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Ausdauernd erfolgreich: Ein autobiographicher Ratgeber
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eBook209 Seiten3 Stunden

Ausdauernd erfolgreich: Ein autobiographicher Ratgeber

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Über dieses E-Book

In diesem Buch lässt der Nordische Kombinierer Mario Stecher seine Karriere, die 1994 mit einem Rekordsprung am Holmenkollen in Oslo begann und 2014 mit Olympia-Bronze in Sotchi einen letzten Höhepunkt erfuhr, Revue passieren und spricht von der Entwicklung seiner Sportart, von Trainern und Funktionären, von Teamkameraden, Konkurrenten und der Rolle der Skiindustrie. Es entsteht das Bild einer Sportart, die sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte gewandelt, den familiären Charakter aber nicht verloren hat.
Das Werk des zweifachen Olympiasiegers (2006, 2010) und Doppelweltmeisters von 2011 (immer in den Mannschaftsbewerben) ist allerdings viel mehr als eine klassische Sportlerbiographie. Stecher geht in den verschiedenen Kapiteln auf unterschiedliche Stadien seiner Karriere ein und zieht einen roten Faden, der beim Erwerb von Kenntnissen und der Definition von Plänen beginnt und über Herausforderungen, Widerstände, Strategien, Verantwortungsbewusstsein, Respekt hin zu Emotionen und Erfolgen führt. Somit kann die Laufbahn Stechers, der einer der prominentesten Nordischen Wintersportler Österreichs der jüngsten Vergangenheit ist, symbolisch für die Karrieren und Karriereplanungen von jedem von uns stehen: Man gelangt an die Spitze, wenn man ausdauernd erfolgreich ist.
SpracheDeutsch
HerausgeberEgoth Verlag
Erscheinungsdatum27. Feb. 2017
ISBN9783903183506
Ausdauernd erfolgreich: Ein autobiographicher Ratgeber

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    Buchvorschau

    Ausdauernd erfolgreich - Mario Stecher

    VORWORT

    zur 1. Ausgabe im Frühjahr 2015

    WIE ALLES ENDETE …

    Noch ein paar Stockeinsätze, dann bin ich im Ziel – wie schon öfters in dieser Saison wieder einmal irgendwo im Mittelfeld. An diesem 24. Januar 2015 sollte es der 19. Platz werden. Der Tag hat sehr gut begonnen, mit einem neunten Rang auf der Schanze. Er hätte besser enden können. Im 10-Kilometer-Langlaufrennen hatte ich herausragend schlechte Ski erwischt. Die wechselnden Wetter- und Schneeverhältnisse mit Temperaturen um die null Grad Celsius hatten es unserem Wachsteam nicht leicht gemacht. Die Pause zwischen Sprung und Lauf war kurz, es gab somit nur wenig Zeit zum Testen. Ich startete fünf Sekunden vor dem Japaner Akito Watabe, der sicher kein besserer Läufer ist als ich. Er kam als Zweiter 1,8 Sekunden hinter Eric Frenzel ins Ziel, mein Rückstand betrug 1:18 Minuten.

    Und so stehe ich im Zielraum des Langlaufstadions in Sapporo, 9000 Kilometer Luftlinie von meiner Frau und meinen Kindern entfernt, und suche nach dem Rucksack mit meinen Sachen. In meinem Kopf trage ich einen Kampf mit mir selbst aus. Tags zuvor war ich 32. geworden. Man hatte uns mitgeteilt, dass die Besseren aus unserem Team zum Weltcup nach Predazzo reisen würden. Dort musste ich allerdings unbedingt dabei sein, wollte ich mich noch für die Weltmeisterschaft in Falun qualifizieren. Mein Sprung in Sapporo war sehr gut gewesen, vielleicht der beste in diesem Winter. Auf der Schanze passt meine Form also. Und was die Loipe betraf – also bitte, mit solchen Geräten unter den Füßen war wirklich nicht mehr drin gewesen. Jeder, der das Rennen gesehen hatte und die Umstände kannte, würde mir recht geben. Wie immer dem sei, ich hatte mich an beiden Tagen innerhalb des österreichischen Teams nicht so schlecht geschlagen. Besser geht’s immer, schon klar. Aber ich muss keinen Gedanken daran verschwenden, dass mich der Trainer aus der Mannschaft nehmen könnte.

