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Blutroter Veltliner: Ein Weinviertel-Krimi
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eBook293 Seiten4 Stunden

Blutroter Veltliner: Ein Weinviertel-Krimi

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Über dieses E-Book

Verbrechersuche in der Kellergasse: Im Weinviertel treibt ein Mörder sein Unwesen.

Schauplatz östliches Weinviertel im Grenzgebiet Österreichs und der Slowakei
Das Weinviertel mit seiner malerischen Landschaft und seinem ursprünglichen Charakter ist seit jeher Anziehungspunkt für Liebhaber von Wein und für Naturfreunde. Und seit kurzem auch für Verbrecher: Mit der Beschaulichkeit des Dorflebens ist es nämlich schlagartig vorbei, als eine tote Frau in den Weinviertler Marchauen gefunden wird. Keiner weiß, wer sie ist und warum sie sterben musste. Erich Zillinger, Polizeipostenkommandant in Angern an der March, bekommt den Fall der unbekannten Toten übertragen.

Na Prost, noch ein Toter!
Wäre der Tod der jungen Frau nicht schon tragisch genug, kündigt sich schon neues Unheil an. Die Bewohner der Kellergassen sind in Aufruhr. Nicht nur Weinviertler Wein, sondern auch weiteres Blut droht vergossen zu werden: In der Region treibt ein brutaler Bankräuber sein Unwesen. Sein erstes Opfer lässt nicht lange auf sich warten. Hat er auch etwas mit dem Mord an der Frau aus den Marchauen zu tun? Zwischen den sanften Hügeln des Weinviertels braut sich ein gefährliches Gewitter zusammen …

Mörderisches Treiben vor der Kulisse malerischer Weinberge
Unmittelbar vor den Toren Wiens erstreckt sich das Weinviertel: Die Grenzregion in Niederösterreich ist für kulinarischen Genuss, liebliche Landschaft und gemütliches Beisammensein beim Heurigen bekannt. Mit viel Lokalkolorit lässt Presshaus-Besitzer und Autor Peter C. Huber die Atmosphäre von Österreichs wohl schönster Weinregion erzittern.
SpracheDeutsch
HerausgeberHaymon Verlag
Erscheinungsdatum21. März 2018
ISBN9783709938423
Blutroter Veltliner: Ein Weinviertel-Krimi

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    Buchvorschau

    Blutroter Veltliner - Peter C. Huber

    Impressum

    Prolog: Das erste Mal

    „Oh what a beautiful mornin’, oh what a beautiful day …" Hell und laut erklang die Stimme Marija Nemcovas aus der dampfenden Dusche. Rodgers und Hammersteins fröhlicher Schlager aus dem alten Oklahoma Musical war gerade recht für diesen herrlichen Tag! Als sie sich mit der duftenden Kräuterseife einrieb, war ihr ganzer Körper in Schaum gehüllt. Genüsslich drehte sie sich ganz langsam unter dem Duschstrahl und wusch sich die Seife ab, die in weißen Strömen an den feinen Konturen ihres Körpers hinunterfloss. Ein kleiner Berg aus Schaum drehte sich wie ein Ringelspiel über dem Abfluss.

    Marija stieg aus der Dusche und begann sich mit einem Handtuch kräftig abzutrocknen. Ihre Haut war ganz rot vom warmen Wasser geworden und errötete noch stärker beim Abreiben mit dem Frotteetuch, das auch die letzten Tropfen Nässe auf ihrer Haut aufsog. Vor dem Waschbecken stehend nahm sie den Föhn in die eine und die Bürste in die andere Hand, begann die Haare auszubürsten und zu trocknen. Bei der Länge ihrer dichten kastanienbraunen Haare war das eine Prozedur. Doch „wer schön sein will, muss leiden und „von nichts kommt nichts! Gut dreißig Minuten später waren die Haare trocken und sie ging leise vor sich hin summend zum großen Wandspiegel. Marija ließ das Handtuch, das sie um sich gewickelt hatte, auf den Boden fallen. Zufrieden studierte sie ihr Spiegelbild. Prachtvolle einhundertzweiundsiebzig Zentimeter perfekt geformter Weiblichkeit schauten ihr entgegen. Heute wollte sie wunderschön sein! Nicht, dass es ein großer Aufwand war. Im Abschlussjahr ihrer Schule war sie zur Miss Záhorie gewählt worden. Und auch jetzt, fünfzehn Jahre später war sie stolz auf ihre Figur. Sie war inzwischen etwas fraulicher, gleichwohl schlank. Durch ihre Arbeit als Physiotherapeutin war sie auch etwas muskulöser geworden, aber das hob nur die sanften Formen ihres Körpers mehr hervor. Und dann ihre Haare, voluminös, braun glänzend und lockig hingen sie bis zu ihren Brüsten herunter, die fest und voll zwischen den Haarsträhnen hervorkamen. Marija drehte sich etwas, damit sie auf ihren Po schauen konnte. Auch perfekt! Übermütig und glücklich lachte sie auf und warf ihren Kopf nach hinten, sodass ihre Haare in großem Bogen flogen.

