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Raumkrank
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eBook330 Seiten3 Stunden

Raumkrank

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Über dieses E-Book

Verrückter Alltag in einem außerirdischen Krankenhaus.

Als einer der ersten Menschen beginnt der Mediziner Nero seinen Dienst in einer intergalaktischen Weltraumklinik.
Exotische Aliens, eigenwillige Technik und bürokratische Absurditäten gestalten die Arbeit jedoch um einiges fremdartiger und verwirrender als erwartet.
Als dann auch noch ein kriegerischer Angriff die
Klinik erschüttert, ist das Chaos perfekt.

RAUMKRANK - ein etwas anderer "Arzt-Roman", der
zumindest eines zeigt:

Außerirdische sind auch nur "Menschen".
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum12. Okt. 2017
ISBN9783741274671
Raumkrank
Autor

Tariq Nazar

Tariq Nazar, Jahrgang 1977, stammt aus Hamburg, wo er auch sein Medizinstudium absolvierte. Er arbeitet als Arzt im norddeutschen Raum und lebt mit seiner Familie in Schleswig-Holstein. "RAUMKRANK" ist sein Debütroman. Als humoristisch geprägtes Werk mit dennoch wissenschaftlichem Anspruch ordnet er selbst das Buch gerne als "SSFF" - "serious science - fun fiction"- ein.

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    Buchvorschau

    Raumkrank - Tariq Nazar

    soll...

    Kapitel 1 – Ankunft im Wunderland

     Nero Antimon traute seinen Augen nicht.

    Je weiter sich das kleine Raumschiff, in dem er saß,  der Station näherte, um so mehr erkannte er erst, wie riesig sie tatsächlich war.

    Zwar hatte Nero bereits als Bordarzt auf verschiedenen Handelsschiffen gedient und dabei fast alle der menschlichen Raumbasen und Werften gesehen, doch keine dieser Einrichtungen war auch nur annähernd so groß — wobei Größe bekanntermaßen etwas sehr relatives war.

    Insbesondere einzelne Objekte im freien Raum zählten zu den Dingen, deren Größeneinschätzung die recht beschränkte menschliche Wahrnehmungsfähigkeit regelmäßig an ihre Grenzen trieb.

    Allerdings erzeugten die zunehmend erkennbaren zahlreichen Raumfahrzeuge, die die Station gleich einem betrunkenen Bienenschwarm umschwirrten, inzwischen eine rechte genaue Vorstellung der räumlichen Verhältnisse — zumindest unter der mutigen Annahme, dass fremde Spezies ihre Schiffe nicht gerade in der Größe von Streichholzschachteln zu bauen pflegten.

    Das Ergebnis dieser Schätzung lieferte Nero unverändert die Information, dass die Raumstation gigantische Ausmaße haben musste.

    Umso unvorstellbarer erschien es ihm, dass die Einrichtung einzig und allein als Krankenhaus dienen sollte.

    Nero suchte vergeblich nach einem roten Kreuz, besann sich dann aber darauf, dass dies ein rein menschliches Symbol war und musste über seine eigene Naivität lächeln.

    Er war jedoch etwas verwundert, auch sonst keinerlei Hinweis auf die medizinische Funktion der Station ausmachen zu können.

    Wahrscheinlich war die Klinik einfach so bekannt, dass eine sichtbare Kennzeichnung nicht erforderlich war, denn wer erst einmal den Weg in dieses Sonnensystem gefunden hatte, wusste sicher auch, wo er hinwollte.

    Möglicherweise entsprach ja auch die äußere Form der Station bereits einem intergalaktischen Symbol für medizinische Hilfe, obwohl die Konstruktion eher strikt funktionell wirkte.

    Von weitem sah man zunächst nur die spindelförmige Form des Rumpfes, die am ehesten zwei an der Basis verbundenen Kegeln ähnelte, an deren beiden Spitzen die gewaltigen, runden Solarsegel leicht abgekippt ihre glitzernden Flächen dem orangen Zentralgestirn zuwandten.

    Nach einiger Zeit ließen sich jedoch weitere Details ausmachen, wie zum Beispiel, dass die beiden kegelförmigen Hälften des Stationskörpers in mehrere  einzelne Segmente unterteilt waren, die stufenartig aufeinandersaßen.

