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MAGNETSTURM: Ein Pavlides/Livanou Politthriller
MAGNETSTURM: Ein Pavlides/Livanou Politthriller
MAGNETSTURM: Ein Pavlides/Livanou Politthriller
eBook240 Seiten2 Stunden

MAGNETSTURM: Ein Pavlides/Livanou Politthriller

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Über dieses E-Book

Über dem Schwarzen Meer verunglückt ein griechisches Regierungsflugzeug. Vizeverteidigungsminister Kranidakis kommt dabei ums Leben.
Nikos Pavlides von der Kriminalpolizei Thessaloniki wird von der Athener Staatsanwaltschaft mit der kriminalistischen Untersuchung des Flugzeugunglücks betraut. Im Verteidigungsministerium trifft er auf eine Wand des Schweigens. Bald wird klar: Nur Moskau kann weiterhelfen.
Gemeinsam mit dem russischen Staatsrat Michail Lefterjewitsch Korodin macht sich Pavlides an die Aufklärung der tödlichen Havarie. Die Spur führt in hohe griechische Regierungskreise. Wird die Wahrheit jemals zu Tage kommen?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum23. Juli 2020
ISBN9783347102095
MAGNETSTURM: Ein Pavlides/Livanou Politthriller
Autor

T. H. Isaak

T. H. ISAAK ist Telemachos Hatziisaak. Der Arzt und Autor von Politthrillern lebt und arbeitet in der Schweiz. MAGNETSTURM ist sein vierter Pavlides-Roman. Bisher sind KALTE ALLIANZ (2011), SABOTAGEAKT (2013) und HASARDEUR (2015) erschienen.

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    Buchvorschau

    MAGNETSTURM - T. H. Isaak

    ATHEN

    Startklar

    Auf dem Display steht DIMOS YDT.

    YDT für Ypourgío Dimósias Táxis, Ministerium für öffentliche Ordnung.

    DIMOS für Dimitris Papadopoulos.

    Enge Freundschaft verbindet sie. Gemeinsames Jura-Studium an der Aristotelischen Universität. Frühe 1980-er Jahre. Aufbruchstimmung. Papandreous Sozialisten an der Macht. Melina Mercouri als widerspenstige Kultusministerin. Harry Klynn veräppelt eine ganze Nation. Nikos Galis hievt Aris Thessaloniki auf den Basketballolymp.

    Nach dem Studium trennen sich ihre Wege. Pavlides in die Armee, danach zur Kriminalpolizei von Thessaloniki. Papadopoulos fürs Nachdiplomstudium an die Sorbonne, danach als Regierungsbeamter nach Athen.

    Papadopoulos ist vor zwei Jahren vom neuen Regierungschef zum Vorsteher des YDT ernannt worden. Minister Dimos Papadopoulos. Er ist am Zenit seiner Karriere angelangt. Danach kann er nur noch Premierminister werden. Oder abstürzen.

    Nikos Pavlides schaut auf die Uhr. Einundzwanzig Uhr zwanzig. Jetzt das Telefon nicht abzunehmen wäre töricht. Papadopoulos würde es auf seinem Handy versuchen. Zudem gibt es meist einen triftigen Grund für den Herrn Minister ihn anzurufen. Seinen alten Kumpel, den frischgebackenen Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki. Mal hören, was er will.

    «Embrós», meldet sich Pavlides, bemüht, seine Stimme nicht allzu genervt klingen zu lassen. Schliesslich ist er seit acht Uhr morgens im Präsidium und nach zahlreichen mehr oder weniger wichtigen Sitzungen müde genug, um den Abend mit Penelope ruhig ausklingen zu lassen. Was Kleines essen bei Takis’ Taverne um die Ecke. Etwas Fernsehen. Die Nachrichten. Das restliche TV-Programm kann man sich schenken. Dann schlafen.

    «Wir stecken tief in der Scheisse», sagt Papadopoulos.

    «Und das nicht erst seit gestern, ich weiss», erwidert Pavlides ungerührt. Eine kleine Anspielung auf die beim Volk unbeliebte Koalitionsregierung von Konservativen und Sozialisten, die seit drei Jahren das Land regiert. Papadopoulos, Mitglied der sozialistischen PASOK, ist einer ihrer Exponenten.

    «Kranidakis ist tot.»

    «Kranidakis?»

    «Der Vizeminister für Verteidigung. Nassios Kranidakis.»

