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Wie Sammy zum Blechmonster wurde: Eine phantasievolle Geschichte
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eBook297 Seiten3 Stunden

Wie Sammy zum Blechmonster wurde: Eine phantasievolle Geschichte

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Über dieses E-Book

Sammy sieht aus, wie eine Mischung aus Murmeltier und überdimensionalem Streifenhörnchen und lebt in einem Baumhaus im Park. Ein abendliches Zusammentreffen mit dem 14-jährigen Arzah stellt sein Leben jedoch von einem Moment auf den Anderen auf den Kopf. Anstatt die Tage damit zu verbringen mit seinen beiden besten Freunden Sim und Franz Fußball zu spielen, verwandelt Sammy sich unaufhaltsam in ein Blechmonster. Plötzlich ist er nicht mehr niedlich, sondern furchteinflößend und seine Freunde wenden sich nach und nach von ihm ab. Als auch noch sein geliebtes Zuhause zerstört wird, scheint alles verloren. Sammy bleibt nur eine Chance seine Verwandlung in ein Blechmonster rückgängig zu machen. Aber dazu muss er sich seiner größten Angst stellen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum25. Juni 2020
ISBN9783751942669
Wie Sammy zum Blechmonster wurde: Eine phantasievolle Geschichte
Autor

Carina Senger

Carina Senger hat nach dem Abitur als Au-pair in Paris gearbeitet und in dieser Zeit ein Politikstudium an der Fernuniversität in Hagen begonnen. Nach ihrer Rückkehr nach München hat sie ihren Master gemacht, doch ihre wahre Leidenschaft galt dem Schreiben. Ein erster Erfolg als Autorin war der 3. Platz für ihr Märchen beim Federleicht Schreibwettbewerb. Noch stolzer als die Autorin selbst, war ihr Neffe, der allen seinen Freunden erzählte, dass seine Tante einen Preis gewonnen hatte und bei der Preisverleihung mit leuchtenden Augen im Publikum saß. Das brachte die Autorin auf die Idee eine Geschichte für ihren Neffen zu schreiben und ihm zu seinem Geburtstag zu schenken. Letztlich wurde daraus das vorliegende Buch.

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    Buchvorschau

    Wie Sammy zum Blechmonster wurde - Carina Senger

    Autorin

    KAPITEL 1 SAMMY

    Sammy war so in Gedanken versunken, dass er den Maulwurfshügel übersah und stolperte. Wild ruderte er mit den Armen und konnte sich im letzten Moment abfangen. Leise atmete er auf und ließ seinen Blick misstrauisch über den ausgestorben vor ihm liegenden Park wandern. Er entdeckte keine weiteren Stolperfallen, aber die unheilverkündenden Schatten der kahlen Äste und der leise durch die Zweige säuselnde Wind, ließen ihn schaudern.

    „Wenn doch Sim und Franz hier wären", dachte er wehmütig. In den letzten Wochen hatten die beiden Jungen keine Zeit gehabt, um mit ihm zu spielen. Als Sammy sich deswegen bei ihnen beschwerte, erklärte Franz mit wichtiger Miene, dass er jetzt auf dem Gymnasium sei und da bekäme er nun mal mehr Hausaufgaben als in der Grundschule.

    „Und ich will nächstes Jahr auch aufs Gymnasium! Deshalb brauche ich dieses Jahr ein gutes Zeugnis", erklärte Sim eifrig. Sammy hatte nicht verstanden, was sie damit meinten. Warum gingen sie in die Schule, wenn sie stattdessen den ganzen Tag Fußball spielen könnten? Sim bemerkte Sammys Skepsis und kitzelte ihn so lange, bis Sammy sich vor Lachen auf dem Boden rollte. Als er sich wieder beruhigte, hatte seine Enttäuschung sich in Luft aufgelöst. In seiner aktuellen Situation erschien ihm die gute Laune jenes Nachmittags jedoch wie eine Erinnerung aus einem anderen Leben. Anstatt fröhlich mit seinen Freunden herumzutollen, schlotterte er trotz seines dichten Fells vor Kälte und sein Magen beschwerte sich lautstark über die ausbleibende Nahrung. Besonders mürrisch stimmte Sammy die Tatsache, dass er seit Tagen keine Süßigkeiten mehr gegessen hatte. Dabei hatten bereits das triste Wetter und die Einsamkeit der letzten Tage, seine sonst unerschütterlich gute Laune getrübt. Wie ein endloses, eisiges Band war der Schneeregen vom Himmel gefallen und ertränkte Sammys Fröhlichkeit. Anstatt durch die Tropfen und die vereinzelt aufblitzenden Schneeflocken zu springen, rollte er sich in seinem Baumhaus neben dem Fenster zusammen.