    Heute sollte der große Tag sein! Seit Wochen war sie verliebt wie ein Teenager – wollte gerade heute die Versuchung in Person sein. Normalerweise begann sie keine Affäre mit einem Patienten, aber dieser eine war anders.

    Sie hatte ihn vor drei Monaten bei einem ihrer burgenländischen Patienten, bei dem er auf Kundenbesuch war, kennengelernt. Einmal in der Woche fuhr sie über die Grenze nach Österreich und behandelte dort privat einige Patienten im Grenzgebiet zwischen dem Burgenland und Niederösterreich. Sie nahm die etwas längere Fahrt über Bratislava auf sich, weil dort der einzige hochwassersichere Grenzübergang zu Österreich war. Die beiden anderen Grenzübergänge, die Brücke bei Hohenau und die Fähre bei Záhorská Ves, wurden bei Hochwasser rasch geschlossen. Immer wieder ärgerte sie sich, dass es fast dreißig Jahre nach der Öffnung der Slowakei noch immer keine anständigen Verkehrsverbindungen zwischen den beiden Nachbarländern gab. Und so war ihr die etwas umständlichere Anreise lieber, als eventuell über Wochen entweder auszufallen oder ein Mehrfaches der Wegstrecke zurücklegen zu müssen. Finanziell gesehen war die Österreich-Tour für sie immer eine kleine Goldgrube. In Österreich verlangten Physiotherapeuten etwa siebzig Euro die Stunde, sie war mit fünfundzwanzig glücklich. Für slowakische Verhältnisse war das eine fürstliche Entlohnung.

    Er war gleich interessiert, und da er in der Nähe von Hohenau zu Hause war, bot er an, zu ihr zu kommen. Sie hatte eine kleine Praxis in dem alten Haus eingerichtet, das sie von ihren Eltern geerbt hatte. Das Haus lag zwar sehr entlegen im Nordostteil der Záhorie in der Borská Nížina mitten im Wald, doch waren es kaum zwanzig Kilometer von Hohenau – vorausgesetzt es gab kein Hochwasser.

    Als Kind hasste es Marija, hier leben zu müssen. Der Schulweg war beschwerlich, Freunde kamen selten. Doch nach ein paar Jahren in Bratislava war sie nun glücklich, wieder hier zu sein. Die Stadt war ihr zu laut und sie konnte dort keine richtigen Kontakte knüpfen. Zwar wurde sie immer begehrt und auch umworben, aber sie empfand die meisten Avancen als oberflächlich und wehrte sie ab. Schließlich zog sie sich mehr und mehr aus dem Gesellschaftsleben zurück, verbrachte die meiste Zeit alleine in ihrer kleinen Wohnung. Als ihre Eltern bei einem Autounfall gestorben waren, hatte sie nicht lange überlegt und war wieder in das Haus ihrer Kindheit zurückgekehrt.

    Záhorie bedeutet übersetzt ins Deutsche „Land hinter den Bergen". Die Bergkette der Kleinen Karpaten begann wenige Kilometer weiter östlich. Die Berge waren auch für die Besonderheit dieses nördlichen Teils der Záhorie, der Borská Nížina, verantwortlich. Dieses Gebiet bestand vornehmlich aus angewehtem Sand und Sanddünen. Genau wie in der Sahara vor dem Atlasgebirge entlud der Wind mitgeführten Sand, bevor er über die Berge aufstieg. Es ist für Mitteleuropa ein einzigartiges Phänomen, eine riesige Sandkiste. Um die natürlichen Verwehungen des Sandes zu stoppen, wurden hier seit dem siebzehnten Jahrhundert Kiefern angepflanzt. Marija liebte es, barfuß ihre morgendlichen Waldläufe zu absolvieren, sie liebte das Gefühl des weichen Sandes, der sich ihren Füßen anpasste.