    In Papadopoulos’ Stimme schwingt ehrliche Bestürzung mit. Er, der oft mit ironischen, ja manchmal zynischen Sprüchen im privaten Kreis wie auch in der Öffentlichkeit zu glänzen weiss, klingt tatsächlich besorgt. Seltsam.

    Nassios Kranidakis. Ein Kreter. Mitglied der PASOK, Parteikollege von Dimos. Ein schlauer Kerl, ein alter Hase in der Politik. Geht auf die sechzig zu. Langjähriges Fraktionsmitglied mit Sitz im Verteidigungsausschuss des Parlaments. Nach den letzten Wahlen, die die konservative Nea Dimokratia knapp gewonnen hat, ohne jedoch alleine regieren zu können, profiliert sich Kranidakis auf Seiten der PASOK in den Koalitionsverhandlungen als ausgesprochener Pragmatiker. Er hat ein konziliantes Wesen. Ungewöhnlich für einen griechischen Abgeordneten. Und er ist dossierfest. Vorteilhaft für eine Berufung in die Regierung. Es kommt zum Stühlerücken bei der PASOK. Kranidakis wird für seine Arbeit belohnt und vom konservativen Regierungschef mit dem Amt des Vizeministers für Verteidigung betraut. Sein Vorgesetzter: Aris Asimoglou. Ein Konservativer. So bestückt man in einer Koalitionsregierung die Schlüsselministerien. Alles schön durchmischt. Keine einseitigen Machtballungen.

    «Mein Beileid.»

    Für Pavlides kommt die Neuigkeit, wie offensichtlich auch für Papadopoulos, überraschend. Von einer Krankheit des Vizeministers ist der Öffentlichkeit nichts bekannt.

    «Und woran ist er denn gestorben? Er war ja nicht so alt.»

    «Ein Unfall. Es ist …, verflucht nochmal …»

    Lange Pause.

    Nun fehlen Papadopoulos tatsächlich auch noch die Worte. Pavlides stutzt, fühlt sich genötigt, die Konversation aufrecht zu erhalten.

    «Weiss man schon, was passiert ist?»

    Langsam erschleicht ihn das Gefühl, dass Papadopoulos nicht einfach einen guten Freund anruft, um ihn höflichkeitshalber zeitnah über den Hinschied des Vizeverteidigungsministers zu informieren. Kranidakis ist Pavlides ja schliesslich nicht persönlich bekannt. Hat Papadopoulos’ Anruf womöglich etwas mit meiner Position als Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki zu tun?

    Sogleich verwirft er diese These jedoch wieder, als er vernimmt, dass Kranidakis mit dem Flugzeug verunfallt ist. Dafür ist das Büro für Flugunfalluntersuchungen zuständig.

    «Vor etwa zwanzig Minuten hat mich die Nachricht erreicht, dass er in einer unserer Regierungsmaschinen abgestürzt ist.»

    «Tragisch, aber …»

    «… Also, nicht wirklich abgestürzt. Der Pilot konnte die Maschine kurz vor dem Aufprall noch abfangen. Anscheinend gab es eine Havarie auf zehntausend Metern. Nach ersten Erkenntnissen fiel die Energieversorgung aus, und das Flugzeug stürzte mehrere Kilometer in die Tiefe.» Papadopoulos Stimme klingt nun wieder gefasster.

    «Und der Pilot konnte trotzdem sicher landen?»

    «Ja, Gott sei Dank. Genau deswegen rufe ich dich an.»

    Also doch. Sicherstellung des Flugzeuges, der Leiche, des Gepäcks. Befragungen der Mitreisenden und so weiter. Routine. Den Rest machen die Leute von der Flugunfalluntersuchung. Ich muss Manpower bereitstellen. Nun komm schon zur Sache, Dimos. «Auf dem Flughafen Thessaloniki, nehme ich an.»

    «Nein, Alexandroupolis.»

    Alexandroupolis, also. Dreihundert Kilometer. Vier Stunden mit dem Auto. Der diensthabende Beamte wird sich freuen.

    «Ich weiss noch nichts Genaueres, Nikos. Das Büro für Flugunfälle ist eingeschaltet und hält mich auf dem Laufenden. Angeblich gibt es mehrere Tote in der Kabine. Ich habe die Staatsanwaltschaft unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Traianos wird noch heute Nacht nach Alexandroupolis fliegen.»

