Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten! Die unglaublichsten Mitfahrgeschichten
Von Nina Petersmann und Petra Brumshagen
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Buchvorschau
Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten! Die unglaublichsten Mitfahrgeschichten - Nina Petersmann
Bitte einsteigen
Mit Fremden fahren könnte man das nennen, was Tag für Tag Zigtausende Reiselustige praktizieren. Von München nach Hamburg, von Schwetzingen nach Salzgitter, von Leipzig nach Köln. Nahezu jede Stadt und jeder Ort Deutschlands lässt sich via Mitfahrzentralen, die im Internet inserieren, erreichen. Inzwischen werden zunehmend auch außerdeutsche Ziele angeboten.
Mitfahren boomt, gerade in Zeiten steigender Spritpreise. Fernbeziehung, Heimatbesuch oder ein Wochenende bei Freunden – das sind die wohl häufigsten Gründe für diese Art des Reisens. Wobei neben die Möglichkeit, weite Strecken für kleines Geld zurückzulegen, auch der Spaßfaktor tritt, denn Fahrgemeinschaften sind deutlich unterhaltsamer und spannender als einsame Stunden allein hinterm Steuer. Und deshalb für alle, die anderen Menschen offen und neugierig begegnen, eine tolle Alternative.
Seit vielen Jahren fahren wir auf diese Weise quer durch Deutschland. In beiden Varianten, mal als Fahrer, mal als Mitfahrer. Dabei haben wir nicht nur einen kleinen Beitrag für die Umwelt geleistet und eine Menge Geld gespart, sondern auch die unterschiedlichsten Menschen getroffen. Unsere Fahrten fanden zu einem großen Teil zwischen München, Stuttgart, Heidelberg und dem Ruhrgebiet statt, was mit unseren Wohnorten und denen unserer Familien zusammenhängt. Darüber hinaus haben wir Freunde und Bekannte besucht oder sind für Kurztrips zu Konzerten und anderen Events zu Fremden ins Auto gestiegen. So kommen viele Jahre Erfahrung zusammen und unzählige kleine und große Abenteuer und Geschichten unterschiedlichster Art.
Bereits im Winter 2010 haben wir uns, im Auto auf dem Weg von Stuttgart nach Heidelberg, entschlossen, unsere originellsten Erlebnisse aufzuschreiben. Nachdem wir die ersten Geschichten zu Papier gebracht hatten, erfasste uns eine regelrechte Gier nach immer Neuem, sodass wir fortan noch häufiger Mitfahrgelegenheiten nutzten. Die Ausbeute liegt hier vor. Von den nettesten und lustigsten Erlebnissen erzählen wir in diesem Buch ebenso wie von skurrilen, verrückten und abstrusen Begebenheiten. Denn wer regelmäßig in fremden Autos sitzt oder fremde Menschen an Bord hat, kann wirklich so einiges erzählen.
Wir freuen uns auf viele weitere Fahrten durch die Welt und hoffen, dass auch mal jemand einsteigt, der unser Buch gelesen hat.
Petra Brumshagen und Nina Petersmann
Einsteigen schwer gemacht
Nina und ich warten im Auto an einer Tankstelle in Heidelberg, wo wir zwei Mitfahrer aufsammeln sollen. Während Nina tankt, steigt der erste schon ein und nimmt hinter Ninas Fahrersitz Platz. Kurz darauf, Nina bezahlt gerade, trifft der andere ein und klopft von außen gegen meine Scheibe. Ich öffne zur Begrüßung die Beifahrertür, und er sagt fröhlich »Hallo!«. Dann macht er sich plötzlich an meinem Sitz zu schaffen und fummelt an dem Hebel zum Verstellen meiner Rückenlehne herum. »Äh, kann ich dir helfen?«, frage ich perplex.
»Nee, ich hab’s gleich«, erwidert er nur, doch meine Verwunderung steigt, als der Bursche auch noch anfängt, sein Bein hinter meinen Sitz zu quetschen. »Mist, wie funktioniert denn das bei dieser Karre?«, flucht er sichtlich irritiert.
Endlich geht mir ein Licht auf, was es auf sich hat mit seinen Verrenkungen. »Hey, versuch’s mal durch die hintere Tür. Die Karre ist nämlich ein Viertürer!«
Petra
Eine ganz eigene Philosophie
Ich habe für alles meine ganz eigene Philosophie«, erklärt die aufgedrehte Rothaarige, als wir zu dritt in einem Fiat 500 sitzen und auf den vierten Mann warten, damit wir losfahren können.
Stuttgart–München ist angesagt. Die Philosophin hat uns schon jetzt halb totgequatscht, vor allem auf den Typen auf dem Beifahrersitz scheint sie’s abgesehen zu haben. Er tut mir richtig leid, der arme Kerl, und ich frage mich, ob das wohl die ganze Fahrt über so weitergeht.
