schwein. Ragten da nicht große Zähne seitlich aus dem Maul? Die Hauer eines Keilers?

    Ihre Brille lief an. Da trat sie auf etwas Glitschiges, riss die Arme in die Höhe, schwankte, hielt sich gerade noch aufrecht.

    Sie selbst stand jetzt im Schlamm, schnaufte. Der Eber warf ihr einen langen Blick zu, dann drehte er sich um und trottete davon. Einfach den Hang hinunter, dem dichteren Wald entgegen.

    Den Göttinnen sei Dank!

    Froh, dass sie nicht selbst im Schlamm gelandet war, putzte sie die Brille und schnäuzte sich. Während sie das Taschentuch einsteckte, erkannte sie es:

    Da lag eine Leiche.

    14:00 h

    Melli rettete sich auf den festen Waldboden nahe der Straße. Sie nestelte ihr Smartphone aus der Tasche und wählte die Nummer der Polizei. Dann suchte sie sich in der Nähe einen Baumstumpf und wartete.

    Dass sie das noch erleben durfte! Eine echte Tote! Echte Polizei würde aufkreuzen! Hoffentlich war es nicht die Leiche einer Frau, die zufällig das Zeitliche gesegnet hatte. Nach einem Herzinfarkt oder einer tödlichen Krankheit. Oder die einem Unfall zum Opfer gefallen war. Hoffentlich war es ein richtiger Mord!

    Die Leiche lag 20 Meter von der Straße entfernt, vielleicht 25. Ein Pärchen spazierte vorüber, schaute kurz zu Melli her, winkte, bemerkte aber glücklicherweise nichts von der Toten. Doch was, wenn andere Leute hier auftauchten, die neugieriger waren als diese zwei? Wie sollte sie diese Leute verscheuchen? Schließlich war es IHRE Tote! IHR Mord!

    So ein Glück, dass das Schwein verschwunden war.

    Aber halt! War nicht Joe vor einer Stunde ins Heim zurückgekehrt? War er nicht mit dem Gegen-Bus angekommen! Er konnte hier gewesen sein, hier im Lainzer Tiergarten. Schließlich kam er öfter her. – Vielleicht war er hier gewesen, hier! Vielleicht hatte er …!

    Melli wartete auf die Polizei. Genau wie ihr der Beamte am Telefon geraten hatte. Sie müssten ohnehin bald da sein.

    Aber wenn Joe …

    Im Augenblick war niemand unterwegs, weder die Polizei noch irgendwelche Ausflügler. Melli stand von ihrem Baumstumpf auf. Sie spähte hinüber zu dieser unförmigen, mit Schlamm bedeckten Leiche. Auf ihre Stöcke gestützt ging sie näher. Woran war die Tote gestorben? Erstochen? Erwürgt? Mit einem Stein auf den Kopf geschlagen? Man konnte doch von der Todesart auf den Täter schließen. Das hatte sie in ihren Romanen geschrieben.

    Vorsichtig arbeitete sie sich näher, immer bedacht, dass sie nicht das Gleichgewicht verlor. Sie kam bis auf zwei Meter an die Leiche heran.

    Kein Zweifel, es war eine dicke Frau, die da mit dem Gesicht im Schlamm lag. Mellis Nackenhärchen stellten sich auf. Sie zog ihre Jacke fester an sich. Sie hatte Leichen oft beschrieben, aber gesehen? Mit eingezogenem Kopf schaute sie sich um, ob nicht bald die Polizei auftauchte.

    Da riss es ihr auf den glitschigen Untergrund einen Fuß weg. Sie ruderte mit den Armen, fuchtelte mit den Stöcken. Landete auf dem Hintern im Laub. Scheiße!

    Während sie versuchte aufzustehen, knallten auf der Straße Autotüren. Zwei Polizisten eilten auf sie zu. Der kleinere half ihr auf die Beine, verlor dabei die Kappe. Den anderen riss es beinahe selbst von den Füßen. Zu dritt kämpften sie sich aus der Schlammfalle. Unten im Wald grunzte ein Schwein. Ob es dasselbe war?

    Melli stand am sicheren Straßenrand. Die Feuchtigkeit, die sich unter dem Laub verbarg, hatte nicht vor ihrer Hose Halt gemacht. Vermutlich hatte sie am Hintern einen großen dunklen Fleck. Wie peinlich! Sie griff sich an den Hosenboden. Da klebten auch Blätter dran!