    Die Station drehte sich dabei langsam entlang der Längsachse, was zunächst nicht aufgefallen war, da die Sonnensegel keine erkennbare Bewegung zeigten.

    Nero hätte erwartet, mehr Lichter auf der Außenfläche des Rumpfes zu sehen, bis er sich überlegte, dass die Rotation zur Erzeugung einer künstlichen Schwerkraft dienen musste. Damit entsprach die gesamte Außenfläche dem Fußboden — und Fenster im Fußboden waren sicher nicht besonders praktisch.

    Die Fähre, in der Nero saß, flog auf den mittleren Teil der Station zu, wo sich als Verbindungsstück zwischen den beiden Kegeln ein gestreiftes Zylindersegment kleineren Umfanges befand.

    Je näher sie kamen, desto mehr andere Raumfahrzeuge gesellten sich zu ihnen. Nero bewunderte die vielgestalten Varianten, in denen die diversen Spezies ihre Raumschiffe konstruiert hatten. Die Palette reichte von einfachen geometrischen Formen bis zu gänzlich unförmigen Objekten, die mehr an mit Draht umwickelte Komposthaufen als an Raumschiffe erinnerten.

    Nero erschrak kurz, als sie ein Netz aus kanonenbewehrten Satelliten passierten, die wie aus dem nichts aufzutauchen schienen und die Station in einem kugelförmigen Orbit in alle Richtungen umgaben.

    Diese offene Zurschaustellung  militärischer Gewalt überraschte Nero etwas und passte nicht so recht zu seiner Grundvorstellung eines Krankenhauses.

    Bevor er diesem Gedanken jedoch weiter nachgehen konnte,  stoppte die Fähre plötzlich, als sich von den drei nächsten Satelliten wie Insektenschwärme kleine runde Objekte lösten und rasch näherten.

    Der Pilot der Fähre, der Neros Unruhe bemerkte, wandte sich zu ihm um.

    „Ist alles in Ordnung. Das sind nur die Lotsendrohnen. Die übernehmen den Anflug auf die Station. Uns Piloten wird ein sauberes Andocken hier offenbar nicht zugetraut."

    Nach einem verächtlichen Schnauben fügte er hinzu: „Wenigstens ist es auf diese Weise recht bequem."

    Mit dumpfem klonk-klonk, wie Regentropfen auf einem Blechdach, verankerten sich die kleinen Flugkörper auf dem Rumpf der Fähre und begannen, sanft zu ziehen.

    „Warum werden wir nicht einfach per Fernsteuerung über unseren Autopiloten hereingeholt?", fragte Nero verwundert.

    Der Pilot verschränkte die Arme und atmete hörbar aus.

    „Ganz einfach: Die Computer und Steuerungssysteme der verschiedenen Rassen sind so unterschiedlich, dass eine direkte Fernsteuerung viel zu kompliziert wäre.

    Und das Risiko, alle manuell fliegen zu lassen, wäre natürlich bei so vielen Schiffen und möglichen Andockplätzen enorm. Da ist diese Lösung mit den Drohnen deutlich sicherer. Die werden alle über die zentrale Anflugkontrolle gesteuert und wenn mal eine defekt sein sollte, sind genug andere da, um einen Unfall zu vermeiden. Klappt offenbar recht gut."

    Nero hatte den Eindruck, dass der Pilot nicht ganz so glücklich mit seiner aktuellen Untätigkeit war, wie er vorgab.

    „Und wenn man einfach manuell weiterfliegt?", fragte Nero weiter, etwas überrascht über seinen eigenen wagemutigen Gedanken.

    Der Pilot zuckte nur mit den Achseln.

    „Die Kanonen auf den Perimetersatelliten haben Sie ja sicher gesehen..."

    Das sprach wohl für sich selbst.

    Offenbar hielten sich auch alle Ankömmlinge an diese Prozedur, denn Kanonenfeuer hatte Nero bisher nirgendwo sehen können.

    Ihr Raumschiff bewegte sich nun wieder schneller auf die Station zu, während die Drohnen allmählich beschleunigten.

