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Dorian Hunter 91 - Taschenspiel
Dorian Hunter 91 - Taschenspiel
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eBook248 Seiten3 Stunden

Dorian Hunter 91 - Taschenspiel

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Über dieses E-Book

Seit dem Rückzug der Uhrmacherin nehmen die Dinge wieder ihren gewohnten Lauf. Dorian Hunter nimmt seinen normalen Kampf gegen die Schwarze Familie wieder auf. Allerdings mit einem Unterschied: Großbritannien ist nun so gut wie dämonenfrei und gegen das erneute Eindringen der Schwarzen Familie gesichert.
Allerdings, ein paar mächtigere Wesen konnten durch die Lücken schlüpfen, bevor die Barriere komplett geschlossen wurde. Ist der seltsame Fremde, der über die Insel zieht und Menschen zu einem tödlichen Tarotspiel verleitet, einer von ihnen?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum2. März 2018
ISBN9783955720919
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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 91 - Taschenspiel - Catherine Parker

    Vorschau

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Ihn kann Dorian schließlich töten.

    Nach vielen Irrungen nimmt Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Rolle des Asmodi an. Niemand weiß, dass sie in Wirklichkeit hinter dem wiedererstandenen Fürsten steckt. Und letztendlich wird ihre Maskerade Wirklichkeit. Dass Lucinda sich einen Teil Asmodis einverleibt hat, um seine Macht zu erlangen, wird ihr zum Verhängnis. Der in ihr schlummernde Asmodi übernimmt die Kontrolle über ihren Körper und ersteht so tatsächlich wieder auf.

    Den Posten des Schiedsrichters nimmt die babylonische Vampirin Salamanda Setis an, die noch ein sehr persönliches Hühnchen mit Dorian zu rupfen hat. Gleichzeitig gelingt es Dorian mithilfe seiner Tochter Irene, ganz Großbritannien von Dämonen zu befreien. Allerdings sind Salamanda und Asmodi bereits dabei, einen Gegenschlag zu planen.

    Erstes Buch: Winchester House

    Winchester House

    von Christian Schwarz

    nach einem Exposé von Susanne Wilhelm

    Prolog

    San José, Kalifornien

    Solomon Keyes lenkte das alte Oldsmobile langsam über den Winchester Boulevard. Er behielt seine Zielperson, die ein Stück vor ihm fuhr, fest im Blick. Sie konnte ihm nicht mehr entkommen. Zumal sie keine Ahnung hatte, dass er sich bereits so dicht auf ihren Fersen befand.

    Die Zielperson bog in den Olsen Drive ab. Am Winchester-Haus vorbei ging es in den Water Witch Way, der diesen Block begrenzte. Die Zielperson fuhr den Buick an den Straßenrand, sah sich kurz um, stieg aus und ging zu einem der schicken Bungalows, die die schmale Straße säumten. Er trug die Hausnummer 585. Im Vorbeifahren sah Keyes, dass die Zielperson die Haustür aufschloss und im Haus verschwand. Er schaute kurz auf die Uhr. Es war genau vier Uhr und drei Minuten nachmittags.

    Keyes fuhr weiter, parkte seinen Wagen ein Stück die Straße hoch und ging den Weg zurück. Die erstaunten Blicke einiger Passanten, die seinem Aussehen galten, genoss er. Fast liebevoll strich er über seine Pistolen, als er an der Haustür von 585 Water Witch Way klingelte. Niemand öffnete ihm. So ging er ums Haus herum und schaute durch die Fenster, bemerkte aber niemanden. Keyes brach einen Seiteneingang auf, der unter einem Vordach lag und nicht einsehbar war. Mit gezogener Pistole ging er durchs Haus, das muffig roch und unbewohnt schien. Die Zielperson war nirgends auszumachen.

    Es dauerte nicht lange, dann stand Keyes vor des Rätsels Lösung. Ein Geheimgang im Keller, den die Zielperson erst vor Kurzem benutzt hatte. Keyes tauchte in das dunkle, feuchte Loch. Als er den Geheimgang wieder verließ, war es genau vier Uhr und dreiundfünfzig Minuten. Der Raum, in den er mündete, erstaunte ihn über alle Maßen.

    Bin ich in einem Schloss oder so was gelandet?, dachte er und lächelte amüsiert. Auch hier drinnen würde ihm die Zielperson nicht entkommen.

