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14 Monate, 14 Jahre
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eBook396 Seiten5 Stunden

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Über dieses E-Book

Das eigene Leben als Reportage, die eigenen Gedanken und Gefühle als Objekt der Betrachtung. Innerhalb von 14 Jahren in der Literaturzeitschrift "99" veröffentlicht, bieten diese Aufzeichnungen einen Querschnitt durch das Denken und Handeln des österreichischen Autors und Filmemachers Walter Wippersberg. Ob persönliche Einträge, Notizen oder Betrachtungen über die aktuelle Politik und Kulturszene - Wippersberg schreibt mit Humor und dem Abstand eines Dokumentarfilmers. Wie ein cineastischer Short Cut eröffnen sich dem Leser kurze Einblicke in das Leben eines Allroundtalents. Denn gerade weil 11 Monate jedes Jahres im Dunkeln liegen, zeigt sich am Ende ein Gesamtbild dessen, wie schöpferisches Werden und Sein den Alltag und die Gedanken eines Künstlers bestimmen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Feb. 2013
ISBN9783701361793
14 Monate, 14 Jahre

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    Buchvorschau

    14 Monate, 14 Jahre - Walter Wippersberg

    2010

    Oktober 1997

    Mittwoch, 1. Oktober 1997

    In der Nacht die ersten Herbststürme.

    Ausnahmsweise hab ich heuer nicht das Gefühl, den Sommer einfach versäumt zu haben.

    Den Tag über herumgekramt, ein paar längst überfällige Briefe geschrieben, ein paar Leute angerufen, bei denen ich mich schon vor Wochen hätte melden sollen.

    Wolfgang Glücks erster Tag als Abteilungsleiter: Ich überlege noch, ob ich ihm ein Fax mit meinen guten Wünschen schicken soll, da ruft er schon an, und ich kann ihm, was ich ihm wünsche, gleich sagen.

    Erleichtert und erschöpft wie immer, wenn die Aufnahmsprüfungen vorbei sind. Auch diesmal hatte ich mir vorgenommen, neben den Prüfungen, die für uns (natürlich nicht ganz, aber doch fast) so anstrengend sind wie für die Kandidaten, nur das Allernotwendigste zu erledigen. Wie immer ist es anders gekommen. Da ist plötzlich ein Regisseur für meinen »Phönix«-Film im Gespräch, der einen Schwank daraus machen wird, wenn man ihn nur läßt. Dann die geplante Reform der Kunsthochschulen, zu der wir im Rahmen des Begutachtungsverfahrens Stellung nehmen müssen. Und dann noch, dies wenigstens vergnüglich, ein paar (vorläufig letzte) Besprechungen mit Wulf Flemming und Andreas Gruber über unser gemeinsames Kinoprojekt.

    Nach ein paar Wochen aus 12- und 14-Stunden-Tagen kein Termin heute, so krabble ich durchs Haus und überlege, wem ich wirklich heute schreiben und wen ich wirklich heute anrufen muß. Das Allermeiste, was fällig wäre, verschiebe ich auf morgen oder irgendwann.

    Donnerstag, 2. Oktober 1997

    Ein paar Notizen zum Kino-Drehbuch. Zweieinhalb Szenen, hab ich vorgestern mit Flemming und Gruber vereinbart, kommen noch rein, dann ist Schluß. Amüsant ist, daß immer, wenn ich die beiden treffe, einer von ihnen, meist beide, mit Vorschlägen kommen, was noch rein müßte, dabei wissen wir, daß wir schon viel zu lang sind. Wir halten bei etwa 130 Minuten, aber länger als hundert Minuten, darin sind wir uns einig, soll das Ding nicht werden. Komplexität, das ist es, was wir uns wünschen – und was die normierten Filmlängen nur sehr beschränkt zulassen. Einfache Geschichten müssen’s sein fürs Kino, aber nicht immer lassen sich die Geschichten einfach erzählen, wenn man nicht unzulässig vereinfachen will. Das gilt zumal dann, wenn man politische Geschichten erzählen will.

    Mir fällt ein, wie ich am liebsten leben möchte, nämlich parallel. Frühstücken in Wien im Café Landtmann oder vielleicht noch lieber, wegen der Aussicht von meinem Frühstücksplatz aus, in Losenstein. Dann arbeiten, am besten auch in Losenstein, unterm Dach. Irgendwann am Vormittag wäre un café auf einer italienischen Piazza angenehm. Den Nachmittag schließlich würde ich zum Beispiel gern in der judäischen Wüste verbringen. Das eine oder andere abendliche Bier könnte man dann in einem Pub in Dublin trinken oder in New York in jener irischen Bar in der 45. Straße, wo Barry mit zartem Guinness-Strahl so schöne Kleeblätter in den cremigen Schaum zeichnet. Auf dem Heimweg dann, von wo auch immer, noch ein letztes Bier bei Rudi im sogenannten Wein- und Bierhaus in der Josefstädter Straße (wo Oskar Werner selig einen Teil seines Verstandes und seines Talentes versoffen hat) oder im Verdi in der Lange Gasse. Schlafen dann in Wien, aber frühstücken wieder in Losenstein. Oder aber in einem sehr guten Hotel irgendwo; das Wohnen im Hotel mag ich selten, das Frühstücken oft.