    Die Satelliten schrumpften zu winzigen Punkten, die sie hinter sich zurückließen.

    Die Fähre hielt weiter auf den gestreiften Mittelzylinder zu, dessen Streifenmuster — wie man nun sah —  durch eine Unterteilung in weitere Ringe verschiedenen Umfangs zustande kam.

    Aus den Seiten der Ringe ragten wie kleine Parasiten unzählige Raumfahrzeuge hervor, die dort offenbar in Andockposition verankert waren.

    Einige größere Schiffe flogen direkt in breite beleuchtete Hangars, deren Öffnungen sich seitlich an jedem zweiten der Ringe auftaten.

    Neros Fähre steuerte allerdings auf keinen der Hangars zu, sondern befand sich im Anflug auf eine der zahlreichen außen gelegenen Andockschleusen.

    Während die Lotsendrohnen langsam die Bewegung der Fähre mit dem Andockring synchronsierten, fühlte Nero wie die Schwerkraft zunahm. Seine Beine wurden schwerer und er spürte, wie sein eigenes Körpergewicht ihn in den Sitz presste. Die letztlich resultierende Gewichtskraft entsprach noch längst nicht irdischen Verhältnissen, dennoch fühlte es sich nach längerer Zeit in Schwerelosigkeit so an, als würde sich ein Elefant auf ihn setzen.

    Mit einem sanften Stoß vollendete die Fähre das Andockmanöver. Nero hörte das Surren der Servomotoren, die den beweglichen Schleusengang herausfuhren, bis schließlich unter Dröhnen und Zischen der Druckausgleich erfolgte.

    Nero fragte sich, welche Art von atmosphärischem Gasgemisch wohl gerade in die Schleuse gepumpt wurde.

    „Brauchen wir Atemgeräte oder Druckanzüge?", wandte er sich unsicher an den Piloten.

    Dieser schüttelte den Kopf.

    „Nein. Dieser Schleusenring ist für sauerstoffatmende Spezies eingerichtet. Luftdruck und Schwerkraft sind zwar etwas geringer als wir es gewohnt sind, ist aber unproblematisch."

    Erst jetzt wurde Nero allmählich bewußt, was ihm bevorstand:

    Er würde gleich eine Raumstation betreten, die nicht von Menschenhand gebaut wurde.

    Eine Station, die von unzähligen fremden Lebensformen bevölkert war, Lebensformen mit fremdartigen Körpern und noch fremdartigeren Krankheiten.

    Bei dem Gedanken daran wurde ihm schwindelig und sogar etwas übel — wobei dies natürlich auch Folge der Schwerkraft hätte sein können.

    Wie all diese Wesen wohl aussahen? Und wie sie wohl erst rochen?

    Es gab kaum einen Anblick, der Nero wirklich aus der Fassung brachte, nur bei Gerüchen war er sehr empfindlich.

    Er bildete sich gerne ein, dass dies einfach daran lag, dass er einen so feinen Geruchssinn hatte. Vielleicht war er aber auch einfach nur zu verwöhnt.

    Jetzt gab es ohnehin kein zurück mehr. Er würde sich diese einmalige Chance nicht durch den Ekel vor fremdartigen Ausdünstungen verderben lassen.

    Nach kurzer Zeit erhielten sie die Freigabe, von Bord gehen zu dürfen. Nero schulterte seinen Rucksack, den er als Handgepäck mitgenommen hatte, und stand auf. Wie von einer Sprungfeder angetrieben, hob er kurz ab, konnte aber gerade noch rechtzeitig einen Haltegriff erhaschen und damit seinen Sprung bremsen.

    Das war knapp!

    Um ein Haar hätte er sich an der Decke den Kopf gestoßen.

    Etwas ungewohnt.

    Neros Schätzung nach musste die Schwerkraft hier bei ungefähr 0,6 G liegen.

    Mit federnden Schritten begab er sich in Richtung Ausgangsschleuse, die Hände dabei nun stets an den Handläufen.

    Mit ihm waren noch fünf weitere Passagiere an Bord, darunter zwei weitere Ärzte, zwei Biologen und ein Psychologe.