    1.

    Winchester Mystery House, San José

    Hillary Brancheau stand vor dem Spiegel und zog die Augenbrauen nach.

    »Wie lange dauert das denn noch?«, fragte Paul Cooke, der vor der halb geöffneten Tür wartete. »Die verschwinden bereits um die nächste Ecke. Gib Gas. Maggie hat dir eine halbe Minute gegeben.«

    »Ja, ja, bin schon fertig.« Hillary verstaute den Augenbrauenstift rasch in ihrer Handtasche. Sie glaubte nicht an Geister. Trotzdem war ihr die Vorstellung, in diesem unglaublichen Haus ihre Führerin zu verlieren, äußerst unangenehm. Sie hatte keine Lust, sich hier drin zu verirren. Und sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum.

    Plötzlich bewegte sich die Tür. Sie fiel so krachend ins Schloss, als habe sie jemand zugeschlagen! Die junge Frau erschrak heftig. Im ersten Moment glaubte sie an einen von Pauls berüchtigten Scherzen, die mitunter wenig sensibel ausfielen.

    »Was soll der Scheiß?«, rief sie zornig.

    Das Licht flackerte. Und ging ganz aus. Schlagartig stand Hillary in vollkommener Finsternis. Sie versteifte sich. Eiskalte Finger krochen über ihren Rücken. Ein leises bösartiges Kichern ließ sie zusammenzucken.

    Für eine Zehntelsekunde blitzte das Licht wieder auf. Und riss eine Gestalt aus der Finsternis, die direkt hinter ihr stand! Eine abgrundtief böse, gierige, lüsterne Visage starrte sie über ihre linke Schulter an.

    Hillary sah sie im Spiegel. Sie glaubte, ihr Herz müsse stehen bleiben. Die Vorstellung, dass ein Monster direkt hinter ihr in der Finsternis lauerte, brachte sie fast um den Verstand. Sie fuhr herum, schlug blind mit der Handtasche um sich und schrie sich die Seele aus dem Leib.

    Erst ein kräftiger Schlag auf die Wange brachte sie wieder zu sich. Paul stand mit bleichem Gesicht vor ihr und schaute sie entsetzt an. »Was ist bloß in dich gefahren, Hill?«, fragte er. »Warum hast du so fürchterlich geschrien? Das hat ja geklungen, als ob dich einer abschlachten will …«

    Hillary zitterte jetzt so stark, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Sie begann zu schluchzen, als Paul sie in den Arm nahm. Er streichelte über ihr Haar. »Ist ja gut«, murmelte er. »Beruhige dich bitte wieder, ich bin ja bei dir. Was war bloß los?«

    »Ja, das würde ich auch gerne wissen«, sagte Maggie Linn, die gerade eben das Badezimmer betrat.

    Maggie Linn gab die Tür frei, als der junge Mann mit dem Vollbart und den schulterlangen lockigen Haaren seine Freundin aus dem Badezimmer führte. War sie seine Freundin? Wohl schon. Sehr hübsch, teuer gekleidet, teure Handtasche. Aber ganz offensichtlich ein bisschen überdreht …

    Das plötzlich einsetzende hysterische Geschrei hatte auch die anderen Tourmitglieder wieder zurückgelockt. Nun standen sie dichtgedrängt im engen, dunklen Korridor und starrten sensationslüstern auf das Pärchen. Dem jungen Mann war das sichtlich peinlich. Die Frau, um die er fürsorglich den Arm gelegt hatte, schluchzte noch immer. Erst als sie die Wand aus Leuten vor sich sah, verstummte sie schlagartig. Der Mann reichte ihr ein Papiertaschentuch. Sichtlich verlegen tupfte sie ihre Tränen aus dem Gesicht.

    Maggie lächelte sie beruhigend an. »Sind Sie okay, Miss …?«

    »Danke, es … es geht schon wieder. Ich heiße Hillary«, erwiderte sie leise und stockend.

    »Und ich bin Paul«, stellte sich der junge Mann ungefragt vor und nahm zum ersten Mal seine Sonnenbrille ab. »Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Sie Hillary nicht mit irgendwelchem Geister-Hokuspokus erschreckt haben. Oder?«, stieß er scharf hervor.