    „Ich warte, bis der Regen nachlässt und gehe dann raus", beschloss er, aber die Zeit verstrich, ohne dass sich das Wetter besserte. Stattdessen quälten ihn düstere Gedanken und Erinnerungen aus der Zeit seiner Gefangenschaft im Zoo. Sammy erinnerte sich nicht an seine Kindheit, aber so lange er zurückdenken konnte, waren ihm Menschen jeder Altersklasse freundlich gesinnt gewesen. Das hatte sich schlagartig geändert, als er eines Tages in den Zoo gelockt und dort eingesperrt wurde. Die Besucher strömten in Scharen an den Zaun seines Geheges, um ihn, eine ein Meter große, aufrecht gehende und sprechende Mischung aus einem Streifenhörnchen und einem Murmeltier, zu bestaunen. Zu Beginn hatte ihn das nicht gestört und er hatte sich begeistert mit den Leuten unterhalten. Doch nach einigen Tagen erkannte er, dass sie ihn nicht als Freund betrachteten, nicht einmal als Lebewesen, sondern als Attraktion, von der sie Anderen erzählen konnten. Vergeblich versuchte er, diese unerwünschten Bilder aus seinem Kopf zu verscheuchen und schaufelte schließlich wahllos Schokolade, Gummibärchen und Lakritze in sich hinein, um seinen Schmerz und seine Einsamkeit zu betäuben. Als er bedröppelt bemerkte, dass er seinen gesamten Vorrat an Süßigkeiten verschlungen hatte, tröstete er sich damit, dass seine Freunde bald aus dem Urlaub zurückkommen würden. Außerdem war er früher auch ohne Schokolade satt geworden, auch wenn er Nüsse und Beeren nicht annähernd so köstlich fand.

    „Verhungern werde ich auf jeden Fall nicht", versuchte er sich die Situation schön zu reden. Der Park war eine einzige Futterquelle und wenn er sich hungrig auf die Suche machte, wurde er in der Regel rasch fündig. Hier das halbaufgegessene Sandwich, das ein Spaziergänger achtlos ins Gebüsch geworfen hatte, dort ein Müsliriegel, der einem Jogger aus der Jackentasche gefallen war. Ihm drohte zwar nicht der Hungertod, aber er musste auf seine heiß geliebte Kinderschokolade verzichten, von der er mühelos eine Familienpackung verschlingen konnte. Zartbitterschokolade mochte er hingegen nicht besonders und aß sie nur, wenn die Alternative Gemüse war. Viel zu oft gaben die Eltern ihren Kindern Tupperdosen mit Gurken-, Paprika- oder Karottenstückchen mit, was Sammy mit einer angewiderten Grimasse kommentierte. Gerade war er allerdings so ausgehungert, dass er selbst die sonst stets verschmähten Mini-Karotten begeistert verputzt hätte.