    Der unermüdliche Miltiades Traianos. Athener Staatsanwaltslegende. Ein alter Bekannter. Dürfte mittlerweile gegen die siebzig gehen.

    «Ich will, dass du in deiner Funktion als Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki die polizeilichen Ermittlungen persönlich in die Hand nimmst und koordinierst. Das hier ist Chefsache, Nikos! Ich vertraue nur dir! Pack deine Kaderleute und mach dich auf den Weg! … Und halt mich auf dem Laufenden!»

    Aufgehängt. Na, toll. Durchatmen. VIAP-Pastille in den Mund schieben. Penelope anrufen.

    «Hör mal, Liebes, es wird heute nichts mit einem gemütlichen Abend. Ruf bitte den Piloten-Pikettdienst an und richte ihm aus, dass er die Maschine volltanken und für einen Flug nach Alexandroupolis bereithalten soll. In einer Stunde fliegen wir los. Du kommst mit!»

    Penelope Livanou. Pavlides’ Ehefrau. Vor einem Jahr war Hochzeit. Sie ist leitende Beamtin im Innendienst der Polizei, betreut die Rechtsabteilung und ist Liaison Offizierin des Nationalen Informationsdienst EYP. Eine unverzichtbare Stütze für Pavlides. Privat, wie auch im Dienst.

    Dann Telefonrally. Spurensicherung, Morddezernat, Gerichtsmediziner. Spätestens um Viertel nach zehn haben sich alle am Flughafen von Thessaloniki einzufinden. Ein sportlicher Zeitplan. Im abgesperrten Sektor ist der Polizeihubschrauber, eine Bo-105 stationiert. Startklar.

    Inspektion

    Der Pilot fliegt die ganze Strecke mit eingeschaltetem Nachtvisier. Pavlides döst im Helikopter vor sich hin. Ihm ist bewusst, dass es eine lange Nacht werden könnte. Tieffrequente, brummende Maschinengeräusche machen ihn schläfrig. Eine wohlige Lethargie. Jorgos Kapsis, der Gerichtsmediziner, schaut die ganze Zeit zum Fenster hinaus auf die Küstenlinie, derer entlang der Hubschrauber, auf einer Höhe von dreitausend Fuss, fliegt. Eine nicht enden wollende, funkelnde Lichterkette. Christos Arambatzis von der Spurensicherung und Prokopis Patsis von der Mordkommission starren stumm vor sich auf den Boden. Auf die vibrierenden, rutschfesten Stahlbodenplatten. Wären wohl beide lieber zuhause. Oder zumindest nicht in der Luft. Livanou – ihr Handy in der Hand – hört Musik über Kopfhörer und lehnt ihren Kopf an Pavlides’ Schulter. Kurz vor Mitternacht setzen die Kufen der Bo-105 auf dem Vorfeld des Provinz-Flughafens Alexandroupolis-Demokritos auf.

    Der Polizeichef Fotis Charalambidis persönlich, feinsäuberlich herausgeputzt als würde er auf einen Offiziersball gehen, empfängt Pavlides und sein Team. Begleitet wird er von einer ganzen Heerschar an uniformierten und zivilen Beamten. Dagegen sieht die kleine Delegation des Bürgermeisters von Alexandroupolis geradezu bescheiden aus.

    «Wir sind bestürzt über den Vorfall, Herr Direktor», wendet sich Charalambidis an Pavlides. Herr Direktor. Offensichtlich liegt ihm viel an formeller Korrektheit. Pavlides versucht sich derweil zu orientieren. Das Flugfeld ist durch die Scheinwerfer taghell erleuchtet. Links vor ihm, in einer Distanz von etwa fünfzig Metern, steht das Flughafenterminal. Auf dessen Aussichtsterrasse blitzen die Fotoapparate. Die Medien haben also bereits Wind von der Sache bekommen. Die Presseleute richten ihre Kameras und Teleobjektive auf das Objekt ihrer Begierde, das Regierungsflugzeug, das in etwa zweihundert Metern Entfernung am anderen Ende des Vorfeldes steht. Abgesperrt und umstellt von einem Dutzend Mann der Einsatzpolizei. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, dass die Polizei in der Provinz verhältnismässig gut vertreten ist, während man sich in den Ballungszentren permanent mit Personalproblemen rumschlagen muss.

    «Sie möchten wohl unverzüglich mit der Zeugenbefragung beginnen, Herr Direktor», stellt Charalambidis beflissen fest.

    Pavlides winkt ab.

