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Ich bin dann mal nicht weg: 320 Kilometer durch Innsbruck
Ich bin dann mal nicht weg: 320 Kilometer durch Innsbruck
Ich bin dann mal nicht weg: 320 Kilometer durch Innsbruck
eBook411 Seiten4 Stunden

Ich bin dann mal nicht weg: 320 Kilometer durch Innsbruck

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Über dieses E-Book

Gernot Zimmermann ist der Paradetyp eines Couch-Potato und entscheidet sich spontan, eine Weitwanderung zu unternehmen. Weil ihm aber kein Ort eine solche Mühe wert ist, bleibt er daheim und wandert durch Innsbruck, ohne dabei auch nur eine einzige Straße auszulassen. Im März 2020 geht er los, zuerst bremst ihn die Corona-Pandemie, dann eine Arterien-Verschluss-Krankheit, wegen der er keine 200 Meter mehr schmerzfrei gehen kann. Wie Zimmermann es trotzdem geschafft hat, alle 654 Straßen, Gassen, Wege, Plätze, Promenaden, Steige, Stege und Brücken abzugehen, beschreibt er in seinem Tagebuch, das mit zahlreichen Erinnerungen und Anekdoten versehen ist. Schritt für Schritt hat sich der Autor seine Heimatstadt erarbeitet und er nimmt die Leserinnen und Leser auf diese ganz spezielle Weitwanderung mit. Ein Buch für Einheimische und für all jene, die Innsbruck besser kennenlernen wollen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. Okt. 2020
ISBN9783703065477
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    Buchvorschau

    Ich bin dann mal nicht weg - Gernot Zimmermann

    Gernot Zimmermann

    Ich bin dann mal nicht weg

    320 Kilometer durch Innsbruck

    Inhaltsverzeichnis

    Cover

    Titel

    VORWORT

    NOCH EINE KLEINE VORBEMERKUNG

    Tag 1 Mittwoch, 11. März 2020

    Tag 2 Donnerstag, 12. März 2020

    Tag 3 Freitag, 13. März 2020

    Tag 4 Samstag, 14. März 2020

    Tag 5 Mittwoch, 18. März 2020

    Tag 6 Donnerstag 19. März 2020

    Tag 7 Montag, 13. April 2020

    Tag 8 Donnerstag, 16. April 2020

    Tag 9 Freitag, 17. April 2020

    Tag 10 Dienstag, 23. Juni 2020

    Tag 11 Mittwoch, 24. Juni 2020

    Tag 12 Donnerstag, 25. Juni 2020

    Tag 13 Freitag, 26. Juni 2020

    Tag 14 Samstag, 27. Juni 2020

    Tag 15 Sonntag, 28. Juni 2020

    Tag 16 Montag, 29. Juni 2020

    Tag 17 Dienstag, 30. Juni 2020

    Tag 18 Mittwoch, 1. Juli 2020

    Tag 19 Donnerstag, 2. Juli 2020

    Tag 20 Freitag, 3. Juli 2020

    Tag 21 Samstag, 4. Juli 2020

    Tag 22 Sonntag, 5. Juli 2020

    Tag 23 Montag, 6. Juli 2020

    Tag 24 Dienstag, 7. Juli 2020

    Tag 25 Mittwoch, 8. Juli 2020

    Tag 26 Donnerstag, 9. Juli 2020

    Tag 27 Freitag, 10. Juli 2020

    Tag 28 Sonntag, 12. Juli 2020

    Tag 29 Montag, 13. Juli 2020

    Tag 30 Dienstag, 14. Juli 2020

    Tag 31 Mittwoch, 15. Juli 2020

    Tag 32 Donnerstag, 16. Juli 2020

    Tag 33 Samstag, 18. Juli 2020

    Tag 34 Sonntag, 19. Juli 2020

    Tag 35 Montag, 20. Juli 2020

    Tag 36 Mittwoch, 22. Juli 2020

    Gernot Zimmermann

    Zum Autor

    Liste der Innsbrucker Strassen

    Impressum

    Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag

    Gewidmet meiner lieben Ilse – Danke für Alles!