    Der Rückflug von Japan nach Mitteleuropa ist lang. In zwölf, dreizehn Stunden gibt es viel Gelegenheit zum Essen, Schlafen, Lesen und Reden. Im Gespräch mit unserem Sprungtrainer Falko Krismayr, der in Sapporo auch der Chefcoach gewesen war – Christoph Eugen, der eigentliche Cheftrainer war leider nicht mitgereist – skizziere ich ein Szenario, das ich selbst nicht als realistisch betrachte: Sollte ich in Predazzo nicht dabei sein, dann wäre meine Karriere wohl vorbei. Wir sehen einander an, ich muss ein wenig grinsen – was man halt so redet, wenn der Flug lang ist.

    Carina, meine Frau, holt mich vom Flughafen in Innsbruck ab, und wir fahren nach Hause. David und Luis, unsere Kinder, fallen mir um den Hals, als ich dort ankomme. Die Tür unseres Hauses in Leins fällt hinter mir zu und lässt den Job draußen. Ich fühle mich glücklich und zufrieden. Berufliches und Privates zu trennen war für mich nie einfach, doch ich bemühe mich, mein Familienleben nicht mit den Schwierigkeiten und Herausforderungen des Berufsalltags zu vermischen.

    Tags darauf gehen Carina und ich in Seefeld langlaufen. Das ist zunächst einmal als Zeit „für uns" gedacht. Aber an diesem Montag, dem 26. Januar 2015, endet unversehens meine Laufbahn als Nordischer Kombinierer in der Weltcup-Mannschaft Österreichs. Sie hatte fast genau zweiundzwanzig Jahre zuvor in Saalfelden mit meiner ersten Teilnahme an einem Weltcup begonnen, und die Art und Weise, wie sie endet, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

    Gilo – das ist der Spitzname unseres Cheftrainers – ruft mich am Handy an. Wir tauschen ein paar belanglose Floskeln aus, bevor er sagt: „Die Entscheidung ist so, dass du in Val di Fiemme nicht dabei sein wirst."

    Mir bleibt fast der Atem weg. „Warum?"

    „Du hast deine Chancen gehabt, und ich entscheide mich gegen dich."

    „Aber du weißt schon, wie das Resultat in Sapporo zustande gekommen ist?"

    „Ja, darüber habe ich mich informiert."

    „Ich muss deine Entscheidung akzeptieren, Gilo. Wir haben einander nichts mehr zu sagen."

    Ich beende das Telefonat abrupt. Innerlich raste ich fast aus. Ich sage Carina, dass ich mich jetzt abreagieren muss, und lege auf den Loipen von Seefeld die wohl schnellsten fünf Kilometer meiner gesamten Karriere zurück.

    Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt habe, rufe ich Ernst Vettori an, den Nordischen Sportdirektor des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV). Ich mag ihn sehr, wir haben Jahrzehnte miteinander verbracht. Vettori ist trotz seiner Verbandsfunktionen in erster Linie Sportler, sogar Olympiasieger, und kann sich daher als Sportdirektor ungleich besser in seine Athleten hineinversetzen als andere. Er hört mir aufmerksam zu, zeigt sich verständnisvoll wie immer und bedauert die Situation. Er kann sie aber nicht ändern. „Mario, du weißt so gut wie ich, dass ich mich nicht gegen einen Cheftrainer stellen kann. Das wäre ein Misstrauensbeweis, da könnte ich ihn auch gleich rauswerfen."

    Bis Mittwoch hoffe ich noch auf ein kleines Wunder. Ich stelle mir vor, dass noch ein Anruf kommt, der meine Karriere verlängern wird. In meiner Phantasie liegt meine Laufbahn auf der Intensivstation, und ich höre mich sagen: „Die nächsten 48 Stunden entscheiden".

    Wie alle wissen, hat sie es nicht geschafft. Der Acht-Mann-Kader für Predazzo wird nicht offiziell bekanntgegeben. Der „Kurier-Journalist Christoph Geiler meldet sich am Mittwoch bei mir und fragt nach, wie es denn in Hinblick auf den nächsten Weltcup in Italien aussieht. „Ich werde nicht dabei sein, sage ich, und er ist mehr als überrascht.