    Der kleine Polizist setzte seine Kappe auf und rief ihr zu:

    „Sie haben uns angerufen, Gnädigste? – Jetzt rennen S’ nicht davon."

    Von Rennen konnte keine Rede sein mit dem Laub, das ihr am Hintern pickte. Außerdem wollte Melli gar nicht davonrennen. Sie hatte die Leiche gefunden, die Polizei sollte sie fragen. Aber die Polizisten waren beschäftigt, rot-weiße Plastikleinen weitläufig um das Schlammloch herum zu spannen.

    Jessas! Sie hätte die Leiche fotografieren sollen!

    „Wollen S’ net was wissen von mir?" Sie schaute sich um: Sie war die Einzige, die hier etwas aussagen konnte.

    „Gnädigste, Sie müssen auf die Kripo warten. Mir san nur der Streifendienst."

    Ach ja, auch in ihren Romanen dauerte es immer eine Weile, bis die Kommissare und die Kriminaltechniker anrückten. Dabei hätte sie denen schon jetzt einen Tipp geben können.

    „Ich bin öfter in der Gegend, wissen S’, sagte sie. „Man kennt die Leut’, die immer wieder herkommen.

    Sie dachte dabei an den Joe. Der war ja heute hier gewesen. Vor einer Stunde war sie in den Bus gestiegen und er aus dem Bus.

    „Ich könnt’ Ihnen a paar Leut nennen, die S’ fragen könnten." Nein, nicht verdächtigen, nur fragen. Schließlich konnte es ja ganz anders gewesen sein. Auch in ihren Romanen hatte sie die Leser immer mit Wendungen überraschen müssen.

    Die Blätter fielen langsam von ihrem Hosenboden ab, sie half mit den Händen nach. Der Stoff fühlte sich bereits trocken an. Gerade rechtzeitig, denn da kamen schon zwei Autos mit rotierenden Blaulichtern die Straße herauf.

    Aus dem ersten Wagen stiegen ein Mann und eine Frau. Der Mann war ein stämmiger, mittelalterlicher Typ mit rundem Gesicht und einer blonden Stoppelglatze. Genau wie der Inspektor aus dem Wiener Tatort. Die Frau etwas jünger und rundlicher. Nicht so, wie Melli bisher ihre Kriminalbeamtinnen beschrieben hatte. Und auch nicht so, wie sie manchmal in den Fernsehserien auftauchten mit ihren kantigen Gesichtern und dem entschlossenen Blick. Die Dame hier schien ein eher gemütlicher Typ zu sein.

    Der Mann kam auf sie zu.

    „Haben Sie die Tote gefunden?" Er nahm sich nicht einmal die Mühe zu grüßen. Melli nickte nur. Die Leiche jetzt zu fotografieren, konnte sie sich in die Haare schmieren.

    „Haben S’ ihre Daten schon den Kollegen durchgegeben?"

    „Wir sind noch nicht lang da, Herr Inspektor. Der kleine Polizist hob die Absperrleine und ließ den Herrn Inspektor durchschlüpfen. „Achtung, rutschig, sagte er, da zog es diesem Griesgram auch schon die Beine weg. Nur mit der Hand landete der Herr Inspektor im Gatsch (*), den Aufsitzer konnte er gerade noch vermeiden. Ziemlich gelenkig für sein Figur. Melli verbiss sich das Grinsen.

    Er wischte sich die Hand mit einem Papiertaschentuch ab. „Ihre Daten können S’ der Frau Kollegin sagen." Damit entließ er Melli. Auch so ein arrogantes Mannsbild.

    Die Kollegin war umso freundlicher. „Inspektor Gitti Sokol."

    „Melanie Pospischil, sagte Melli. „Zweiundachtzig und drei Monate.

    „Sieht man Ihnen gar nicht an, Frau Pospischil."

    Melli hörte das gern.

    „Wohnen tu ich im Pensionistenheim, im Haus Abendrot, nicht weit von hier mit dem Bus, aber mit einmal Umsteigen." Sie sagte Adresse, Handy-Nummer und E-MailAdresse dazu und die Beamtin tippte alles in ihr Tablet.

    Drüben beugte sich der Griesgram über die Leiche.

    „Ist das Ihr Boss?"

    „Das ist er. Hier meine Karte und seine."