    «Nicht im Geringsten. Zeigen Sie uns zunächst das Flugzeug. Ich will erst mal einen Blick auf den Tatort werfen.»

    «Bitte entschuldigen Sie: Tatort?» hakt Charalambidis irritiert nach.

    «Ist jemand im Flugzeug ums Leben gekommen? Ein aussergewöhnlicher Todesfall?»

    «Ja, aber …»

    «Dann ist das Flugzeug defmitionsgemäss ein Tatort. Páme.»

    Gefolgt von einer Menschentraube aus Sicherheitsund Verwaltungsbeamten machen sie sich auf den Weg. Voraus schreiten Pavlides, Charalambidis und der Bürgermeister Lambakis, ein sympathischer Mittfünfziger im Anzug, mit feiner Metallrahmenbrille, Glatze und Vollbart. Begründer einer regionalen Bürgerbewegung, die in dieser Stadt die Geschäfte führt.

    «Das Flugzeug, eine Maschine des französischen Herstellers Dassault, landete um 21.08 Uhr auf dem Flughafen. Der Pilot hatte kurz vor Eintritt in den griechischen Luftraum einen Notruf abgesetzt. Die Feuerwehr stand bereit für den Fall, dass das Fahrwerk nicht hätte ausgefahren werden können. Ihr Einsatz war schliesslich – Gott sei Dank – dann doch nicht nötig», referiert Charalambidis auf dem Weg zum Flugzeug. «Unsere Leute waren sofort zur Stelle. Gemeinsam mit den Feuerwehrleuten öffneten sie die Flugzeugtüre. Es bot sich ein schreckliches Bild.»

    Stumm und fassungslos schüttelt der Bürgermeister den Kopf.

    «Wie viele Personen waren an Bord?» will Pavlides wissen.

    «Acht. Sechs haben nicht überlebt. Die anderen zwei haben wir sofort in die unfallchirurgische Abteilung der Universitätsklinik überführt. Einen von ihnen mit schweren Verletzungen.»

    «Den Piloten und wen noch?»

    «Einen Sicherheitsbeamten, der zur ministerialen Leibwache gehört. Es war wohl sein Glück, dass er angeschnallt war. Trotzdem hat’s ihn übel erwischt. Hat einen schweren Schock erlitten. Und mehrere Verletzungen. Knochenbrüche und so.»

    «Und die anderen? Alle tot?»

    «Alle tot. Eine junge Frau atmete noch, als die Rettungssanitäter kurz nach uns hier ankamen. Aber auch für sie kam jede Hilfe zu spät. Sie starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.»

    Pavlides stutzt. «Eine junge Frau?»

    Charalambidis druckst etwas herum.

    «Die Tochter des Vizeministers, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.»

    Wieso hat der auf einem Dienstflug seine Tochter mit dabei? Eigenartig. Eine Regierungsmaschine ist doch kein Ferienflieger!

    Und noch etwas hat Pavlides aufhorchen lassen: «Das Flugzeug flog ausserhalb des griechischen Luftraums?»

    «Ja, es überquerte die bulgarisch-griechische Grenze auf der Höhe von Svilengrad.»

    «Der Vizeminister war auf dem Rückflug von einer Dienstreise nach Bulgarien?»

    «Nein, nein! Der Vizeminister war unterwegs nach Moskau. Irgendwo über der bulgarischen Schwarzmeerküste ereignete sich dann dieser schreckliche Vorfall.»

    «Und der Pilot flog die ganze Strecke hierher zurück?»

    «Richtig.»

    «Wieso denn das? Hätte er nicht vor Ort irgendwo landen können? Was weiss ich, in Varna oder Burgas zum Beispiel. Es gibt doch Flugplätze an der bulgarischen Küste, nicht?» wundert sich Pavlides.

    Achselzucken bei Charalambidis. «Das müssen Sie ihn schon selber fragen, Herr Direktor.»

    Das Innere des Flugzeuges lässt Pavlides erschaudern. Was mag hier passiert sein? Ein riesiges Durcheinander. Als hätte ein homerischer Zyklop schwallartig in die Kabine gekotzt. Glassplitter, Bücher, Zeitungen, Schreibmaterial, Notebooks, oder was von solchen übrig ist, Taschen, offene Gepäckstücke, Kleider, zerbrochenes Geschirr, Esswaren, Getränke, allerlei Kleinkram. Alles liegt wirr durcheinander verstreut in der Kabine herum. Zerborstene Holzdekors, verbeulte Innenverkleidungen. Und überall Blut, Spuren schmieriger Flüssigkeiten, Halbverdautes. Der Geruch von frischem Blut vermengt sich mit dem säuerlichen Gestank von Erbrochenem. Ekelerregend.