    VORWORT

    Es wird im April des Vorjahres gewesen sein, als ich im Internet durch Zufall in den Blog eines Wieners geraten bin, der nach Santiago de Compostela gepilgert ist. Der Mann ist von Wien aus einfach losmarschiert, trotz seines erheblichen Übergewichtes und ohne jemals zuvor eine Weitwanderung unternommen zu haben. Ich habe alle seine Tagebucheintragungen auf einmal durchgelesen und das Thema hat mich nicht mehr losgelassen. Pilgern kommt bei mir mangels Gläubigkeit nicht in Frage, aber man könnte ja zum Beispiel zu Fuß nach Wien gehen. Diese Idee habe ich schnell wieder fallen lassen, irgendwie war mir das logistisch zu kompliziert. Aber immerhin habe ich begonnen auszutesten, ob ich, als ausgewiesener Couch-Potato, längere Strecken überhaupt schaffe. So bin ich einmal von Pradl nach Zirl raufmarschiert und gleich am nächsten Tag nach Hall und retour. Passt, 20 Kilometer schaffe ich locker, vielleicht sogar 30, wenn ich mal im Gehen drin bin. Fehlte also nur mehr ein lohnendes Ziel.

    Tja – und dann habe ich das Buch von Hape Kerkeling in unserem Regal stehen gesehen und beim Lesen des Titels „Ich bin dann mal weg wusste ich augenblicklich, wie mein Buch heißen wird. „Ich bin dann mal nicht weg. Ich verlasse nämlich Innsbruck gar nicht, sondern werde sämtliche Straßen, Gassen, Wege, Plätze, Steige, Promenaden, Brücken und Stege meiner Heimatstadt zu Fuß abgehen. Dafür muss ich auch keinen großen Aufwand betreiben – gute Wanderschuhe, einen Stadtplan, ein offizielles Adressenverzeichnis, fertig. Angenehmer Nebeneffekt dabei – ich schlafe jeden Tag in meinem eigenen Bett.

    Rückblickend wäre es wohl besser gewesen, ich hätte meine Wanderung durch Innsbruck gleich im Juli oder August 2019 gemacht, es wären mir einige Schwierigkeiten erspart geblieben. Aber aus verschiedenen Gründen ist es nicht dazu gekommen und am 11. März 2020 startete ich schließlich meine Tour.

    Von Beginn an wurde ich dabei von meiner Frau Ilse begleitet, sie hat während der insgesamt 36 Wandertage über 4.000 Fotos geschossen. Die ersten Tage hat sie mich noch zu Fuß begleitet, aber dann ist plötzlich alles anders geworden. Zuerst hat der Corona-Wahnsinn das ganze Land in Geiselhaft genommen und in vielen Bereichen völlig lahmgelegt. Während der wochenlangen Quarantäne Tirols durften wir nicht einmal mehr in den Nachbarort fahren und nur noch in Ausnahmefällen das Haus verlassen.

    Und dann hat sich vor mir unvermittelt ein neuer Gegner aufgebaut – ich habe mir nämlich leider die „Periphere Arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) eingehandelt. Durch diese de facto unheilbare Durchblutungsstörung kann ich ohne große Schmerzen keine längeren Strecken mehr gehen, 170 Meter sind das absolute Maximum. Die Diagnose bekam ich nach Wandertag 9 gestellt und damit war das Projekt natürlich gestorben. Ich hatte ja bis dahin erst knapp über 100 Straßen hinter mir und wie soll ich denn bitteschön die restlichen 550 Straßen abgehen, bei meinem Radius? Wie soll ich da die Igler Straße bewältigen können oder die Kranebitter Allee? Wie die Gramartstraße mit ihrer „Höll oder den Schusterbergweg mit seinen 20 Prozent Gefälle?

    Lassen Sie mich vorgreifen – ich habe es trotz meiner Krankheit geschafft, alle Innsbrucker Straßen von Anfang bis zu ihrem Ende zu Fuß zu bewältigen. Das muss natürlich heißen, WIR haben es geschafft. Denn ohne meine Frau Ilse wäre das Projekt „Erstbegehung von Innsbruck" eine Vision geblieben bzw. gleich zu Beginn gescheitert. Ihr Beitrag ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, im Buch wird aber noch viel davon zu lesen sein.

    Wie uns diese gemeinsame „Erstbegehung von Innsbruck" gelingen konnte? Auf den folgenden Seiten habe ich das niedergeschrieben und ich wünsche gute Unterhaltung beim Lesen.