    Während Melli sich die Namen auf den Visitenkarten einprägte, sagte Frau Inspektor Brigitte Sokol:

    „Heute ist er schlecht gelaunt." Sie verdrehte kurz die Augen.

    Soso, schlecht gelaunt. Jetzt hockte er neben der Toten. Melli stellte sich vor, wie bei Aufstehen seine Knie knackten und er ein zweites Mal das Gleichgewicht verlor, diesmal nachhaltiger. Er würde in der Schweinesuhle landen.

    Ihr eigener Hintern fiel ihr ein. Sie brauchte dringend ein Klo.

    Als hätte sie ihre Gedanken gehört, sagte diese Sokol: „Wenn Sie nach Hause wollen – Ihre Daten haben wir. Wir rufen Sie an, wenn wir Sie brauchen."

    Melli schaute auf die Uhr. Zur Jause würde sie noch zurechtkommen. Die Sokol winkte ihr zu. Melli packte ihre Stöcke fester und marschierte zurück in Richtung Hermesvilla.

    Die Feuchtigkeit an ihrer Hose war nur oberflächlich, Gott sein Dank. Daraufhin gönnte sie sich im Restaurant einen Apfelstrudel. Sie holte ihr Handy hervor und fotografierte den Strudel. Damit sie wenigstens etwas hatte, das sie zuhause herumzeigen konnte. Oder auf Facebook ins Netz stellen. Obwohl sie dieses Protzen mit Essen auf Facebook hasste.

    „Haben S’ g’sehen, Herr Franz?, fragte sie den Ober. „Die Polizei ist vorhin raufgefahren.

    „Ja, bei der Hubertuswarte haben angeblich Jugendliche randaliert."

    Das war ihr neu. Hatten diese Burschen die Uhr in den Brunnen geworfen?

    Der Herr Franz wusste also noch nichts von dem Mord. „Haben S’ vielleicht auch den Stink…" Fast hätte Melli Stinke-Joe gesagt. „… den Joe Müller hier gesehen?"

    „Den? Klar hab ich den gesehen, der benützt ja immer unser Klo! Heute schon wieder."

    „Wann?"

    „So um zwölf herum."

    Das passte. Um eins war er vorm Heim aus dem Bus gestiegen. Melli zahlte und machte sich auf den Weg nach Hause.

    Im Bus blieb sie neben dem Fahrersitz stehen. „Hallo, Herr Erdic. Machen S’ heut wieder die PensionistenRunde?"

    Er grinste und nickte. Auf dieser Strecke kam er an drei Pensionistenheimen vorbei. Und die Alten suchten oft eine Ansprach’ bei ihm.

    Melli überfiel ihn gleich mit der nächsten Frage. „Den Joe Müller haben S’ heut nicht gerochen?"

    Erdic lachte. „Mein Kollege hatte das Vergnügen."

    Der Ausflug hatte Melli nichts eingebracht außer einer Leiche, einer feuchten Hose und einer teuren Uhr. Sie musste an dem Fall dranbleiben, aber sie wusste nicht, wie.

    16:30

    Schon bei der Rezeption kam ihr Olga entgegen. Wie immer mit geblümten Kopftuch und in einem Sack von Kleid, mit Stickerei am oberen Rand. Und mit diesem kläffenden Schoßhündchen.

    Vermutlich war Olga unterwegs zur öffentlichen Grünfläche vorm Supermarkt. Dort breitete sie immer eine Gratiszeitung fürs Gackerl aus und setzte ihre Fifi darauf ab. Und nützte die Gelegenheit zu rauchen.

    Melli ging in ihr Appartement, wechselte die Jeans und die Unterhose. Dann nestelte sie die Uhr aus ihrem Gürteltäschchen hervor und die beiden Visitenkarten. Sie legte sie vor sich auf den Tisch. Landeskriminalamt Wien Süd stand in fetten Buchstaben darauf, darunter die Namen von Chefinspektor Paul Angermann auf der einen, Inspektor Brigitte Sokol auf der anderen Karte. Die beiden hatten die gleiche Telefonnummer.

    Wenn diese Sokol nur anrufen würde. Sie würde ihnen berichten, dass sie oft am Fundort der Leiche vorbeiging. Und dass manchmal alte Leute aus den Heimen dort vorbeispazierten. Zum Beispiel Joe Müller. Dass Joe Müller heute mittags dort unterwegs gewesen war. Ganz sicher. Auch der Herr Franz hatte ihn gesehen.

