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Friendly Fire: Wie die Bank Frey im Steuerstreit geopfert wurde
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eBook331 Seiten4 Stunden

Friendly Fire: Wie die Bank Frey im Steuerstreit geopfert wurde

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Über dieses E-Book

Dan Kohler beschreibt in seinem exklusiven Bericht das Ende der Schweizer Bank Frey und zeigt auf, dass die Finanzmarktaufsicht Finma in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den USA gehandelt und dabei rechtsstaatliche Prinzipien missachtet hat. Kohler war einst Verwaltungsrat der Bank Frey.

"Friendly Fire", so nennt man den irrtümlichen Beschuss eigener oder verbündeter Streitkräfte in einer Auseinandersetzung. Und scharf geschossen wurde im US-Steuerstreit aus vielerlei Richtungen, mit dramatischen Auswirkungen für den Bankenplatz Schweiz.

Dan Kohler schildert dies anschaulich am Beispiel der Privatbank Frey, die versuchte, mit Bezug auf die Wahrung von traditionellen Schweizer Werten wie Unabhängigkeit und Neutralität, den US-Steuerbehörden und dem resultierenden Regulierungsdruck der Finma zu trotzen.
Zwei Verfahren gegen Mitarbeiter der Bank Frey, eines angestrengt von dem Büro der Staatsanwaltschaft des Southern District of New York, endeten in Freisprüchen – zu spät für die Bank Frey, die unter den Angriffen auf die Rechtssicherheit des Finanzplatzes ihre Geschäftstätigkeit bereits hatte einstellen müssen.

Dan Kohler gewährt seltene Einblicke hinter die Kulissen des damaligen Zeitgeschehens. Er liefert Fakten, Zahlen und Hintergrundinformationen, ergänzt um konstruktive Überlegungen zum System der Bankenregulierung – eine wertvolle Lektüre für alle, die im Finanzbereich tätig und involviert oder von den Regulierungen betroffen sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberSalis Verlag
Erscheinungsdatum5. Okt. 2020
ISBN9783039300099
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    Buchvorschau

    Friendly Fire - Dan Kohler

    verteidigen.

    ERSTER TEIL

    AUFBAU

    Von der Gründung bis zur Blüte

    KAPITEL 1

    Am Anfang war die UBS

    Bradley Birkenfeld erblickte das Licht der Welt in Brookline (Massachusetts), einem noblen Vorort von Boston. Wie es sich für einen Sprössling aus gutem Hause gehört, besuchte er Privatschulen und wurde danach Privatbankier. Er begann seine Karriere bei der State Street Bank in Boston und kam über ein paar Zwischenstationen im Jahr 2001 von Barclay’s zur UBS. Offenbar engagierte UBS Birkenfeld vor allem wegen seiner guten Beziehungen zu reichen Amerikanern. Einige von ihnen, zum Beispiel Igor Olenicoff, folgten Birkenfeld von Barclay’s zur UBS.

    Laut eigenen Aussagen fand Birkenfeld 2005 heraus, dass die Geschäftspraktiken der UBS im Widerspruch zu amerikanischen Gesetzen standen. Das ist etwas seltsam für einen amerikanischen Privatbankier, der schon über mehrere Jahre reiche Amerikaner betreute, nicht nur bei der UBS, sondern auch bei anderen Banken, und nun bei der UBS einfach die gleichen Personen weiter betreute, offenbar auf die gleiche Art und Weise wie früher bei Barclay’s. Er musste die amerikanischen Gesetze kennen und musste wissen, dass das, was er und seine Barclay’s- und UBS-Kollegen taten, nach amerikanischem Standard nicht unbedingt rechtskonform war. Birkenfeld verließ die UBS im Oktober 2005, nachdem er – gemäß seinen eigenen Angaben – ein internes Memo der UBS-Rechtsabteilung sah, das die offizielle Position der Bank im Umgang mit amerikanischen Kunden in Konformität mit amerikanischen Gesetzen darlegte. Gemäß Birkenfeld widersprach diese offizielle Darstellung den tatsächlichen Geschäftspraktiken der Bank.

