Die Letzten von Hohenlohe-Brauneck oder Das Nägelkreuz in der Herrgottskirche zu Creglingen
Von Ottmar Schönhuth
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Über dieses E-Book
Bis zu seinem Tod veröffentlichte Schönhuth (Pseudonyme: Ottmar Heimlieb oder F. H. Ottmar) über 200 damals vielgelesene Bücher und Schriften, die sich vielfach mit der südwestdeutschen Geschichte (Württemberg, Baden, Bodenseeraum) mit Schwerpunkt hohenlohische Region beschäftigen.
1847 war Schönhuth Mitgründer des Historischen Vereins für Württembergisch Franken, dem er ab 1851 vorstand.
Zu seinem Bekanntenkreis zählten Ludwig Uhland, Justinus Kerner, Gustav Schwab und Joseph von Laßberg, engere Freundschaft pflegte er beispielsweise seit 1837 mit Eduard Mörike.
In seinen Erzählungen, so auch in der vorliegenden, mischt er historische Fakten mit Sagenhaftem.
„Die Letzten von Hohenlohe-Brauneck oder Das Nägelkreuz in der Herrgottskirche zu Creglingen“ erschien zusammen mit zwei weiteren historischen Erzählungen 1857 und wird für die vorliegende Ausgabe ungekürzt, aber sprachlich leicht modernisiert, neu herausgegeben.
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Buchvorschau
Die Letzten von Hohenlohe-Brauneck oder Das Nägelkreuz in der Herrgottskirche zu Creglingen - Ottmar Schönhuth
Ottmar F. H. Schönhuth
Die Letzten
von Hohenlohe-Brauneck
oder
Das Nägelkreuz
in der Herrgottskirche
zu Creglingen
Verlegt in
Günther Emigs Literatur-Betrieb
Inhaltsverzeichnis
I. Die Gründung der Herrgottskirche
II. Die verhängnisvolle Jagd
III. Der Büßende
IV. Herr Cunrad von Weinsberg
V. Der Heimgang unter dem Kreuz
Anhang
Zum Autor
Literatur- und Quellenhinweise
Impressum
Orientierungsmarken
Inhaltsverzeichnis
Cover
I. Die Gründung der Herrgottskirche
Auf dem Vorsprung eines steilen, gegen 200 Fuß hohen Hügels, welcher links von der Steinach, einem Forellenbach, und rechts von einer tiefen Schlucht begrenzt, auf seiner Nordseite unangebaut und steinig, auf der Süd- und Westseite aber mit Weinstöcken bepflanzt ist, etwa eine Stunde von der Stadt Creglingen entfernt, stehen die Ruinen der Burg Brauneck, auch Brunet, Bruegge in alten Zeiten genannt. Vor 25 Jahren stand von der Burg noch ein längliches Viereck von beträchtlichem Umfang, eine an 50 Fuß hohe starke Mauer, auf der ein mit Schießscharten versehener Gang ringsherum führte; auf der Nord- und Westseite standen zwei starke und viereckige Türme, ebenso auf der Südseite. Auf der Nordseite, mit der Umfangsmauer zusammenhängend, stand ein sehr massiver Bau, das frühere Wohngebäude, Herrenhaus (Palas in der alten Sprache). Zunächst am Tor der Burg ragte ein sonst an 100 Fuß hoher, sehr dicker, massiver Turm aus Buckelsteinen, wohl das ältere Bauwerk der Burg. Jetzt ist kaum die Hälfte mehr von dem zu sehen, was damals noch stand. Die Ringmauer mit den Türmen ist abgebrochen, das Herrenhaus ist zusammengerissen, nur die Seite gegen die Heerstraße hin, an welchem ein steinerner Vorsprung, der frühere Söller, noch sichtbar ist, steht noch. Das Merkwürdigste bleibt immer noch der große viereckige Turm, etwa 50 Fuß hoch, 40 im Durchmesser, der aber wahrscheinlich größtenteils verschüttet ist. Außer einem Loch ganz unten, welches dem Federvieh zum Aufenthalt dient, sind die Außenwände des Turmrestes noch ziemlich gut erhalten. Das ist noch der einzige Zeuge der früheren Herrlichkeit dieser Stammburg des erlauchten Fürstenhauses Hohenlohe. Wie lange wird dieser Turm noch zeugen? Vielleicht kaum noch Jahrzehnte. Alle Rettungsversuche, die schon geschehen sind von seiten des erlauchten Hauses, sind gescheitert an dem Widerstreben der jeweiligen Besitzer, die lieber den Turm aus der Sarg reißen um der guten Steine willen, die sie auch im nahen Freudenbach brechen könnten, als den Turm und Burgstall, was ihre Vorfahren anno 1699 von Ansbach um einen Spottpreis erlangt haben, in die Hände der ursprünglichen Besitzer durch einen christlichen Kauf übergehen zu lassen. So wird bald in Erfüllung gehen, was ein gemütlicher Dichter in der Nähe der Burg im Lied geklagt hat: Die Stirn des Berges wird bald ihrer schönsten Zierde beraubt sein und Haus Hohenlohe wird nur noch sagen können: Auf dieser kahlen Stätte stand einst eine unserer Stammburgen.
Von der jämmerlichen Gegenwart hinweg blicken wir in die Vorzeit der Burg, da sie der Sitz eines Zweigs des hohen Geschlechts gewesen ist, als der geräumige Burghof noch vom Gewieher der Rosse tönte und die minnigliche Burgfrau sehnsüchtig vom Söller ins Tal schaute, wenn sie des Burgherrn gewärtig war, der von der Fehde oder Jagd nach Hause zurückkehrte.