    Meine Karriere endete also tatsächlich an einem nach mitteleuropäischen Maßstäben entlegenen, beinahe nachrangig zu nennenden Standort der Nordischen Kombination – nicht an einem Traditionsort wie Seefeld, Ramsau oder Schonach. Auch nicht im Mekka unseres Sports, am Holmenkollen, wo 1994 alles so richtig begann. Japan war über Jahre hinweg nicht im Weltcupkalender der Kombination vertreten. Mein letzter Auftritt fand vor nur einigen hundert Zuschauern statt, kurz nach 14 Uhr Ortszeit, also 6 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit.

    Ehrlich gesagt, so habe ich mir meinen Abgang nicht vorgestellt. So habe ich ihn auch nicht verdient. Wenn ich davon spreche, dass ich in Falun bei der Weltmeisterschaft dem Team eventuell helfen oder vielleicht auch selber erfolgreich hätte bleiben können, bewege ich mich auf einem schmalen Grat. Einerseits kann ich nicht beweisen, dass es so geschehen wäre. Andererseits kann mir auch niemand das Gegenteil beweisen. Ich hätte es vorgezogen, wenn es anders gelaufen wäre: Ich hätte lieber Resultate gebracht, die meine Aufstellung bei der WM zweifelsfrei gerechtfertigt hätten. Ich hätte lieber eine überzeugende letzte Saison abgeliefert, mit großem Finale in Oslo.

    Es hat nicht sollen sein. Die Ergebnisliste ist das Evangelium des Sports. Bis Mitte Januar war ich in meiner letzten Weltcupsaison nicht besser und nicht schlechter als andere. Es wäre unnötig und unfair, mich auf frühere Meriten zu berufen, nach dem Motto: „Nach allem, was ich für den Sport getan habe, steht mir eine Sonderbehandlung zu". – Ich war nie eine Mimose. Dennoch stelle ich fest: Wenn andere besser werden, verändern sich die Gesichter der Teamkollegen. Das war so, als ich am Anfang meiner Karriere stand und bereits Arrivierte den Platz räumen mussten. Aber 22 Jahre später stellte sich die Situation doch etwas anders dar, denn Jüngere und Ältere standen miteinander auf Augenhöhe. Wenn man aber den Nachwuchs auf dem Weg nach vorne unterstützen will, darf man denen, die den Karren die letzten Jahrzehnte hindurch gezogen haben, nicht in die Beine grätschen. Mir wurde einfach die Chance genommen, mich bis zum Ende mit den anderen zu messen und um die WM-Plätze zu kämpfen. Trotzdem habe ich großen Respekt vor allen, die in Falun dabei waren, vor allem aber Hochachtung vor Bernhard Gruber, dem Weltmeister.

    Gilos Verhalten im Januar 2015 ist vielleicht, sogar wahrscheinlich die Konsequenz eines Disputs, den wir drei Monate zuvor hatten. Im Sommer davor hatte ich mich mit dem Trainerteam zusammengesetzt und über meine Vorstellungen davon gesprochen, wie das Training ablaufen sollte. Ich wollte im Kader bleiben, da und dort aber eigene Wege gehen können. Es war ein unproblematisches Gespräch, und ich freute mich auf die Weltcupsaison, obwohl ich wusste, dass sie ohnehin meine letzte sein würde.

    Je näher der Saisonauftakt in Kuusamo rückte, umso mehr wollte ich Klarheit darüber erlangen, wer denn nun beim Weltcupauftakt in Finnland dabei sein würde – und auch einige andere wollten das. Unser Cheftrainer versuchte sich zuerst um die Antwort zu drücken, musste aber auf unser Drängen hin schließlich doch Farbe bekennen. Es sei im Frühjahr mit dem ÖSV vereinbart worden, dass die Nordischen Kombinierer zwei, drei Wochen vor Saisonbeginn eine Qualifikation mit allen Kaderathleten absolvieren würden. Die besten zehn wären dann in Kuusamo dabei.

