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UnVergessene Diskurse: 20 Jahre PR- und Organisationskommunikationsforschung
UnVergessene Diskurse: 20 Jahre PR- und Organisationskommunikationsforschung
UnVergessene Diskurse: 20 Jahre PR- und Organisationskommunikationsforschung
eBook902 Seiten9 Stunden

UnVergessene Diskurse: 20 Jahre PR- und Organisationskommunikationsforschung

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Über dieses E-Book

Die 20-jährige Geschichte der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) ist ein Spiegel der deutschsprachigen PR- und Organisationskommunikationsforschung. Neben weitgehend vergessenen Diskursen wie zur Dialogkommunikation gibt es Themen, die das Fach seit 20 Jahren unverändert beschäftigen. In dem Band wird gezeigt, wie sich die Zugangsweisen und die Relevanz von vergessenen wie unvergessenen Diskursen in den vergangenen 20 Jahren verändert haben. Er leistet damit einen Beitrag zur Geschichtsschreibung des Forschungsfeldes. Vor allem werden aber Konsequenzen und immer noch bestehende Forschungsdesiderate für künftige Forschungsarbeit aufgezeigt.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer VS
Erscheinungsdatum24. Juli 2013
ISBN9783531191218
UnVergessene Diskurse: 20 Jahre PR- und Organisationskommunikationsforschung

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    Buchvorschau

    UnVergessene Diskurse - Olaf Hoffjann

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

    Olaf Hoffjann und Simone Huck-Sandhu (Hrsg.)UnVergessene Diskurse10.1007/978-3-531-19121-8_1

    Einleitung

    Olaf Hoffjann und Simone Huck-Sandhu

    Vor gut 20 Jahren, am 10. Mai 1991, saßen Günter Bentele, Peter Szyszka, Michael Kunczik und einige andere Kollegen am frühen Nachmittag im Foyer des Hotel Residenzschloss in Bamberg zusammen, um die Fachgruppe PR/Organisationskommunikation zu gründen. Die gemütliche Sitzecke im beschaulichen Bamberg war ein passendes Symbol für die damalige PR- und Organisationskommunikationsforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Die Zahl der Akteure, Themen und Publikationen war gleichermaßen überschaubar. Wie sehr sich die deutschsprachige Forschung verändert hat, zeigt stellvertretend die Fachgruppentagung 2011. Der Tagungsort Fribourg macht deutlich, dass es statt „Deutsche besser „Deutschsprachige Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft heißen müsste. Ihr Tagungsthema „Internationale und komparative Organisationskommunikations-/PR-Forschung" bringt zum Ausdruck, dass die Fachgruppe mittlerweile deutlich über den Tellerrand des deutschsprachigen Raumes hinausblickt. Das zeigen auch die zahlreichen Publikationen von Mitgliedern der Fachgruppe in internationalen Journals ebenso wie das ehrenamtliche Engagement von Fachgruppenmitgliedern in einschlägigen Fachgesellschaften wie der EUPRERA oder der ICA. Einen besseren Ort für den 20. Geburtstag der Fachgruppe hätte es also kaum geben können.

    Es gibt viele Möglichkeiten, das Jubiläum einer Fachgruppe zu begehen. In einer historischen Herangehensweise hätte man die bisherigen Fachgruppensprecher Günter Bentele, Peter Szyszka, Ulrike Röttger, Stefan Wehmeier und Juliana Raupp aus ihren Amtsperioden berichten lassen können. In einer erfolgsorientierten Betrachtung hätte man die traumhaften Zuwachsraten an Professuren mit einer PR- und Organisationskommunikations-Ausrichtung, entsprechenden Studiengängen und Dissertationen aufzählen können. Diese Entwicklung ist wichtig und wird auch in zahlreichen Beiträgen dieses Bandes thematisiert. Aber ein Jubiläumsband kann mehr leisten, wenn er das in den Mittelpunkt stellt, was für die meisten Mitglieder den eigentlichen „Mehrwert" der Fachgruppe ausmacht: ihre Diskurse und Diskussionen. Wir möchten im Wesentlichen am Beispiel der Themen der Fachgruppentagungen aufzeigen, wie sich Themen und Zugangsweisen in den vergangenen 20 Jahren verändert haben.

    Da damit die Fachgruppe in diesem Band allenfalls als Veranstalter von Fachgruppentagungen vorkommt, möchten wir zu Beginn noch einmal kurz näher auf sie eingehen. Was hat sie bislang geschafft? Und was wollen die Mitglieder?

    1 Der Blick zurück: Der Versuch eines Zwischenfazits

    Wenn man die Arbeit der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation nach 20 Jahren beurteilen möchte, stellt sich die Frage nach den Maßstäben. Zunächst könnte man die Fachgruppe an ihren eigenen Maßstäben messen – das wären die in der Fachgruppenordnung (DGPuK 2001a) und im Selbstverständnispapier der Fachgruppe (DGPuK 2001b) formulierten Ziele.

    „Die Fachgruppe Public Relations und Organisationskommunikation vertritt und unterstützt die Interessen der DGPuK-Mitglieder, die zu Themen und Fragestellungen der Public Relations und Organisationskommunikation forschen und lehren. Zu den Zielen der Fachgruppe zählen insbesondere:

    Information, Koordination und Dokumentation über die Aktivitäten in Forschung und Lehre im Themengebiet Public Relations/Organisationskommunikation

    Organisation und Durchführung von regelmäßigen – in der Regel jährlichen – Fachtagungen

    Förderung der Forschung, die sich mit der Kommunikation in, von und über Organisationen beschäftigt

    Förderung der internen Fachdiskussion

    Förderung einer angemessene Berücksichtigung der Public Relations in kommunikationswissenschaftlichen Ausbildungsplänen

    Förderung des publizistik- und kommunikationswissenschaftlichen Nachwuchses, der sich für die Erforschung der Public Relations/Organisationskommunikation interessiert

    Förderung der internationalen Zusammenarbeit von PR-Forscherinnen und PR-Forschern

    Förderung des Austausches zwischen PR-Praxis und PR-Forschung" (DGPuK 2001a)

    Wie alle selbstgesteckten Ziele können auch die Ziele der Fachgruppe unter „blinden Flecken" leiden. Daher sollen sie in einer erweiterten Perspektive kontingent gesetzt werden und zusätzlich die Funktionen einer Verbandsorganisation berücksichtigt werden. Denn letztlich ist die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als wissenschaftliche Fachgesellschaft nichts anderes als ein klassischer Verband. Mithin ist die Fachgruppe PR/Organisationskommunikation eine Verbandssektion. Verbände sind durch die Gemeinsamkeit ihres Interesses geprägt, vertreten ihre Interessen aktiv gegenüber anderen Akteuren nach außen, verfolgen politische Ziele, sind durch die formale Zugehörigkeit der Mitglieder geprägt und haben eine ausdifferenzierte Organisationsstruktur (vgl. Hackenbroch 1998: 482). Wie also könnte eine Zwischenbilanz der Fachgruppe nach 20 Jahren aussehen?

    Gleich mehrere Ziele der Satzung stellen die „Förderung der internen Fachdiskussion" in den Mittelpunkt. So dienen die Fachtagungen ebenso diesem Ziel wie zumindest teilweise die Information über Forschungsaktivitäten im Themengebiet Public Relations/Organisationskommunikation. Dies ist für die Mitglieder der Fachgruppe – wie im folgenden Kapitel gezeigt wird – ebenso wie für alle DGPuK-Mitglieder eines der wichtigsten Ziele (vgl. Peiser et al. 2003, S. 318). Grundsätzlich scheint dies wohl für die Mehrzahl wissenschaftlicher Fachgesellschaften zu gelten. Aber was haben „interne Fachdiskussionen" mit den Funktionen eines Verbandes zu tun? Wenn man sich dieser Frage näher widmet, wird schnell der vielfache Bezugsrahmen von Verbandsorganisationen deutlich – im Falle der Fachgruppe sind dies z.B. allgemein die Wissenschaft, die Erziehung und die Politik.

    Beginnen wir mit dem wissenschaftlichen Kontext – fachgruppenintern wie -extern. Vorträge und Diskussionen bei Fachgruppentagungen sind ohne Zweifel Teil des Wissenschaftssystems. Es wird dabei um Wahrheit gerungen. Einerseits würde niemand ernsthaft behaupten, dass die deutschsprachige PR/Organisationskommunikationsforschung sich nur innerhalb der Fachgruppe abspielen würde: Jeder kann sich zu wissenschaftlichen Fragen der PR/OK-Forschung äußern, zudem gibt es weitere wissenschaftliche Fachtagungen zu entsprechenden Themen im deutschsprachigen Raum. Andererseits scheinen Fachgruppentagungen mehr als nur eine weitere Tagung zu sein, da sie in besonderer Weise eine interne Themenselektions- und eine externe Schaufenster-Funktion übernehmen. Intern wird durch die Wahl der Tagungsthemen die künftige Entwicklung und die Kanonisierung der Themen des Forschungsbereiches beeinflusst. So sind im Rückblick die Tagungsthemen der vergangenen 20 Jahre ein Spiegel wichtiger Forschungsfelder. Gleichwohl ist einzuschränken, dass die Fachgruppe in einigen Fällen längst etablierte Themen aufgegriffen hat und großzügig andere Fragen ignoriert hat, die längst zum Kanon der PR-Forschung zählen (z.B. PR- Wirkungsforschung).