    Joe wohnte im gleichen Stock wie Melli, nur ein paar Zimmer weiter. Sie wusste genau, wann er an ihrer Tür vorbeiging. Sie roch ihn.

    Wir rufen Sie an, wenn wir Sie brauchen. Warum rief diese Sokol jetzt nicht an?

    Vielleicht sollte sie sich ein paar Notizen machen. Damit sie nicht lange überlegen musste, wenn doch jemand anrief. Sie setzte sich an den Schreibtisch und schaltete den Laptop ein. Tod im LTG nannte sie die Datei. LTG stand für Lainzer Tiergarten. Kaum hatte sie das Datum eingetragen, läutete das Handy.

    „Nur du?"

    Zum Glück war Elfi schwerhörig. „Buhuu", sagte sie.

    Sie waren Freundinnen seit dem Gymnasium und sie begrüßten einander oft so. Dann kicherten sie immer. Auch diesmal.

    „Du trägst jetzt nicht deine Hörgeräte?"

    „Die liegen in der Lade. Du musst lauter reden, damit ich dich verstehe."

    „Verschieben wir das auf Abend? Ich hab was Dringendes zu erledigen"

    „Okay." Manchmal verstand Elfi auch etwas ohne ihre Verstärker. Und sie nützte die Unsicherheit, die dadurch bei ihren Gesprächspartnern entstand, ungeniert aus.

    Melli legte auf. Schließlich wartete sie auf einen wichtigen Anruf.

    Der kam leider nicht.

    Fünf Minuten später wählte sie die Nummer auf den Karten. Sie lauschte.

    „Angermann."

    Oje, das klang stressig.

    Sie holte Luft. Sie sei die Zeugin, die die Tote gefunden habe … zu mehr kam Melli nicht. Angermann schrie herum, und es klang, als wäre er mit anderen Leuten am Tatort.

    „Hallo?" Diesmal bellte er ins Telefon.

    „Soll ich hinkommen?" Die Idee war gerade in ihr aufgeblitzt.

    „Nein. Auf Wiederschauen."

    Zack!

    Auch gut. Er wusste noch nicht, wie lästig Melli werden konnte.

    Sie schaute nach dem Busfahrplan, der an ihrer Tür hing. Die Abfahrtszeit passte.

    Fünf Minuten später sagte sie zum Fahrer: „Noch immer auf der Strecke, Herr Erdic?"

    „Heute die letzte Runde."

    Als sie ausstieg, wünschte sie ihm einen schönen Abend.

    Um zehn vor sechs passierte sie zum zweiten Mal das Eingangstor zum Tiergarten. Es war taghell und das Tor würde erst um halb neun schließen. Sie marschierte los in Richtung Schweinesuhle. Vielleicht würde sie dort noch auf Polizei stoßen.

    Auf der Höhe des Forsthauses kam ihr ein Streifenwagen entgegen. Zwei Polizisten in Uniform saßen drin. Das Geräusch der polizeilichen Autoreifen verebbte langsam hinter ihr.

    Ausgerechnet auf dem steilsten Straßenstück vernahm sie andere Geräusche: schnelle Schritte und ein Keuchen. Das Gatter im Weidezaun stand offen, genau dort überholte sie ein Läufer. Während sie durch die Seitentür das riesige Wildgehege betrat, balancierte er übers Viehgitter. Er trug eine dicke Hornbrille und japste und stöhnte.

    „Mei’ Frau, mei’ Frau." Jedenfalls war es das, was Melli verstand. Sie wollte ihm etwas zurufen, aber auf der jetzt abfallenden Straße beschleunigte er wie ein Rennpferd.

    Melli traf ihn wieder bei der scharfen Kurve, wo die Straße ihre tiefste Stelle erreichte. Er saß zusammengekauert auf der Bank, hielt sich die Hände gegen Brust und schnaufte. Ein rotblonder, dünner Mensch mit Sommersprossen, wieder so ein blödes Mannsbild, das sich maßlos überschätzte. Die dünnen, quergelegten Fäden auf seinem Kopf hingen ihm jetzt bis über die Nase.

    Melli setzte sich neben ihn, war versucht, ihn anzusprechen. Er starrte sie aus verheulten Augen an. Sie rückte ein paar Handbreit von ihm ab. Vom Wald her schwebte Wildschweingestank.

    Melli ahnte Böses.

    „Was ist mit Ihrer Frau?"