    Eine Art bescheidenen Parallel-Lebens führe ich ja durch das ständige Pendeln zwischen Wien und Losenstein. Oft habe ich, wenn ich von einem Ort zum anderen wechsle, das Gefühl, als ginge ich nur in ein anderes Zimmer einer einzigen Wohnung, bloß daß der Weg ins andere Zimmer eben seltsamerweise zwei Stunden dauert. Wenn ich in der Nacht aufwache und nicht gleich weiß, wo ich bin, muß ich nur nach der Bettkante tasten: In Wien steige ich links aus dem Bett, in Losenstein rechts.

    Ich bin – wer hat das zuerst gesagt? – überall ein bißchen ungern, und es braucht nicht viel, daß ich mich augenblicklich irgendwo anders hin wünsche. Ein paar New-York-Bilder im Fernsehen, und ich möcht für zwei Tage nach New York. Was etwa Paris angeht, so sind es die Pariser Dächer mit diesen besonderen Mansardenfenstern, die den Reflex auslösen, augenblicklich in Paris sein zu wollen.

    Freitag, 3. Oktober 1997

    In Salzburg, höre ich, haben F-ler in den Computer eines SPÖ-Landesrates eingebrochen. Erst streiten sie’s ab, dann lügen sie es sich zur Robin-Hood-Tat zurecht. Auch wenn man schon darüber prospektiv geschrieben hat, erschrickt man, wenn’s tatsächlich geschehen ist.

    Als sich bei unserem Gespräch am Dienstag herausstellte, daß Gruber und ich potentielle politische Entwicklungen pessimistischer sehen als er, da sagte Wulf Flemming den schönen Satz: »Keine Angst, ich fürcht mich auch.«

    Samstag, 4. Oktober 1997

    NFL-Treffen in Losenstein: Alle haben, scheint es, mit dem Tagebuchschreiben begonnen. Wir vereinbaren, nichts über die Art des Schreibens oder über die Inhalte zu erzählen. Man würde es aber doch gerne tun. Zu wissen, daß alles, was man jetzt schreibt, schon im November oder Dezember in »99« veröffentlicht wird, hat natürlich einen gravierenden Nachteil: Man spart (wenig schmeichelhafte) Kommentare über Leute aus, die das lesen werden oder könnten. So bleibt u.U. genau das, was einen im Augenblick wirklich beschäftigt, ärgert etc., unbeschrieben und unkommentiert.

    Sonntag, 5. Oktober 1997

    Um 16 Uhr im Fernsehen die erste Hochrechnung auf die Ergebnisse der oö. Landtagswahl. Für die FPÖ werden weniger als zwanzig Prozent prognostiziert. Wenn vorn der Einser bleibt, sag ich zu Tonja, dann gehen wir feiern. Er bleibt nicht. Es wäre ein nettes optisches Signal gewesen.

    Montag, 6. Oktober 1997

    Die Medienhysterie um den angeblichen Bombenbastler ist zum Kotzen. Und der ORF scheißt wieder einmal auf öffentlich-rechtliche Seriosität, geriert sich als Boulevardmedium der schlimmsten Sorte und betet ungeprüft nach, was die Polizei uns glauben machen möchte: »Das ist der, der die Oberwarter Rohrbombe und all die Briefbomben zu verantworten hat«. Dabei deutet alles, was bisher bekannt ist, viel eher auf einen Trittbrettfahrer hin.

    Aber: »Die Preußen hängen keinen, sie hätten ihn denn.« Vielleicht denkt man: Die wirklich Verantwortlichen finden wir eh nie, aber den einen haben wir. Und der ist es jetzt. Basta.

    Und keiner redet davon, daß das schon einmal so war, bei den Herren Nazi-Buben Radl (oder wie der geheißen hat) und Binder, von deren Täterschaft die Polizei auch schon felsenfest überzeugt war.