    Bei der Auswahl der Tagungsthemen kommt dabei ein ganz und gar unwissenschaftliches Prinzip zum Zuge: Es gilt das (einfache) Mehrheitsprinzip. Es wird zwar nicht über die „Wahrheit eines Themas abgestimmt, aber doch über seine Relevanz. Wie langfristig bzw. wie kurzfristig werden die Themen der Fachgruppentagungen ausgewählt? Mit einer zu langfristigen Festlegung wird die Chance vergeben, aktuelle Themen zu berücksichtigen, während mit einer zu kurzfristigen Planung das Risiko droht, dass die Fachgruppe zu sehr aktuellen Trends „hinterherjagt. Seit einigen Jahren verfolgt die Fachgruppe eine eher langfristigere Perspektive: Tagungsthemen und -orte werden zwei Jahre vorher ausgewählt.

    Hier setzt die Schaufenster-Funktion von Fachgruppentagungen an, die die Interessenvertretungsfunktion nach außen hin verdeutlicht. Mit der Wahl des Tagungsthemas prägt die Fachgruppe – ob sie will oder nicht – ihre Beziehungen zu ihrer Umwelt. Der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft signalisiert sie damit zum Beispiel, ob sie primär theoretisch oder empirisch arbeitet oder ob sie – so ein immer wieder geäußerter Vorwurf – PR für PR betreibe. Der PR-Praxis signalisiert sie mit ihren Themen, inwieweit sie sich für die in der Praxis diskutierten Themen interessiert. Den Drittmittelgebern, Ministerien und ‚der‘ Öffentlichkeit signalisiert sie, ob ihre Fragen gesellschaftlich relevant sind. Wer die Diskussionen im Vorfeld der Entscheidung über ein Tagungsthema in den vergangenen Jahren verfolgt hat, wird feststellen, dass die Perspektiven dieser anderen Gruppen nur selten berücksichtigt wurden. Dies mögen manche als Beleg für die Naivität der Fachgruppe werten, andere als Beleg für ihre Wissenschaftsfixierung.

    Daher überrascht es nicht, dass auch bei der klassischen Interessenartikulation Kommunikations- und Medienwissenschaftler jenseits der Fachgruppe im Mittelpunkt stehen – allen voran sind dies die Kolleginnen und -kollegen in der DGPuK selbst. Denn auch heute dürften viele noch die Einschätzung teilen, zu der die Fachgruppe zehn Jahre nach ihrer Gründung 2001 in Münster gekommen ist:

    „Trotz anhaltenden Bedeutungszuwachses der Öffentlichkeitsarbeit im Prozess der Herstellung von Öffentlichkeit ist die Wahrnehmung der Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft heute immer noch defizitär. Ziel der Fachgruppe ist es daher, die Thematisierung PR-relevanter Fragestellungen innerhalb der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und in der DGPuK in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu intensivieren." (DGPuK 2001b)

    Auch wenn es letztlich sekundär sein dürfte, ob eine Fachgruppe ihr Forschungsfeld als zu wenig oder als ausreichend wahrgenommen bewertet, zeigt das Zitat eindrucksvoll, was vermutlich ein wichtiges Ziel aller Fachgruppen sein dürfte: Jede Fachgruppe wird versuchen, ihr Thema als relevant zu positionieren, weil dies wesentlich die Verteilung künftiger Ressourcen beeinflusst – von Drittmitteln bei einschlägigen Förderorganisationen bis hin zur Denomination künftiger Professuren.

    Aber hier dürfte auch schon das gemeinsame Interesse der Fachgruppenmitglieder enden. Dies zeigt sich auch bei dem selbstgesteckten Ziel der Fachgruppe, Aktivitäten in der Forschung zu koordinieren. Durch die frühzeitigere Wahl des Tagungsthemas mag erreicht werden, dass Mitglieder Forschungsprojekte mit Blick auf das Tagungsthema rechtzeitig planen und realisieren können. Ansonsten aber sind die Mitglieder vor allem auch Wettbewerber, die bei den gleichen Förderorganisationen mit ähnlichen Themen um Drittmittel konkurrieren. Daher ist das Ziel, Forschungsaktivitäten zu koordinieren, ein klassisches Beispiel dafür, wo in Verbänden aus gemeinsamen Interessen Einzelinteressen werden.

    Weitere externe Bezugsgruppen stehen dahinter deutlich zurück. Vor einigen Jahren hat sich die Fachgruppe mit einem Positionspapier „Akademische PR-Ausbildung in Deutschland" (DGPuK 2009) von nichtakademischen Ausbildungsorganisationen abgegrenzt und sich damit gegen von vielen als Vereinnahmungsversuche gewertete Bemühungen gewehrt. Ebenfalls sehr zurückhaltend ist heute die „Förderung des Austausches zwischen PR-Praxis und PR-Forschung". Nachdem in den 1980er und frühen 1990er Jahren in der deutschsprachigen PR-Forschung noch viele Praktiker sehr aktiv waren und mitunter der PR-Forschung sogar die Themen vorgaben, ist die Fachgruppe seither eher auf Distanz bedacht.

    Ambivalent sind die Beziehungen zu künftigen sowie internationalen PR-Forscherkollegen. In den vergangenen Jahren ist parallel zu den Aktivitäten in der gesamten DGPuK auch in der Fachgruppe der Nachwuchs intensiv gefördert worden. Mit dem Doktorandenworkshop, dem Nachwuchsnetzwerk naprok und dem im Jahr 2013 erstmalig ausgeschriebenen Dissertationsförderpreis wird der Nachwuchs mit unterschiedlichen Maßnahmen gefördert. Er wird aber vor allem auch sichtbarer in der Fachgruppe. Weniger Beachtung fand hingegen die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Für viele Fachgruppenmitglieder sind eine Mitgliedschaft und Mitarbeit in der ICA, ECREA oder EUPRERA ebenso eine Selbstverständlichkeit wie Publikationen in internationalen Journals oder Vorträge bei einschlägigen Tagungen. So wenig Fachgruppenmitglieder offenkundig eine Unterstützung bei ihren internationalen Aktivitäten nötig haben, so eingeschränkt sind hier die Möglichkeiten der Fachgruppe, da sie keine deutsche Sektion der ICA oder der EUPRERA ist. Unabhängig davon wird die zunehmende Internationalisierung der PR-Forschung, der Kommunikationswissenschaften und der gesamten Wissenschaft in den kommenden Jahren die Fachgruppe und ihre Aktivitäten verändern. Erste Auswirkungen zeigen sich bereits darin, dass Mitglieder bei dicht beieinander liegenden Tagungen auch schon einmal auf die Fachgruppentagung verzichtet haben. Die seit Jahren tendenziell steigende Teilnehmerzahl der Fachgruppentagungen zeigt aber den Wert der deutschsprachigen Fachgesellschaft insbesondere auch für den Nachwuchs.

    Und spätestens damit ist man bei einem Ziel der Fachgruppe angekommen, das ebenfalls im Zentrum steht, ohne dass es in der Fachgruppenordnung stehen würde: das Treffen und der persönliche Austausch mit anderen Mitgliedern. Denn wenn trotz aller internationalen Publikationstätigkeit auch in Zukunft die Mehrheit der Mitglieder im deutschsprachigen Raum arbeiten will, so wird die Fachgruppe nur wenig von ihrer Relevanz einbüßen.

    2 Der Status quo: Ergebnisse des „PR Zensus Forschung und Lehre"

    Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit zum Networking und das Angebot von Fachtagungen zu relevanten Themenfeldern – das sind drei zentrale Vorteile, die die Mitglieder der Fachgruppe PR und Organisationskommunikation attestieren. Das zeigt der „PR-Zensus Forschung und Lehre", der im Spätsommer 2011 durchgeführt wurde. Ziel der Befragung war es, Forschung und Lehre im Feld anlässlich des Jubiläumsjahres zu vermessen – und dabei auch die Wahrnehmung und Einschätzung von Zielen, Aufgaben und Ergebnissen der Fachgruppenarbeit zu beleuchten. Um eine breite Bestandsaufnahme vorzunehmen, wurden alle Professorinnen und Professoren sowie Studiengangsleiter, die an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Themenfeld PR und/oder Organisationskommunikation tätig sind, zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen¹. Neben Fragen der Struktur und Ausrichtung von Forschung und Lehre wurden ihre Einschätzungen zum Status quo, Standpunkte zu Kernfragen des Feldes und Vorschläge für die Weiterentwicklung erhoben. Die Umfrage wurde als Paper-and-Pencil-Umfrage durchgeführt. Optional konnte der Fragebogen auch als Online-Version ausgefüllt werden. Von den 149 angeschriebenen Personen nahmen 67 teil, was einem Rücklauf von 45 Prozent entspricht. Davon waren zum Zeitpunkt der Befragung 52 an Hochschulen in Deutschland, acht in Österreich und sechs in der Schweiz tätig; insgesamt 40 Prozent waren an Universitäten, 60 Prozent an Fachhochschulen beschäftigt. 57 Prozent der Befragten gaben an, Mitglied der Fachgruppe PR und Organisationskommunikation zu sein (n = 38).