    Gernot Zimmermann

    Innsbruck, im Oktober 2020

    NOCH EINE KLEINE VORBEMERKUNG

    Für meine Wanderung durch Innsbruck habe ich mir ein paar Regeln aufgestellt, damit das Ganze ein bisschen einen Rahmen hat:

    Die Grenzen von Innsbruck sind für mich nicht die Ortstafeln, sondern die offiziellen Gemeindegrenzen. Aber ich behalte mir vor, auf die Ortstafeln als Grenze zurückzugreifen, wenn das notwendig wäre.

    Ich werde jede Straße in ihrer vollen Länge abgehen und zwar auf einmal. Das heißt, zu verlockenden Nebengassen werde ich nicht abbiegen, bevor die eben begangene Straße noch nicht abgehakt ist.

    Prinzipiell werde ich Stadtteil für Stadtteil abhandeln, aber das ist kein Muss. Wenn es mir günstig erscheint, dann werde ich auch in einen anderen Stadtteil „vordringen", bevor der eine erledigt ist. Ganz davon abgesehen lassen sich Innsbrucks Stadtteile nicht immer klar abgrenzen, es gibt da durchaus unterschiedliche Ansichten und ich will mich in diese ewigen Diskussionen nicht groß einmischen.

    Ich werde nicht zu jeder einzelnen Hausnummer bzw. zu jedem einzelnen Haus hingehen. So zweigen etwa von der Höhenstraße gleich mehrere Zufahrten zu Häusern ab, sowohl links als auch rechts. Die werde ich, wie gesagt, auslassen, die Höhenstraße selbst genügt mir. Und weil wir gerade bei der Höhenstraße sind – ich werde natürlich alle ansteigenden Straßen Innsbrucks möglichst bergab bewältigen. Meine Kondition ist schließlich sehr endlich, ich bin nun mal kein Bergläufer.

    Das Buch ist als Tagebuch geführt und wenn ich neue Straßen, Gassen, Plätze oder Brücken angehe, schreibe ich in Klammern dazu, nach wem oder was sie benannt wurden. Jeweils ganz kurz nur, eine ausführlichere Beschreibung würde sonst schnell den Umfang des Buches „Innsbrucker Straßennamen" von Josefine Justic annehmen. Das hat fast 300 Seiten und es war mir bei meiner Tour durch Innsbruck eine wertvolle Hilfe.

    So – und jetzt lassen wir es losgehen bzw. lassen wir mich losgehen ...

    B4_Seite-9.jpg

    Tag 1

    Mittwoch, 11. März 2020

    Auf diesen Tag habe ich mich jetzt wirklich lange genug gefreut, aber heute starte ich endgültig mein Projekt „Erstbegehung von Innsbruck". Vielleicht ein etwas zu hochtrabender Titel, doch ich gehe schon davon aus, dass noch niemand vor mir alle Straßen Innsbrucks zu Fuß bewältigt hat. Wobei das im Endeffekt eh egal ist, denn um Rekorde oder so geht es mir nicht. Viel an Vorbereitung musste ich in mein Projekt nicht investieren, mit guten Wanderschuhen, einem tauglichen Stadtplan von Innsbruck und dem Ausdrucken des offiziellen Straßenverzeichnisses der Stadt war das rasch erledigt.

    An dieser Stelle kann nicht unerwähnt bleiben, dass zurzeit ganz Europa gegen ein heimtückisches Virus ankämpft, das schon ganze Landstriche in Geiselhaft genommen hat. Gestern hat Italien die Grenzen zu allen Nachbarländern geschlossen und sich damit völlig isoliert. Ein ganzes Land unter Quarantäne, wann hat es das in der jüngeren Geschichte je gegeben? In Österreich und in Tirol sind die Infektionszahlen noch nicht besorgniserregend, aber in Innsbruck haben wir schon einzelne Fälle gehabt. Mal schauen, wie sich das weiterentwickelt, doch ein Blick in die Lombardei lässt leider Schlimmes erwarten. Aber vom Start meines Projekts lasse ich mich dadurch nicht abhalten, zumindest vorerst nicht.

    Mittlerweile weiß ich ziemlich genau, was mir bevorsteht – es gibt in Innsbruck offiziell 635 Straßen, Gassen, Wege, Plätze, Promenaden und Steige, dazu kommen noch einige Inn- bzw. Sillbrücken und Stege, also deutlich über 650 Adressen insgesamt. Die Gesamtstrecke soll 332 Kilometer lang sein, das wird sich ziehen …

    Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt und ich werde diesen Schritt auf einer Tankstelle setzen. Der Grobplan ist, dass ich mit dem Stadtteil anfange, in dem wir wohnen – also mit Pradl. Als Erstes würde ich gerne all jene Straßen abgehen, die Pradl begrenzen und so bringt mich meine Frau Ilse zur Tankstelle am Autobahnzubringer Innsbruck-Ost, zum Ende – bzw. ist es für mich der Anfang – der Amraser-See-Straße (bis um das Jahr 1870 gab es hier einen See).

