Bildungsprozesse in Kindergarten und KiTa
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Buchvorschau
Bildungsprozesse in Kindergarten und KiTa - Bernd Groot-Wilken
C
Was sind Basiskompetenzen?
C.1 Beobachten – Dokumentieren – Planen
Im vorhergehenden Kapitel sind aus den Bildungsvereinbarungen vier zentrale Aspekte des professionellen Handelns von Fachkräften abgeleitet worden. In diesem Buch wird hauptsächlich auf die Aspekte ›Beobachten – Dokumentieren und Planen‹ eingegangen. Im Folgenden sollen diese drei Aspekte als Basiskompetenzen bezeichnet werden.
Optimale Förderung und Begleitung von Kindern in Bildungs- und Erziehungsprozessen ist nicht intuitiv und zufällig möglich. Eine gezielte, auf Fähig- und Fertigkeiten, Interessen und Bedürfnisse von Kindern abgestimmte Förderung bedarf einer ebenso gezielten und detaillierten pädagogischen Planung. Dabei müssen Fachkräfte im Planungsprozess auf Wissen über die Kinder und deren Lebenswelt zurückgreifen können. Dieses Wissen über die Kinder kann unterschiedliche Quellen haben, beispielsweise ist durch Gespräche mit Eltern einiges über Kinder zu erfahren. Aber noch viel ergiebiger sind die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen der Fachkräfte. Diejenigen, die sich bei ihrer pädagogischen Planung nicht an ihren Adressaten orientieren, verpassen die Möglichkeit einer optimalen Förderung und Begleitung.
Einer pädagogischen Planung geht also in der Regel eine Situationsanalyse voraus, die sich im Wesentlichen auf Beobachtungen der Fachkraft bezieht. Damit kommt der Beobachtung eine zentrale Rolle im Bildungs- und Erziehungsgeschehen zu. Die Ergebnisse von Beobachtungsprozessen bilden die Grundlage für eine gezielte pädagogische Förderung und Begleitung sowie für die Gestaltung eines optimalen Lernumfeldes. Beobachtung kann dann kein zufälliges Handeln im Alltag von Fachkräften sein, sondern muss Bestandteil der Konzeption eines professionellen pädagogischen Handelns bzw. Ansatzes sein. Beobachtung ist ebenso wie die pädagogische Planung …
kein zufälliges Produkt, das aus dem Alltag resultiert,
kein Ergebnis spontaner Ideen,
nicht abhängig von Jahreszeiten, Festen oder Feiertagen oder
nicht das Ergebnis eines Top-down-Prozesses, also einer neuen Handlungsweise durch Anweisung des Trägers oder aus der Verpflichtung der Bildungsvereinbarung heraus.
Beobachtung und Planung sind professionelle Handlungskompetenzen, Basiselemente für eine effiziente und effektive Pädagogik.
Dokumentation ist nicht einfach nur die schriftliche Fixierung von Beobachtetem oder Geplantem. Vielmehr wird durch eine gute Dokumentation der individuelle Blickwinkel der Fachkräfte um die Perspektiven von anderen Beteiligten, wie beispielsweise Kinder und deren Eltern, erweitert. Dokumentation ist ein lebendiger und methodenreicher Prozess, Geschehnisse und Personen in einer multiperspektivischen und methodenreichen Art über einen langen Zeitraum festzuhalten bzw. zu beschreiben und für die weitere pädagogische Arbeit nutzbar zu machen. Über einen langen Zeitraum ist keine Fachkraft in der Lage, sich Details über Kinder, Geschehnisse oder Entwicklungsverläufe angemessen zu merken. Eine geeignete Form der Dokumentation stellt hierbei das Portfolio (Modul 3) dar.
Zwar stellt die Zusammenarbeit mit Familien einen wichtigen Bereich der pädagogischen Arbeit und Kooperation in Tagesstätten dar. Sie ist auch in vielerlei Hinsicht wichtig, um Kinder in ihrer Bildungsgeschichte optimal begleiten zu können, dennoch ist es zunächst einmal wichtiger, die zentralen Basiskompetenzen von pädagogischen Fachkräften zu betrachten und professionell weiterzuentwickeln.