    2.1 Erwartungen an die Fachgruppenarbeit: die Perspektive der Fachgruppenmitglieder

    Was erwarten die 38 Professorinnen und Professoren, die Mitglied der Fachgruppe sind und am PR-Zensus teilgenommen haben, von der Fachgruppenarbeit? Wie schätzen sie die Ziele, die in der Fachgruppenordnung und im Selbstverständnispapier genannt sind, unter aktuellen Rahmenbedingungen ein? Nahezu alle Befragten sehen die Ausrichtung von regelmäßigen Fachtagungen als eine Kernaufgabe und zugleich als sehr wichtiges bzw. wichtiges Ziel der Fachgruppenarbeit an (97 %; vgl. Abb. 1). 90 Prozent der Befragten nennen zudem die Förderung der kommunikationswissenschaftlich orientierten Forschung, 87 Prozent die Förderung interner Fachdiskussionen und 85 Prozent die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses als sehr wichtig bzw. wichtig. 82 Prozent erwarten, dass die Fachgruppe ihre Mitglieder über Aktivitäten in Forschung und Lehre informiert und diese koordiniert. 80 Prozent nennen die Förderung der interdisziplinären und internationalen Zusammenarbeit, 72 Prozent die Förderung der Berücksichtigung von PR und Organisationskommunikation in Ausbildungsplänen und 59 Prozent die Förderung des Austausches zwischen Kommunikationspraxis und Forschung als wichtige Ziele für die kommenden Jahre.

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    Abbildung 1

    Wichtigkeit der Satzungsziele aus Sicht der befragten Fachgruppenmitglieder

    Quelle: Studie „PR-Zensus Forschung und Lehre 2011, Frage: „ Unten sehen Sie eine Liste der Ziele, die in der Satzung der Fachgruppe PR und Organisationskommunikation festgeschrieben sind. Wie wichtig sind diese Ziele Ihrer Meinung nach für die Weiterentwicklung der Fachgruppe in den nächsten drei Jahren?; Angaben in Prozent, n = 38)

    Die hohen Prozentsätze machen deutlich, dass die Befragten nahezu allen in der Satzung definierten Zielen eine hohe Relevanz zusprechen. Im Gesamtvergleich dominieren die Ausrichtung von Fachtagungen und die Förderung des Fachdiskurses, so dass hier ein klarer Arbeitsauftrag an die Fachgruppenarbeit formuliert werden kann. Als – im Vergleich – weniger wichtig sehen die Mitglieder vor allem die Förderung des Austausches zwischen Forschung und Praxis und die Förderung der Berücksichtigung von PR/Organisationskommunikation in Ausbildungsplänen an. Letztgenannter Aspekt kann, so lässt sich vermuten, mit dem in den letzten Jahren erfolgten Ausbau des Faches an vielen Hochschulen in Deutschland erklärt werden.

    Wenn Fachgruppentagungen von nahezu allen Mitgliedern als wichtig angesehen werden: Welchen Nutzen haben sie? Welche Gründe sprechen aus Sicht der Befragten für den Besuch der Tagungen? Die Antworten auf eine entsprechende offene Frage zeigen: Den größten Vorteil der Fachgruppentagungen sehen die Mitglieder im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen und in der Möglichkeit des Networking (21 Nennungen). Weitere Motive für die Teilnahme sind das persönliche Interesse am Tagungsthema (9 Nennungen) und die Möglichkeit, aktuelle Forschungsbefunde kennenzulernen oder selbst präsentieren zu können (8 Nennungen).

    2.2 Relevanz der Verbände: Mitgliedschaften aller befragten Professorinnen und Professoren

    Welche Bedeutung kommt nationalen Fachgesellschaften wie der DGPuK heute zu? Betrachtet man die Ergebnisse für alle befragten Professorinnen und Professoren sowie Studiengangsleiter, also für Mitglieder und Nicht-Mitglieder der Fachgruppe gleichermaßen, so zeigt sich eine nach wie vor hohe Relevanz der nationalen Fachgesellschaften – ein Ergebnis, das die am Ende des ersten Kapitels formulierte These stützt. Im Durchschnitt sind die Befragten Mitglied in zwei Fachgesellschaften: Knapp drei Viertel sind Mitglied ihres nationalen kommunikationswissenschaftlichen Verbands (70 Prozent aller Befragten sind Mitglied der DGPuK, 12 Prozent der SGKM und 5 Prozent ÖGKM). 34 Prozent gehören der ICA an, 22 Prozent der EUPRERA, 15 Prozent der ECREA und weitere 22 Prozent anderen wissenschaftlichen Verbänden. Etwas mehr als ein Drittel ist zudem in einem Berufsverband organisiert. 19 Prozent sind Mitglied der DPRG, drei Prozent des BdP, sechs Prozent des PRVA, fünf Prozent der SPRG sowie 15 % Mitglied eines anderen Berufsverbands.

    2.3 Das Fach und seine Bezüge: Begriffsvielfalt und interdisziplinäre Befruchtung

    Der PR-Zensus zeigt: Das Feld PR und Organisationskommunikation hat sich seit Gründung der Fachgruppe vor 20 Jahren begrifflich verbreitert. Welche Bezeichnung verwenden die Befragten für die Kommunikation einer Organisation mit ihren Bezugsgruppen hauptsächlich? 38 % verwenden den Begriff Public Relations, 21 Prozent sprechen bevorzugt von Corporate Communication bzw. Unternehmenskommunikation, 20 Prozent von Kommunikationsmanagement, 14 Prozent von Organisationskommunikation, fünf Prozent von Öffentlichkeitsarbeit und drei Prozent verwenden hauptsächlich eine andere Bezeichnung. Im Vergleich nach Hochschularten zeigt sich, dass die Begriffe PR, Corporate Communication und Öffentlichkeitsarbeit von Befragten an Universitäten und an Fachhochschulen/Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in vergleichbarem Anteil verwendet werden. Während der Begriff Kommunikationsmanagement von doppelt so vielen FH-ProfessorInnen wie von UniversitätsprofessorInnen hauptsächlich verwendet wird (25 % vs. 12 % ), wird die Bezeichnung Organisationskommunikation deutlich häufiger an Universitäten verwendet (von den befragten FH-ProfessorInnen verwenden ihn 8 % hauptsächlich, von den UniversitätsprofessorInnen 23 %). Auf Basis des Rücklaufes der Umfrage ist ein Ländervergleich nur ansatzweise möglich. Eine erste Auswertung deutet darauf hin, dass die Befragten aus Österreich eher den Begriff Public Relations verwenden, während in der Schweiz klar die Bezeichnung Corporate Communication/Unternehmenskommunikation dominiert.

    In den Begriffen und ihrer Konnotation klingt an, dass die PR- und Organisationsforschung als theoretisch und empirisch arbeitende Kommunikationswissenschaft interdisziplinäre Bezüge aufweist. Welche Disziplinen sind es, von denen das Fach profitieren kann? Als besonders fruchtbare Disziplinen nennen die Befragten die Organisations-, die Wirkungsforschung und die Soziologie. Aber auch die Managementforschung, Online-Forschung und Psychologie können ihrer Ansicht nach wichtige Impulse geben. Jeweils rund die Hälfte hält auch Werbung/ Marketing, Journalistik und Politikwissenschaft für sehr fruchtbar bzw. fruchtbar (vgl. Abb. 2).

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    Abbildung 2

    Fruchtbare Disziplinen für die PR- und Organisationsforschung

    Quelle: Studie „PR-Zensus Forschung und Lehre 2011, Frage: „Die PR* wird oft als interdisziplinäres Fach bezeichnet. Welche Disziplinen erscheinen Ihnen am fruchtbarsten für die PR-Forschung?; Angaben in Prozent, n = 60-66

    * Wenn in den Fragen von PR die Rede ist, so ist damit immer auch Organisationskommunikation gemeint. Im Fragebogen wurde nach der Erfassung des Begriffes, den die/der jeweilige Befragte für das Themenfeld verwendet, der PR-Begriff als Überbegriff bzw. Abkürzung für PR und Organisationskommunikation eingeführt.

    Die Interdisziplinarität zeigt sich auch bei der Frage nach weiteren Forschungsfeldern der Befragten. Über die Forschung im Bereich PR und Organisationskommunikation hinaus beschäftigen sich die Professorinnen und Professoren mit durchschnittlich drei weiteren Forschungsfeldern. 57 Prozent forschen in anderen kommunikationswissenschaftlichen Themenfeldern, 24 Prozent zu Werbung/Marketing und 22 Prozent zu Journalismus. Rund jeder Fünfte beschäftigt sich mit Fragen der Organisationstheorie, der politischen Kommunikation, mit Methoden der empirischen Sozialforschung oder einem anderen Feld.

    2.4 Deutschsprachige PR- und Organisationskommunikationsforschung: Ausrichtung und Arbeitsschwerpunkte

    84 Prozent der befragten Professorinnen und Professoren forschen zu Fragestellungen im Bereich PR und/oder Organisationskommunikation. Dabei bestätigt sich die stärkere Forschungsorientierung der Universitäten. An Universitäten sind es 89 Prozent, an anderen Hochschulen 80 Prozent. Im Vergleich von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern zeigt sich: Während 87 Prozent derjenigen Befragten, die Mitglied der Fachgruppe sind, zu PR und/oder Organisationskommunikation nicht nur lehren, sondern auch forschen, sind es in der Gruppe der Nicht-Mitglieder knapp 79 Prozent und damit deutlich weniger, die in der Forschung aktiv sind. Das heißt, wer im Bereich PR und/oder Organisationskommunikation forscht, ist auch eher Mitglied der Fachgruppe.