    Das Wetter ist nicht schlecht, aber kurz nach 8 Uhr früh ist es noch empfindlich frisch. Schon nach ein paar Schritten befinde ich mich am Parkplatz des Einkaufzentrums DEZ und beschließe spaßhalber, quer durch den Konsumtempel zu gehen. Konsumtempel passt übrigens ziemlich gut, denn das DEZ wird pro Jahr von weit mehr Menschen besucht als die Pilgerstätte Lourdes. Aber das nur nebenbei … Ich war übrigens als Kind bei der Eröffnung dabei und erinnere mich noch lebhaft an eine große Kanone, mit der Süßigkeiten in die Menschenmenge geschossen wurden. Das war übrigens am 24. September 1970, danke Internet.

    Noch bin ich keine 500 Meter weit gegangen und immer noch im DEZ, da meldet sich plötzlich meine linke Wade. Sie protestiert wahrscheinlich gegen mein hohes Tempo, also muss ich da einen besseren Rhythmus finden. Aber ich darf meinen Muskeln auch nicht böse sein, denn seit wir im Dezember von Indien zurückgekommen sind, bin ich nur faul auf der Couch gelegen. Von gelegentlichen Spaziergängen abgesehen. Kein Wunder, dass ich mich erst wieder an Bewegung gewöhnen muss.

    Gleich einmal nach dem großen Parkplatz wartet Ilse bei der Fußgängerunterführung auf mich und gemeinsam marschieren wir die Amraser-See-Straße entlang. Sie bildet den östlichsten Teil des Südrings und reicht bis zur Kreuzung mit der Amraser Straße, ab da setzt sich der Südring als Burgenlandstraße (österreichisches Bundesland) fort. Schon nach 30 Metern kommen wir bei einer meiner ehemaligen Arbeitsplätze vorbei, denn hier war einst der „Autoverleih Buchbinder" angesiedelt. Das wird im 1987er-Jahr gewesen sein. Ich war hauptsächlich als LKW-Fahrer tätig und habe mit einem Autotransporter die Leih-Fahrzeuge zu den Vertragspartnern geführt. Einmal wollte ich gerade einen nagelneuen VW Golf aufladen, der hatte einen Kilometerstand von unter 20. Beim Auffahren brach leider eines der beiden Bleche der Rampe, der Golf kippte sofort nach links und verkeilte sich zwischen LKW und der anderen Auffahrtsrampe. Mir ist nix passiert, aber die Karre war als Leihwagen nicht mehr zu gebrauchen, hatte also äußerst schnell ausgedient. Das haben übrigens alle Anwesenden sehr lustig gefunden und weil es auch den Filialleiter amüsierte, habe ich halt mitgelacht.

    Die Burgenlandstraße mündet in den Kreisverkehr beim Tivoli und kommt in westlicher Richtung als Olympiastraße (nach den Winterspielen 1964 und 1976) wieder aus ihm heraus. Diese Straße beherbergt unter anderem das Olympia-Eisstadion, die erst vor ein paar Jahren errichtete „kleine Eishalle und führt noch dazu am Tivoli-Schwimmbad vorbei. Auf das „Tivox komme ich später noch einmal zurück, jetzt bin ich in Gedanken ganz bei meinem Lieblings-Fußballverein FC Wacker Innsbruck. Denn ziemlich genau da, wo man heute in die Tiefgarage des „Merkur-Marktes einfährt, war bis zur Jahrtausendwende der „Eingang Süd des alten Wackerstadions. Wie oft ich hier mit dem Wacker mitgefiebert, mitgejubelt und mitgelitten habe – ich weiß es nicht, aber die Zahl meiner Besuche ist mit Sicherheit eine mittlere dreistellige. Ich werde etwa acht Jahre alt gewesen sein, wir waren gerade aus der Innenstadt nach Amras gezogen, da „entdeckte" ich durch einen Schulfreund, dass man die zweite Halbzeit eines Wacker-Spiels gratis anschauen durfte. Irgendwann in der 46. oder 47. Minute öffnete ein Ordner das große Gittertor und einige Dutzend Zaungäste wurden auch ohne Ticket eingelassen. Ich war dann immer öfter auch mit dabei und mit der Zeit entwickelte ich mich zu einem richtigen Fan. Meinen Eltern habe ich die Stadionbesuche aus Angst vor einem Verbot lange verschwiegen, sie glaubten mich halt im Hof.