    Maggie blieb ruhig. »Natürlich nicht, Paul. Wir machen hier keinen Hokuspokus.«

    »Tatsächlich? Dann haben sich die Gardinen im venezianischen Salon vorhin von alleine bewegt? Ich meine, obwohl nicht der kleinste Luftzug zu spüren war?«

    Das Gespräch wurde langsam unangenehm. Es gab tatsächlich Vorrichtungen für kleine Geistereffekte im Haus, darunter auch drei Wind- und zwei Soundmaschinen für geisterhaftes Geflüster. Maggie hob bedauernd die Hände. »Ich habe das nicht gesehen, tut mir leid. Von uns gemachte Spezialeffekte gibt es nur bei unseren Events an Halloween oder am Freitag, dem dreizehnten. Und das sind alles Lightshows.«

    »Ach, ja?«, mischte sich nun Hillary ein. Ihre Angst war wie weggeblasen, ihre Augen funkelten. »Und wie würden Sie das nennen, wenn plötzlich die Tür zufällt, das Licht ausgeht und mir im wieder aufzuckenden Licht eine Horrorgestalt über die Schulter schaut? Vielmals Entschuldigung, das ist ja auch eine Lightshow.«

    Die anderen Tourmitglieder begannen erregt zu murmeln.

    Was soll das Geschwätz?, dachte Maggie erbost. Welche Psychiatrie hat dir denn Freigang gewährt …? Die 43-Jährige machte den Job als Winchester Mystery House Tour Guide seit knapp 20 Jahren und hatte schon allerhand Typen erlebt. Aber derart hysterisch hatte sich noch niemand aufgeführt.

    »Was denn, die Badezimmertür soll zugefallen sein?«, fragte Paul verwirrt und ließ Hillary los.

    »Ja, sagte ich doch. Und dann wurde es schlagartig finster, und diese Halloween-Gestalt stand hinter mir. Wirklich super gemacht, das muss ich zugeben. Ein totenbleicher Mann mit Schnauzbart und Hut und tiefen, dunklen Ringen unter den Augen. Und aus den Augen lief Blut.« Hillary stieß ein zorniges Lachen aus. »Aber hören Sie mal, Maggie, was machen Sie beispielsweise mit Leuten, die kein so starkes Herz haben wie ich und bei der Show tot umkippen? Irgendwo verschwinden lassen?«

    »Aber … die Tür stand doch die ganze Zeit offen«, erwiderte Paul bestürzt. »Die ist nicht zugefallen, ich schwör’s dir. Ich konnte jederzeit ins Badezimmer schauen. Da drin ist es garantiert keine Sekunde dunkel geworden. Du hast plötzlich laut losgeschrien, aber da war es hell …«

    Da haben wir’s. Das Püppchen ist wirklich total überdreht, dachte Maggie erbost. Sie ärgerte sich über die unfreiwillige Verzögerung. Sie wollte die Tour pünktlich beenden, um nach Hause zu kommen. Heute Abend waren ihr Mann Burt und sie mit einem befreundeten Ehepaar zum Essen verabredet.

    Paul schien erst jetzt zu merken, welche fatalen Folgen seine offenen Worte für Hillary haben konnten. »Aber ist ja egal«, schob er schnell hinterher und lächelte bedauernd in Richtung der anderen. »So was kann schon mal passieren, wenn man übermüdet ist, oder? Sie hat beim Schminken wahrscheinlich einfach zu intensiv an die Geistergeschichten gedacht und sich dann plötzlich in was reingesteigert. So war es doch, Hill, nicht wahr? Du sagtest doch noch heute Morgen, wie schlecht du geschlafen hast.«

    Hillary setzte zu einer heftigen Erwiderung an. »J-ja, ich war schon den ganzen Tag müde«, erwiderte sie dann aber.

    Ah, sie hat’s also auch kapiert, dachte Maggie. Immerhin ist sie nicht blöd. Das ist doch schon mal was. Aber einen kriegt sie trotzdem noch mit …

    Maggie öffnete die Badezimmertür und knipste das Licht an. »Bitte kommen Sie noch mal mit mir ins Bad, Hillary«, sagte sie. Die junge Frau zögerte, trat dann aber mit Paul zusammen ein.