    Birkenfeld kam unter Druck vonseiten der amerikanischen Behörden, vor allem nachdem sein Kunde Olenicoff wegen Steuerhinterziehung zum Objekt des Interesses der amerikanischen Steuerbehörden wurde. Mehrfach versuchte Birkenfeld, sein internes Wissen im Gegenzug für Straffreiheit offenzulegen. Die amerikanischen Behörden zierten sich allerdings. Schon früher bei der State Street Bank hatte Birkenfeld versucht, sein Wissen über die Geschäftspraktiken der Banken dem FBI zu verkaufen, allerdings ohne Erfolg. Nun wartete er geduldig, zögerte seine eigenen rechtlichen Probleme, die aus der Beihilfe für Olenicoff stammten, heraus, bis 2006 eine Änderung der amerikanischen Gesetzgebung erfolgte, die es ihm ermöglichte, als Whistleblower (Denunziant) eingestuft zu werden und so bis zu 30 Prozent der eingezogenen Nachsteuern als Belohnung zu fordern.

    Ab April 2007 bot Birkenfeld offiziell den amerikanischen Behörden, dem US Department of Justice (DOJ), der Securities and Exchange Commission (SEC) und dem Internal Revenue Service (IRS) seine Dienste als Whistleblower an. Er bot an, gegen die UBS und ihre Kunden auszusagen, im Gegenzug für Straffreiheit und eine Belohnung von ca. 100 Millionen USD. Als Kundenberater der UBS verfügte er über weitgehende Informationen betreffend die undeklarierten Vermögen amerikanischer Kunden.

    Die Amerikaner gingen auf das Angebot teilweise ein. Straffreiheit im Fall seines Kunden Olenicoff wurde nicht gewährt, und Birkenfeld wurde in dieser Sache zu 40 Monaten Haft verurteilt. Er wurde allerdings nach Verbüßung eines Teils seiner Strafe vorzeitig entlassen und erhielt im September 2012 tatsächlich eine Belohnung von 104 Millionen USD für seine Rolle als Denunziant im UBS-Fall.

    Aufgrund der Aussagen von Birkenfeld begann das DOJ im April 2008 eine Untersuchung gegen die UBS. Das DOJ fuhr schweres Geschütz auf und drohte, im Falle einer offiziellen Anklage (Indictment) der UBS die Lizenz für ihre Tätigkeiten in den USA zu entziehen. Die UBS wurde so gezwungen, mit dem DOJ zu verhandeln. Am 16. Februar 2009 wurde der Text für ein unter Verschluss gehaltenes Indictment als Information Memorandum beim Bundesgericht im Southern District of Florida eröffnet, und am 18. Februar des gleichen Jahres unterzeichneten die UBS und das DOJ ein Deferred Prosecution Agreement (DPA), in dem sich die UBS verpflichtete, gewisse Geschäftspraktiken, die zumindest dem Geist – wenn auch nicht dem Buchstaben – der amerikanischen Gesetze widersprachen, nicht länger anzuwenden und für vergangene Vergehen eine Zahlung von 780 Millionen USD zu leisten.

    Im Statement of Facts, das als Exhibit C dem DPA beigefügt ist, sind die illegalen Praktiken der UBS detailliert aufgelistet. Nebst einigen Räubergeschichten über verschlüsselte Laptops und andere Counter Surveillance Methods hält das DOJ zwar fest, dass die UBS sich offiziell bemühte, die amerikanischen Gesetze und insbesondere die Regeln des Qualified-Intermediary-Abkommens (QI) in ihre Geschäftspraktiken aufzunehmen, dass in der Praxis jedoch der Durchsetzung dieser Politik nicht genügend Rechnung getragen wurde. Mit Blick auf Erträge (und Boni!) wurden die Vorgaben der UBS-Geschäftsleitung von den Angestellten, die für das Nordamerikageschäft verantwortlich waren, unterlaufen, ohne dass die UBS dagegen eingeschritten wäre. Unter Punkt 37 des Entwurfs des Indictments, das am 16. Februar 2009 beim Gericht eingereicht wurde, wird die UBS sogar dafür mitverantwortlich gemacht, dass ein amerikanischer Kunde, anonymisiert bezeichnet als »I. O.«, eine falsche Steuererklärung eingereicht hatte. Wer hat nicht gemerkt, dass es sich beim anonymen Kunden I. O. wahrscheinlich um Igor Olenicoff handelte?