    Wie beschreiben die Befragten ihre Grundausrichtung in der Forschung?

    Drei Viertel der Befragten ordnen sich der angewandten Forschung zu – also Forschung, die auf die Lösung praktischer Probleme abzielt (43 % trifft voll zu, 30 % trifft eher zu). Knapp 60 Prozent beschreiben Ihre Ausrichtung (auch) als Grundlagenforschung, als Forschung, die Theorien entwickelt bzw. weiterentwickelt (30 % trifft voll zu, 29 % trifft eher zu). Knapp ein Drittel verorten sich im Bereich der introspektiven bzw. selbstreflexiven Forschung (17 % trifft voll zu, 11 % trifft zu; vgl. Abb. 3). Die Angaben machen deutlich, dass viele Wissenschaftlerinnen nicht nur eine Perspektive vertreten, sondern sich je nach Thema und Forschungsfrage in zwei oder allen drei Perspektiven bewegen. Es dominieren aber insgesamt die angewandte und die Grundlagenforschung.

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    Abbildung 3

    Forschungsausrichtung der Befragten

    Quelle: Studie „PR-Zensus Forschung und Lehre 2011, Frage: „Die PR-Forschung wird ganz allgemein in drei Bereiche unterteilt. Wie würden Sie die Ausrichtung Ihrer Forschung innerhalb dieser drei Bereiche beschreiben?; Angaben in Prozent, n = 54-56

    Welche theoretischen Konzepte prägen die Forschung am stärksten? Jeweils rund die Hälfte der Befragten gibt an, dass ihre Arbeit durch eine managementorientierte, organisationstheoretische oder systemtheoretische Grundströmung geprägt sei. Damit bestätigt sich die große Bedeutung, die die Befragten der Organisations- und Managementforschung als Impulsgeber für die PR- und Organisationskommunikationsforschung attestierten. Ein Drittel ist am stärksten durch die Handlungstheorie geprägt, 28 Prozent durch den Konstruktivismus und 22 Prozent durch integrative Ansätze. Mit rund zehn Prozent Nennungen spielen interpretative, kritische und andere Ansätze eine etwas geringere Rolle. Im Durchschnitt, so zeigen die Daten, ist die Arbeit der Forscher im Feld durch drei Grundströmungen geprägt.

    Gibt es einzelne Themen- bzw. Anwendungsfelder, mit denen sich die Befragten in der Forschung besonders intensiv auseinandersetzen? Fragt man nach den bis zu fünf Schwerpunktthemen, zu denen die Forschung schwerpunktmäßig erfolgt, zeigt sich ein breites Feld. Am häufigsten setzten sich Forscher mit Fragen des Managements von PR und der strategischen Kommunikation auseinander (37 %). Neue Medien und Web 2.0 (33 %), das Verhältnis von PR und Journalismus (27 %), Krisenkommunikation (24 %), PR-Theorien (24 %) und Evaluation/Wertschöpfung (22 %) gehören ebenfalls zu den zentralen Themen. Mit PR und Öffentlichkeit, Nachhaltigkeit/CSR, Image/Reputation und Integrierter Kommunikation beschäftigen sich jeweils knapp 20 % der Professorinnen und Professoren. Interne Kommunikation, Public Affairs/Politische Kommunikation, Ethik, Berufsfeld, Kampagnen sowie Medienarbeit sind für etwa jeden zehnten ein Kernfeld der Forschung.

    2.5 Zum Status des Forschungsfeldes: Einschätzung von Diskursen

    Wie schätzen die Befragten die heutige PR- und Organisationskommunikationsforschung ein? Wie stehen sie den Vorwürfen, die dem Fach immer wieder gemacht werden, gegenüber? Welche Haltung haben sie zu den Diskursen, die die Diskussion auf Fachgruppentagungen immer wieder prägten und in manchem Beitrag dieses Sammelbandes aufscheinen? 60 % stimmen der Aussage, dass der Dialog zwischen PR-Wissenschaft und -Praxis intensiver geführt werden sollte, voll oder eher zu (vgl. Abb. 4). 58 Prozent kritisieren, dass sich die Forschung zu stark an aktuellen Entwicklungen und Trends orientiere. Rund 41 Prozent sind der Überzeugung, dass sich die Wissenschaft zu wenig mit den Kernfragen des Faches beschäftige. Gleich hoch ist der Prozentsatz derer, die die PR- und Organisationskommunikationsforschung – trotz der Fortschritte in den letzten Jahrzehnten – noch weitgehend am Anfang sehen. 39 % nehmen eine fehlende Distanz der Forschung zu ihrem Untersuchungsgegenstand wahr. Zugleich geben 35 % an, dass sich die PR-Forschung zu wenig auf die Lösung von Problemen der Kommunikationspraxis konzentriere. 28 Prozent sind davon überzeugt, dass die Forschung einen nennenswerten Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leiste. Lediglich 18 Prozent sehen die deutschsprachige Forschung in der internationalen Scientific Community als gut sichtbar an.

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    Abbildung 4

    Haltung zu ausgewählten Diskursen

    Quelle: Studie „PR-Zensus Forschung und Lehre 2011, Frage: „Im Folgenden sehen Sie einige Aussagen, die sich auf verschiedene Aspekte der PR-Forschung beziehen. Bitte geben Sie an, wie stark Sie diesen Aussagen zustimmen.; Angaben in Prozent, n = 64 – 66

    3 Der Band: Konzept und Gliederung

    20 Jahre Fachgruppe PR und Organisationskommunikation, das sind 20 Jahre Fachgeschichte des deutschsprachigen Raums. Sie spiegeln sich vor allem in den Fachgruppentagungen, die in jenen zwei Jahrzehnten stattfanden, und deren Dokumentation in Form von Tagungsbänden wider (vgl. Abb. 5 sowie Dokumentation im Anhang). Die Liste der 19 Tagungsthemen zeigt die große inhaltliche Breite, der sich die Fachgemeinde widmete: Neben Grundlagenthemen wie z.B. PR-Geschichtsschreibung, Theorien der PR oder Organisationskommunikation beschäftigte man sich mit neuen, aktuellen Themenfeldern, etwa Online-PR, Issues Management oder internationale PR. Die Themen, aber auch die Diskurse, die in den jeweiligen Tagungsbänden nachzulesen sind, sind im Kontext ihrer Zeit zu sehen. Vielen Fachgruppentagungen ist es gelungen, Themenfelder auf die Agenda der deutschsprachigen PR- und Organisationskommunikationsforschung zu heben, indem sie relevante Fragestellung definierte und das Feld für die Forschung strukturierte. Die Tagungen stießen Diskurse an, von denen viele bis heute im Fach nachwirken – einzelne Beiträge sind ebenso wie mancher Tagungsband insgesamt zu Standardwerken unseres Faches geworden. Andere Diskurse hingegen sind in Vergessenheit geraten, von denen der eine oder andere einen durchaus fruchtbaren Beitrag zu aktuellen Forschungsfeldern und -fragen leisten könnte.

    Abbildung 5

    Fachgruppentagungen nach Jahr und Thema

    Ziel des vorliegenden Jubiläumsbandes ist es, (un)vergessene Diskurse der PR- und Organisationskommunikationsforschung in Erinnerung zu rufen. Jenseits des ersten Teiles greift jeder Beitrag das Thema einer Fachgruppentagung auf. Oft sind es die Organisatoren der Tagungen selbst, die anlässlich des Fachgruppenjubiläums auf „ihr" Thema zurückblicken. Die Beiträge zeigen, welche Anstöße die jeweilige Fachgruppentagung gab, wie sich das Forschungsfeld in den Jahren bzw. Jahrzehnten danach entwickelten und welche Fragen heute im Mittelpunkt stehen. Im Zentrum jedes Beitrags steht eine Kernfrage: Wie haben sich die Fragestellungen, die Zugangsweisen und die Relevanz des Themas in den vergangenen 20 Jahren verändert?

    Die Autoren gehen in ihren Beiträgen der Frage nach, welcher zeitliche Kontext ein Tagungsthema prägte. Sie skizzieren, wie sich die Frage der Aktualität seither entwickelt hat, wie die deutschsprachige Forschung in den internationalen Kontext einzuordnen ist und welche anderen Diskurse das Thema seither gegebenenfalls geprägt hat. Sie beleuchten, ob und wenn ja, welche Fragen bis heute unbeantwortet geblieben sind – oder welche vielleicht noch gar nicht gestellt wurden. Welche künftigen Forschungsschwerpunkte sind zu erwarten oder erscheinen vielversprechend? In der Summe aller Beiträge wird deutlich, wie sehr sich Themen, Zugangsweisen und „Schulen" der PR- und der Organisationskommunikationsforschung in den vergangenen zwei Dekaden verändert haben. Sie lassen aber auch erkennen, inwiefern das Fach selbst dem Zeitgeist unterliegt und wie Fachgruppentagungen mal erfolgreicher, mal weniger erfolgreich Themen auf die Agenda gesetzt haben. Ob als klassischer Forschungsüberblick, persönliches Plädoyer oder Hintergrundbericht eines Zeitzeugen – die Autorinnen und Autoren beschreiben, erklären und ordnen ein, sie zeigen Verbindungslinien auf und weisen auf Leerstellen hin, denen sich die Forschung ihrer Ansicht stärker annehmen sollte. Sie zeigen, wie spannend 20 Jahre Forschung waren, sind – und auch in Zukunft sein können.

