ICO und Kryptowährungen: Neue digitale Formen der Kapitalbeschaffung
Von Michaela Hönig
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Buchvorschau
ICO und Kryptowährungen - Michaela Hönig
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
M. HönigICO und Kryptowährungenhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27688-1_1
1. Initial Coin Offering
Michaela Hönig¹
(1)
Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main, Deutschland
Ein Initial Coin Offering (ICO), manchmal auch (IPCO) Initial Public Coin Offering genannt, einfacher gesagt „Erstes Angebot einer Coin", verbindet die Blockchain-Technologie mit dem Finanzierungsmodell des Crowdfunding bzw. Crowdinvesting und dient in der Welt der Kryptowährungen als Finanzierungsmöglichkeit für Projekte, welche auf der Blockchain-Technologie beruhen (vgl. Sesterhenn 2018). Es handelt sich um eine Schwarmfinanzierung, bei welcher der Emittent einen selbst programmierten Kryptotoken, gegen Kryptowährungen, selten auch FIAT-Währungen tauscht. Mit dem Begriff FIAT-Währung werden klassische physische Währungen wie Euro oder US-Dollar bezeichnet. Das sind legale Währungen, welche von den Zentralbanken des jeweiligen Landes ausgegeben werden und ein offiziell anerkanntes Zahlungsmittel darstellen (vgl. Arnold 2019).
Ein ICO tritt in zwei verschiedenen Formen auf, entweder in der Form der Schaffung neuer Blockchains mit neuen virtuellen Währungen oder in der Form von Smart-Contracts (vgl. BaFin 2017). Der Begriff ICO ist dem des Initial Public Offering (IPO) ähnlich und sollte nicht damit verwechselt werden, denn der Begriff IPO beschreibt den Vorgang der erstmaligen Aktienemission eines Unternehmens, welches den interessierten Anlegern die Möglichkeit gibt, die Aktien des sogenannten „ersten öffentlichen Angebots" zu erwerben.
Bei einem ICO werden Token oder Coins ausgegeben. Diese Token fungieren hier als eine Art digitaler Wertcoupon und dienen der Finanzierung des jeweils dahinterstehenden Projekts.
Nach dem ICO werden die ausgegebenen Token als neue Kryptowährung auf den gängigsten Plattformen öffentlich gehandelt, aber nur, wenn genügend Nachfrage besteht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Investoren durch den Einstieg in eine ICO die Möglichkeit haben, in eine Kryptowährung einzusteigen, noch bevor diese an der Börse gehandelt wird. Sollte das zu finanzierende Projekt erfolgreich sein, können die Werte der Tokens sehr schnell ansteigen. Im Prinzip müssen die Investoren an den Erfolg des Projekts glauben, denn sie investieren in eine Kryptowährung, die zum Zeitpunkt des Erwerbs eigentlich noch gar keinen Wert hat.
Bei einem ICO wird in der Regel eine neue Kryptowährung emittiert. In manchen Fällen stellt das Initial Coin Offering die erste Gelegenheit dar, die zum Teil eigens für das Crowdfunding entwickelten Coins und Token in Umlauf zu bringen.
Derzeit sind ICOs und die damit verbundenen Token auf der ganzen Welt nicht einheitlich reguliert. Token können je nach unterschiedlicher Ausgestaltung und der damit verbundenen Gerichtsbarkeit gehandelt werden. Eine einheitliche und länderübergreifende gemeinsame Regulierung ist nötig, um in Zukunft den Anlegerschutz, aber auch die Sicherheiten der emittierenden Unternehmen zu gewährleisten und somit die Funktion dieser neuen Finanzierungsmöglichkeit zu etablieren.
Mit dieser neuen, digitalen Form der Kapitalbeschaffung umgehen Firmen den bekannten, streng regulierten Vorgang eines Börsengangs (Initial Public Offering, IPO; vgl. Abb. 1.1) (vgl. Schueffel 2017).
../images/487305_1_De_1_Chapter/487305_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Unterschiede ICO versus IPO. (Quelle: eigene Darstellung)
Bitcoin ist die bekannteste Kryptowährung. Unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto wurde im November 2008 auf acht Seiten die technische Grundlage für Bitcoin, Kryptowährungen und die Blockchain-Technologie in einem „Whitepaper" beschrieben. Welche Person oder Personengruppe sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, ist bis heute unbekannt.