    Das Rauschen der Sill reißt mich aus meinen Wacker-Gedanken, denn die Olympiastraße ist hier erledigt. Wir biegen rechts ab und gehen zwischen dem Sill-Fluss und der relativ neu errichteten „Wohnanlage Tivoli" durch. Hier gibt es gleich zwei kurze Straßen, von denen ich noch nie gehört habe – die Josef-Thoman-Straße (Tiroler Politiker, 1923–2003) verläuft in Richtung Osten, die wenige Meter daneben liegende Adele-Obermayr-Straße (Tiroler Politikerin, im NS-Widerstand tätig, 18941972) bringt uns danach wieder zurück zum Ufer der Sill. Wir halten uns weiter Richtung Norden und nach dem Sillufer kommen wir bei der Berufsfeuerwehr zur Hunoldstraße (Dichter, 1828–1884). In dieser Straße ist mein Vater aufgewachsen, an die großelterliche Wohnung kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern. Aber das Haus steht noch und hat sich in den letzten 55 Jahren nur unwesentlich verändert. Die Hunoldstraße endet für uns an der Amraser Straße, wir überqueren den Leipziger Platz (nach der Völkerschlacht von 1813) und gehen danach die Körnerstraße (Deutscher Schriftsteller, 17911813) an. Bis jetzt ist jede Straße in eine andere übergegangen, das ändert sich nun. Denn den südlichen Teil der Körnerstraße müssen wir nach seiner Bewältigung gleich wieder zurück gehen – zum Glück sind das kaum 200 Meter. Aber es sind 200 Extra-Meter, „Schweine-Meter", wie ich sie genannt habe. Die Körnerstraße geht in den Pradler Platz (umrundet die alte Pradler Pfarrkirche) über, damit ist schon die nächste Adresse abgehakt. Jetzt befinden wir uns auf der Pradler Straße, gehen diese in Richtung Norden und kommen so zum Furterzaunweg (alter Flurname), der links abgeht. Das Mini-Sträßchen ist in kürzester Zeit durchlaufen, da stört es wenig, dass wir auch diesen Weg zweimal gehen müssen. Das ist in der Schmidgasse (nach dem alten Schmidhaus) nicht anders, denn auch sie geht als Sackgasse links von der Pradler Straße ab. Zum Glück ist die Gasse ebenso kurz und wir steuern unser nächstes Ziel an, das Brückenplatzl (neben der Pradler Brücke). Dort befindet sich eine schöne Bank bei einem noch schöneren Baum und das Allerschönste ist der Ausblick auf den Patscherkofel, den man vor hier aus genießen kann. Ich brauche jetzt mal eine längere Pause und meine linke Wade hält das auch für eine super Idee. Ich bin einfach völlig untrainiert, morgen werde ich wahrscheinlich einen ordentlichen Muskelkater haben.

    Nach dem feinen Break spazieren wir die Pradler Straße (nach dem ehemaligen Dorf Pradl) hinauf und das im doppelten Wortsinn. Denn die Straße steigt definitiv leicht an, auch wenn man es mit freiem Auge kaum sieht. Aber ich spüre es. Und so muss ich einmal tatsächlich stehenbleiben, damit sich mein überfordertes Bein wieder beruhigen kann. Mühsam. An der Kreuzung mit der Amraser Straße biegen wir links ab und gehen die 50 Meter vor bis zur Lindenstraße (früher standen hier viele Lindenbäume). Die verläuft parallel zur Pradler Straße, also geht sie dankenswerterweise leicht abwärts und ich muss nicht stehenbleiben. Bei der querenden Gumppstraße angekommen, gehen wir diese ein paar Meter in Richtung Osten und verfügen uns bald einmal links in die Gabelsbergerstraße (Erfinder der Stenografie, 1789–1849) hinein, die nach Norden führt.