    Dienstag, 7. Oktober 1997

    Ehe ich wegfahre, ruft mich Julia an, sie hat im Radio von einem Stau zwischen Amstetten West und Amstetten Ost gehört. Ich weiche über die Bundesstraße 1 aus. Nebel. Ich möcht nicht wohnen, wo viel Nebel ist. (Seit wir ernsthaft über eine Alternative zu Losenstein nachdenken, prüfe ich Gegenden unter dem Blickwinkel, ob ich hier wohnen möchte oder nicht.)

    In meinem Zimmer im Studio Schönbrunn ist es saukalt. Geheizt darf, sagt der Schulwart, erst ab 15. Oktober werden. Die beiden Martins (jetzt schon fast die Senioren in der Klasse) sind in diesem Semester wieder da, und ich freu mich drüber. Martin Betz hat seinen Zivildienst absolviert, Martin Leidenfrost hat im letzten Jahr in Berlin ein Faible fürs Theater in sich entdeckt. Nach dem Unterricht sitze ich (auf dem Stammplatz Hans Mosers) mit Evelyn Itkin im Maxingstüberl. Der Gedanke, daß das »Phönix«-Drehbuch tatsächlich von diesem einen Regisseur realisiert und damit zu etwas werden könnte, was ich bestimmt nicht schreiben wollte, macht mich krank. Und Evelyn kann nicht helfen; so lange Werner im Spital ist, wird eh nichts entschieden. Immer wieder umkreisen wir die Frage, die mir diese Tage nicht eben verschönt: Wer könnte den »Phönix« wirklich inszenieren? Und dahinter die Frage: Wie überlebt mein Text das, was da auf ihn zukommt.

    Um halb acht kommt der Schulwart ins Maxingstüberl. Mein Auto steht noch hinterm Studio, um halb neun, er muß es mir nicht sagen, werden die Tore geschlossen. Damit ihm die letzte Stunde Dienst nicht gar zu lang wird, fordere ich ihn auf, ein Bier auf meine Rechnung zu trinken. Da er sieht, daß er an unserem Tisch nicht wirklich willkommen wäre, setzt er sich zu einer etwas schrillen älteren Dame: »Is’ es gestattet?«

    Im siebten Bezirk ist um halb neun nicht einmal mehr in den Halteverbotszonen ein Platz frei. Ich steh auf der Lerchenfelderstraße mit der vorderen Autohälfte in der Kurzparkzone, mit der hinteren auf einem Zebrastreifen. (So weit identifiziert man sich, scheint’s, mit dem Auto, daß man sagt »Ich stehe …«, wenn man meint »Das Auto steht …«) Morgen um halb neun muß ich eh wieder weg, die Sheriffs sind hoffentlich erst ab neun unterwegs, wenn die Lerchenfelderstraße wieder Kurzparkzone ist.

    Dann mit Julia im Verdi zum Abendessen. Ich rede weiter von den Leiden der Drehbuchautoren.

    Mittwoch, 8. Oktober 1997

    Die Sheriffs waren doch schon vor neun unterwegs. Wieder einmal eine Anzeige.

    Von neun bis kurz vor zehn ein paar erste Diplomprüfungen, beginnend mit »meinen« beiden Leuten, auf die ich große Hoffnungen setze. Dann die erste Vorlesung für den neuen Jahrgang (das Spiegelzimmer wird zu klein werden, der Jahrgang ist größer diesmal, dazu die Studenten von der Medienkomposition und vom Tonmeisterlehrgang). Wer in der neuen Gruppe das Sagen haben und das große Wort führen wird, zeigt sich auch diesmal schon in der ersten Woche.

    Dann noch eine Kameraprüfung, der gezeigte Film ist jämmerlich, wir raten zum freiwilligen Rücktritt.

    Als ich mit Wolfgang Glück zum Mittagessen und einer Besprechung ins Galerie-Café komme, sitzt der gesamte zweite Jahrgang da, bereitet sich auf die schriftliche Prüfung bei mir vor. »Zu spät«, sage ich, »ich werd euch alle durchfallen lassen.« »Wir wiederholen nur«, sagen sie.

    Vor der Prüfung dann fragt mich Barbara G., ob das stimme, was alle ihr heute sagten, daß sie nämlich so gut aussehe. Ich sage ihr, daß ich mich grundsätzlich jeder Äußerung über das Aussehen von Studentinnen enthalte.

    Anja S. will am Ende der Prüfung (zu der als Pflichtlektüre auch Freuds »Traumdeutung« gehört) von mir wissen, was ich denn persönlich von Freud halte.

    Rudi, der Kellner im Wein- und Bierhaus in der Josefstädterstraße, die Stimme des Volkes: »Na, was sagst denn zum Bombenhirn?« Er zeigt mir, was in der Kronenzeitung darüber zu lesen steht. Übrigens hat er neue Zähne, mit raschen Lippenbewegungen versichert er sich ihres Sitzes.