Zur Durchführung eines ICO ist Stand Juli 2019 weder eine bestimmte Unternehmensform noch ein tatsächlicher Geschäftsbetrieb erforderlich. Es können also auch Einzelpersonen Token anbieten, die gar kein Geschäft betreiben, sie müssten nur über die relevanten Programmierkenntnisse verfügen (Abb. 1.2).
../images/487305_1_De_1_Chapter/487305_1_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
Was repräsentiert ein ICO? (Quelle: eigene Darstellung)
1.1 Definition
Anstatt Aktien im Gegenzug zum eingezahlten Geld verteilen die Firmen bei ICOs Einheiten einer Digitalwährung in Form von sogenannten „Token", welche die Investoren dann als Zahlungsmittel oder als Wertanlage nutzen können. Das Konzept ähnelt stark dem eines IPO (Initial Public Offering). Beide Begriffe referenzieren eine Finanzierungsmöglichkeit, bei der Investoren Zugang zu einem künftigen Feature des finanzierten Projekts bekommen sollen. Bei ICO startet das Projekt aber erst in der Zukunft.
Es gibt keine Vorschriften zu einer bestimmten Unternehmensform bei Durchführung eines ICOs, auch ein tatsächlicher Geschäftsbetrieb ist nicht erforderlich. Theoretisch können Einzelpersonen, die kein Geschäft betreiben, Token technisch anbieten oder beauftragen (vgl. BaFin 2017).
In den USA existiert bereits ein funktionierender Markt für ICOs. Einschlägige Übersichtsseiten listen Dutzende laufende Transaktionen auf. In China haben die Behörden ICOs verboten und ließen den Bitcoin-Preis dadurch kurzzeitig um beinahe 40 Prozent einbrechen.
Im Juli 2017 deutete die US-amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commissions (SEC) an, dass die amerikanische Wertpapiergesetzgebung auf ICOs anwendbar sein könnte (SEC 2017). Die SEC äußerte sich allerdings nicht dazu, ob Coins oder Token Wertpapiere im zu regulierenden Sinne darstellten, vielmehr werde diese Entscheidung von Fall zu Fall getroffen. Das Statement der SEC könnte aber mehr Vertrauen der breiten Öffentlichkeit in ICOs schaffen und damit eine höhere Investitionsbereitschaft in diese Finanzinstrumente.
Europäische und deutsche Aufsichtsgremien haben das Thema erfasst, stehen miteinander in Kontakt und beobachten die Entwicklungen genau. Alle haben Verbraucherwarnungen ausgesprochen und sehen die Token-Ausgabe nicht als Währung, sondern als digitale Recheneinheiten an (vgl. BaFin 2017).
Der erste ICO in Deutschland war der Verkauf von Wys-Token (vgl. Wystoken 2017) der Firma Wysker, ein Start-up-Unternehmen mit Sitz in Berlin. Wysker hat eine gleichnamige Shopping-App entwickelt, bei der Nutzer ihre persönlichen Daten für Werbetreibende zugänglich machen können und dafür mit Rabatten auf ihren Einkauf belohnt werden. Werber und Einzelhändler erhalten dagegen Zugang zu potenziellen Kunden und deren Daten. Die Technologie dahinter basiert auf der Ethereum-Blockchain. Das nötige Kapital für die Umsetzung sammelte Wysker bei einem ICO der Kryptowährung Ether (ETH) ein. Die Investoren erhalten im Gegenzug Wys-Token. Diese Wys sollen später als Zahlungsmittel in der App zum Einsatz kommen. Die Nutzer werden damit entlohnt, wenn sie ihre Daten mit Werbetreibenden teilen und können ihre gesammelten oder im Zuge des ICOs erworbenen Token beim Shoppen über die App zum Bezahlen oder für Rabattaktionen nutzen. Darüber ist Wys auch an Kryptobörsen handelbar. Der Wysker ICO startete am 31. Januar 2018 und ist mittlerweile