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    Ganz am Ende der Gabelsbergerstraße hat Ilse jahrelang als Koch- und Werklehrerin unterrichtet – nomen est omen –, in der „Neuen Mittelschule Gabelsberger. So weit sind wir aber noch nicht, denn zuerst müssen wir noch durchs sogenannte „Facken-Gassl, welches fast jeder Innsbrucker kennt, das aber in keinem Stadtplan zu finden ist. Das schmale, an einem Bauernhof samt Stall (daher der Name) vorbeiführende Gässchen reicht von der Amthorstraße bis zur Egerdachstraße, ehe es in den nördlichen Teil der Gabelsbergerstraße übergeht. Aber wahrscheinlich heißt das „Facken-Gassl" eh auch Gabelsbergerstraße, als Extra-Adresse rechne ich es jedenfalls nicht. Wir sind an der Schule angekommen, halten uns links und nach ein paar Metern auf der Reichenauer Straße finden wir uns in der Schmuckgasse (nach einer Tiroler Beamten- und Handelsfamilie) wieder. Die ist fast schneller absolviert als ein Eichhörnchen mit seinen Ohrhärchen wedeln kann, dafür folgt mit der Egerdachstraße (nach einem ehemaligen Heilbad) gleich die längste Straße bis jetzt. Wir starten beim alten Brunnen an der Ecke zur Pradler Straße und marschieren los.

    Die Egerdachstraße hat zwei völlig unterschiedliche Charaktere aufzuweisen. Bis zur Kreuzung mit der Kravoglstraße/Klappholzstraße lässt sie sich ganz normal mit dem Auto befahren, dann biegt sie scharf nach rechts ab und verläuft als reiner Fuß- und Radweg bis vor zum Langen Weg. Das ist wirklich ein breiter Weg bis zum Langen Weg. Unter anderem kommen wir am Dotterbichl vorbei, wo ich als Kind manchmal mit der Rodel oder den Skiern runtergerutscht bin. Und es überrascht mich einigermaßen, dass der sich offenbar nicht in der Reichenau, sondern noch in Pradl befindet. Als alter Reichenauer wäre ich nie draufgekommen, denn für mich gehört der Dotterbichl genauso zur Reichenau wie der Sill-Zwickel – der übrigens in Wahrheit zum Saggen gehört, eventuell noch zum Pradler Saggen ... In unmittelbarer Nähe des Dotterbichls befindet sich der sogenannte Roßsprung. Genau hier hat im 15. Jahrhundert ein Edelknabe mit seinem Pferd einen Wassergraben übersprungen – mit einem 12 Meter weiten Satz! Die damals gesetzten Marksteine sind – nach ihrer Wiederentdeckung 1961 – heute noch zu sehen. Übrigens haben weder Pferd noch Reiter den Sprung überlebt, in die Geschichte Innsbrucks sind sie aber trotzdem (oder vielleicht sogar deswegen) eingegangen. Das Wunderpferd ist später ausgestopft und im Schloss Ambras ausgestellt worden, wo es heute noch in der dortigen Schatzkammer zu bewundern ist. Zumindest das ist dem waghalsigen Jockey erspart geblieben, auch wenn heute niemand mehr seinen Namen kennt.

    Entlang der Egerdachstraße befinden sich zahlreiche Bänke, so kann ich mich immer wieder einmal ausrasten, denn schön langsam spüre ich die vielen Kilometer, zehn werden es bis jetzt wohl schon gewesen sein. Aber bald haben wir die erste Tagesetappe eh hinter uns.