    Der Band gliedert sich in vier Teile: Unter dem Titel Deutschsprachige PR-Forschung 1991-2011– revisited versammelt der erste Teil drei Beiträge, die eine Sonderstellung in dem Band einnehmen. Sie gehen zurück auf ein Diskussionspanel, das zum 20. Gründungstag der Fachgruppe am 4. November 2011 bei der Fachgruppentagung in Fribourg (Schweiz) stattfand. In diesem Panel warfen drei der „Nestoren der deutschsprachigen PR- und Organisationskommunikationsforschung einen jeweils persönlichen, kritischen Blick auf die Entwicklung des Forschungsfeldes und analysierten dessen heutigen Entwicklungsstand: Barbara Baerns, der mittlerweile verstorbene Ulrich Saxer und Manfred Rühl zeichneten in ihren Impulsvorträgen die maßgeblichen Diskurse der vergangenen zwei Dekaden nach. Sie systematisierten und reflektierten unvergessene Diskurse. Sie riefen den Zuhörern aber manch vergessenen Diskurs in Erinnerung – darunter Perspektiven, Forschungsfragen und -ergebnisse, die auch aktuelle Debatten befruchten könnten. Die drei Vorträge, die im Rahmen des „Geburtstagspanels gehalten wurden, bilden in ihrer schriftlichen Form den ersten Teil dieses Bandes.

    Barbara Baerns eröffnet diesen ersten Teil mit einem Beitrag zur „Rekonstruktion der Anfänge in Lehre und Forschung: Öffentlichkeitsarbeit als Thema der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Aus der Perspektive einer Zeitzeugin, so beschreibt sie selbst den Blickwinkel ihres Berichts, zeichnet sie die Anfänge der Lehre und Forschung zur Öffentlichkeitsarbeit nach und diskutiert deren Relevanz und Aktualität heute. Hinweise „auf Fallstricke und Sackgassen sind Bestandteil ihres Konzepts.

    Der Beitrag von Ulrich Saxer, der wenige Wochen vor dessen Tod entstand, beleuchtet „Konstitutionsprobleme und Strukturbildung der PR-Wissenschaft(en). Aus der persönlichen Evaluation einer überkomplexen Entwicklung, wie er zu Beginn seines Beitrags schreibt, entsteht eine grundsätzliche „summarische Evaluationsbilanz der deutschsprachigen PR-Forschung für die letzten zwei Jahrzehnte. Er benennt Fortschritte, thematisiert aber auch die anhaltenden Konstitutionsprobleme des Feldes. So positioniert er die PR-Forschung im Gestern und im Heute mit dem Ziel, die jüngste PR-wissenschaftliche Institutionentheorie aufzuarbeiten.

    Manfred Rühl untersucht „Zustände wissenschaftlicher Public Relations" im Kontext der Möglichkeiten einer Disziplinen übergreifenden kommunikationswissenschaftlichen Theoriebildung. In Anlehnung an dem Forschungsprogramm, das er gemeinsam mit Franz Ronneberger 1992– in den Anfängen der Fachgruppe PR und Organisationskommunikation – entwarf, zeichnet er ein Tableau der PR-Forschung der vergangenen zwanzig Jahre. Darin verortet er aktuelle Diskussionslinien und wirft jene Fragen auf, denen sich die PR-Forschung in Auseinandersetzung mit dem sozialwissenschaftlichen Theorienpluralismus seiner Überzeugung nach (stärker) zuwenden sollte.

    Der zweite Teil des Bandes besteht aus Beiträgen zu Meta-Diskursen der PR-Forschung. Jeder Beitrag bezieht sich auf eine der Fachgruppentagungen. Manche Beiträge stellen auch Bezüge zu mehreren Tagungen her, wenn der Diskurs, den sie abbilden, wiederholt Thema einer Fachgruppentagung war oder es sich um einen Diskurs handelt, der – unter dem Dach unterschiedlicher Tagungstitel – über einen längeren Zeitraum hinweg geführt wurde.

    Den Auftakt des zweiten Teils machen Stefan Wehmeier und Howard Nothhaftmit dem Beitrag „Die Erfindung der „PR-Wissenschaft: Bemerkungen zu Theorie und Praxis und Wege aus der Delegitimierungsfalle. In Anlehnung vor allem an die Tagung von 2010 diskutieren sie das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis im Forschungs- und Berufsfeld PR und setzen sich dabei kritisch mit der Frage auseinander, welche Perspektiven eine kollaborative Forschung von Wissenschaftlern und Praktikern einerseits und ein Verständnis von PR als phronetische Sozialwissenschaft andererseits dem Fach anzubieten haben.

    Romy Fröhlichs Beitrag mit dem Titel „PR-Ausbildung: Und sie bewegt sich doch" nimmt auf die Fachgruppentagungen von 1992 und 2002 Bezug. Er beschreibt die Impulse, die von den beiden Tagungen ausgingen und ordnet sie in den Kontext der PR-Ausbildungsdebatte insgesamt ein. Der Beitrag leistet nicht nur eine breite Aufarbeitung des Diskurses, sondern gibt durch Romy Fröhlichs persönlichen Erfahrungsbericht auch Einblick in die DGPuK- und DPRG-Gremienarbeit zum Thema. Er beschreibt Hintergründe der PR-Ausbildungsdebatte und erklärt die Qualität der Dynamik dieser Entwicklung.

    Swaran Sandhu und Simone Huck-Sandhu nehmen anlässlich von „20 Jahre Fachgruppe, 20 Jahre Forschung: Eine Bestandsaufnahme" vor. Sie beschreiben die heutige Zusammensetzung und Struktur der Fachgruppe. Ihre Ergebnisse ordnen sie über eine Analyse aller Dissertationen, die in den letzten 20 Jahren zu PR/ Organisationskommunikation verfasst worden sind, in die deutschsprachige Forschungslandschaft ein. Im Abgleich der Ergebnisse thematisieren sie vergessene oder bislang vernachlässigte Diskurse des Feldes.

    Im dritten Teil des Bandes beschreiben und diskutieren acht Autorinnen und Autoren Theorie-Diskurse, die durch Fachgruppentagungen angestoßen bzw. dort geführt wurden.

    Günter Bentele (be)schreibt mit seinem Beitrag zum Thema „Der Diskurs über PR-Geschichte und PR-Historiographie in Deutschland und international" PR- Wissenschaftsgeschichte. Dazu zeichnet er den Diskurs zur PR-Geschichte und PR-Geschichtsschreibung in Deutschland innerhalb der letzten 20 Jahre nach. Es geht dabei nicht um die PR-historische Entwicklung in Deutschland selbst, sondern um Unterschiede, Fragestellungen und Probleme zwischen unterschiedlichen Versuchen, PR-Geschichte zu schreiben.

    Peter Szyszka zeichnet in seinem Beitrag „Der PR-Theorie-Diskurs: Versuch einer Rekonstruktion die deutschsprachige PR-Theoriebildung der vergangenen 20 Jahre nach. Er schlägt den Bogen von den Praktikerbeiträgen über das „Jahr der vier Ansätze (1992) bis hin zu den 2000er Jahren, die er von der Rückkehr des organisationalen Paradigmas geprägt sieht. Er stellt maßgebliche Publikationen und deren Impulse für das Fach vor, verdeutlicht aber gerade auch die großen Linien der Forschung, die in nahezu allen Fachgruppentagungen thematisiert wurden.

    Anna M. Theis-Berglmair beschäftigt sich unter dem Titel „Public Relations und Organisationskommunikation: Wir brauchen das Beiboot mit dem Forschungsfeld Organisationskommunikation. Sie plädiert dafür, die Organisationskommunikation als Beiboot nicht nur mitzuführen, sondern sich ihr „endlich einmal zu bedienen, um zu neuen Ufern (..) aufzubrechen. Sie beschreibt die Bedeutung, die die Kommunikationswissenschaft und andere Disziplinen der Organisationskommunikation zusprechen, entwickelt eine Systematik für ein engeres und ein weiteres Begriffsverständnis und zeigt Fragestellungen auf, die sich daraus für die Forschung ergeben.

    Juliana Raupp und Jeffrey Wimmer nehmen mit ihrem Beitrag „Public Relations und Öffentlichkeit: ein Theorie-Import/Export" auf die Tagungen von 1997, 1998, 2004 und 2007 Bezug. Sie diskutieren, welche Bedeutung zentrale Öffentlichkeitsansätze für die PR- und Organisationskommunikationsforschung haben und wie das Konstrukt Öffentlichkeit in der PR-Praxis – der Öffentlichkeitsarbeit – wahr- und aufgenommen wurde. Sie beschreiben traditionelle und neuere Konzepte von Öffentlichkeit und fragen danach, welche Impulse von Öffentlichkeitstheorien für die PR/Organisationskommunikation ausgingen und vice versa.

    Olaf Hoffjann greift das Thema der Fachgruppentagung von 2002 auf und fragt: „Public Relations und Journalismus: Verblassender Klassiker oder Evergreen?" Er zeigt die drei Paradigmen des Diskurses auf und zeichnet die unterschiedlichen theoretischen und empirischen Zugänge nach. Während der PR-Journalismus- Diskurs lange Zeit zu den publikationsintensivsten Forschungsfeldern zählte, sind in den vergangenen Jahren nur noch wenige innovative Ansätze entstanden.