    Sie alle warteten nun gespannt vor der Schleusentür. Bedauerlicherweise verfügte diese über keinerlei Fenster, so dass man nicht sehen konnte, was sich dahinter verbarg.

    Nach einigen schier endlosen Minuten öffnete sich endlich das irisartig geteilte Schott und gab den Blick frei auf...

    ...einen leeren Raum mit glatten, grauen Wänden, an dessen Ende sich ein weiteres Schott befand.

    Sehr spannend...

    Nero war enttäuscht. Er hatte gehofft, dass ihn hinter den fremden Toren sofort eine bunte, fremdartige Welt erwarten würde, die von drängendem Leben angefüllt war.

    Dieser kahle Raum war das strikte Gegenteil davon.

    Als die Gruppe den Raum betreten hatten, öffnete sich eine Klappe an der Decke und eine Art Bildschirm kam herausgefahren. Auf dem Boden leuchteten in der Mitte des Raumes plötzlich sieben gelbgrüne Kreise auf. Der Bildschirm zeigte nun das Bild einer humanoiden Lebensform.

    Nero war überrascht, wie menschlich die Gestalt aussah, bis ihm auffiel, dass die Gestalt ein Mensch war. Und zwar handelte es sich um das Abbild eines der anderen Passagiere — komplett mit Kleidung und Gepäck, so wie er gerade aus der Schleuse gekommen war.

    Vor dessen Füßen tauchte auf dem Fußboden ein leuchtender Punkt auf, der sich blinkend zu einem der Kreise bewegte. Als der Leuchtpunkt den Kreis berührte ertönte ein Brummton, der Kreis blinkte kurz etwas heller und das ganze begann von vorn. Staunend blickten die Passagiere auf den wandernden Leuchtpunkt am Boden, als sei es das spektakulärste, was sie je gesehen hatten.

    Hinter sich hörte Nero das genervte Schnaufen des Piloten, der ihnen inzwischen gefolgt war.

    „Meine Güte! Was meinen Sie wohl, was das bedeuten könnte?? Wollen Sie morgen noch hier stehen??"

    Aufgeschreckt blickte sich der betroffene Biologe um und folgte dann zügig dem Leuchtpunkt zu dem für ihn bestimmten Kreis.

    Kopfschüttelnd ging nun der Pilot nach vorne, ein gemurmeltes „Wissenschaftler!" von sich gebend.

    Einer nach dem anderen tat es ihm gleich, bis jeder in einem der Kreise stand.

    Dann geschah eine zeitlang gar nichts.

    So schien es zumindest.

    „Was passiert denn jetzt?", fragte Nero ungeduldig.

    Der Pilot wirkte sichtlich ungehalten, antwortete aber dennoch:

    „Wir werden alle auf Kontamination oder sonstiges Gefahrenpotential untersucht und gegebenenfalls dekontaminiert."

    Nero blickte sich mehrfach um und lauschte.

    „Und wann geht das los?"

    „Läuft doch schon!, brummte der Pilot. „Nur weil Sie nichts hören, heißt das ja nicht zwingend, dass auch nichts passiert!

    „War ja nur 'ne Frage", murmelte Nero, mehr zu sich selbst.

    Wieder vergingen einige lange Minuten.

    Wie aus heiterem Himmel verdunkelte sich plötzlich der Raum und unter dem Dröhnen einer Alarmsirene fuhren rot blinkende Signalleuchten aus der Decke.

    Der Kreis unter dem Psychologen begann, in einem hektischen rot zu blinken.

    Aus dem Boden schossen daraufhin dünne, spinnenartige Greifarme hervor, die anfingen, an den Taschen des Psychologen herumzuzupfen, bis sie plötzlich etwas zu Tage förderten, was aus Neros Entfernung aussah, wie ein angebissener Apfel.

    Dieser wurde schwungvoll in eine Ecke des Raumes geworfen, wo er zielsicher in einer Öffnung im Boden verschwand.

    Das Licht ging wieder an und der Raum umgab die verwunderte Gruppe mit gewohnter Stille.

    Merklich wütend fuhr der Pilot den Psychologen an:

    „Ich hatte Ihnen doch gesagt: keine unverpackten Lebensmittel!!"

    Mit beschämtem Lächeln hob der Psychologe die Achseln und blickte entschuldigend in die Runde.