    Als er am Vormittag aufgewacht war, tastete er schlaftrunken nach seiner großen Essensdose, um sich vor der Nahrungssuche mit ein paar Nüssen zu stärken. Die gähnende Leere ließ ihn schlagartig wach werden und er erinnerte sich an den ungebetenen Besuch eines vorwitzigen Eichhörnchens am Vortag. Dieses hatte nicht nur Sammys Nüsse geklaut, sondern auch noch die Beeren mit so viel Karacho auf den Boden gepfeffert, dass sie wie aufgeplatzte Blutstropfen an den Holzbrettern klebten. Da er nichts mehr zu essen besaß, war Sammy gezwungen gewesen, mit knurrendem Magen den Baum hinunterzuklettern. In der Hoffnung, dass ein glücklicher Zufall für etwas Essbares in unmittelbarer Umgebung des Baumhauses gesorgt hatte, ließ er den Blick über den Kiesweg und das angrenzende Unterholz schweifen. Doch die einzigen menschlichen Hinterlassenschaften waren Zigarettenstummel im Gras. Leise murrend drehte er eine Runde durch den Park und klapperte dabei sämtliche Spielplätze und Sitzbänke ab. Auch in die Mülleimer schaute er, aber außer an den Wänden klebenden Kaugummis, bargen diese nichts Essbares. Einmal stieg Sammy ein köstlicher Duft nach Curry in die Nase, aber als er die Quelle erreichte, handelte es sich nur um eine, in Soße getränkte Serviette. Probeweise leckte Sammy daran, die Papierfussel schmeckten ihm jedoch nicht und er spukte sie wieder aus. Am späten Nachmittag war er so ausgehungert, dass er sich zum Kino schlich und die Umgebung nach Popcorn absuchte. Normalerweise mied er Plätze, an denen er Erwachsenen begegnen konnte, denn die Zeit im Zoo hatte sein Vertrauen in Erwachsene nachhaltig erschüttert. Zwar hatte er sich mit Ashley, einer der Tierpflegerinnen, angefreundet und sie hatte ihm schließlich geholfen zu entkommen. Aber diese positive Erfahrung konnte den Schmerz, den ihm andere Erwachsene zugefügt hatten, nicht wettmachen. Seither war die Angst vor einer Entdeckung, sein ständiger Begleiter und auch beim Aufsammeln der, am Boden liegenden Popcorn, drehte er sich alle paar Sekunden panisch um. Seine Ausbeute war so gering, dass er am liebsten geweint hätte. Wer sollte denn von zwei Popcorn satt werden? Gegessen hatte er sie natürlich trotzdem, allerdings stillte diese karge Mahlzeit seinen Hunger nicht. Vielmehr waren die Popcorn wie ein unerfülltes Versprechen, das dafür sorgte, dass sein Magen noch wütender nach Nahrung verlangte. Es dämmerte bereits, aber da er nicht völlig ausgehungert zurück in sein Baumhaus klettern wollte, blieb ihm keine andere Wahl, als seine Suche fortzusetzen.

    „Vielleicht sollte ich in der Wohnsiedlung suchen, in der Sim und Franz wohnen", überlegte Sammy, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Die Einfamilienhäuser mit ihren gepflegten Vorgärten und den gut beleuchteten Gehwegen boten ihm keinen ausreichenden Schutz. Ratlos blieb er mitten auf dem Weg stehen, als er sich nähernde Stimmen hörte. Alarmiert stellte er die Ohren auf. Handelte es sich um Kinobesucher, die nach einem gemütlichen Abend den Heimweg einschlugen? In diesem Fall standen die Chancen gut, dass sie Essensreste in die Mülleimer oder die Büsche warfen. Nachdenklich betrachtete er, wie sein Atem in kleinen Wölkchen zum Nachthimmel aufstieg. Kurzerhand beschloss er, sein warnendes Bauchgefühl zu ignorieren und sich nicht wie sonst hinter den Bäumen zu verbergen, bis die Personen außer Sichtweite waren. Sein feines Gehör hatte ihm längst verraten, dass es sich um Jugendliche handelte, was die Sache allerdings nur unwesentlich erleichterte. Seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass er sich vor Erwachsenen in Acht nehmen musste, wohingegen Kinder seine Verbündeten waren. Jugendliche waren hingegen weder das Eine noch das Andere, aber durch ihre seltsamen Marotten waren sie ihm sehr suspekt. Zum einen benutzten sie seltsame Wörter und besaßen andere Begrüßungsrituale als der Rest der Menschheit. Außerdem sah man sie praktisch nie ohne ihre Smartphones, auf deren Display sie völlig versunken starrten.

    Als die beiden Jungen in Sichtweite kamen, verbarg Sammy sich im Halbdunkel der herabhängenden Zweige am Wegrand. Der eine Jugendliche war klein und wirkte mit seiner kompakten Figur wie ein menschlicher Bulldozer. Gleichzeitig ließ sein kugelrundes Gesicht ihn gutmütig wirken. Als er sich leicht nach vorne beugte, fiel das Licht der Laterne auf ihn und Sammy bemerkte, dass ein großes B auf der rechten Seite seiner Jacke prangte.