    Nun gab es, wie in allen anderen Sportarten auch, einen Nationalkader, der fünf Sportler umfasste. Aber im Gegensatz zu anderen Disziplinen waren nicht einmal diese gesetzt. „Warum gibt es diese Abstufungen dann eigentlich?", fragte ich. Ich war verärgert und beunruhigt. Schließlich war mein gesamter Trainingsplan auf die Weltmeisterschaft Ende Februar 2015 und nicht auf Mitte November 2014 ausgerichtet.

    Am 19. November kam es somit in Kuusamo, auf einer schwierigen und windanfälligen Schanze, zum Showdown der österreichischen Kombination. In der ewigen Nacht des Polarwinters begannen die „Trials" unter Flutlicht, bei nebeligen Verhältnissen mit verdammt viel Wind. Wäre es nicht so absurd gewesen, hätte es fast einen Hauch von Romantik und Größe gehabt: So wie die besten US-amerikanischen oder jamaikanischen 100-m-Läufer sich für die Olympischen Spiele qualifizieren müssen, müssen sich auch die Nordischen Kombinierer für den Auftakt des Weltcups qualifizieren: Carl Lewis, Usain Bolt, Mario Stecher – hier gibt es keinen Unterschied und keine Ausnahme.

    Die Kader-Verantwortlichen stehen auf dem Trainerturm. Die Sicht ist schlecht; auch die Schneekanonen, die im angrenzenden Skigebiet auf Hochtouren laufen, hüllen den Schanzentisch in dichten Nebel. Einer der Betreuer möchte die Anlaufspur noch mit einem Besen auskehren; er will überprüfen, ob die Spur in Ordnung ist, um für alle Springer die gleichen fairen Voraussetzungen für die so wichtige Anlaufgeschwindigkeit zu schaffen. In diesem Moment leuchtet die Geschwindigkeitsanzeige auf; sie zeigt 45 km/h. Vielleicht war ein Hase durch die Lichtschranke gelaufen, oder es lag ein technischer Defekt vor. „Der letzte Springer war aber echt schnell, bemerkt einer der Nachwuchstrainer lachend zu seinem Kollegen, „lass gut sein, es wird schon passen. Und so unterlässt dieser sein Unterfangen.

    Der Startreihenfolge liegt die aktuelle Weltrangliste zugrunde. Womöglich denkt er, dass ohnehin kein Athlet seiner Mannschaft den Nachteil einer eventuell langsameren Spur auf sich nehmen müsste.

    Der Springer mit der Nummer 1, das Salzburger Nachwuchstalent Marco Beikircher, könnte heute tot sein. Er kracht mit einer Geschwindigkeit von rund 90 Stundenkilometern gegen einen nicht entfernten Sperrbalken. Der Sportler reißt die Arme vors Gesicht, drückt das Gesäß nach hinten und rutscht unter dem Balken durch. Sein Flug endet nach 20 Metern mit einem Sturz. Er bricht sich einen Halswirbel und zieht sich weitere Verletzungen an der Nase und den Fingern zu. Einer der ÖSV-Physiotherapeuten leistet erste Hilfe. Im Krankenhaus von Kuusamo ist bereits Dienstschluss, also können keine Röntgenaufnahmen gemacht werden. Der Wirbelbruch wird erst später in Salzburg diagnostiziert. Ist schon die ärztliche Versorgung vor Ort ein Skandal, so trifft das noch viel mehr auf das Verhalten einzelner Trainer zu. Während der Physiotherapeut empfiehlt, sofort ins Krankenhaus zu fahren, meint ein Nachwuchsbetreuer, man möge aus einer Mücke jetzt doch keinen Elefanten machen. Ein anderer sagt, man solle jetzt erst einmal die Qualifikation zu Ende springen, dann könne man immer noch ins Spital fahren.

    Mein Sprung in Kuusamo war nicht gut genug; meine Laufleistung auch nicht. Ich lag weit zurück und konnte mich somit nicht qualifizieren. Der Disput mit Christoph Eugen erreichte einen ersten Höhepunkt, aber wir sprachen uns aus, und damit war die Sache für mich erledigt. Ich wollte nach vorne schauen. Aber vielleicht bin ich Gilo dabei doch zu sehr auf die Zehen getreten. Monate später ließ er mich dann

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