    „Ich kann diese abgepackte Synthetiknahrung nicht leiden und der Flug war lang..."

    Mit brummenden Lautäußerungen oder schweigenden Blicken rügten die Mitreisenden den Dissidenten.

    Wobei Nero dessen Bedürfnis nach kulinarischer Abwechslung durchaus verstehen konnte.

    Die erfolgte „Dekontaminations-Prozedur" erschien ihm in dieser Hinsicht schon etwas übertrieben.

    Nach einer weiteren kurzen Phase des Wartens änderten die Kreise am Boden ihre Farbe in ein freundliches Blau und hinter jedem Passagier tauchte einer der mechanischen Greifarme aus dem Boden auf.

    Ängstlich blickten sich die Betroffenen um, bis der Pilot mit fester Stimme sagte: „Einfach ruhig stehen bleiben und nach vorne sehen. Das wird nicht wehtun."

    „WAS wird nicht wehtun??", entfuhr es Nero, etwas schriller und panischer im Tonfall, als er beabsichtigt hatte.

    Er fühlte eine leichte Berührung in seinem Nacken, die allerdings sofort in ein angenehmes Wärmegefühl umschlug. Nero entspannte sich etwas und nach einem kurzen, leisen Zischen verschwanden die Instrumentenarme wieder im Boden.

    „Jeder, der neu an Bord kommt, bekommt zur Begrüßung erstmal 'n PILS, einen persönlichen Identifikations- und Lokalisierungs-Sender, erläuterte der Pilot. „Das ist quasi Ihre Entrittskarte für das Krankenhaus und alle Bereiche, in denen Sie sich aufhalten dürfen. Außerdem kann man Krediteinheiten für die Kantine draufladen.

    Instinktiv griff sich Nero in den Nacken, konnte aber außer Haut und Haaren nichts besonderes fühlen.

    „Wo genau befindet sich der Sender jetzt?", kam ihm einer der ärztlichen Kollegen mit seiner Frage zuvor.

    „Sie sind der Arzt — so genau weiß ich das nicht. Irgendwo zwischen den Nackenmuskeln und dem Schädel. Die Scanner suchen sich wohl bei jeder Spezies je nach den anatomischen Gegebenheiten einen geeigneten Ort aus.

    Geeignet heißt in diesem Fall wohl, in einem Bereich des Körpers, den man nicht so ohne weiteres durch eine Verletzung einbüßen kann — zumindest nicht, ohne dabei gleich das Zeitliche zu segnen. Außerdem will man wohl verhindern, dass Körperteile gezielt abgetrennt werden, um mit den Sendern irgendwelchen Missbrauch zu betreiben."

    Diese Ausführungen erschienen Nero recht makaber, wobei er sich fragte, ob dieses Vorgehen aufgrund rein theoretischer Erwägungen zur Anwendung kam, oder aufgrund praktischer Erfahrungen.

    „Aber woher weiß denn der Sender, wer wir eigentlich sind?, fragte der Psychologe in den Raum hinein. „Müssen wir uns denn vorher gar nicht identifizieren?

    Ein leicht angespanntes Schnaufen des Piloten deutete an, dass dieser seine primäre Bestimmung nicht unbedingt darin sah, sich als wandelnde Informationsbörse zu betätigen.

    Da jedoch alle übrigen Anwesenden unwissende Neulinge waren, erbarmte er sich:

    „Da nach der erfolgten Sicherheitsüberprüfung keiner von Ihnen als Gefahr oder als kranker Patient eingestuft wurde, haben Sie vorerst eine Besucherfreigabe für alle öffentlichen Bereiche. Die nächsthöheren Freigabestufen erhalten Sie später jeweils durch autorisiertes Personal, das sich dann eingehender damit beschäftigen wird, ob Sie wirklich diejenigen sind, die Sie vorgeben, zu sein."

    Diese Antwort schien vorerst die Neugier aller Anwesenden zu befriedigen, da — zur sichtlichen Erleichterung des Piloten — keine weiteren Nachfragen folgten.

    Als Nero kaum noch darauf zu hoffen wagte, teilte sich endlich das Schott vor ihnen und der Zugang zum Ankunftsbereich der zwölften intergalaktischen Weltraumklinik stand ihnen offen.