    „Von ihm droht mir keine Gefahr", dachte Sammy erleichtert und ließ seinen Blick zu dem anderen Jugendlichen wandern. Dieser war deutlich größer und besaß den federnden Gang einer Raubkatze. Seine Augen konnte Sammy nicht erkennen, weil die schräg sitzende rote Cap des Jugendlichen einen Schatten auf dessen Gesicht warf.

    „Gib mir mal was zu essen, Bo", verlangte er in dem Moment und blieb stehen. Sein scharfer Tonfall ließ Sammy zurückschrecken und als er den harten Zug um den Mund des Capträgers bemerkte, wich er instinktiv noch ein Stück zurück. Der als Bo angesprochene blieb ebenfalls stehen und begann, seine Hosentaschen abzuklopfen. Während Sammy mit angehaltenem Atem darauf wartete, dass die Jungen weitergingen, überlegte er, ob er es dem Eichhörnchen heimzahlen und dessen geheime Nussvorräte plündern sollte. Doch dann zog Bo einen Schokoriegel aus seiner Hosentasche und hielt ihn in die Höhe.

    „Halbe-halbe?, schlug er vor. Der Andere nickte. Sammy starrte ihn wie hypnotisiert an und presste beide Pfoten auf seinen leeren Magen. Die Vorstellung, dass jemand vor seinen Augen diese Köstlichkeit verspeiste, war unerträglich und trieb ihn zu etwas, das ihm normalerweise nicht im Traum eingefallen wäre: Er sprang aus dem Unterholz und fletschte die Zähne in dem Versuch furchteinflößend auszusehen. Als die Jugendlichen ihn eher verwirrt als verängstigt anstarrten, schob er ein verspätetes „Buh! hinterher. Einige Sekunden herrschte Schweigen, dann brachen die Beiden in grölendes Gelächter aus.

    „Versucht das überdimensionale Streifenhörnchen etwa uns zu erschrecken?", lachte Bo und steckte seinen Schokoriegel zurück in die Hosentasche. Sein Kumpel betrachtete Sammy mit zusammengekniffenen Augen, sagte aber kein Wort.

    „Arzah?" Bo lachte nervös, als sein Kumpel langsam auf Sammy zulief. Sammy bekam es mit der Angst zu tun und wich zurück. Doch er stolperte über seinen Schwanz, verlor das Gleichgewicht und überschlug sich mehrmals, bevor er unsanft von einem Laternenmast gestoppt wurde. Arzah lachte gehässig - ein so hartes und freudloses Geräusch, dass Sammys Fell sich aufstellte. Zu allem Überfluss knurrte sein Magen in dem Moment laut.

    „Ach, hast du Hunger, Kleiner? Hier hast du was zu beißen", rief Arzah gönnerhaft und warf ihm eine leere Getränkedose vor die Hinterpfoten. Für eine Sekunde hoffte Sammy, dass zumindest ein kleiner Rest drin sein könnte, aber als er das hämische Glitzern in Arzahs Augen bemerkte, erstarb diese Hoffnung.

    „Sollen wir ihm nicht was geben? Der Arme hat vielleicht seit Tagen nichts mehr gegessen…", wandte Bo vorsichtig ein.

    „Bist du bekloppt?!", fuhr Arzah ihn an.

    „War ja nur eine Idee." Bo hob beschwichtigend die Hände.

    „So einem Freak geben wir nichts. Besonders nicht, wenn wir selbst noch nichts gegessen haben." Arzah sah Sammy finster an und wandte sich ab. Bo warf Sammy hingegen einen mitleidigen Blick zu, traute sich aber offensichtlich nicht, die Anweisung seines Freundes zu ignorieren, und folgte Arzah schweigend. Sammy starrte ihnen hilflos hinterher, unfähig sich zu rühren. Die Demütigung lastete so schwer auf ihm, dass sie ihn wie einen Felsbrocken zu Boden drückte. Am liebsten hätte er sich zu einer Kugel zusammengerollt und in der Erde eingegraben. Aber als er einen unsicheren Schritt nach vorne machte, trat er auf die leere Dose und zuckte zurück.