»Also, wenn mir einer querkommt, weiß ich genau, was ich sage. Ich wusste von Kindheit an auf alles eine Antwort und habe mir von jeher mögliche Reaktionen zurechtgelegt.«
»Aha«, macht der höfliche Beifahrer, während ich leise seufze, doch die Rote quasselt weiter wie ein Wasserfall. »Egal, was ein Mensch mir entgegnet, ich bin immer einen Schritt schneller als er!«
Ja, und eine ordentliche Portion lauter und nerviger, denke ich.
»Ich sage euch«, fährt sie fort und wendet sich nun wieder ans ganze Publikum, »jeder braucht eine eigene Lebensphilosophie. In jeder Situation. Einfach immer. Dann ist man für alles gewappnet! Findet ihr nicht auch?«
Langes Schweigen, bis sich schließlich der Fahrer zu ihr umdreht. »Ja, ich habe auch eine Philosophie. Besonders fürs Autofahren. Sie lautet: Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten!«
Nina
Die Verzichtserklärung
Ach, bevor ich es vergesse: Würdet ihr mir bitte alle noch schnell diese Formulare unterschreiben? Im Fall eines Unfalls verzichtet ihr damit auf Schadensersatz«, erklärt die junge Autobesitzerin uns Mitfahrern auf einem Parkplatz im Münchner Norden und winkt mit den Formularen.
Als sie unsere erstaunten Gesichter sieht, beeilt sie sich hinzuzufügen, dass es sich lediglich um eine versicherungstechnische Formsache handle und vom ADAC empfohlen werde. So unterschreiben wir anstandslos.
Dem Start Richtung Heidelberg steht nichts mehr im Wege, und arglos setzen wir uns ins Auto, bis die junge Fahrerin uns nach wenigen Metern erklärt: »Ihr seid super – jetzt kann ich wirklich beruhigt losfahren. Nach meinen letzten zwei Unfällen will ich nämlich nicht schon wieder so einen Schlamassel erleben.«
Petra
Warten auf Valerie
Ein verregneter Freitagnachmittag. Ich hetze zu einem Treffpunkt im Münchner Norden, von wo es um 16 Uhr nach Heidelberg gehen soll. Ich treffe genau in dem Moment ein, als auch der schwarze Golf auf den Parkplatz fährt, und steige gleich ein, sichere mir meinen Lieblingsplatz hinter dem Fahrer, denn zum Reden habe ich heute keine Lust, möchte lieber ein Nickerchen machen. Kurz darauf trifft auch der zweite Mitfahrer, Klaus, ein und setzt sich neben Kevin auf den Beifahrerplatz. Wir quatschen ein bisschen über das miserable Wetter, während wir auf die Vierte im Bunde, auf Valerie, warten.
Nach zehn Minuten greift unser Fahrer schließlich zum Handy. »Hi, Kevin hier. Ich wollte mal fragen, wo du bleibst.« – »Was? 20 Minuten?« – »Das ist aber verdammt lang!« – »Warum hast du denn nicht Bescheid gegeben?«
Kevin schaut Klaus und mich kopfschüttelnd an. »Okay, ich frag die anderen, ob das klargeht.« Und fügt auf unser schicksalsergebenes Nicken hinzu: »Gut, wir warten.« Er legt seufzend auf.
Wir vertreiben uns die Wartezeit mit den beliebtesten und dreistesten Ausreden fürs Zuspätkommen. »Musste noch als Zeuge bei einem Unfall aussagen« gehört ebenso dazu wie »Habe einer alten Dame noch nach Hause geholfen«. Komisch, dass in solchen Fällen offenbar immer auch die Handynetze versagen.
20 Minuten vergehen.
»Mal gespannt, wo sie jetzt ist«, sagt Kevin und greift erneut zum Handy. »Was? Noch eine Viertelstunde? – Ja, aber beim letzten Mal war von 20 Minuten die Rede ... Du solltest also längst hier sein.« Kevins Stimme ist jetzt alles andere als freundlich. Noch fünf Minuten bis 17 Uhr und noch immer keine Valerie in Sicht. Inzwischen warten wir eine geschlagene Stunde.
Einige Minuten später flucht Kevin. »Wisst ihr was? Wir fahren jetzt!«
Er startet den Motor und macht die Scheinwerfer an, als im Lichtkegel vor uns plötzlich ein junges Mädchen mit Handy am Ohr gemächlich heranschlendert und die hintere rechte Tür öffnet, um einzusteigen. Ihr Gequatsche unterbricht sie nur kurz. »Kann losgehen«, verkündet sie, um sogleich unbeirrt weiterzutelefonieren. Kein Wort der Entschuldigung, keine Erklärung – ich kann es nicht fassen.
Kevin offenbar auch nicht. »Würdest du bitte noch mal kurz aussteigen«, sagt er betont freundlich.
»Hä?«, fragt die telefonierende Valerie irritiert.
»Bitte, steig einfach schnell aus, ja«,