    Allein durch die Lage blieb die Praxis klein, nur wenige Patienten nahmen den Weg dorthin auf sich. Doch Marija war geschickt in ihrem Beruf, alle ihre Patienten entwickelten sich mit der Zeit zu Stammkunden. Sie hatte auch keinen hohen finanziellen Bedarf. Das Haus war günstig im Erhalt, ein großer Gemüsegarten versorgte sie mit den nötigen Vitaminen. Als einzigen Luxus leistete sie sich einen kleinen Škoda. Die wenigen Patienten hier und die Einnahmen aus der wöchentlichen Österreich-Tour genügten ihr vollkommen.

    Als er dann vor drei Monaten begann, nach seiner Arbeit zu ihr zu kommen, um sich massieren und wegen einer früheren Verletzung behandeln zu lassen, fühlte sie von Beginn an, dass es mit ihm etwas Besonderes war. Sie liebte seine offene, warme Art, und doch war er zurückhaltend, nicht forsch, fast schüchtern. Sie mochte seinen Körper sehr, genoss es, ihn zu massieren, seine Muskeln unter ihren Händen zu spüren. Seit jeher saßen sie nach der Behandlung noch bei einem Kaffee oder Tee zusammen, plauderten und lachten. So waren rasch Gefühle aufgekommen, die Marija schon lange nicht mehr zugelassen hatte. Und auch wenn es schon regelrecht knisterte vor Spannung, war er nie fordernd, er ließ sich und ihr Zeit. Doch nach seiner letzten Behandlung, als sie sich vor seinem Auto verabschiedet hatten, war es wie ein Dammbruch passiert. Plötzlich hatten sie sich umarmt und festgehalten, ein ums andere Mal geküsst. Er hatte immer wieder nur ihren Namen genannt.

    „Marija, ich kann es kaum erwarten, wieder zu dir zu kommen!", waren seine Abschiedsworte, bevor er, nach einem letzten zärtlichen Kuss, zurückgefahren war.

    „Heute krieg ich dich, mein Schatz, heut will ich dich endlich für mich haben", sprach sie laut zu sich selbst und lachte fröhlich auf. Schon beim Gedanken spürte sie ein leichtes Anspannen im Unterleib, ihr Gesicht wurde warm und die Wangen leicht rot.

    „Heute sorge ich dafür, dass du mir nicht mehr widerstehen kannst!", verschwörerisch zwinkerte sie ihrem Spiegelbild zu und begann mit den Vorbereitungen.

    Ein bisschen Rosenwasser, etwas Lippenstift, das genügte. Marija trug nie Make-up. Sie hatte sich ein Höschen zurechtgelegt, eines mit einem Tangaschnitt. Rot. Leicht durchsichtig. Kein BH heute. Ihre Brüste waren fest und sollten sich durch den Stoff abheben. Sie nahm ihr weißes Arbeitskleid und schlüpfte hinein. Es hatte vorne Druckknöpfe zum Verschließen. Oben ließ sie es offen, sodass ein Blick ins Dekolleté möglich war, sie wollte jedoch nicht zu offenherzig oder gar billig erscheinen, schließlich sollte ja lediglich seine Phantasie angeheizt werden.

    Marija schaute sich noch schnell im Bad um: Alles sah nett und aufgeräumt aus. Wahrscheinlich kamen sie später gemeinsam hierher, dann sollte auch alles passen. Noch schnell zwei Hübe aus dem Inhalator, verdammte Pollenallergie. Aber das Letzte, das sie wollte, war ein Asthmaanfall heute Nachmittag. So, ihrerseits war alles bereit, jetzt konnte er kommen. Gemütlich ging sie Richtung Eingang und trat aus dem Haus hinaus auf die Veranda. Dort setzte sie sich auf die Bank und genoss die ungetrübten Sonnenstrahlen des Nachmittags.