    Die Nachricht von den Schwierigkeiten der UBS wurde bei der Bank Frey mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einerseits waren wir besorgt über den massiven Druck, dem sich der Finanzplatz Schweiz ausgesetzt sah. Wir befürchteten, dass sich dieser Druck auch auf weitere Banken ausweiten würde, was später tatsächlich der Fall war. Andererseits konnten wir uns eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen. Wir waren uns natürlich bewusst, dass die Mitarbeiter der UBS die Regularien bis zum Gehtnichtmehr ausgenutzt hatten. Sie verfügten dazu über Mittel und Wege, von denen die Mitarbeiter einer kleinen Bank wie der unseren nur träumen konnten.

    Die Bank Frey und ihre Vorgänger-Firma, die First Zurich Private Bank, hatten sich von Anfang an einer strikten Einhaltung der relevanten Gesetze verschrieben. Unter dem Begriff Global Compliance verstanden wir nicht nur die strikte Einhaltung aller schweizerischen Regulatorien, sondern auch derjenigen der anderen Länder, in denen wir Beziehungen hatten. In einem Strategiepapier der First Zurich Private Bank vom 4. März 2002 deklarierte das Direktorium der Bank: »Der Einhaltung von Vorschriften, insbesondere der ›global compliance‹, kommt oberste Priorität zu.« Und in einem Memo an seine Partner bei der Anwaltskanzlei Niederer, Kraft und Frey vom 5. Juni 2002 doppelte der Verwaltungsratspräsident der Bank Frey, Dr. Markus A. Frey, nach. Unter dem Titel »Some Brief Thoughts about My Views on ›Global Tax Compliance‹« tat er seine Meinung kund, dass Steuerhinterziehung und -vermeidung »simply doesn’t pay!« Das Memo gipfelte in den drei goldenen Regeln an seine Kollegen, die ausländische Kunden betreuten:

    1.Mache deiner Kunden Probleme nicht zu deinen eigenen! Die Risiken sind zu groß.

    2.Keine neuen nicht-deklarierten Gelder. Es wäre äußerst dumm, einen Kunden zu beraten oder ihm zu helfen, Gelder undeklariert anzulegen.

    3.Schaffe keine neuen »bad guys«! Die ältere Generation ist möglicherweise noch nicht bereit, sich der neuen Ordnung der Global Compliance zu fügen. Aber ermutige die jüngere Generation auf keinen Fall, denselben Weg zu beschreiten – in dieser Hinsicht hat sich die Welt verändert.

    Aus dieser Grundhaltung heraus studierten wir sorgfältig die Anschuldigungen, die das DOJ an die Adresse der UBS gerichtet hatte und die von der UBS unwidersprochen blieben.

    Wir isolierten 16 konkrete Anschuldigungen und wie sich das Vorgehen der Bank Frey zu diesen Punkten verhielt:

    1.Aktive Bewirtschaftung des grenzüberschreitenden Bankgeschäftes

    Die Bank Frey und ihr Vorgänger, die First Zurich Private Bank, haben nie das grenzüberschreitende Bankgeschäft aktiv verfolgt. Die Bankdienstleistungen wurden ausschließlich in der Schweiz angeboten.

    2.Aktive Beihilfe zur Verschleierung des wirtschaftlich Berechtigten

    Die Bank Frey hat in dieser Hinsicht keinerlei aktive Beihilfe geleistet.

    3.Schaffung von Offshore-Strukturen

    Die Bank Frey hat für ihre Kunden keine Offshore-Strukturen geschaffen und auch keine Anwälte oder Treuhänder vermittelt, die solche Strukturen für Kunden aufsetzten.

    4.Wirtschaftlich Berechtigte konnten im Namen dieser Strukturen ihr Geld verwalten

    Generell hatten die wirtschaftlich Berechtigten keine Vollmacht über die Anlagen und Gelder einer Struktur; dies war den Stiftungs- oder Verwaltungsräten vorbehalten. Die Bank Frey akzeptierte keine Strukturen, bei denen der wirtschaftlich Berechtigte zeichnungsberechtigt war. Allerdings kam es vor, dass die Stiftungs- oder Verwaltungsräte nachträglich einen wirtschaftlich Berechtigten zur Liste der unterschriftsberechtigten Personen hinzufügten. Eine Praxis, gegen die die Bank Frey zwar Einspruch erheben konnte, die sie aber nicht immer verhindern konnte. Die Benennung von Bevollmächtigten liegt ausschließlich im Ermessen der Trustees, Stiftungs- oder Verwaltungsräte.