    »Sehen Sie selber«, sagte Maggie, während sich drei, vier andere an der Tür drängten, um ja nichts zu verpassen. Sie knipste das Licht aus. Da es ein kleines Fenster gab, verblieb der Raum in schwachem Licht. »Es kann um diese Zeit gar nicht vollkommen finster werden, wenn das Licht ausgeht. Ich hoffe, das beruhigt Sie. Die Geister des Hauses sind im Allgemeinen friedlich. Sie haben noch nie jemanden wirklich erschreckt.«

    »Also mich wundert das absolut nicht in dieser unheimlichen Umgebung«, sprang eine ältere, ziemlich beleibte Farbige Hillary bei. Sie trug schreiend bunte Kleidung und stand zuvorderst. »Ich habe meine fünf Sinne ansonsten beisammen, aber hier kann man schon mal Dinge sehen, die nicht existieren.«

    »Vielleicht ist Hillary sensibler als wir anderen und hat etwas gesehen, was tatsächlich existiert«, hörte Maggie eine männliche Stimme aus dem Hintergrund. »Das kann ja sein. Ich meine etwas, was wir anderen nicht mitkriegen würden, das sie aber sieht.«

    »So wie bei Shining, genau«, erwiderte eine Frauenstimme. »Das ist ja wirklich echt gruselig.«

    »Wir gehen weiter«, sagte Maggie Linn bestimmt, nachdem sie wieder aus dem Badezimmer getreten war.

    Ein älterer, hochgewachsener Mann mit weißen, streng gescheitelten Haaren und kantigem, glattrasiertem Gesicht, der Stoffhosen und ein grünes Poloshirt trug, klatschte in die Hände. »Das war wirklich eine super Vorstellung«, sagte er höhnisch in Richtung Hillarys und Pauls, »geben Sie ruhig zu, dass Sie ein Teil der Show sind, um uns den ganzen Geisterquatsch ein bisschen schmackhafter zu machen.«

    Blödsinn, dachte Maggie, die ihr Leben lang nicht an Geister geglaubt hatte. Und schon zweimal nicht an die des Winchester-Hauses. Das war wirklich nur der hysterische Ausbruch einer Bescheuerten gewesen.

    »Nein, das stimmt nicht«, antwortete Paul denn auch energisch. »Wir sind heute zum ersten Mal überhaupt in San José. Mit den Leuten hier haben wir nicht das Geringste zu schaffen.«

    Die Besucher redeten wild durcheinander, die Frau des Weißhaarigen, eine hübsche, gepflegte Mittfünfzigerin mit roten Haaren und einem bunten Hütchen, machte ihm Vorwürfe wegen seiner Worte.

    »Kommen Sie jetzt bitte mit.« Maggie drängte sich energisch durch die Menge und ging weiter durch den düsteren Korridor, an dessen Ende Licht durch ein Fenster fiel. Eine extra darauf getrimmte Diele knarrte vernehmlich, eine weibliche Stimme schrie erschrocken auf. Das Lachen zweier Männerstimmen antwortete. Ein paar Witze wurden gemacht.

    Wie leicht man sie doch erschrecken kann, dachte Maggie. Ein bisschen Knarren und Wispern, ein paar huschende Schatten und ein paar Vorhänge, die sich bewegen, und schon drehen sie vor Angst fast durch. Manche brauchen nicht mal das. Wie kann man bloß so naiv sein? Egal. Ich denke, dass ich heute Abend das rote Kleid anziehen werde. Oder doch das schwarze? Mal sehen …

    Durch eine der Türen rechterhand betraten sie ein großes, prunkvoll eingerichtetes Schlafzimmer mit Wänden aus Kirschbaumholz und Parkettboden. Ein großer Kleiderschrank stand an der Wand. Maggie wartete, bis sich die Besucher im Halbkreis um sie aufgereiht hatten. Sie lächelte.

    »Sie erinnern sich, dass ich bei Beginn der Tour versprochen habe, Ihnen alles über Sarah Winchester und ihr Mystery House zu erzählen, wenn wir den dafür am besten geeigneten Raum erreichen …«

    »Ein Schlafzimmer?«, fragte die Farbige ungläubig.