    Nach der Egerdachstraße geht Ilse schon mal nach Hause, wir wohnen ja um die Ecke. Ich begleite sie noch ein paar Meter und gehe dann von der Kranewitterstraße rechts in die Hans-Sachs-Straße (Meistersinger, 1494–1576). Bei etwas besserer Kondition könnte man diese kurze Straße auf einem Bein durchhüpfen, aber wer will das schon. Am Ende der Straße muss ich nur hundert Meter nach links die Dürerstraße entlang gehen, dann zweigt schon rechts und links die Schwindstraße (Maler, 1804–1871) ab. Zuerst gehe ich den kürzeren Teil in Richtung Norden, dort am Absatz kehrt gemacht und danach wieder hinauf zur Kranewitterstraße. Auch diesen Teil der Straße hüpfe ich nicht einbeinig durch, sondern bin im Gegenteil froh, dass sie so kurz ist. Denn sie geht eindeutig leicht aufwärts und das mag meine beleidigte linke Wade gar nicht. Jetzt bin ich bald daheim, aber am Weg dorthin nehme ich noch zwei Adressen mit. Als Erstes wird die Nordkettenstraße (Gebirgskette des Karwendels) abgehandelt, nach der unsere Siedlung benannt ist. Auch diese Straße steigt ganz leicht an, aber jetzt bin ich wohl schon ein bisschen überempfindlich. Jedenfalls bin ich froh, dass ich mit der östlich der Nordkettenstraße gelegenen und parallel verlaufenden Siegmairstraße (Kampfgenosse Andreas Hofers, 1775–1810) die letzte Adresse für heute vor mir habe. Mit schon ziemlich müden Schritten gehe ich an der Volksschule vorbei, die Ilse übrigens schon als Schülerin gekannt hat, so lange steht die Siegmair-Schule schon unverändert am selben Fleck. Und weil sie denkmalgeschützt ist, wird sie auch noch die nächste Zeit so stehen bleiben. Bis vor zwei, drei Jahren war hier auch ein Polytechnischer Lehrgang untergebracht, der glücklicherweise aufgelassen worden ist. Glücklicherweise deshalb, weil in der warmen Jahreszeit die Jugendlichen gleich im Dreißiger-Pack mit ihren Mopeds angeknattert gekommen sind – 99,9 Prozent der Fahrzeuge waren natürlich auffrisiert und dementsprechend nervtötend laut. Da mussten wir uns dann beim Frühstück manchmal in Zeichensprache unterhalten und das gleichzeitige Wegfahren dutzender Mopeds hat uns oft genug aus dem Mittagsschlaf gerissen. Ich sehe das ja, ganz tief in meinem Innersten, ohnehin nur als gerechte Strafe an. Denn als Teenager habe ich selber Löcher in den Auspuff meines Mofas gebohrt, damit es wenigstens nach irgendwas klingt. Jaja, Karma is a bitch …

    Nach der Durchwanderung der Siegmairstraße komme ich zum vierten Mal zu einer Kreuzung mit der Kranewitterstraße, aber das war es dann für heute. Insgesamt kann ich nach meinem ersten Wandertag durch Innsbruck 21 Straßen bzw. Adressen als erledigt abhaken, 21 von über 650, das sind schon fast drei Prozent. Fehlen also eh nur mehr 97 Prozent …

    Reim des Tages:

    Mit meiner Ilse durch die Stadt zu wandern,

    ist mir viel lieber als mit jeder andern …

    Tag 2

    Donnerstag, 12. März 2020

    Erstaunlicherweise spüre ich kaum Nachwirkungen des gestrigen Wandertages, nur in meiner linken Wade macht sich ein ganz leichter Muskelkater bemerkbar. Es zieht nämlich ein bisschen.

    Die Corona-Lage wird immer undurchsichtiger und dramatischer, in den unter Quarantäne stehenden Gebieten Italiens darf man nur noch dann spazieren gehen, wenn man einen Hund hat! Sonst muss man zu Hause bleiben, das Militär patrouilliert in Städten und Ortschaften. Bei uns in Österreich steigt die Zahl der Infizierten ebenfalls an, auch hierzulande werden weitere Maßnahmen erwogen. Mal schauen, wo das noch hinführt.

    Wir starten heute direkt von daheim aus und als Erstes begeben wir uns ans Ende der Josef-Pöll-Straße (Komponist, 1874–1940), an der Ecke zur Siegmairstraße. Wir spazieren die Josef-Pöll-Straße stadteinwärts, also in Richtung Westen. Viel gibt sie nicht her, kein Geschäft, kein Lokal – beinahe würde ich meinen, die einzige Attraktion sind die Parkautomaten, weil sie im Dunkeln so schön grün leuchten. Aber die Josef-Pöll-Straße ist eine angenehme Wohngegend, hier fährt nur durch, wer hier auch was zu erledigen hat, also herrscht kaum Verkehr. Die Straße geht dann an der Kreuzung mit der Grenzstraße in die Petzoldstraße (Arbeiterdichter, 1882–1923) über und wenn es nach dem „Räumlichen Bezugssystem der Gemeinde Innsbruck geht, dann ist das hier die Grenze zwischen Amras und Pradl. Ist es aber nie und nimmer, für welchen Innsbrucker liegt die Siegmair-Schule bitteschön in Amras? Für mich liegt die Grenze zwischen Pradl und Amras in der Mitte der Amraser-See-Straße, aber ich habe ja schon eingangs erwähnt, dass es über die exakten Grenzen der einzelnen Stadtteile Innsbrucks immer schon rege Diskussionen gegeben hat. Die Stadt selber teilt in ihrem „Räumlichen Bezugssystem die Gemeinde in Katastralgemeinde, Statistischer Stadtteil und in Statistischer Bezirk ein. Jeweils mit unterschiedlichen Grenzverläufen. Um es noch einfacher zu machen, gibt es auch so etwas wie postalische Einteilungen und dann kommen noch die diversen Sprengel-Regelungen dazu und …