    5.Kredite, Kredit- und Debitkarten

    Die Bank Frey bot keine Kredit- oder Debitkarten an. Kredite wurden ausschließlich als Lombardkredite für Börsentransaktionen gewährt.

    6.Wissentliche Entgegennahme gefälschter W-8BEN-Formulare

    Die Bank Frey hat nie wissentlich gefälschte Steuerformulare entgegengenommen.

    7.Wirtschaftlich Berechtigte kontrollierten in der Tat die Konten der Strukturen

    (Unterschriftsberechtigung oder andere Vollmachten)

    Siehe 4. oben.

    8.Wiederholte Kontakte mit Kunden in den USA

    Die Mitarbeiter der Bank Frey reisten nie in die USA, um Kunden zu besuchen. Alle Kundenkontakte fanden in der Schweiz statt.

    9.Reise in die USA, um illegal Anlageempfehlungen an Kunden abzugeben (3800 Fälle)

    Ein einziger Bank-Frey-Mitarbeiter reiste in die USA, um privat der Hochzeit eines Freundes beizuwohnen. Er traf bei dieser Gelegenheit auch zwei Kunden. Allerdings waren die Kontakte rein privater Natur.

    10.Vermittlung von Kunden an außenstehende Anwälte und Treuhänder zwecks Aufsetzen von Strukturen

    Die Bank Frey hat keine Kunden an außenstehende Dienstleister zum Zwecke des Aufsetzens von Strukturen vermittelt.

    11.Anpreisung der eigenen Lobbying-Fähigkeiten, um Kunden zu gewinnen

    Die Bank Frey hatte keine Lobbying-Macht. Solche Anpreisungen wären kaum glaubhaft gewesen.

    12.Unterlassen des Einziehens fälliger Verrechnungssteuern unter dem QI Agreement

    Die Bank Frey hat das QI Agreement jederzeit genau eingehalten, wie zwei Überprüfungen durch den IRS ergaben.

    13.Verbergen nicht-autorisierter Kontakte mit Kunden

    Bei der Bank Frey gab es keine unautorisierten Kundenkontakte, die zu verbergen gewesen wären.

    14.UBS-Mitarbeiter saßen in den Verwaltungs- und Stiftungsräten von Strukturen

    Keine Bank-Frey-Mitarbeiter haben je in solchen Gremien Einsitz genommen.

    15.Instruktion und Ausbildung der Mitarbeiter zur Vermeidung von Entdeckung durch US-Behörden

    Da Bank-Frey-Mitarbeiter nicht ins Ausland reisten, war eine solche Instruktion und Ausbildung weder notwendig noch angebracht. Im Gegenteil, Bank-Frey-Mitarbeiter wurden explizit darauf aufmerksam gemacht, dass sie persönlich für ein rechtsgenügendes Verhalten ihrerseits gegenüber allen relevanten Behörden verantwortlich waren.

    16.Verheimlichung der Bank als Absender von E-Mails

    Weder auf E-Mails noch auf Zahlungen wurde der Name der Bank Frey als Absender je verheimlicht. Das DOJ zitiert in seiner Anklage gegen Stefan Buck, den ehemaligen Kundenbetreuer der Bank Frey, einen Kunden, der sich darüber beklagte, dass die Bank Frey sich weigerte, ihren Namen als Absender auf Schecks in die USA zu unterdrücken. Wie dieses strikt korrekte Vorgehen der Bank Frey, selbst gegen den ausdrücklichen Wunsch des Kunden, zulasten von Stefan Buck ausgelegt werden kann, bleibt das Geheimnis des DOJ (siehe Kapitel 14).

    Wir sahen somit keine unmittelbare Gefahr, dass wir bei der Bank Frey mit den gleichen Problemen konfrontiert sein würden wie die UBS. Unser Personalbestand war limitiert. Die Geschäftsleitung wusste ziemlich genau, was jeder machte. Wir hatten uns der Global Compliance verschrieben. Ergo sahen wir die Bank Frey eher als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems.