    »Nun, nicht ganz. Wir stehen kurz davor.« Maggie drehte sich und deutete mit ausgestreckten Armen auf den Schrank. »Bereiten Sie sich nun innerlich auf den mysteriösesten Raum vor, den das Winchester Mystery House zu bieten hat«, sagte sie in reißerischem Tonfall. »Wir betreten sogleich … Sarah Winchesters Seance-Zimmer, in dem sie fast achtunddreißig Jahre lang jede Nacht zwei Stunden lang mit den Geistern sprach! Mit speziellen Geistern allerdings, wie Sie gleich hören werden. Sie sind nämlich die eigentlichen Architekten dieses unglaublichen Hauses.«

    Maggie sah Gänsehaut bei manchen Mitgliedern der 21-köpfigen Gruppe. Nur eine Frau schien schon wieder nicht richtig zuzuhören, weil sie ständig auf ihrem Smartphone herumtippte.

    Dann bleib doch einfach weg, wenn’s dich nicht interessiert …

    Maggie öffnete die Schranktür. Die Besucher tuschelten, als sie durch den Schrank einen weißblau ausgekleideten Raum ohne jegliche Einrichtungsgegenstände betraten. Maggie wartete, bis sie sich im Halbkreis versammelt hatten. Ein junger Mann in rotem T-Shirt und knielangen ausgefransten Jeanshosen, der einen Rucksack auf dem Rücken trug, suchte zum wiederholten Mal ihre Nähe. Sie versuchte ihn zu ignorieren. Ihre Blicke streiften stattdessen Hillary. Was immer die Frau sich eingebildet hatte, es schien noch immer in ihr zu arbeiten. Sie wirkte fahrig, starrte vor sich hin und kaute auf ihrer Unterlippe herum.

    »Mrs. Sarah Winchester, die Erbauerin des Hauses, dürfte sicher jedem von Ihnen zwischenzeitlich ein Begriff sein«, begann Maggie ihren Vortrag. »Sie war die Frau des Gewehrfabrikanten William Winchester, dessen Vater Oliver das berühmte Repetiergewehr erfand, mit dem, einem geflügelten Wort zufolge, der Westen erst erobert werden konnte. Sie haben die verschiedenen Winchester-Modelle ja bereits im Museum gesehen.«

    »Ja«, erwiderte der Weißhaarige. »Damit konnten die Menschen nun im Sekundentakt erschossen werden. Allein von der berühmten Winchester dreiundsiebzig wurden siebenhundertzwanzigtausend Exemplare produziert. Wenn mit jedem Gewehr nur zehn Menschen erschossen wurden, was wohl deutlich zu niedrig gegriffen ist, kann man ja mal so ungefähr die Zahl derer hochrechnen, die mit sämtlichen produzierten Winchester-Modellen erschossen wurden. Manche Schätzungen belaufen sich auf hundert Millionen! Die ganzen Indianer. Der amerikanische Bürgerkrieg. Und bekanntlich setzte ja auch die osmanische Armee im russisch-osmanischen Krieg Winchester-Gewehre ein.« Er schaute sich Beifall heischend um.

    Maggie sah in eher peinlich berührte Gesichter. Vor allem die Frau des Wichtigtuers wäre am liebsten im Boden versunken. »Ah, Sir, Sie kennen sich aus«, erwiderte Maggie lächelnd. »Dürfen wir Ihren Namen erfahren?«

    Er nickte. »Natürlich. Ich heiße Albert Woodfox. Geschäftsführer im Ruhestand einer großen Pharmafirma aus dem Silicon Valley. Und schon immer an Waffen und Geschichte interessiert gewesen.«

    »Ich hätte Sie jetzt eher für einen Geschichtsprofessor gehalten, Sir«, erwiderte Maggie und hatte damit die Lacher auf ihrer Seite, während Woodfox sie feindselig anblickte. Unwirsch schüttelte er die Hände seiner Frau ab, die sich an seinen Oberarm geklammert hatte.

    »Wahrscheinlich wird uns Mister Woodfox gleich mitteilen, dass er die Tour übernimmt«, sagte der Kerl mit dem Rucksack grinsend. Auch er bekam einige Lacher.

    »Das ist dann doch noch mein Job«, wies Maggie ihn zurecht. »Dürfen wir auch Ihren Namen erfahren, Sir?«

    »Warum nicht, Maggie? Ich heiße Feltus Taylor. Architekturstudent in Berkeley.«

    »Wie schön für Sie, Sir.« Maggie rieb sich die Hände und versuchte nicht ständig die Handysüchtige anzustarren. »Also gut, kommen wir auf Sarah Winchester zurück. Sarah und ihr Mann William liebten sich sehr, das ist nachgewiesen. Im Jahr

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