    Er sank noch tiefer in sich zusammen, zog den Rotz auf. „Ich muss hin!"

    Ein grauer Kastenwagen rollte die Straße entlang und passierte die Kurve. Das Motorengeräusch schwoll an, weil es von hier an wieder bergauf ging.

    Melli lehnte sich zurück. Sie seufzte. „Ist eh schon zu spät. Nach ein paar Sekunden wandte sie sich nochmals an den Mann. „Lassen Sie sich Zeit, sagte sie, stand auf und stapfte los.

    Für sie war es nicht zu spät. Einige Beamte standen um die Tote herum. Sie hatten sogar Bretter auf den Boden rund um die Leiche gelegt, damit sie bei ihren Amtshandlungen nicht bis zu den halben Waden im Schlamm versanken. Auch der Herr Chefinspektor handelte noch Amt.

    Aus dem Kastenwagen zogen zwei Mann in grauen Arbeitsmänteln den Blechsarg heraus. Sie beachteten sie nicht. Als sie an die Absperrleine herantrat, drehte sich dieser arrogante – wie hieß er bloß? –Angermann um.

    „Sie schon wieder?!"

    Nicht gerade ein freundlicher Empfang. Melli versuchte es anders.

    „Da unten, sie deutete auf die letzte Kurve der Straße, „da unten kommt grad der Mann der Toten herauf.

    „Na und?"

    „Er könnte die Tote identifizieren."

    „Verschwinden Sie."

    Arschloch.

    Melli rührte sich nicht von der Stelle, ließ aber die Absperrleine los. Vorsichtig trat sie an den nächsten Baum und hielt sich daran fest. Kein schlechter Aussichtspunkt, von hier hatte sie die Leiche im Blickfeld.

    Die Frau lag jetzt mit dem Gesicht nach oben im Schlamm. Ihr praller Bauch überragte den Rest. Die Beamten hatten das Gesicht gereinigt und fotografierten sie. Das hatten sie vermutlich auch schon, als sie auf dem Bauch gelegen war. Der linke Ärmel ihrer Bluse war aufgerissen, der Unterarm voll Schlamm und Blut. Melli nützte die Gelegenheit und fotografierte ebenfalls. So gut sie von weitem konnte.

    Kein Anschiss! – Obwohl sie ein „Fotografieren verboten!" erwartet hatte. Schnell ließ sie das Handy wieder verschwinden. Man ignorierte sie!

    Auch der höfliche Herr Angermann hatte aufgehört, sich um sie zu kümmern. Er machte sich wichtig, indem er die Männer mit dem offenen, leeren Blechsarg auf den richtigen Weg über die Bretter dirigierte. Der erste rutschte trotzdem mit einem Fuß ab und trat in den Schlamm. Melli hielt sich an ihrem Baum fest. Außerdem spähte sie nach dem Marathonläufer. Hoffentlich war er tatsächlich der Ehemann, wie sie angekündigt hatte. Leider war der Knabe nirgends zu sehen.

    Die grauen Männer packten die Frau an Armen und Beinen und wollten sie in den Sarg heben. Ohne Erfolg. Einer von ihnen, der schon einmal ausgerutscht war, rutsche nochmals aus. Klar, an seinen Sohlen klebte fingerdick der Schlamm. Auf Angermanns Anweisung kam einer der Uniformierten zu Hilfe. Zu dritt hoben sie die Tote in den Sarg. Sie war schon steif wie ein Stock. Und ziemlich gewichtig.

    Die Männer legten den Deckel auf den Sarg und trugen ihn zum Leichenwagen. Der Rest der Mannen begann, die Sachen und Utensilien einzusammeln und zu verstauen. Die Alukoffer schnappten zu. Angermann redete mit den Leuten; die Frau Inspektor war nicht mehr da. Schade. Die hätte Melli sicher mehr Dank für die angebotene Hilfe gewusst.

    Autotüren knallten. Auch Angermann stapfte hinauf zur Straße.

    Das Spektakel war beendet.

    18:00 h

    Der Kastenwagen stand noch da. Melli gönnte sich eine Schnaufpause.

    Plötzlich tauchte der Marathonläufer neben dem Wagen auf. Im Lärm waren weder seine Tritte noch sein Keuchen zu hören gewesen. Jetzt war es ruhig, und die zwei, drei Mann, die einpackten, schauten hin. Er hielt sich an der Bordwand des Leichenwagens aufrecht.

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