    Donnerstag, 9. Oktober 1997

    Am Vormittag fahre ich auf Parkplatzsuche eine Dreiviertelstunde durch den siebenten Bezirk, dann stelle ich das Auto doch wieder in die Kurzparkzone in der Lerchenfelderstraße. Zu Mittag noch einmal ein Versuch, als ich die Runde Lerchenfelderstraße, Museumstraße, Neustiftgasse, Kellermanngasse zum vierten Mal drehe, finde ich einen Platz in der Neustiftgasse, viel zu eng eigentlich, irgendwie komm ich rein. Am Abend sitzen Tonja und ich – am 9. Oktober! – im Schanigarten vor dem Wegenstein und reden über den fünften Akt vom »Erben«-Drehbuch.

    Vor dem Schlafengehen noch rasch die neuesten Fernsehmeldungen über das »Bombenhirn«. Die Polizei spricht in hohen Tönen von seiner Intelligenz, fast schwärmen sie von seiner Genialität, und ich kann nicht erkennen, worauf genau sich diese hohe Meinung gründet. Gut, er war Vorzugsschüler. Aber aus dem, was er angeblich zuletzt gesagt oder getan hat, kann ich diese »überdurchschnittliche Begabung« nicht erkennen. Wenn er sie hat, dann wohl nur im Vergleich zu den Polizisten, die ihn verhören. Er sei übrigens, höre ich, heute »schärfer« verhört worden als bisher. Wie das? Hat man ihm bildlich gesprochen – ein paar auf die nicht mehr vorhandenen Finger gegeben? Hat man ihn an den Ohren gezogen? Hat man ihm, wie das in Wachstuben nicht selten vorkommen soll, ein Plastiksackel über den Kopf gestülpt? Aber nein, man habe ihn, höre ich, mit Widersprüchen in seinen bisherigen Aussagen konfrontiert. Das nenn ich Härte. Und Amnesty schreitet gegen solche Brutalität nicht ein.

    Mich würde interessieren, was unter Fuchsens Aussage zu verstehen ist, er sei im Auftrag der Bajuwaren im Auto als »Provokateur« herumgefahren, »damit die Polizei abgelenkt ist und die BBA unbehelligt ihrer Tätigkeit nachgehen kann«. Was genau soll man sich darunter vorstellen? Ist er durch die Steiermark und benachbarte Landstriche gefahren und hat vorbeifahrenden Gendarmeriebeamten die Zunge oder den Vogel oder den Stinkefinger gezeigt, um sie zu provozieren?

    Die Einzeltäter-Hypothese, höre ich, bestätige sich immer mehr. Das ist schön für die Polizei und wundert mich auch nicht. Man findet, wonach man sucht. Man will einen Einzeltäter, weil man immer schon daran geglaubt hat. Und vor allem auch, weil man sonst weitersuchen müßte, worin man bisher ja nicht sehr erfolgreich war. Wenn das ein Einzeltäter ist, kann man den Fall abschließen, dann war man erfolgreich. Also ist er ein Einzeltäter. Schluß der Debatte!

    Dabei könnte, was man weiß, viel plausibler auch so interpretiert werden: Eine arme, vereinsamte Sau, die irgendwo dazugehören wollte und sich in eine Nähe zur BBA phantasiert hat…

    Freitag, 10. Oktober 1997

    Beim Frühstück erzählt Julia, die Eltern des Bombenbastlers seien bei Vera im Fernsehen gewesen. Auch der Mann aus der Cola-light-Werbung, nach dem (bzw. dessen knackigen Hintern) angeblich alle Frauen schmachten, sei in der Sendung gewesen. Alles wird, das Fernsehen macht’s möglich, kaum noch unterscheidbares Entertainment: Werbung und Fernseh-Show und Berichterstattung über Verbrechen. Alles eins, und d’Leut unterhalt’s.

    Mit Sabine Derflinger im Galerie-Café. Wir reden über das Drehbuch, zu dem sie meine Meinung hören will, und wir reden über ihre Erfahrungen, die sie gemacht hat, seit sie mit dem Studium fertig ist. Wieder einmal frage ich mich, ob mein Unterricht, in dem viel von Kunst die Rede ist, wirklich angemessen ist dieser Branche, in die die Absolventen hineinwachsen sollen und in der künstlerische Ambition allenfalls noch belächelt wird.

    Danach eine Sitzung des Abteilungskollegiums, über die man in einem zum baldigen Verzehr bestimmten Tagebuch nichts schreiben kann.

    Bei der abendlichen Fahrt nach Losenstein: Der erste Regen nach langer Zeit. Die ersten Laubteppiche dieses Herbstes auf den Straßen.