    Was bei den Anschuldigungen an die Adresse der UBS auffällt, ist die wiederholte Bezugnahme auf Offshore-Strukturen. Das sind Gebilde wie Stiftungen und Trusts oder auch Gesellschaften, die in steuergünstigen Staaten domiziliert sind und hinter denen sich die tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten verstecken. Die Konten bei Banken werden im Namen der Strukturen gehalten, obwohl das Vermögen darin eigentlich einem amerikanischen Steuerpflichtigen gehört. Zeichnungsberechtigt ist die Struktur, vertreten durch den Trustee, den Stiftungsrat oder den Verwaltungsrat. In der für dieses Buch relevanten Periode mussten die Banken den eigentlichen Eigentümer, den Beneficial Owner, zwar identifizieren, mussten aber über die Identifikation hinaus keine weiteren Schritte unternehmen. Insbesondere war die Bank nicht verpflichtet, eine Meldung an die Steuerbehörden vorzunehmen oder Verrechnungssteuern einzuziehen. Diese Praxis wurde 2018 geändert, und unter den Regeln des automatischen Informationsaustausches (AIA) sind die Banken heute verpflichtet, gewisse Informationen betreffend die eigentlichen Eigentümer den Steuerbehörden zu melden.

    Gemäß Presseberichten soll die UBS zwischen 250 und 300 solcher Strukturen für vermögende amerikanische Kunden errichtet haben. Dies ist sicher eine geringe Zahl im Vergleich zu den 20 000 bis 30 000 Kunden die die UBS weltweit betreute. Allerdings handelte es sich vor allem um große Kunden, sodass deren Wichtigkeit im Verhältnis zur Summe der betreuten Vermögen bedeutend größer war.

    Die Legalität eines solchen Vorgehens war im Jahr 2000 von der amerikanischen Anwaltskanzlei Baker McKenzie überprüft worden. In einem Memorandum mit dem Titel »Documentation Guidelines for Qualified Intermediaries – Account Holder Other than Individuals« (zu Deutsch: »Richtlinien für die Dokumentation qualifizierter Strukturen – Nicht-private Kontoinhaber«) kamen die amerikanischen Anwälte zu dem Schluss: »Note: The fact that a non-US company is [passive] and wholly or partially owned by a US person should not prevent the non-US company from being treated as a non-US person for US withholding tax and information reporting purposes.« (zu Deutsch: »Merke: Die Tatsache, dass eine nicht-amerikanische Gesellschaft [passiv] ist und sich ausschließlich oder partiell im Besitz einer in den USA steuerpflichtigen Person befindet, sollte nicht verhindern, dass diese nicht-amerikanische Firma als nicht-amerikanische juristische Person zur Bestimmung von Steuerrückbehalten und der Einreichung von Steuermeldungen anzusehen ist.«) Mit anderen Worten: Wenn ein Amerikaner eine Gesellschaft in der Schweiz oder in einem Offshore-Domizil errichtet, so kann er über diese Gesellschaft amerikanische Wertpapiere halten, ohne dass dies dem IRS gemeldet werden müsste und ohne dass sein Name als wirtschaftlich Berechtigter auftauchte.

    Wie Zoé Baches in einem Artikel in der »NZZ« vom 16. Februar 2012 festhielt, soll die Schweiz die USA schon im Jahr 2000 auf diese offensichtliche Lücke im QI-Abkommen hingewiesen haben. Die Interpretation der Rechtslage wie von Backer & McKenzie dargelegt wurde von den USA bestätigt. Erst im Jahre 2007 änderte die Meinung in den USA, und nun wurden Schweizer Banken, die sich – gestützt auf das Memorandum von Baker McKenzie und die Bestätigung seitens der USA – darauf verlassen hatten, neu der Beihilfe zur Steuerhinterziehung beschuldigt; so viel zur Rechtssicherheit in den USA.

    Für die Bank Frey war das nicht besonders relevant. Wir verließen uns nicht auf das Baker-McKenzie-Memorandum. Die Bank nahm als Rechtsbasis für ihre Politik gegenüber amerikanischen Kunden einen anderen Teil des QI-Abkommens in Anspruch. In einem speziellen Anhang für Schweizer Banken hält des QI-Abkommen nämlich fest, dass, wenn ein Kunde – egal, ob direkt oder indirekt über eine Struktur – keine US-Wertpapiere in seinem Portfolio hält, dieser Kunde kein amerikanisches Steuerformular bei der Bank einreichen und die Bank dem IRS keine Meldung erstatten muss.