    Lange brauchte sie nicht zu warten, da hörte sie schon das Geräusch eines näherkommenden Autos. Marijas Herzschlag stieg an. Rasch griff sie sich noch an die Brust und massierte ihre Brustwarzen. Sie wollte, dass sie sich deutlich unter dem Stoff abheben. Unglaublich, sie fühlte sich wie ein Teenager, so verliebt, so aufgeregt. Langsam ging sie dem herannahenden Auto entgegen, wartete, bis er es geparkt hatte und stellte sich neben die Fahrertüre. Kaum war er ausgestiegen, umarmte sie ihn, kuschelte sich an ihn heran, drückte ihren Körper fest gegen seinen. Sie spürte, wie ein Ruck durch seinen Körper ging, wie er auf sie reagierte, seine plötzlich einsetzende Erregung. Lachend stieß sie ihn sanft weg.

    „Ach, ist das schön, dass du da bist! Aber erst kommt die Arbeit. Ich will ja, dass du wieder fit und gelenkig bist und nicht bei jeder Bewegung wie ein alter Mann jammerst!"

    Sie nahm ihn an der Hand und ging zum Haus. Sie merkte, wie fasziniert er sie anschaute, wie sein Blick über ihren Körper glitt. Zufrieden beschleunigte sie ihren Schritt, zog ihn fast hinter sich her. Im Haus, bei der Massagebank angekommen, half sie ihm, die Knöpfe am Hemd aufzumachen. Ihre Hände strichen über seine Brust, glücklich strahlte sie ihn an. „Jetzt aber rasch auf die Bank, damit ich mit meiner Arbeit beginnen kann." Nur mit einer Unterhose bekleidet lag er nun auf der Massagebank. Sanft begann sie mit ihrer Arbeit an seinem Rücken. Sie fing an, vom Nacken her über seinen Rücken zu streichen und die Muskeln an den Schultern zu kneten. Hier war eine seiner Problemzonen. Die harten Muskelknoten waren deutlich spürbar. Fest drückte sie auf einen Punkt im Schulterbereich und hielt den Druck eine Weile. Von ihm kam ein leises Stöhnen, tja, das tat erst einmal weh, aber dann wurde es besser. Er hatte den Kopf auf die Seite gelegt und seine Augen folgten ihren Beinen. Seine zweite Problemzone war im Lendenwirbelbereich, hier mussten auch die Oberschenkelmuskeln gedehnt werden, die zur Hohlkreuzbildung beitrugen. Sie schob den Bund der Unterhose nach unten und drückte am oberen Bereich des Pos auf die Punkte, die den Ischiasnerv betrafen. Wieder stöhnte er leicht, bis der Schmerz langsam nachließ. Nun folgten die Innenseiten der Oberschenkel. Marija ließ ihren Handrücken dabei über seine Hoden streichen, während sie den Muskel knetete. So, genug der Arbeit, jetzt fängt das Vergnügen an, dachte sie sich.

    Sie stellte sich wieder an das Kopfende der Bank, trat etwas zurück und beugte sich über ihn. Jetzt war ihr Busen recht nahe an seinem Kopf. Sie merkte, dass er schneller atmete, die wohlige Wärme ihrer Brüste zeigte Wirkung. Zart glitten ihre Hände über seine Schultern und seinen Rücken. Langsam ging sie an die Seite der Liege und ließ ihre Hände zum Bund seiner noch heruntergezogenen Unterhose wandern. Ihre Fingerspitzen schoben ihn in die Höhe und sie fühlte seinen festen Po unter ihren Händen.

    Sie spürte seine Hand an der Innenseite ihrer Schenkel. Marija nahm den Bund seiner Unterhose und zog sie ihm aus. Dann griff sie an ihren Arbeitsmantel, mit einem Ruck öffnete sie die Druckverschlüsse und ließ ihn hinter sich auf den Boden fallen. Er folgte jeder ihrer Bewegungen mit seinen Augen.

    „Komm, mein Lieber, komm mit mir, in meinem Bett ist es bequemer."