    Genug jetzt damit, zurück in die Petzoldstraße. Die ersten Wohnblocks links und rechts brüllen geradezu nach einer Sanierung, hier ist seit der Errichtung im Jahre Schnee (vermutlich Ende der 1950er-Jahre) nie etwas renoviert worden. Zeit wird’s. Die kurze Petzoldstraße ist schnell abgehakt, wir gehen nach links und sind schon nach wenigen Schritten in der Kernstockstraße (Verfasser des „Hakenkreuzliedes", 1848–1928). In meiner Sturm-und-Drang-Periode habe ich mich den Protesten gegen diese Straßenbezeichnung angeschlossen, die Stadt ist aber unnachgiebig geblieben. Schließlich habe ich, gemeinsam mit einem Freund, das Schild der Kernstockstraße gefunden, bevor es die Stadt überhaupt verloren hat. Es ist jetzt an einem besseren Ort. Natürlich wurden die verloren gegangenen Schilder immer wieder erneuert und seit 2011 ist zumindest ein zusätzlicher Info-Text über Kernstock angefügt. Trotzdem ärgert mich die Sturheit der Stadt in dieser Sache immer noch, denn in fast allen anderen Orten Österreichs sind die Kernstockstraßen umbenannt worden. Hakenkreuz hin oder her, ich kann mich der Kernstockstraße natürlich nicht verweigern und gehe in die vermeintliche Sackgasse hinein. Und siehe da, das ist ja gar keine Sackgasse mehr, denn „die Unaussprechliche" führt hinüber bis zur Seebergasse. Das habe ich nicht gewusst und dabei ist das keine 400 Meter von mir daheim entfernt …

    Die Seebergasse (Priester und Germanist, 1856–1919) ist nur unwesentlich länger als die Gasse davor und wir gehen sie bis zur Amraser Straße. Dann links hinauf die paar Schweine-Meter bis zum Blindenheim und dort scharf nach links in die Grenzstraße (ehemalige Grenze zwischen den Dörfern Amras und Pradl). Wir sind hier öfters auf einem Spaziergang unterwegs und genießen auch heute den Blick auf die gewaltige Nordkette. Das Wetter ist zum Wandern optimal und mit jeder Stunde wird es wärmer. Die Grenzstraße setzt sich dann als Koflerstraße (Tiroler Politiker, 1855–1943) fort und endet erst an der Gumppstraße. Über die Koflerstraße gibt es wenig zu sagen, eine reine Wohngegend mit netten Einfamilien- und Mehrparteienhäusern. Einziger Mangel ist die Infrastruktur, es gibt im Umkreis von 500 Metern kein Lebensmittelgeschäft, aber das ist in ganz Ost-Pradl so.

    Wir gehen danach die Gumppstraße ein Stück stadtauswärts bis zur Kreuzung mit der Türingstraße (Erbauer des Goldenen Dachls, gest. 1517), das ist unsere nächste Adresse. Diese Gegend habe ich immer schon gerne gemocht, die einstöckigen Wohnhäuser der sogenannten „Südtiroler-Siedlung" strahlten für mich immer große Gemütlichkeit aus. Damit ist es jetzt vorbei, seit einiger Zeit wird in der Türingstraße alles abgerissen, was nur ein Stockwerk hat. Eines der Südtiroler-Häuser in dieser Straße steht noch, aber auch sein Schicksal ist längst besiegelt. An der Kreuzung mit der Amthorstraße drehen wir am Absatz um, weil von der Türingstraße noch zwei Querstraßen abgehen. Als Erstes nehmen wir uns Am Rain (Flurname) vor, auch hier stehen noch einige ältere Häuserblocks der Südtirol-Umsiedler und auch die werden wohl nicht mehr lange stehen bleiben. Gleich parallel dazu verläuft Am Roßsprung, die Geschichte dazu habe ich eh gestern schon erzählt. Auch hier dominieren

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