    Wir machten es zur Maxime, dass Bank-Frey-Kunden keine amerikanischen Wertpapiere halten durften. Nebst der regulatorischen Begründung hatten wir auch ein gutes sachliches Argument. Ein in Amerika Steuerpflichtiger, der die Dienstleistungen einer Schweizer Bank in Anspruch nahm, um US-Wertpapiere zu halten, war uns suspekt. Jeder steuerkonforme Amerikaner konnte bei irgendeinem Broker in den USA solche Wertpapiere zu bedeutend günstigeren Konditionen halten. Für uns galt die Faustregel: Wenn ein Amerikaner bei einer Schweizer Bank amerikanische Wertpapiere halten will, so versucht er etwas zu verbergen. Ein solcher Kunde ist für die Bank Frey nicht interessant. Und um Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen, verlangten wir den Verzicht auf das Halten amerikanischer Wertpapiere von allen Kunden. Trotz dieser Einschränkung wuchs der Kundenstamm der Bank Frey ab 2008 kontinuierlich.

    Als Teil des DPA musste die UBS auch die Namen einiger hundert Kunden an die USA liefern, d. h. sie musste diese Kunden verraten.¹ Hinzu kam der Zusammenbruch der amerikanischen Großbank Lehman Brothers am 15. September 2008. Nicht nur amerikanische Kunden, auch zahlreiche Europäer verabschiedeten sich daraufhin von Großbanken im Generellen und von Schweizer Großbanken im Speziellen. Viele kleinere Schweizer Banken beschlossen, dass sie mit amerikanischen Kunden nichts mehr zu tun haben wollten, und kündigten Bankbeziehungen links und rechts, egal, ob der Kunde sein Konto deklariert hatte oder nicht. Einige dieser Kunden fanden neu ein Heim in der Bank Frey.

    Das heisst nicht, dass die Bank Frey jeden Amerikaner akzeptierte. Wie im Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 26. November 2008 festgehalten wird, waren wir ausschließlich an fully tax compliant (steuerehrlichen) Kunden interessiert. So lehnten wir es in der Regel ab, Kunden von der UBS zu übernehmen. Wir waren der Ansicht, dass angesichts der Missstände, wie sie im DPA dargelegt wurden, eine höhere Wahrscheinlichkeit bestand, dass diese Kunden eben nicht fully tax compliant waren.

    Im Weiteren engagierten wir im folgenden Jahr (2009) eine neue interne Revisionsgesellschaft, die auf amerikanische Steuerfragen und auf das QI-Abkommen spezialisiert war. Unsere neue interne Revisionsgesellschaft hatte nicht nur amerikanische CPAs (Certified Public Accountants) in ihren Reihen, sie war auch Teil der sogenannten Audit Community, eines Beratergremiums von Steuerspezialisten, die den IRS in der Implementierung des QI-Abkommens berieten. Wir bemühten uns also offensichtlich, unsere eigenen hohen Ansprüche an uns selbst, die wir mit der Verpflichtung zur Global Compliance eingegangen waren, zu erfüllen.

    Das UBS-DPA und der Verrat der UBS-Kunden schlugen auf dem Schweizer Bankenplatz wie eine Bombe ein. Die Schockwelle traf auch uns. Allerdings glaubten wir im Chaos, dass durch den undifferenzierten Rausschmiss amerikanischer Kunden von Schweizer Banken auch eine Chance zu sehen sei. Viele dieser Kunden hatten ihre Steuersachen in Ordnung oder waren daran, sie über ein Voluntary Disclosure Program in Ordnung zu bringen. Wenn es uns gelang, auch nur einen kleinen Teil dieser Fully-Tax-Compliant-Kunden zu gewinnen, so war das eine Wachstumschance für uns.

    Bank Frey hatte keine Vorurteile gegenüber amerikanischen Kunden. Wir glaubten, dass wir mit einer rigorosen Triage in der Lage sein sollten, vor allem steuerkonforme Amerikaner aufnehmen zu können. Dass uns das weitgehend gelang, werden wir später sehen.

    1Um nicht allzu offensichtlich das Bankkundengeheimnis zu verletzen, überreichte die UBS diese Daten der FINMA, die sie daraufhin an die USA weiterreichte.