    Samstag, 11. Oktober 1997

    Ich hab, wie schon manchmal, geträumt: Ich liege – im Traum – wach, aber mit geschlossenen Augen im Bett, und kann, so sehr ich mich auch anstrenge, die Augen nicht öffnen.

    Sonntag, 12. Oktober 1997

    Andreas Gruber hat gestern die Kürzungsvorschläge für das Kino-Drehbuch gefaxt. Die meisten kann ich guten Gewissens übernehmen, aber das Ergebnis heißt: gerade zweieinhalb Seiten weniger. Dazu kommen jetzt die zweieinhalb besprochenen Szenen. Ich finde hier und dort noch was, was man verknappen kann, aber am Ende sind wir immer noch viel zu lang. Wie auch immer, das ist jetzt die Buchfassung, die kalkuliert und eingereicht wird. Bis zur Realisierung, falls es zu einer kommt, vergehen noch etliche Monate, vielleicht fällt uns bis dahin ein, wo man noch straffen könnte.

    Die Sehnsucht danach, wieder einmal Prosa zu schreiben. Vor die Erfüllung dieses Wunsches hat das Schicksal aber die Fertigstellung des »Erben«-Drehbuchs gesetzt, was in Altaussee geschehen soll, in der Wohnung der Literar Mechana, in einer Arbeitsklausur, die möglich wird, weil Peter Mayer die halbe Schule zu einer Exkursion nach China führt.

    Apropos Prosa: Mein Roman »Die Irren und die Mörder« ist, ohne daß das hätte geplant sein können, zu einer Gegenthese zu all dem geworden, was die Polizei der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit Franz Fuchs auf die Nase binden möchte. Der Roman sollte also endlich erscheinen.

    Montag, 13. Oktober 1997

    Altaussee. Was sofort für die Wohnung spricht, ist die Veranda überm See. Und: In einem Schrank steht Grimms Wörterbuch in 33 Bänden.

    Dies ist nicht der erste Arbeitsurlaub, aber der erste in Österreich. Die Fremdsprachigkeit rundum fehlt mir.

    Altaussee wirkt ausgestorben, verschlossen, zugesperrt.

    Dienstag, 14. Oktober 1997

    Gasthaus zur Mühle. Der Wirt ist ein Eisenbahn-Fan, überall kleben Pickerl, die man sonst in Waggons und auf Bahnhöfen findet. Der kleine Raum, wo die Schank und drei Tische stehen, hat den herben Charme der Bahnhofsrestaurationen der 50er-Jahre. Die Einheimischen sitzen in der Gaststube, in der wir keinen Platz gefunden haben. Ein paar von den Männern sitzen mit den Hüten auf den Köpfen am Tisch.

    Wir improvisieren Dialoge für die »Erben«. Ich notiere wenigstens Stichworte.

    Mittwoch, 15. Oktober 1997

    Wir schreiben zum ersten Mal gemeinsam, und das geht recht gut.

    Am Abend beim Schneiderwirt entwickeln wir Szenen weiter, improvisieren wieder Dialoge.

    Donnerstag, 16. Oktober 1997

    Herr Haider will, höre ich, schon wieder das Volk abstimmen lassen. Nach dem Veto der Gewerkschaften zur Pensionsreform schlägt Haider vor, das Volk möge doch selbst darüber entscheiden. So kann man Populismus auch verstehen, daß man Entscheidungen einfach verweigert und abschiebt.

    Freitag, 17. Oktober 1997

    Die wenigen Fremden, die jetzt in Altaussee sind, laufen einander ständig über den Weg. Gestern beim Abendessen im Gasthaus zur Mühle sehen wir ein Paar, das wir bisher noch an jedem Abend in irgendeinem Gasthaus gesehen haben. Weil’s nach einem Ruhetag kalt ist in der Mühle, übersiedeln wir in ein Lokal, das als eine Art Heuriger geführt wird, und nach einer halben Stunde ist auch jenes Paar dort. Man lacht, man wechselt ein paar Worte, später kommt die Frau an unseren Tisch und fragt, ob wir denn nicht an den ihren kommen möchten.