    Sie half ihm auf und umarmte ihn, genoss das Gefühl seines Körpers an ihrer nackten Haut, den Druck seiner Arme um sie. Glücklich sahen sie einander an und küssten sich lang und intensiv. Engumschlungen gingen sie zum Schlafzimmer. Dort zog er ihr den Tanga aus. Jetzt wurde er aktiv. Er küsste ihren Körper, erkundete ihn. Er legte sie ins Bett, legte sich zu ihr, umarmte sie, küsste sie. Innig verschmolzen liebten sie sich im Bett. Marija war glücklich, diesen Moment hatte sie sich so sehr gewünscht. Beide kamen rasch, fast gleichzeitig, für Marija in einer Intensität, die sie noch nicht erlebt hatte. Als sie danach dicht aneinander gekuschelt im Bett lagen, wusste sie mit jeder Faser ihres Körpers:

    „Das ist mein Mann fürs Leben …"

    Kapitel 1: Wenn der Tag schon so beginnt …

    Langsam verblassten die Sterne am morgendlichen Himmel. Über der Silhouette der nahen Kleinen Karpaten stieg ein zartblauer Lichtkegel im Nordosten höher. Andi Mück liebte diese Phase des Morgengrauens, in der die Landschaft fast unendlich sanft aus dem Dunkel auftauchte, diesen Wandel von Nacht zu Tag.

    Es war eine sternenklare Nacht gewesen, als Andi im Finstern von seinem Hof im Ort über den Marchdamm in die Nähe seines Hochsitzes gefahren war. Jetzt im Sommer war er um diese Zeit nicht als Einziger unterwegs. Am Weg aus dem Ort sah er auf zwei Feldern bereits Traktoren im Einsatz. Viele Bauern zogen es vor, in der Nacht zu arbeiten, um so der brennenden Hitze untertags zu entgehen. Seit Tagen zeigte das Thermometer in Hohenau fast vierzig Grad Celsius – wieder einmal Hitzepol Österreichs!

    Aber jetzt, nach der klaren Nacht, war die Luft frisch und geprägt von den Gerüchen der taufeuchten Au. Etwa zweihundert Meter von seinem im Schutz einer Pappel gebauten Hochstand entfernt floss die March. Fast drei Meter tief brach das Ufer steil zum Fluss und seinem dunklen Wasser ab. Nicht einmal fünfunddreißig Kubikmeter führte die March gegenwärtig. Immer wieder traten nun die Sandbänke hervor. Zu Fuß konnte man derzeit durchwaten. Es war so schwer, sich jetzt vorzustellen, wie sehr und wie schnell der Fluss sich ändern konnte: 2006, beim großen Hochwasser nach der Schneeschmelze, führte die March über eintausendvierhundert Kubikmeter in der Sekunde! Dann war es hier wie an einem Binnenmeer. Damals hatte es Norbert im Ort schwer getroffen. Sein Hof lag an der nächsten und tiefsten Stelle zum Hochwasserdamm, der an mehreren Stellen gebrochen war. Aber in Jedenspeigen hatte es noch mehr Leute erwischt. Danach wurde der Damm saniert. Immer muss erst ein Unglück passieren, bevor etwas unternommen wird! Den Slowaken ging es damals besser, dort wurde rechtzeitig vorgesorgt. In den Jahren mit starken Überschwemmungen entwickelten sich danach Gelsenschwärme in biblischem Ausmaß. In dunkle Wolken geformt legten sie sich flächendeckend auf Tier und Mensch. Wer hier in der schattigen Au oder gar in der Dämmerung unterwegs war, wurde zum wehrlosen Opfer der Abermillionen von kleinen Blutsaugern. Ihr schrilles Summen war dann wie ein Tinnitus der Aulandschaft. Aber nun, im fahlen Licht des beginnenden Tages, bot die March ein Bild des Friedens. In trockenen Jahren waren nur wenige Gelsen unterwegs, was das Leben erträglicher machte. Zarte Nebelfetzen stiegen vom dunklen Wasser auf, und auch die Wiese, die sich zwischen der March und dem Bahndamm ausbreitete, dampfte im Schein des heller werdenden Himmels.