    Mark Eisenegger und Mario Schranz thematisieren „Personalisierung: Ein zu Unrecht der PR-Praxis überlassenes Thema. Im Rückbezug zur Fachgruppentagung aus dem Jahr 2006 beschreiben sie die „Blindstelle der PR-Forschung, an der ihr Beitrag ansetzt. Ausgehend von einem Überblick über die Etappen des PR- Fachdiskurses definieren sie den Personalisierungsbegriff, analysieren den Bedeutungszuwachs der Personalisierung in der Praxis und arbeiten Desiderate heraus, die für die PR-Personalisierungsforschung relevant erscheinen.

    Ulrike Röttger greift in ihrem Beitrag zu „PR-Beratung: Eine professionelle Dienstleistung im Spannungsfeld von Rat und Tat" das Thema der Fachgruppentagung von 2008 auf. Ausgehend von der Diskrepanz zwischen dem wachsenden Stellenwert der PR-Beratung in der Praxis und der bislang eher lückenhaften Bearbeitung des Themas in der Forschung kartiert sie das Feld. Sie schärft relevante Begriffe, zeigt mögliche theoretische Perspektiven auf und benennt Kernelemente einer Theorie der PR-Beratung.

    Diana Ingenhoff und Christopher Rühl beschreiben das Forschungsfeld „Internationale Public Relations: Eine Synopse deutschsprachiger und anglo-amerikanischer Forschungszugänge in Theorie und Empirie", das Thema der Jahrestagung 2011 war. Sie zeigen für alle drei Teilbereiche des Forschungsfeldes – internationale PR, international vergleichende PR-Forschung und internationale Staaten-PR (Public Diplomacy) – Begriffe, Paradigmen und damit verbundene Diskurse auf.

    Der vierte und letzte Teil des Sammelbandes richtet den Blick auf Praxis-Diskurse, die im Rahmen der Jahrestagungen geführt wurden. Hier stehen Konzepte im Mittelpunkt, die entweder in der Praxis entstanden sind oder die durch ihre Anwendungsorientierung eine breite Rezeption in der Praxis erfahren haben.

    Den Auftakt des vierten Teils macht Lars Rademachers Beitrag zum Thema „Integrierte Kommunikation: Bezugsfelder und Herausforderungen für die Organisationskommunikation", der an die Jahrestagung von 2003 anknüpft. Er stellt klassische Konzepte der integrierten Kommunikation vor, geht auf deren Synthese und auf neuere Konzepte ein. Ausgehend von einem Einblick in aktuelle Problem- und Bezugsfelder und beschreibt er neue Perspektiven, die auf eine stärkere Vernetzung der bislang weitgehend getrennten Diskurse in den verschiedenen Disziplinen hindeuten.

    Roland Burkart stellt in seinem Beitrag „Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit (VÖA) revisited: Das Konzept und eine selektive Rezeptionsbilanz aus zwei Jahrzehnten" vor. Er zeichnet nach, wie sein Konzept seit der Vorstellung beim thematischen Fachgruppentreffen anlässlich der DGPuK-Tagung 1994 rezipiert worden ist. Im Anschluss präsentiert er die Weiterentwicklung der VÖA in Richtung Journalismusforschung – und schließt damit den Kreis zur Jahrestagung 2012, bei der erstmalig empirische Ergebnisse zu dieser Weiterentwicklung des Konzepts vorstellte.

    Diana Ingenhoff und Ulrike Röttger greifen mit ihrem Überblicksbeitrag „Issues Management: Ein Diskurs zwischen Theorie und Praxis" ein Thema auf, das bei der Fachgruppentagung im Jahr 2000 auf der Agenda stand. Sie beschreiben Ursprünge und Entwicklung, empirische Befunde und theoretische Grundlagen des Issues Management, gehen auf die Umsetzung in Unternehmen ein und diskutieren Herausforderungen und Perspektiven, die im Kontext des Issues Management (bis) heute bestehen.

    Unser Dank als Herausgeber gilt den Autorinnen und Autoren der hier genannten Beiträge ebenso wie denen der Dokumentationen im abschließenden Teil. Einige Kolleginnen und Kollegen haben hierzu zu „ihrer" Fachgruppentagung in ihren Archiven recherchiert und sichteten teilweise jahrzehntealte Unterlagen. Danken möchten wir den bisherigen Sprechern der Fachgruppe Günter Bentele, Peter Szyszka, Ulrike Röttger, Stefan Wehmeier und Juliana Raupp, die das Konzept des Bandes mit vielen Anmerkungen und Vorschlägen mitgeprägt haben. Ein besonderer Dank gilt dabei Peter Szyszka, der als inoffizieller Geschichtsbeauftragter der Fachgruppe uns nicht nur auf das Jubiläum selbst hinwies, sondern auch viele Informationen zu den ersten Jahren der Fachgruppe zulieferte.

    Literatur

    DGPuK (2001a). Fachgruppenordnung. http://​www.​dgpuk.​de/​fachgruppenad-hocgruppen/​pr-und-organisationskom​munikation/​service/​fachgruppenordnu​ng/​.Zugegriffen: 04. Jan. 2013.

    DGPuK (2001b). Selbstverständnis. http://​www.​dgpuk.​de/​fachgruppenad-hoc-gruppen/​pr-und-organisationskom​munikation/​selbstverstandni​s/​. Zugegriffen: 04. Jan. 2013.

    DGPuK (2009). Akademische PR-Ausbildung in Deutschland Positionspapier der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK). http://​www.​dgpuk.​de/​wp-content/​uploads/​2012/​01/​DGPUK_​StandardsBroschu​ere20090622_​v01.​pdf. Zugegriffen: 04. Jan. 2013.

    Hackenbroch, R. (1998). Verbändekommunikation. In O. Jarren, U. Sarcinelli, & U. Saxer (Hrsg.), Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch (S. 482–488). Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.CrossRef

    Peiser, W., Hastall, M., & Donsbach W. (2003). Zur Lage der Kommunikationswissenschaft und ihrer Fachgesellschaft. Ergebnisse der DGPuK-Mitgliederbefragung 2003. Publizistik, 48(3),310–339.CrossRef

    Fußnoten

    1

    Basis: Online-Recherche über die Websites der jeweiligen Hochschulen bzw. Fachgebiete.

    Teil I

    „Deutschsprachige PR-Forschung 1991 – revisited"

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

    Olaf Hoffjann und Simone Huck-Sandhu (Hrsg.)UnVergessene Diskurse10.1007/978-3-531-19121-8_2

    Rekonstruktion der Anfänge in Lehre und Forschung: Öffentlichkeitsarbeit als Thema der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

    Barbara Baerns

    Der Neubeginn unseres Fachs als Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im Jahre 1972 lässt sich, aus der Retrospektive betrachtet, nicht mit neuen Forschungsansätzen und -perspektiven verbinden, die neue Fragen zur Öffentlichkeitsarbeit hätten hervorbringen können¹. Sie kamen als reflektierte Praxis ins Spiel: Franz Ronneberger erweiterte und veränderte nach den eigenen Aussagen im Diskurs mit dem langjährigen PR-Direktor des Krupp-Konzerns, Carl Hundhausen, sein wissenschaftliches Programm (Ronneberger 1993, S. 11). Gerhard Maletzke formulierte sein Feldschema der Massenkommunikation aufgrund praktischer Anforderungen als Modell der Ziele und Wirkungen um (Maletzke 1976, S. V); Meyen und Löblich (2011) vernachlässigen diesen Aspekt. Günter Kieslich, zuletzt Inhaber des neu geschaffenen Lehrstuhls Publizistik und Kommunikationstheorie an der Universität Salzburg, erweiterte sein Forschungsinteresse – Fabris spricht von einer „zukunftsträchtigen und innovativen Weichenstellung für die Entwicklung des Faches in den nächsten Jahren" (Fabris 1972, S. 26) – , nachdem er sechs Jahre lang als Pressereferent der Ständigen Konferenz der Kultusminister und der Länder gearbeitet hatte. Kieslich konzipierte und leitete unter anderem das Forschungsprojekt Input-Output-Analyse der Informationsleistung staatlicher Organe in der Bundesrepublik Deutschland; die Untersuchung wurde posthum abgeschlossen und zusammengefasst veröffentlicht (vgl. Roloff und Tausch 1974). Meine eigenen Forschungsfragen entstammten der Alltagserfahrung in der Berufspraxis des politischen Journalismus einerseits und andererseits der Öffentlichkeitsarbeit (Baerns 1981; Baerns 1985). Überlegungen zum heuristischen Potential des Themas Öffentlichkeitsarbeit für die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft schlossen sich angesichts der empirischen Befunde an (Baerns 1992; zur „systematische Vernachlässigung" der PR-Thematik in der Kommunikationswissenschaft vgl. später grundsätzlich Bentele 1997).