C.2 Partizipation und individuelle Förderung
Das Zusammenspiel von ›Beobachtung – Dokumentation und pädagogischer Planung‹ ermöglicht eine kindorientierte Pädagogik, d.h. eine an den Fähig- und Fertigkeiten, Interessen, Wünschen und Bedürfnissen orientierte Pädagogik, die eine gezielte individuelle Förderung und Begleitung von Kindern in sozialen Strukturen (Kindergruppe etc.) ermöglicht und somit bestmögliche Voraussetzungen für gelungene Bildungsprozesse schafft.
Mit individueller Förderung ist hier nicht gemeint, dass Kinder nur einzeln gefördert werden sollen. Individuelle Förderung meint hier vor allem, das einzelne Kind gut zu kennen, dessen Entwicklungsstand und Interessen, und dieses Wissen als wertvolle Informationsquelle und Grundlage für die pädagogische Planung von Prozessen und Aktivitäten zu nutzen. Die Balance entsteht bei der Berücksichtigung von partizipatorischen Prozessen – also der Einbindung der Kinder in Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse. Wenn Kinder an ihren eigenen Bildungsprozessen verantwortlich beteiligt werden und wenn sie eigene Lernstrategien und -ziele entwickeln – zu Beginn eher noch intuitiv –, dann ist die Beteiligung an der Gestaltung und Entscheidung über Lerninhalte zwangsläufig. Beteiligung ist nicht immer nur ein demokratischer Prozess in verbalisierter Form, wie beispielsweise in Gesprächsrunden oder Einzelgesprächen. Beteiligung bedeutet auch, dass die Ergebnisse der Beobachtungen durch die Fachkräfte als Grundlage für die pädagogische Planung von Prozessen und Aktivitäten dient. Diese Art der »passiven« Mitbestimmung setzt allerdings eine Grundhaltung der Fachkräfte voraus, die sich aus dem Folgenden ergibt.
Pädagogische Fachkräfte verstehen Kinder als …
aktiv Lernende, die selbstständig handeln,
Konstrukteure ihres Lernens, die als aktive Beobachter, Teilnehmer und Gestalter der Welt agieren,
Menschen, die in sozialen Zusammenhängen interagieren und lernen,
Menschen, die durch ihre Handlungen und insbesondere durch das Spiel lernen,
Menschen, die selbstbestimmt entscheiden können und wissen, was sie interessiert und beschäftigt,
Menschen, die ihr Lernumfeld mitgestalten, das ihren Fähig- und Fertigkeiten, Interessen, Wünschen und Bedürfnissen entspricht,
individuelle Wesen, die ihre eigenen Ausdrucksformen und Vorstellungen haben und diese mitteilen können.
Pädagogische Fachkräfte verstehen sich dabei als …
Begleiterinnen, die Kindern emotionale Sicherheit und Zuwendung in festen sozialen Beziehungen bieten,
Dialog- und Interaktionspartnerinnen der Kinder,
Gestalterinnen eines anregenden Lernumfeldes sowie von herausfordernden und angemessen Prozessen und Aktivitäten.
C.3 Handlungs- und entwicklungsorientierte Themen
Kindorientierte Pädagogik orientiert sich an den Themen, die die Kinder mitbringen und in sich tragen. Dabei sind nicht nur oberflächliche Themen wie beispielsweise Feuerwehr, Dinosaurier oder Tiere gemeint oder Fragen wie: Warum scheint die Sonne? Wie kommt das Baby in Mamas Bauch? Warum können Autos fahren?
Natürlich sind diese Themen gute Anlässe für vielseitige gezielte Planungen und geben Informationen über das, was die Kinder beschäftigt. Aber das Verständnis einer kindorientierten Pädagogik geht weiter. Auch die kognitiven, sprachlichen, motorischen und sozial-emotionalen Fähig- und Fertigkeiten, die Kinder in unterschiedlich ausgeprägter Form haben, sind Themen der Kinder. Diese äußern sich nicht durch Bekundungen der Kinder oder durch gezielte Fragestellungen, ergeben sich aber aus den systematischen und kontinuierlichen Beobachtungen. Diese beiden Bereiche der Themen, die für die Planung ausschlaggebend sein sollen, sind zum einen die handlungsorientierten Themen und zum anderen die entwicklungsorientierten