    KAPITEL 2

    Die Trutzburg an der Bahnhofstraße

    Wer glaubte, mit dem Deferred Prosecution Agreement der UBS sei ein Abschluss gefunden worden, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Das US Department of Justice brauchte zwar ein paar Monate, um die aus der UBS und der Schweiz herausgepressten Informationen zu verarbeiten, ging dann aber relativ schnell wieder zum Angriff über. Am 21. August 2009 wurde Hansruedi Schuhmacher, ein früherer Mitarbeiter der UBS und Direktor der Neuen Zürcher Bank, zusammen mit Matthias Rickenbach angeklagt. Offensichtlich waren deren Namen in den von der UBS übergebenen Informationen aufgetaucht. In unregelmäßigen Abständen folgten weitere Anklagen gegen zwei Dutzend Schweizer Banker, Vermögensverwalter und mindestens eine Bank (Bank Wegelin), bis die offizielle Schweiz am 17. März 2013 schließlich kapitulierte. An diesem Datum kam der Schweizer Unterhändler Ambühl mit dem »Vogel friss oder stirb«-Angebot der Amerikaner in die Schweiz zurück.

    Gemäß dem ausgehandelten Deal – oder besser gesagt dem von den USA diktierten Deal – sollten sich Schweizer Banken selbst anklagen und dann versuchen, mit dem DOJ einen Vergleich abzuschließen. Die grundlegendsten Prinzipien der Rechtspflege wie die Unschuldsvermutung, die Beweislast des Klägers, das Recht auf Verweigerung der Selbstbezichtigung (fünfter Zusatz zum amerikanischen Grundgesetz) und das Recht auf einen unabhängigen Richter, der gesamte Kanon der Schweizer Bankengesetze (z. B. das Bankkundengeheimnis) sowie die Datenschutzgesetze wurden in dieser Abmachung alle kurzerhand außer Kraft gesetzt.

    Der Finanzblog »Inside Paradeplatz« hat die Bank Frey einmal als eine Trutzburg bezeichnet. Diese Bezeichnung trifft ziemlich genau zu. Wir fühlten uns zu der Zeit von all den Attacken gegen Schweizer Banker und Banken höchstens am Rande betroffen. Wir wähnten uns sicher in unserer sturen Grundhaltung, wie im 1. Kapitel beschrieben. Schon in seiner Sitzung vom 26. November 2008 hatte der Verwaltungsrat der Bank Frey zusammen mit dem Management festgehalten:

    »Die Positionierung der Bank Frey als reine Schweizer Privatbank wird heute als Wettbewerbsvorteil vom Markt gesehen. Allerdings steht der Annahme von ›fully tax compliant US persons‹² grundsätzlich nichts entgegen, zumal die Bank sich vor den nun offenkundig gewordenen Problemen bereits entsprechend positioniert hatte und, zumindest in ihrem Umfeld, auch über das notwendige Know-how verfügt. Wichtig ist, dass die Bank nicht in die Strukturierung von Vermögen amerikanischer Kunden involviert ist (keine aktive Beihilfe zur Steueroptimierung leistet) und auch sonst US-Amerikaner nicht in steuersensitiven Fragen berät.«

    Wir glaubten also, uns rechtskonform zu verhalten. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Instituten hatten wir keine Altlasten, also keine US-Personen, d. h. in den USA Steuerpflichtige, die über längere Zeit bei der Bank Frey ihr Vermögen vor dem amerikanischen Fiskus versteckt hatten. Wir waren bereit, Amerikaner aufzunehmen und glaubten in der Lage zu sein, dies auf rechtlich korrekte Art und Weise tun zu können. Das heißt noch lange nicht, dass wir bereit waren, jeden Amerikaner unbesehen aufzunehmen. Es heißt nur, dass wir jeden potenziellen Kunden, der zu uns kam, unvoreingenommen prüften und dass wir nicht a priori US-Personen diskriminierten. Im Protokoll der Geschäftsleitungssitzung vom 11. Juli 2011 heißt es in Bezug auf amerikanische Kunden: »Jeder potenzielle Kunde wird individuell geprüft. Wie bis dato verhält sich die Bank gegenüber diesem Kundensegment weiterhin passiv.«

    Die Bank Frey unternahm keinerlei Aktivitäten, um US-Personen als Kunden zu akquirieren. Wenn potenzielle Kunden mit einem US-Hintergrund von sich aus zur Bank kamen, so versuchten wir, nach bestem Wissen und Gewissen, nicht-steuerehrliche Kunden abzuwenden. Auch wenn hin und wieder Pannen passierten, wenn zum Beispiel ein Kunde verschwieg, dass er auch eine amerikanische Aufenthaltsbewilligung (Greencard) hatte oder sogar einen amerikanischen Pass, so handelte es sich doch um Einzelfälle, die

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