    „Ich werde nicht zulassen, dass mich je wieder jemand so behandelt", schwor er sich und wischte sich die Tränen aus den Augen. Was bildete dieser Arzah sich eigentlich ein, so mit ihm zu sprechen? Kampfeslustig hob Sammy die längliche Dose auf und holte aus, um sie den Jugendlichen an den Kopf zu werfen, diese waren jedoch bereits in der Dunkelheit verschwunden. Frustriert zerdrückte er die Dose, die an einer Stelle aufplatzte. Die scharfe Kante schnitt durch sein dünnes Fell in die Pfote, aber Sammy spürte keinen Schmerz, als er beobachtete, wie mehrere Blutstropfen aus der Wunde auf den Boden tropften. Seine Wut konzentrierte sich mit einem Mal auf die Dose, die Wurzel allen Übels. Einem Impuls folgend biss er herzhaft hinein, in der Hoffnung, sich danach besser zu fühlen. Doch anstatt zu verdampfen, wurde seine Wut nur angefacht und Sammy verschlang die schwarze Dose, als wäre sie Zuckerwatte. Danach blickte er fassungslos auf seine leere Pfote, so verstört, dass er seinen Hunger vergaß. Wie von Sinnen, raste er zurück in sein Baumhaus, rollte sich in einer Ecke zusammen und versuchte vergeblich zu schlafen. Er fühlte sich, als würden an jedem Quadratzentimeter seines Körpers tonnenschwere Gewichte hängen. Immer wieder bekam er Panik, weil er glaubte zu ersticken. Und so starrte er schlaflos und verängstigt in die Dunkelheit, anstatt zu versuchen, das Treffen mit Arzah und Bo in seinen Träumen zu verarbeiten. Um sich abzulenken, begann er alle seine Lieblingssüßigkeiten durchzugehen, aber seine Gedanken wanderten immer wieder zu der Dose. Wie war es möglich, dass er sie essen konnte, ohne sich schwere innere Verletzungen zuzuziehen, obwohl er sich an der scharfen Kante die Pfote aufgekratzt hatte? Probeweise strich er sich über den Bauch. Von einem leisen Grummeln abgesehen, schien dieser mit der Verarbeitung des ungewohnten Abendessens jedoch keine Probleme zu haben. Seltsam. Sammy versuchte, sich zur Seite zu drehen, aber seine tonnenschweren Glieder verweigerten ihm den Dienst. Nur mit allergrößter Mühe gelang es ihm, seinen Kopf so weit zu drehen, dass er die rechteckige Luke im Boden betrachten konnte, durch die er sein Baumhaus immer verließ. So spät am Abend war es still, nur aus der Ferne schwappten einzelne Gesprächsfetzen zu ihm hoch.

    „Hoffentlich kommen die Anderen bald zurück", dachte Sammy trübsinnig. Bald würde ein neuer Tag anbrechen und falls er nicht wieder hungrig ins Bett gehen wollte, musste er wohl oder übel etwas zu Essen finden.

    „Also wieder Mülleimer durchwühlen", dachte er resigniert und schloss die Augen. Obwohl seine Gedanken durcheinander kreiselten, wie wild gewordene Jojos, schlief er ein und träumte, dass der Park sich in ein Schlaraffenland verwandelt hatte, dessen Bäume riesige, mit Süßigkeiten bedeckte Lebkuchenhäuser waren.

    KAPITEL 2 SAMMYS FREUNDE

    Das durchdringende Geräusch einer Sirene riss Sammy am nächsten Morgen aus dem Halbschlaf. Panisch riss er die Augen auf und versuchte, Arme und Beine zu heben. Sein Körper protestierte zwar gegen so viel Aktionismus direkt nach dem Aufwachen, aber Sammy konnte sich problemlos aufrichten und mit den Armen schlenkern. Geräuschvoll atmete er aus und ließ sich zurück auf sein Kopfkissen sinken. Kurz horchte er in seinen Körper hinein, aber abgesehen von einem leichten Pochen in seiner Pfote, tat ihm nichts weh. Dafür fühlte er sich seltsam aufgedunsen und es juckte ihn überall.

    „Vielleicht war die Dose ja vergiftet", dachte Sammy und kratzte sich am Arm. Sein Fell fühlte sich ungewohnt glatt und kühl an und er kniff die Augen zusammen. Sekundenlang starrte er auf seinen Arm, ehe sein Blick über seinen Oberkörper und bis zu seinen Hinterpfoten wanderte. Immer wieder strich er über seinen Bauch und seine Oberschenkel, doch anstelle flauschigen Fells spürte er nur glatte Haut. Sammys Fell mit den charakteristischen Streifen an Armen, Rücken, Beinen und Schwanz war über Nacht komplett ausgefallen und seine Haut glitzerte silbrig.