    Die beiden stammen aus Wuppertal, sie hat hier an einem Seminar über Gruppenanalyse teilgenommen, jetzt haben sie noch eine Woche Urlaub drangehängt. Ich erfahre, was ich mir unter Gruppenanalyse vorzustellen habe: Psychoanalyse der eher klassischen Art, aber eben in der Gruppe. Meine Skepsis gegenüber der Psychoanalyse überhaupt wird eher bestätigt, teilweise auch geteilt. Bei den von ihr praktizierten Verfahren, sagt die Frau, könne man bei etwa sieben Prozent der Patienten von Heilerfolgen sprechen. Ein berauschendes Ergebnis ist das nicht. Was unter Heilung denn recht eigentlich zu verstehen sei? Nur die Anpassung an die jeweils gerade als solche definierte Normalität? Oder ob es nicht eher Aufgabe der professionellen Helfer sein müßte, ihre Klienten derart zu stärken, daß sie mit ihren je eigenen psychischen Besonderheiten leben könnten? Diese Fragen scheinen die Dame nicht wirklich zu interessieren.

    Der Mann, der sie begleitet, arbeitet in einem großen Betrieb und leitet dort, wie ich aus seinen etwas kryptischen Aussagen schließe, das Rechnungswesen. Vielleicht ist er aber auch ein simpler Buchhalter. Er kennt sich in österreichischer Geschichte aus und kann allerlei Jahreszahlen hersagen.

    Der Heurige sperrt bald zu. Als ich versuche, die Wirtin zu überreden, noch eine letzte Runde herauszurücken, erfahre ich, jene deutsche Dame habe schon eine Flasche Rot und eine Flasche Weiß zum Mitnehmen bestellt und bezahlt. Wir sind eingeladen, noch was in der Ferienwohnung der Wuppertaler zu trinken. Wir sind ja leicht zu überreden.

    Das Auto steht vor dem Heurigen, stehen will ich’s hier nicht lassen, aber Tonja will zu Fuß gehen. Schließlich fahren die Analytikerin und ich im Auto, Tonja und der Rechnungsverweser gehen zu Fuß.

    Als die Gruppenanalytikerin und ich vor dem Häuschen ankommen, darin sie mit ihrem Lebensabschnittspartner Wohnung genommen hat, fragt sie mich: »Sind Sie jüdisch?«

    »Leider nein«, sage ich. »Und Sie?«

    Sie ist Jüdin. Das bestimmt die weitere Abendunterhaltung in der Ferienwohnung unterm Dach des kleinen Ausseer Häusls. Ich sondere in meiner nun rasch zunehmenden Trunkenheit philosemitische Bekenntnisse ab. Ich rede, was ich wie das übrige auch ernst meine, darüber, wie sehr die jüdischen Autoren der österreichischen Literatur fehlten. Ich frage die Analytikerin, die vierzig ist, danach, wie ihre Eltern überlebt hätten, und sie weiß es nicht, was mich doch ein wenig wundert. Ob sie sowas wie Antisemitismus spüre in Deutschland? Sie bejaht, ohne es näher erklären zu können. Sie meint, jüdisch auszusehen. Sie habe einmal als Tropenmedizinerin inmitten von Semiten gearbeitet, und überall sei sie als Semitin durchgegangen. Was bedeute das schon, frage ich, sie habe mich unten auf der Straße für einen Juden gehalten. Und sie sieht, das sage ich nicht so direkt, wie irgendeine deutsche Lehrerin aus, zum Beispiel aus Wuppertal. Oder aus Castrop-Rauxel oder aus Wanne-Eickel.

    Er könne nichts dafür, sagt der Mann dazwischen immer wieder, er sei nun mal rein arisch, und er verwendet dabei, anscheinend ohne es zu bemerken, das Nazi-Vokabular. Und, ach!, diese Neigung so vieler Deutscher, sich im Ausland als Repräsentanten ihres Landes zu sehen: »Ich bin nun mal ein richtiger Deutscher«, sagt er. Und ich denke nach, was mich wohl dazu verleiten könnte, mich irgendwo einmal als richtigen Österreicher zu bezeichnen.

    Und ich vergegenwärtige mir, betrunken oder nicht, immer wieder, wo dieses merkwürdige Gespräch stattfindet, im Ausseer Land nämlich, wo Herr Doktor Wilhelm Höttl immer noch lebt, hochgeachtet, pensionierter Direktor eines Privatgymnasiums heute, SS-Obersturmbannführer seinerzeit, den man in Nürnberg nicht aufgehängt hat, weil er rechtzeitig in CIC-Dienste getreten war. Ein in die geheimsten Geheimnisse der Nazis Eingeweihter. Von ihm hat die Welt erfahren, daß es etwa sechs Millionen Juden waren, die von den Nazis umgebracht wurden.

    Auf der Veranda nebenan am späten Nachmittag ein Mann, der mit einer Fliegenklatsche umgeht. Drei Fliegen schlägt er tot, mit großer Akribie, und wirft sie aus dem Fenster.