    Nero Antimon gab sich einen kurzen inneren Ruck und betrat mit leicht federnden Schritten seinen neuen Arbeitsplatz.

    Kapitel 2 – Erstkontakt 

     Zu Neros großem Bedauern wirkte der Ankunftsbereich nicht gerade aufregend und alles andere als „neu".

    Nach dem Durchschreiten der Schleuse stand er nun in einem recht hohen und hellen Korridor, der sich nach links und rechts schier endlos zu erstrecken schien.

    In der Ferne war erkennbar, wie sich Decke und Boden allmählich nach oben krümmten, was die Ringform der Station erahnen ließ. Boden und Wände waren zwar sauber, allerdings waren Spuren einer regelmäßigen Benutzung unübersehbar. Überall zeigten sich Kratzer, Beulen und Reste von Flecken verschiedenartiger undefinierbarer Substanzen.

    Einige Wandbereiche waren mit Farbschmierereien bedeckt, deren Ursprung jedoch nicht immer klar zu deuten war. Während einige Strichmuster an Schriftzeichen erinnerten, gab es auch Areale, die zwar nach koordinierten Farbkleksen aussahen, allerdings auch einfach exotischen Exkrementen entsprechen mochten.

    Bei genauerer Beobachtung erkannte Nero mehrere flache Geräte, die sich an allen Flächen langsam entlang bewegten und offenbar eine Art von Reinigungsrobotern darstellten.

    Echte Außerirdische waren in ihrer unmittelbaren Umgebung jedoch nicht zu sehen. In einiger Entfernung konnte Nero die Silhouetten einzelner Lebensformen erahnen, die teilweise humanoid wirkten, mitunter aber auch gänzlich fremd aussahen.

    (Hierbei mag erschwerend hinzukommen, dass es für das unbedarfte menschliche Auge nicht immer einfach ist, nichtmenschliche Reisende von deren Gepäck oder mitgebrachten Snacks zu unterscheiden  — ein Umstand der zu diesem Zeitpunkt von Nero allerdings noch nicht einmal ansatzweise bedacht wurde).

    Aufgrund der Entfernung waren jedoch keine Details zu erkennen, was Nero wiederum sehr unerfreulich fand.

    Er war so sehr mit dem Blick zu den Seiten beschäftigt, dass er beinahe übersehen hätte, wie von vorne eine Gestalt auf ihre Gruppe zusteuerte.

    Zu Neros Bedauern handelte es sich dabei allerdings um keine fremde Lebensform, sondern um einen hageren Mann mittleren Alters in einem langweiligen Geschäftsanzug.

    Noch ehe er die Gruppe erreichte, fing dieser bereits an, unter ausladenden Gesten und mit übertriebener Lautstärke zu reden.

    „Herzlich willkommen, meine sehr verehrten Damen und ...", begann er, hielt jedoch kurz inne, als seinem unruhigen Blick auffiel, dass die Gruppe nur aus männlichen Vertretern bestand.

    „Nun, äh, meine sehr verehrten Herren! Mein Name ist Laurentius Van der Mark, offizieller Botschafter der Behörde für extraterrestrische Beziehungen! Es ist mir eine große Freude, Sie hier an Bord der zwölften intergalaktischen Weltraumklinik begrüßen zu dürfen!"

    Es war erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit und Selbstherrlichkeit der Mann seinen Titel gebrauchte, bedachte man, dass die sogenannte „Behörde für extraterrestrische Beziehungen" erst vor einigen Monaten gegründet wurde. Da nur ganze Völker und keine Einzelstaaten der intergalaktischen Völkergemeinschaft beitreten konnten, hatte man aus der Not heraus diese Behörde als offizielle Vertretung der menschlichen Rasse ins Leben gerufen.

    Denn ein echter Zusammenschluss in Form einer gemeinsamen Regierung war den unterschiedlichen irdischen Staatenbünden nicht einmal ansatzweise gelungen.