    Die kompakte Rezeption des amerikanischen Forschungsstandes durch Besuche und Gegenbesuche vieler Wissenschaftler Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre initiierte Horst Avenarius, als Leiter der Bereiche Unternehmenskommunikation und Politik des BMW-Konzerns und danach Vorstandsvorsitzender der Herbert Quandt Stiftung der BMW AG ebenfalls ein Praktiker. Auf Einladung der Quandt Stiftung nahmen im September 1988 die deutschsprachigen Kommunikationswissenschaftler Barbara Baerns, Günter Bentele, Manfred Rühl, Stephan Ruß-Mohl, Beate Schneider, Klaus Schönbach, Benno Signitzer und Jürgen Wilke, daneben zahlreiche PR- und Medienfachleute, an der Konferenz, „Perspectives on International Communications", im Rahmen des transatlantischen Forums 88 an der Annenberg School of Communications Philadelphia teil, die das Thema Public Relations in den USA und in Deutschland unter verschiedenen Gesichtspunkten erörterte (Baerns 1989). Im Januar 1992 bestritten die amerikanischen Wissenschaftler Carl H. Botan, David Dozier, James E. Grunig, Larissa A. Grunig, Vincent Hazleton, Jr. und Dean Kruckeberg ein Hearing, „Scientific Approaches to PR in the United States Today", an der Freien Universität Berlin, was ebenfalls die Quandt Stiftung finanziert hatte. Aus den Fachtagungen des Herbert Quandt- Kreises Kommunikation resultierten drei Publikationen (Avenarius und Armbrecht 1992; Armbrecht et al.1993; Armbrecht und Zabel 1994); die erste, 1992, fragte: Ist Public Relations eine Wissenschaft?

    Im gleichen Zeitraum ergänzten die deutschen Berufsverbände ihr Selbstverständnis, Public Relations sei das bewusste und legitime Bemühen um Verständnis sowie um Aufbau und Pflege von Vertrauen in der Öffentlichkeit. Sie bekannten sich zur Auftragskommunikation. Und sie übernahmen 1990 James Grunigs Definition, Public Relations sei das Management von Kommunikationsprozessen für Organisationen (und Personen) mit deren Bezugsgruppen (vgl. DPRG/ GPRA 1990 gegenüber Grunig und Hunt 1984, S. 6). Auf dieser Grundlage und in enger Anlehnung an die internationale Diskussion (vgl. IPRA 1994a und 1994b) befassten sich die Berufsverbände mit Medienwirkungsforschung, mit Erfolgskontrolle und Evaluation, mit Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement (DPRG 1997; GPRA 1997; zusammenfassend Naundorf 1996; Baerns und Klewes 1996, S. 9-95). Die erste europäische Tagung zur Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis fand im November 1990 in Brügge statt (CERP Education 1990). Die erste Übersicht der PR-Studiengänge und -Ausbildungsprogramme in Europa erschien 1991. Sie kam 1994 in zweiter Auflage erweitert und überarbeitet heraus (CERP Education 1994/1991). Marketing-Studiengänge, die am Rande auch Public Relations behandelten, wurden ausgeklammert. Die zentral- und osteuropäischen Länder wurden nicht erfasst.

    Das ist in groben Zügen der Hintergrund meines Berichts, der aus der Perspektive einer Zeitzeugin die Anfänge der publizistik- und kommunikationswissenschaftlichen Lehre und Forschung zur Öffentlichkeitsarbeit behandelt. Die Stärken und Schwächen der autobiographischen Methode sind hinreichend dargestellt (vgl. zuletzt Meyen und Löblich 2007, S. 13-17; auch Wilke 2011). Der Hinweis auf Fallstricke und Sackgassen ist Bestandteil meines Konzepts.

    1 Koordination versus Integration – Die Lehre

    Die 1958 gegründete Deutsche Public Relations-Gesellschaft, DPRG, diskutierte seit Ende der 1970er Jahre darüber, wie das Fach Public Relations an der Universität zu verankern sei. Es gab einen Arbeitskreis, „Public Relations in Forschung und Lehre an der Universität", um Heinz Flieger und Franz Ronneberger, die sich eine Art Universaldisziplin vorstellten. Inhalte aus der Politikwissenschaft, aus der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, aus der Soziologie, aus der Sozialpsychologie, aus der Philosophie, aus der Linguistik, aus den Wirtschaftswissenschaften und aus den Rechtswissenschaften sollten einfließen (Flieger 1981, S. 11- 45). Ein fachbereichsübergreifender dreisemestriger Ergänzungsstudiengang, „Modellversuch Öffentlichkeitsarbeit – Erstes interdisziplinäres und praxisorientiertes Ergänzungsstudium Öffentlichkeitsarbeit, an der Freien Universität Berlin kam diesen Vorstellungen entgegen (Flieger 1981, S. 46-47). Der Modellversuch unter Einbeziehung der DPRG (im Beirat, als Gutachterin im Rahmen der Antragstellung sowie der Abschlussbeurteilung, durch DPRG-Mitglieder als Referenten) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und vom Land Berlin im Zeitraum 1. April 1980 bis 30. September 1984 in Höhe von ca. 1,5 Millionen DM finanziert (Mitteilung Günter Barthenheiers vom 17. Februar 2012), allerdings „trotz positiver Begutachtung von Wissenschaftlern und Praktikern der Berufsverbände aus Gründen der internen Hochschulpolitik der Freien Universität sowie der Politik des damaligen Berliner Senats nicht in den Universitätshaushalt überführt (Barthenheier 1995, S. 277). Im Zusammenhang mit dem Modellversuch entstand das erste Handbuch zur Öffentlichkeitsarbeit; es zielte auf die Aus- und Fortbildung (Haedrich et al. 1982, S. VII).

    Das Konzept der Ruhr-Universität Bochum war nicht kompatibel. Wir wollten Public Relations unter dem Dach der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft verankern. In Fliegers Bändchen zum Public-Relations-Studium an Universitäten habe ich die „Bochumer Position" sinngemäß so dargestellt: Die Wissensbestände und Erkenntnisse der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft können anwendungsorientiert den einzelnen Berufsfeldern dienen: erstens Journalismus, zweitens Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations, drittens Medienpädagogik. Schwerpunktbildungen im Hinblick auf die genannten Tätigkeitsfelder sind möglich, ohne den Fachzusammenhang aufzulösen. Denn ein und dieselben Wissensbestände und Erkenntnisse lassen sich auf unterschiedliche Funktionen hin interpretieren und umsetzen (Flieger S. 48, 49). In der englischen Version des Bandes, die im gleichen Jahr im gleichen Verlag erschien, fehlen diese Ausführungen zwar, aber das Bochumer PR-Studium und – ausgefeilter – der Studienschwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit an der Freien Universität Berlin standen auf dieser Grundlage.

    Die Gründungskommission für das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig ließ sich von denselben Vorstellungen leiten, und der erste (und bisher letzte) Lehrstuhl für Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations in Deutschland wurde auf dieser Basis konzipiert und besetzt².

    In den Studienverlaufsplänen schlugen sich die folgenden Einsichten nieder:Öffentlichkeitsarbeit ist ein Thema der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Sie hat das explorative, heuristische Potential des Themas Öffentlichkeitsarbeit für die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und das konstruktiv kritische Potential der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft für die Öffentlichkeitsarbeit zu behandeln.

    Wissenschaftliche Methoden und Denkmittel gehören zu den praktischen Fertigkeiten der Öffentlichkeitsarbeit.

    Die Beziehungen zwischen kommunikationswissenschaftlichen Erkenntnissen und PR-Handeln sind im Curriculum auf Dauer zu stellen. (Das Grundstudium entfaltet den Kanon der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Erst im Hauptstudium werden die publizistik- und kommunikationswissenschaftlichen Erkenntnisse mit praktischem Public-Relations-Handeln verknüpft.)

    Kommunikationswissenschaftliches Fachwissen und das Fachwissen anderer Disziplinen sind koordinierbar, nicht integrierbar. Speziell die Bochumer Magisterordnung besaß einen für die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im Allgemeinen und für das Feld Öffentlichkeitsarbeit im Besonderen nicht zu unterschätzenden Vorteil: An der Ruhr-Universität konnte das Hauptfach Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit nahezu allen anderen Fächern, die an der Universität vertreten waren, kombiniert werden, dies auch als Zwei-Fach-Studium im Magisterstudiengang. Andernorts waren die Kombinationsmöglichkeiten enger gefasst.

    Die freiwillige Angleichung im europäischen Bologna-Prozess zerstörte die Strukturen dieser Studiengänge. Aber der Leitgedanke, Öffentlichkeitsarbeit unter dem Dach der Kommunikationswissenschaft anzusiedeln, blieb erhalten: Im Wintersemester 2007/2008 begann das Institut für Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Dresden einen auf Kommunikationsmanagement einschließlich Public Relations zielenden Master-Studiengang Angewandte Medienforschung (www.​angewandte-medienforschung.​de). Die Universitäten Salzburg und Wien schrieben 2010 Universitätsprofessuren für Public Relations und Organisationskommunikation im Bereich Kommunikationswissenschaft aus³. Das Lehrbuch „Grundlagen der Public Relations" (Röttger et al. 2011) verortet Öffentlichkeitsarbeit als kommunikationswissenschaftlichen Lehr- und Forschungsbereich.