Gottfried und Cunrad, Gebrüder von Hohenlohe, waren die Letzten des Geschlechts von Brauneck, welche diese Burg ums Jahr 1380 bewohnten. Im Jahr 1268 war ihr Vater Gottfried gestorben, und zwar jählings durch einen Sturz vom Pferd, so daß er keine Zeit mehr hatte, ein Testament über die Teilung der Güter zwischen seinen Söhnen zu machen – was auch nicht nötig gewesen war, denn ihr Vater hatte sie noch bei Lebzeiten immerdar ermahnt, sich stets als Brüder zu lieben, und auch von ihrer Mutter seligen Agnes von Kastell, die dem Gatten drei Jahre im Tod vorangegangen war, waren sie allezeit zu Gleichem angehalten worden.
Daß diese Ermahnung bei beiden nicht umsonst gewesen ist, davon haben sie bald einander die schönste Probe gegeben. Denn als 1371 ihr Vetter Ulrich von Brauneck, genannt vom Neuenhaus, starb und diese stattliche Burg an die beiden Brüder überging, machten sie auch jetzt keine Teilung, sondern besaßen beide Burgen und Herrschaften miteinander gemeinschaftlich, bis sie die zwar schön, aber zu entfernt gelegene Burg Neuhaus an den Deutschmeister Philipp von Bickenbach verkauften, der zu Mergentheim residierte. Wohl hätte einer von ihnen, da beide Brüder schon um diese Zeit verehelicht waren, mit seinem Hausstand auf die Burg Neuhaus ziehen können, aber sie waren zu sehr aneinander gewöhnt, daß sie ihren Haushalt nicht teilen mochten, zumal sich ihre beiden Hausfrauen, was doch höchstselten der Fall ist, in Frieden vertrugen, daß sie an einem und demselben Herd kochten und mit ihren Kindern und Ehehälften in einem und demselben Saal aus- und eingingen.
Frau Anna von Hohenlohe, Herrn Cunrads Hausfrau, und Williburgis von Rienet, Herrn Gottfrieds Gemahlin, liebten sich wie zwei Schwestern, die unter einem mütterlichen Herzen gelegen hatten, und hätten sich ebenso schwer von einander getrennt wie die beiden sich so innig liebenden Brüder.
Diese innige Liebe der Männer und Frauen auf Burg Brauneck war auch auf ihre Kinder übergegangen. Herr Cunrad von Brauneck hatte nur ein einziges Töchterlein von acht Jahren, genannt Margaretha, sein Bruder Gottfried ein Söhnchen von neun Jahren namens Heinrich. Auch diese beiden Kinder liebten einander wie Geschwister, und ebenso war jedes von beiden den beiderseitigen Eltern derart in Liebe zugetan, daß der kleine Heinrich nicht wußte, ob ihm Vater und Mutter oder Oheim und Muhme lieber wären, und ebenso war es bei der holden Margaretha.
Weil Cunrad von Brauneck von Gott nur mit einem Töchterlein gesegnet war und keine Hoffnung mehr hatte, daß seine Ehefrau eines Kindes genesen würde, da sie schon sechs Jahre nicht mehr geboren hatte, so wollte er von seinen zeitlichen Gütern auch Gott zu Ehren etwas opfern, und dazu gab es bald eine Gelegenheit.
Es war im Jahre 1384, am Abend des heiligen Märtyrers, des heiligen Laurentius, da wurde an der Stätte, wo jetzt die berühmte Herrgottskirche steht, das hochwürdige Sakrament, der Fronleichnam Christi unseres Herrn, aufgefunden; ein Ackermann hatte es aus dem Boden geackert, wo es mehrere Schuh tief gelegen hatte und unversehrt geblieben war.
Gerade ritt Herr Cunrad von Brauneck des Weges. Als er den auf so wunderbare Weise in der Tiefe der Erde erhaltenen Fronleichnam Christi sah, erkannte er es alsbald als ein Zeichen, das ihm von Gott geworden war, um hier dem Herrn eine Kapelle zu bauen, und es sollte das von dem eigenen Vermögen Herrn Cunrads geschehen, von den Gülten und Hellerzinsen, die er in diesem Jahr so reichlich von seinen Hintersassen zu Sechselbach empfangen hatte. Aber er sollte es nicht allein sein, der unserem Herrgott zu Ehren eine Kapelle baute, denn sobald er auf Burg Brauneck zurückgekehrt war und seinem Bruder von dem Wunder erzählte, auch sein frommes Vorhaben diesem offenbarte, da sprach Herrn Gottfrieds Bruder: „Da sei Gott für, daß du allein dem Herrn eine Kapelle baust! Hat er mich nicht ebenso reich mit Gütern gesegnet wie dich? Haben nicht meine Äcker der Früchte die Menge gegeben, auch meine Obstbäume und Weinstöcke Überfluß getragen? Also gönne mir, daß ich mit dir baue eine Kapelle an heiliger Stätte, an der sich der liebe Herrgott so wunderbar geoffenbart hat!"
Bruder Cunrad war auch nicht dagegen und gönnte ihm gern die Freude, mit ihm an einer Kapelle zu bauen, Gott dem Allmächtigen zu Ehren. Von Stund an gingen beide Brüder daran, ihr frommes Vorhaben auszuführen. Die stattlichen Rosse im Marstall der Edelherrn durften von nun an kaum noch reichgeschmückten Sattel und Zaumzeug tragen. Sie wurden an schwere Karren gespannt und mußten tagtäglich in die Nähe des Fleckens Freudenbach traben, wo die Hintersassen der Edelherren im Steinbruch Lasten von mächtigen Quadern hieben, mit denen die Pferdeknechte die Karren beluden, um sie ins Münstertal zu führen. Als viele Lasten Steine an der Stätte lagen, wo die Kapelle gebaut