    Andi war stolz auf seinen Hochstand, der Platz dafür war gut gewählt. Der Stand war an eine hohe Pappel gebaut, von unten durch einen großen Holunderstrauch geschützt. Vor Blicken verborgen und trotzdem ungehinderte Sicht in fast alle Richtungen! Andi schmunzelte in sich hinein. Hier in seinem Revier war er ein Voyeur der Landschaft und ihrer Bewohner. Das war sein privates Königreich. Er war jetzt Ende vierzig und durchaus zufrieden mit seinem Leben. Mit seiner Rosi verbanden ihn bereits fünfundzwanzig Ehejahre und die beiden waren privat wie beruflich ein eingespieltes Team. Jeder hatte auch seine persönlichen Interessen, denen er nachgehen konnte. Ihre Beziehung zueinander war lebendig und gefestigt. Bei der Arbeit im gemeinsamen Winzer- und Heurigenbetrieb waren sie unschlagbar, dort konnte sich jeder gemäß seinen Stärken betätigen.

    Ihr Sohn Heinrich, genannt Heini, war jetzt einundzwanzig und in allen Belangen ihr gemeinsamer Stolz. Er hatte höchst erfolgreich die Weinbauschule in Klosterneuburg besucht und brachte sich in den elterlichen Betrieb durch eigene, durchaus überzeugende Ideen ein. Die Jagdprüfung hatte er schon längst positiv absolviert und half daher verlässlich mit, das Schwarzwild zu jagen. Für Andi war die Vorstellung, seinen Betrieb und alles damit Verbundene einmal an ihn zu übergeben, sehr wohltuend, insbesondere in Anbetracht der schon in jungen Jahren gezeigten Kompetenz und Einsatzbereitschaft seines Sohnes.

    Andi riss sich aus seinen Gedanken, denn gerade war seine Rolle als Voyeur der Au wieder aktuell geworden. Im matten Licht des beginnenden Tages konnte er eine Bewegung am Fluss wahrnehmen. Langsam griff er nach seinem Feldstecher. Rasch aufeinanderfolgende, dumpfe Geräusche drangen zu ihm, das laute Knacken eines Astes. Plötzlich war der Umriss eines mächtigen Au-Hirschen als schwarzer Schatten am Rand des Ufers unter den Bäumen zu sehen. Da half es auch nicht, dass sein Feldstecher von einem namhaften Hersteller war, noch konnte Andi keine Details durch das Astwerk erkennen. Doch nach einer kurzen Pause, in der der Hirsch sorgfältig die Lage auf der Au-Wiese erkundet hatte, trat er vorsichtig aus dem Schutz des Uferholzes auf die taufeuchte Lichtung hinaus. Ein zufriedenes, stolzes Lächeln machte sich auf Andis Gesicht breit: Ja, das war er, sein Achtzehnender! Der Hirsch trat wenige Schritte auf die Wiese hinaus, blieb wieder stehen und prüfte sorgfältig seine Umgebung. Für Andi war es ein Moment der Meditation, der ihn mit Glück und innerer Ausgeglichenheit erfüllte. Der Hirsch ging nochmals einige Schritte vor und begann zu äsen. Durch sein Glas beobachtete Andi, wie er mit kräftigen Bissen das Gras ausriss und es rhythmisch zerkaute. Das Tier blieb wachsam, prüfte immer wieder die Lage und äste weiter. Er war für Andi wie ein Freund, er war stolz auf den prächtigen Kerl in seinem Revier, einen der größten seiner Art in Mitteleuropa. Schießen war kein Thema. Für heute war wieder einmal ein Wildschwein an oberster Stelle der Abschuss-Wunschliste.

    Am ehesten hielten sich die Viecher ohnehin weiter drüben an den Abhängen oberhalb der March-Altarme auf. Drüben im Schilf war eine beliebte Schlammsuhle, dort waren sie fast jeden Tag anzutreffen.

    Inzwischen war das Schwarzwild zur Plage geworden und Dauergesprächsthema am Kellerberg und im Wirtshaus. Auch in seinem Heurigen konnte er sich darauf verlassen, dass die Gäste mit eigenen Landwirtschaften ihre Buffet- oder Weinbestellung mit einer Beschwerde übers Schwarzwild kombinierten. Dafür kamen die vom Fleischhauer verarbeiteten Wildschwein-Wurstwaren sehr gut bei den Gästen an. Rache für den erlittenen Flurschaden quasi. Es gab wirklich zu viele Schwarzkittel inzwischen, da war es schon seine Aufgabe, sich um die Abschüsse zu kümmern.