    Kurz vor Mitternacht noch einmal draußen auf der Veranda. Leichter Nebel liegt überm See. Ein fast noch voller Mond hinter einem dünnen Schleier. Ein Stück Seeufer ist zu sehen, nicht mehr. Die Berge ringsum sind verschwunden. Ich denke mir ein Ausseer Land ohne Berge zurecht. Ein Österreich am Meer. Ein Deutschland mit einer riesengroßen Wüste mittendrin.

    Samstag, 18. Oktober 1997

    Am Abend im Gasthaus zur Mühle.

    Arbeit wie gewohnt. Wir sitzen nun im Gastzimmer unter den Eingeborenen.

    Am Stammtisch gleich nebenan fragt einer, was wohl besser sei, Alzheimer oder Parkinson. Die Antwort lautet: Alzheimer. Denn besser sei es zu vergessen, eine Halbe zu bezahlen, statt ein Viertel zu verschütten.

    Tonja und ich überlegen, was wohl der dümmste Wirt sei, den wir je kennengelernt haben (und wir haben in reichlich dreißig Jahren viele kennengelernt). Der hier, darin sind wir einig, hätte gute Chancen auf einen vorderen Platz in den Charts.

    Sonntag, 19. Oktober 1997

    Gestern in Bad Aussee beim Einkaufen erfahre ich aus einer »Die ganze Woche«-Schlagzeile, daß Franz Fuchs seine Handprothesen selbst wird zahlen müssen. Da schau ich aber!

    Immer klarer wird, wieso man den Herrn aus Gralla so verbissen als verrückten Einzeltäter hinstellen möchte. Wenn’s wirklich so wäre, müßten wir nicht beunruhigt sein. Verrückte gibt’s halt immer und zu allen Zeiten, da kann man nichts machen. Die andere, für mich viel wahrscheinlichere Variante hingegen, daß nämlich Politik bei all dem sehr wohl eine Rolle spielt und daß Herr Fuchs eben kein Einzeltäter ist und mit den wirklichen Bomben-Terroristen vielleicht nicht einmal Verbindung hat, diese Variante müßte uns sehr beunruhigen. Also versucht man uns die Einzeltäter-Theorie einzureden.

    Am Abend auf Arte ein langes Lino-Ventura-Portrait. Einer sagt, wenn Lino zur Tür hereingekommen sei, sei das Zimmer möbliert gewesen. Wie uns hierzulande Schauspieler dieser Art fehlen! Bei manchem der unsrigen wirkt das Zimmer, das sie eben betreten haben, noch leerer als zuvor.

    Montag, 20. Oktober 1997

    Oben auf dem Loser in der Sonne. Die Dohlen kommen an die Tische, wollen gefüttert werden, holen sich notfalls selbst von den Tellern, was sie wollen. Mächtig viel Gebirge ringsum. Ich kann die sogenannten majestätischen Landschaften (Wüsten ausgenommen) nicht leiden. Die hohen Berge bedrücken mich nicht, ich komm mir auch nicht klein vor daneben, ich kann sie bloß nicht leiden.

    Dienstag, 21. Oktober 1997

    Am Abend im Gasthaus zur Mühle (die meisten anderen Gasthäuser sind die halbe Woche lang zu) »dichten« wir das Geburtstagspoem, das wir für den Anfang der »Erben« noch brauchen. Tonja lacht Tränen.

    Mittwoch, 22. Oktober 1997

    Um dreiviertel sechs aufgestanden, weil das Gehirn schon angefangen hat auszuprobieren, ob das im fünften Akt praktisch gehen könnte, wie wir es gestern so lang beredet haben. Von sieben weg dann am Computer, und – siehe! – es geht genau so, wie wir uns das gedacht haben.

    Nachmittag am Grundlsee. Tonja geht, weil sie halt immer gehen muß, zum Toplitzsee, ich sitze beim »Veit« und notiere ins Tagebuch. Ein älteres Ehepaar kommt in die Gaststube, die Frau murmelt was von einem Dichter da drüben und sagt dann »Der schreibt jetzt vielleicht über uns«. Mein klares »Nein!« beleidigt sie, glaube ich.

    Interessant wäre es herauszufinden, was dieser merkwürdige Menschenschlag, der mir geistig autark in diesem Kessel zu leben scheint, wirklich von den Schriftstellern hält, die sich, wenn sie tot sind, ebenso trefflich ins Fremdenverkehrsmarketing integrieren lassen wie all die Schauspieler, die hier einmal Sommerfrische genossen haben. Im Falle jenes Mimen, der hier geboren ward, scheut man sich nicht, auch schon einen Lebenden zu ehren: Es gibt eine Klaus-Maria-Brandauer-Promenade, die, wenn ich es richtig sehe, von Altaussee nach Bad Aussee führt und, wenn der Blick von der Bundesstraße aus nicht täuscht, an einer Stelle abgerutscht zu sein scheint, woraus sich (zu) billig zu bröckelndem Ruhm assoziieren ließe. Übrigens wäre es mir, wenn fragwürdige Ehrungen dieser Art schon sein müssen, adäquater erschienen, an Karin Brandauer zu erinnern.