    Man hatte sich jedoch darauf verständigen können, je nach der Einwohnerzahl Abgesandte aus allen Regionen zu schicken, wobei für die Verhandlung über die genaue Anzahl dieser Abgesandten auch von Bedeutung war, ob die betroffenen Staaten sich an Raumfahrtprogrammen beteiligten. Natürlich spielten auch finanzielle und militärische Mittel eine nicht unwesentliche Rolle, was jedoch von den meisten Staatsoberhäuptern gerne unerwähnt blieb.

    Die so gegründete „Behörde" besaß hierbei keinerlei Regierungsgewalt, sondern sollte allein dem Wissenserwerb und Kulturaustausch dienen. Sehr zum Unmut einiger größerer Staatenbünde musste man übereinkommen, alle neuen Informationen und insbesondere technisches Wissen allen Menschen frei zugänglich zu machen, was vorallem den Geheimdiensten und Militärs schlaflose Nächte bereitete.

    Da die Alternative jedoch gewesen wäre, überhaupt keinen Kontakt zu anderen Zivilisationen aufnehmen zu können — und damit gar kein neues Wissen zu erlangen — hatten schließlich alle Regierungen, teils zähneknirschend, eingewilligt.

    Eine echte Organisationsstruktur innerhalb dieser sehr provisorischen Behörde gab es bislang nicht. Jeder Abgesandte versuchte einfach überall dort „mitzumischen, wo es vermeintlich etwas Spannendes zu erfahren gab. Da dies im Augenblick praktisch in allen nichtmenschlichen Einrichtungen der Fall war (wovon mehr als genug existierten), gab es auch wenig „Revierstreitereien.

    In dieser Frühphase der Eingliederung war man allerdings im Regelfall auf die Einladung eines anderen Volkes angewiesen, das der Menschheit einen diplomatischen Posten anbot. Da sich die meisten Rassen von einer neuen Spezies auch neue Handelsmöglichkeiten erhofften, geschah dies jedoch recht oft. War erst einmal ein offizieller Botschafter auf einem Planeten oder einer Raumstation eingesetzt, durften Schiffe aller menschlichen Raumfahrtvereinigungen den Ort anfliegen — eine Lösung die bisher erstaunlich vorfallsfrei funktionierte.

    Nichtmenschliche Botschafter auf menschlichen Stationen gab es bislang noch nicht — allerdings gab es Gerüchten zufolge erste Anfragen (Nicht alle dieser „Anfragen" waren gleichermaßen attraktiv. Beispielsweise hatte sich recht früh die Regierung der Shmampfh erkundigt, ob die Menschheit zum Aufbau guter Beziehungen einen Teil der Bevölkerung als Lebendfutter zur Verfügung stellen würde — was jedoch mit höflicher Bestimmtheit abgelehnt wurde).

    Einen Sonderfall stellten speziesübergreifend betriebene Einrichtungen, wie Versorgungsstationen, Verkehrsknotenpunkte oder eben Hospitäler dar, die auch ohne einen aktiven Botschafterposten von allen Völkern angeflogen werden durften.

    Dieser Umstand raubte der tatsächlichen „offiziellen Funktion" des Herrn Van der Mark jegliche ernstzunehmende Grundlage, was ihn selbst jedoch wenig zu stören schien.

    In gleicher überschwänglicher Manier fuhr er fort:

    Ich hoffe, dass Sie Ihren Flug gut überstanden haben und darf  Sie — wenn Sie erlauben — mit einigen Informationen über die örtlichen Gegebenheiten beehren, während ich Sie zu Ihren Unterkünften geleite.

    Nach der eher widerwilligen Auskunftsbereitschaft des Transportpiloten war die Aussicht auf wissenswerte Dinge jeder Art schon recht erfreulich. Nero war sich aufgrund des Auftretens des Botschafters allerdings nicht sicher, ob dieser sie wirklich mit nützlichen Informationen versorgen würde. Wahrscheinlich versuchte der Diplomat bloß, die Gruppe von Wissenschaftlern an sich zu binden, um möglichst hautnah alles mitzubekommen, was sie während ihres Aufenthaltes in Erfahrung brachten.

    „Ich habe bereits mit der Stationsverwaltung alle notwendigen Formalitäten abgewickelt und dafür gesorgt, dass Ihr weiteres Reisegepäck zu Ihren

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