    „Das muss ein Traum sein", dachte Sammy benommen und die Vorstellung war so beruhigend, dass er leise lachte. Probeweise schloss er die Augen, kniff sie fest zusammen, streckte sich und öffnete die Augen wieder. Doch sein Fell war immer noch verschwunden. Zu allem Überfluss war er mittlerweile so hungrig, dass ihm ganz schummrig wurde. Mit einem dicken Kloß im Hals kletterte Sammy den Baumstamm hinunter. Normalerweise überwand er die Strecke bis zum Boden innerhalb weniger Sekunden - selbst das Eichhörnchen war kein so meisterhafter Kletterer wie Sammy. Heute wanderte sein Blick beim Klettern jedoch immer wieder seinen ungewohnt kahlen Körper hinunter und der Anblick seiner silbrig glänzenden Haut versetzte ihm einen Stich. Er rutschte mehrmals ab, aber es gelang ihm jedes Mal, sich in letzter Sekunde an der Rinde festkrallen. Schweißüberströmt und außer Atem kam er schließlich am Boden an und duckte sich hinter den nächsten Busch, damit die anderen Parkbesucher ihn nicht entdeckten. Doch so früh am Morgen waren weder Jogger noch Mütter mit Kinderwagen unterwegs. Nach Luft ringend verharrte Sammy hinter dem Busch und richtete sich erst auf, als sich sein Atem beruhigt hatte. Kurz bewunderte er den orange gefärbten Himmel und die Nebelschwaden am Boden, welche die Grashalme mit Tautropfen bedeckten. Nachdem er seit dem Vorabend nichts mehr getrunken hatte, beugte er sich zum Boden und leckte die Halme begierig ab. Normalerweise ging er morgens und abends zum Trinken zu dem kleinen See am anderen Ende des Parks, aber nach den Ereignissen vom Vorabend hatte er es vergessen. Nachdem er seinen Durst an den Tautropfen gestillt hatte, meldete sich sein Magen mit einem unzufriedenen Knurren. Kurz überlegte Sammy, ob er sich am Gras sattfressen sollte. Er fand es geschmacklich extrem fad, aber nachdem viele Leute ihre Hunde im Park Gassi führten, passierte es regelmäßig, dass man ein Büschel erwischte, auf dem ein Hund seine Duftmarke hinterlassen hatte. Sammys feine Nase warnte ihn vor, ehe er das kontaminierte Grün in den Mund schob. Aber allein die Vorstellung, wie viele Menschen mit ihren dreckigen Schuhen über die Wiese gelaufen waren, verdarb ihm in der Regel den Appetit. Selbst wenn er sich dazu hinreißen ließ, sich ein paar Büschel Gras in den Mund zu schieben, war er stets enttäuscht, weil er sich beim Essen fühlte, als würde er auf weichen Zahnstochern herumkauen. Einzig die Tatsache, dass es ihn einigermaßen sättigte, sprach für Gras.

    „Und heute bleiben die meisten Leute wahrscheinlich zuhause", dachte er und betrachtete abwägend die sich am Horizont auftürmenden Wolken.

    „Ich versuche, bis heute Mittag etwas Besseres zu finden, sonst gibt’s heute Gras", entschied er und trottete los. Zuerst lenkte er seine Schritte zum Spielplatz, Vor- und Nachmittagstreffpunkt für Mütter mit ihren kleinen Kindern, während sich abends die Jugendlichen hier einfanden. Bisher war weder die eine noch die andere Gruppe da, sodass Sammy in aller Ruhe nach Essensresten suchen konnte. Zu seiner Überraschung wurde er sofort fündig. Auf einer der Parkbänke lag eine halb volle Packung Nachos mit Soße. Definitiv nicht sein Lieblingsessen, aber um Welten besser als Gras. Heißhungrig verschlang er die Nachos und leckte die Plastikverpackung sauber, ehe er sie in den Mülleimer warf. Natürlich erst nachdem er sich versichert hatte, dass dort nicht die nächste Köstlichkeit auf ihn wartete. Als sein Blick an einer Bank hängen blieb,

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