    Der Hirsch äste noch immer auf der Wiese. Über den Kleinen Karpaten hatte sich der Himmel hellrot und orange gefärbt. Am Abbruch oberhalb des Bahndammes leuchteten die Bäume im ersten Licht des Tages. Nur Minuten später brachen die ersten Sonnenstrahlen wie eine Feuergarbe über den Horizont. Die vom Tau benetzte Wiese leuchtete im flachen ersten Licht des Tages, als sei sie von unzähligen Kristallen bedeckt. Der Hirsch hob den Kopf und drehte ihn in Richtung des Flusses. Dann fiel er in einen leichten Lauf und kam direkt auf Andi zu. Still und gespannt freute sich Andi über die nahende Begegnung, als der Hirsch nur wenige Meter neben ihm im lichten Auwald verschwand.

    Andi gab sich innerlich einen Ruck. Hier waren keine Schwarzkittel zu erwarten, Zeit für einen Standortwechsel. Wahrscheinlich war eine Rotte gerade am Weg zurück von einem nächtlichen Gelage im Kukuruzfeld vom Steininger. Selber schuld, wenn er so nah am Rückzugsgebiet der Viecher Kukuruz anbaut. Da gab es regelmäßig Schadensersatzforderungen. Langsam stieg Andi vom Hochstand hinunter und ging die wenigen Meter zum Damm hinüber. Oben hatte er sein Auto, einen alten Lada Geländewagen, abgestellt. Von dort hatte er freie Sicht auf die andere Seite, wo mehrere Altarme sich in das Hügelland des Weinviertels eingeschnitten hatten. Wie eine fast senkrechte Wand aus Urwald bot sich dieser Abschluss des Augebietes dar. Und trotz der Steilheit führten viele Wildwechsel vom Kulturland oberhalb in die darunterliegende ursprüngliche, wilde Auenlandschaft. Hier am hufeisenförmigen Teich, da war er sich sicher, sollten die Viecher gleich von ihrem nächtlichen Beutezug heimkehren. Die Suhle am Rand des Schilfgürtels war einer ihrer Lieblingsplätze. Andi musste nur den Moment abpassen, in dem sie aus dem Wald herauskamen. Da würde er kurz freie Sicht und eine gute, sichere Schussmöglichkeit haben. Am Wagen angelehnt wartete er.

    Ein paar Graureiher flogen heran und landeten elegant im flachen Uferbereich. Andi glaubte eine Unruhe im oberen Teil der grünen Wand vor ihm bemerkt zu haben. Vorsichtig entsicherte er seine Waffe und machte sich bereit. Durch das Zielfernrohr beobachtete er den Waldrand. Immer noch drangen Geräusche aus dem Steilabbruch zu ihm. Jetzt wurde es still. Andi rückte sich zurecht und wartete voller Konzentration auf den nächsten Moment. Schon sah er eine Bewegung im Dunkeln des Waldrandes und die ersten Tiere traten in das flache Licht des Morgens, das jetzt noch bis ins Unterholz schien. Aus der Rotte kam eine kräftige Bache heraus, blieb stehen und musterte den Bereich vor dem Waldrand. Super! Andi visierte die Bache an, zielte genau und zog sanft am Abzug. Ein kräftiger Knall zerriss die Stille des Morgens. Von der Halbinsel links von ihm kamen die simultanen Schreie zweier menschlicher Stimmen. Vor ihm stob die Rotte in wilder Flucht und mit lautem Gequietschte wieder in den Wald hinein. Die getroffene Bache lag still am Waldrand.

    Hoppla, nicht ganz ohne Schadenfreude schmunzelte Andi in sich hinein.

    Hom do zwa auf da Hoibinsl ibernocht? Naujo, jetzt sans munta!

    Andi stieg vom Damm hinunter, überquerte die Bahngleise und ging zum Altarm vor.

    „Hallo da drüben! Habe ich euch erschreckt?", rief er hinüber. Ein bärtiger Mann in Badehose stieg vom Spitz ins seichte Wasser und watete vor, bis sich die beiden gut sehen konnten.

    „Morgen, Andi, du bists! Du ja, da hat es uns ganz schön gerissen! Ich habe gerade versucht, einen Eisvogel zu fotografieren, aber er war

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