    2 Anwendungsorientierung und Verwendungszusammenhang der Forschung – Reflexion und Kritik

    Ich habe Anfang der 90er Jahre einige Sätze formuliert, die schon damals auf Kritik stießen: „Zwischen Öffentlichkeitsarbeit einerseits und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft andererseits besteht die Chance gegenseitiger Herausforderung. Der Dialog ist weiterzutreiben und fortzusetzen. Denn er schafft durch bewusste Rückbindung der Tat-Sachen an Handlungsentwürfe veränderbare Fakten" (Baerns 1992, S. 143). Johanna Dorer hatte in Anlehnung an die Diskurstheorie Michel Foucaults ein Problemfeld bearbeitet, das heute unter dem Stichwort „weiche Steuerung stärkere Beachtung findet (vgl. Dorer und Marschik 1993 gegenüber beispielsweise Göhler et al. 2009). Sie nahm die Sätze auf, entfaltete am Beispiel Öffentlichkeitsarbeit den Spagat zwischen Legitimation und Aufklärung durch Wissenschaft und warnte vor einer Verschmelzung der unterschiedlichen Interessen: „Diesen Weg, eine konstruktive Kooperation zwischen PR-Praxis und Kommunikationswissenschaft einzuschlagen, so schreibt Dorer, „heißt aber auch, die Frage einer gegenseitigen Kosten-Nutzen-Rechnung nicht zu vernachlässigen. Eine überblickartige Betrachtung jener PR-Forschungsaspekte, die bislang als Schwerpunkte zu erkennen sind, erlaubt eine Annäherung an die Frage, ob die Funktionszuweisung – wissenschaftlicher Beistand im Wandel eines Berufsbildes hin zur Profession zu sein – ihren Preis hat und ob die PR-Praxis auch jenes wissenschaftliche Wissen und kritische PR-Expertenwissen theoretischer wie empirischer Natur zutage fördert, das die Intensivierung im Bereich der Verwissenschaftlichung der PR-Ausbildung – und eng gekoppelt damit die Intensivierung der PR-Forschung… – mit sich bringt und von der PR-Praxis keineswegs ‚bestellt‘ worden ist (Dorer 1994, S. 14). Dem stand die Erwartung gegenüber, mit dem Beitrag zur Professionalisierung und Leistungsoptimierung im Gegenzug den Zugang zu den Rahmendaten und Prozessen, die – auch der Forschung – meist unzugänglich sind, „einzuhandeln. Unterschiede zwischen „Theorie und „Praxis wurden gesehen, Kontroversen nicht ausgeschlossen.

    2.1 Anwendungsorientierung

    PR-Fachleuten wurde das Programm unter dem Motto „Kommunikationsprozesse durchschauen und gestalten" vorgestellt:

    (1)

    Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations gilt als das Management von Kommunikationsprozessen für Organisationen mit deren Bezugsgruppen. Auf dieser Grundlage ist Öffentlichkeitsarbeit ein Prozess – kein Maßnahmenbündel. Dieser Prozess wird gemanagt, also geplant, kontrolliert, bewertet und so gestaltet.

    (2)

    Die Fragestellungen der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sind kompatibel. Denn das besondere Interesse gilt der Entfaltung und Analyse erstens publizistischer Prozesse, das sind Informationsprozesse via Massenmedien, zweitens medienvermittelter Prozesse und drittens interpersonaler Kommunikation sowie der Entfaltung und Analyse von Vernetzungen. Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft versucht aus verschiedenartigen theoretischen Perspektiven und mit allen denkbaren (historisch-hermeneutischen und/oder empirisch-analytischen) Methoden und Verfahren Regelmäßigkeiten oder Besonderheiten dieser Prozesse zu erfassen. Auch die wissenschaftliche Terminologie, die auf den ersten Blick eigenwillig erscheinen mag, resultiert aus der Forschungsabsicht, die Folgen verschiedener medialer Instrumentierungen und Kommunikationsmodi zu begreifen und darzustellen, eine Differenzierung, auf die beispielsweise Marketinglehren wenig Wert legen.

    (3)

    Wenn auf der einen Seite gemanagt, auf der anderen Seite durchschaut und verstanden werden soll, dann liegt die Schlussfolgerung auf der Hand: Kommunikationsprozesse zu durchschauen und zu gestalten, das ist ein gemeinsames Projekt der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und der Öffentlichkeitsarbeit.

    (4)

    Die Zusammenarbeit ist von hohem Nutzen für beide Seiten. Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, einerseits, braucht den unmittelbaren Zugang zu den Prozessen, die untersucht und verstanden werden sollen. Für Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations, andererseits, erscheint es plausibel, die beabsichtigten Kommunikationsprozesse auf der Grundlage systematischer Erforschung zu optimieren, das heißt, Forschungsergebnisse anzuwenden. Denn professionelles Handeln vermag seinen Kontext und seine Folgen zu durchschauen. Es ist damit zugleich verantwortliches Handeln, nicht, weil es aus einer entsprechenden Gesinnung hervorgeht, sondern weil es die Wirkungen, die es wahrscheinlich erzeugen wird, mitbedenkt, antizipiert und einkalkuliert (in Anlehnung an Baerns 1995a, S. 5-6).

    Die anwendungsoriente Umsetzung von Erkenntnissen und Wissen der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft suchte Bodenhaftung in Handlungsmaximen, die Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit als einen Entscheidungsprozess verorten und abbilden. Sie wurden im deutschen Sprachraum seit 1950, in allen Praktiker- und Lehrbüchern mehr oder weniger detailliert, beschrieben (Pracht 1990, S. 36-61). Die meist so genannten Strategiemodelle der Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigen als wesentliche Phasen der PR-Planung die Untersuchung der Ausgangslage oder die Situationsanalyse, die Konzeption (das sind Zielsetzung, Erkennen und Auswählen der Bezugsoder Zielgruppe[n], Entwicklung der Leitidee[n], Medienauswahl, Zeit- und Kostenplanung), die Realisation und die Erfolgskontrolle nebst Evaluation. Die Dokumentation und Wiedereinspeisung der Erfahrungen und Ergebnisse in den Arbeitsprozess sollen, idealtypisch, einen Zyklus der ständigen Verbesserung hervorbringen. Wir vergewisserten uns des Prinzips der Steuerung durch Erfolgskontrolle (Wottawa 1995) und der bekannten Evaluationsansätze und -verfahren im Detail (Fuhrberg 1995). Das induktiv ermittelte, später zum Paradigma verdichtete Rollenmodell von Broom und Dozier, das zwischen Kommunikationstechnik und Kommunikationsmanagement differenziert (vgl. Broom und Smith 1979; Broom und Dozier 1986, 1990), diente lange Zeit als Interpretationsfolie und wissenschaftliche Grundlage⁴. Grunigs historisch und systematisch begründete Klassifikation von PR-Prozessen in Form einseitiger Informations- und zweiseitiger Kommunikationsprozesse (vgl. Grunig und Hunt 1984, S. 13-46) wurde dem Stand der Forschung angepasst und durch die Einsicht, dass Versuche zu kommunizieren scheitern können, bereichert und ergänzt.

    Befunde, oft mit anschlussfähigen Handlungsanleitungen, die wissenschaftliche Kompetenzen voraussetzten, flossen auf verschiedenen Wegen und in verschiedenen Formen, als Lehrbuch (Baerns 1995b), als Jahrbuch (Baerns/Klewes 1996), durch Mitwirkung an der Zeitschrift Public Relations Forum für Wissenschaft und Praxis ⁵ und anderen Fachzeitschriften, an der Loseblattsammlung Handbuch für Öffentlichkeitsarbeit⁶, in Vorträgen und über Lehrveranstaltungen in den praktischen Kontext zurück.

    Die ausgewählten Magisterarbeiten, die hier in einem ersten Anlauf skizziert werden, lassen sich der Berufsfeldforschung zurechnen. Die erste Untersuchung⁷ zur Systematik und Fundierung praktischer Öffentlichkeitsarbeit im Oktober und November 1989 hielt fest, dass die Mehrzahl der befragten PR-Fachleute in leitenden Funktionen längerfristig orientierte Public-Relations-Planung ohne Einschränkung für zwingend notwendig hielt, während im Berufsalltag Planungsmaßnahmen bei nicht einmal der Hälfte vorkamen. Neun von zehn Public- Relations-Leitern hielten analytische Tätigkeiten für wichtig; aber über die Hälfte der Befragten betrieb bzw. veranlasste Analysen unregelmäßig oder nie. Wenige waren in der Lage, einen PR-Planungsprozess ungestützt nachzuzeichnen; aber mit Brooms und Doziers Rollenmodell konfrontiert, beurteilten fast alle Public- Relations-Leiter „die anderen als bloße Macher, als „Kommunikationstechniker (Pracht 1990). Die frühe Untersuchung belegte außerdem, dass PR-Fachleute wissenschaftlichen Erkenntnissen in der praktischen Arbeit eine untergeordnete Rolle zuwiesen, jedoch Hilfestellungen bei der Lösung praktischer Probleme in erster Linie von der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, zweitens von den Sprachwissenschaften, drittens von den Wirtschaftswissenschaften und viertens von der Psychologie erwarteten. Diese Befunde stimmten mit Ergebnissen der ersten Mitgliederbefragung der DPRG zum Berufsbild (1990) gut überein. Ein Ausgangspunkt.

    Nadine Deussen nahm im September und Oktober 2002 dasselbe Forschungsdesign noch einmal auf, und sie registrierte unwesentliche Veränderungen: „Es scheint, als hätten die Bemühungen der Berufsverbände und der Wissenschaftler kaum Wirkung auf die

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