    «Haben Sie Fotos vom Innern gemacht?» fragt Pavlides Charalambidis.

    Dieser bejaht. Einer der Männer, der als erster vor Ort war, hat zahlreiche Aufnahmen mit seinem Handy gemacht. Auch Filmsequenzen. Sogar während den Reanimationsversuchen der Rettungssanitäter.

    Nicht gerade konform mit den Standard Operation Procedures und den Weisungen des Persönlichkeitsschutzes, aber in diesem Fall sinnvoll.

    Jetzt heisst es Material sicherstellen. Alles. Sofort. Pavlides geht in sein berüchtigtes Befehlsstakkato über. Polizeifotograf?

    Er ist zugegen. Der Mann dort hinten in zivil mit der Reportertasche.

    An Charalambidis gewandt: «Sind Ihre Kripo-Leute da?»

    «Ihnen zu Diensten, Herr Direktor. Drei Beamte der Kriminalpolizei, darunter auch der Teamleiter, Leventoglou.»

    «Wo sind die Leichen?»

    «Alle im Universitätskrankenhaus. Zur Obduktion.»

    Na, ja. Gerade ideal ist das nicht. Pavlides hätte die Situation gerne so angetroffen, wie sie sich den Beamten im ersten Moment präsentiert hatte. Was soil’s. Wahrscheinlich dachten die, dass noch jemand zu retten wäre. Gut gemeint, massig gut ausgeführt. Pavlides wendet sich an Jorgos Kapsis, Übername «der Schlächter». Dieser steht auf der Flugzeugtreppe und schaut kopfschüttelnd ins Innere der Kabine. Der Gerichtsmediziner ist Dozent und leitender Arzt des Institutes für Rechtsmedizin an der Aristotelischen Universität. «Jorgos, du wirst die Autopsien leiten. Schau dir die Handybilder und Filmchen des Polizeibeamten an. Und schick mir Kopien davon!» Der Schlächter nickt kommentarlos. Offensichtlich hat auch er noch nie so etwas gesehen.

    Pavlides richtet seine Worte wieder an Charalambidis: «Christos Arambatzis ist von der Spurensicherung. Er wird die Leitung der Untersuchungen vor Ort übernehmen. Ihr Fotograf und Ihr Spurenteam sind ihm ab sofort unterstellt.»

    Charalambidis scheint erleichtert zu sein, dass die Delegation aus Thessaloniki nun das Heft entschlossen in die Hand nimmt. Bei Zwischenfällen, in denen prominente Bürger zu Schaden kommen, kann man als Chef der polizeilichen Behörde in der Provinz eigentlich nur verlieren. Schnell heisst es: Unfähig. In solchen Situationen gibt man die Verantwortung besser ab.

    «Wollen Sie jetzt ins Krankenhaus fahren?» fragt Charalambidis devot.

    «Nein», antwortet Pavlides dezidiert. «Wir warten hier auf den Staatsanwalt. Fragen Sie mal den Tower, wann er ankommt. Und geben Sie der Pathologie Bescheid, man solle die Leichen nicht antasten!» Damit steigt er wieder aus dem Flugzeug. «Ach ja, und besorgen Sie Polizeischutz für die beiden Verletzten.»

    Man kann ja nie wissen.

    Es ist halb eins, als die Maschine des Staatsanwalts landet. Das Flugzeug hält in unmittelbarer Nähe zur Unglücksmaschine. Die Türe geht auf und Miltiades Traianos eilt die Treppe runter. Hinter ihm weitere sechs Personen. Traianos’ Sekretärin, zwei junge Untersuchungsrichter, ein Sicherheitsbeamter und zwei Männer der Flugunfall-Untersuchungsbehörde. Das übliche Aufgebot für solche Fälle. Als Traianos Pavlides erblickt, kommt er sofort auf ihn zu.

    «Pavlides! Schön Sie zu sehen. Eine Sauerei?»

    «Sehen Sie selbst, Herr Staatsanwalt.»

    Pavlides legt seinen Arm um dessen Schulter. Das Männchen ist, so scheint es, seit ihrer letzten Begegnung etwas geschrumpft. Sein Gang aber ist noch immer

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