    Spät in der Nacht auf 3sat zum hundertsten Geburtstag von Lernet-Holenia ein Film, der zu seinem 75. gedreht wurde. Axel Corti interviewt den Jubilar und mir fällt wieder einmal ein, wie sehr er mir immer noch in den Klassenleiter-Sitzungen fehlt. Hans W. Polak, der einmal auch mein Verleger war, hat für Lernet-Holenia ein Geburtstagsfest ausgerichtet, und ich sehe, daß damals Schriftsteller noch Anzug und Krawatte trugen.

    Donnerstag, 23. Oktober 1997

    Am Morgen zum ersten Mal ein bißchen Wind. Zum ersten Mal plätschert der See.

    So still wie in diesem Haus am See hab ich, glaub ich, noch nie gewohnt. Ich erinnere mich, daß die Analytikerin aus Wuppertal erzählt hat, mehrere Teilnehmer ihres Seminars hätten noch ein paar Tage hier bleiben wollen, seien dann aber vorzeitig abgereist, weil sie diese Stille nicht ertragen hätten.

    Im Zusammenhang mit dem Hörspiel, das ich von übernächster Woche an in München produzieren werde, hab ich neulich mit Marcus und Gicko überlegt, wie »Nacht« denn eigentlich klinge, und wir sind darauf gekommen, daß weit entfernte Geräusche, die man nur hört, wenn es in der Nähe ganz still ist, am ehesten einen akustischen Nacht-Eindruck suggerieren.

    Akustisch ist es hier, wenigstens zu dieser touristenarmen Jahreszeit, Nacht auch am hellen Tag.

    Am letzten Abend in Altaussee (wir sind mit der Arbeit fertiggeworden) beim Schneiderwirt. Wir reden nicht mehr über die »Erben«, wir reden nicht mehr übers Ausseer Land, sondern über Dinge draußen in der Welt jenseits von Pötschen, Koppen und Loser. Es gibt sie ja, diese Welt, wenn man es hier manchmal auch nicht glauben mag.

    Draußen in bitterer Kälte ist eine Meisterschaft im »Taubenschießen« im Gange. Ein hölzerner, eisenbeschlagener Vogel mit Stahlschnabelspitze, der an einem langen Seil hängt, ist auf eine Zielschiebe hin loszulassen. Wir dürfen’s probieren, und weil wir uns weniger patschert als offenbar erwartet anstellen, kriegen wir einen Marillenschnaps.

    Freitag, 24. Oktober 1997

    Beim Heimfahren sehen wir: Die ersten Schneestangen werden aufgestellt.

    Kaum in Losenstein möchte ich auf eine Veranda hinaustreten und auf den Altausseer See blicken.

    Samstag, 25. Oktober 1997

    Utopien basieren auf dem Wunsch, daß diese Welt menschenfreundlicher sein könnte. Wer keine Utopien entwickelt, der hat sich abgefunden.

    Bei exponentiellen Entwicklungen geschieht alles am Schluß. Ein Seerosenteich: Jede Nacht teilen und verdoppeln sich die Seerosen, am vorletzten ist der Teich halbvoll, in der letzten Nacht ist er dann ganz voll. Die Hälfte der ganzen Entwicklung geschieht in der letzten Nacht, drei Viertel der Entwicklung geschehen in zwei Nächten, ganz egal, ob die Entwicklung vorher eine Woche, ein Jahr oder eine Million Jahre gedauert hat.

    Sonntag, 26. Oktober 1997

    Julia ist – beeindruckt und jetlag-müde – aus China zurück.

    Montag, 27. Oktober 1997

    Der erste Schnee. Und die Nachricht, Franz Kain ist gestorben. Wer sich jetzt wohl aller, auf ihn nachrufend, neben ihn hinstellen wird. Die »99«-Nummer 28 ist fertig, aber noch nicht in der Druckerei. Ich möchte nicht in Versuchung kommen, nach seinem Tod etwas über ihn sagen, was ich nicht auch schon vorher gesagt hab, also schieb ich – auch weil ich weiß, daß sie ihm gefallen hat – die Laudatio, die ich zur Verleihung des Adalbert-Stifter-Preises auf ihn gehalten hab, noch rasch ins Heft hinein.

    Dienstag, 28. Oktober 1997

    Julia fährt mit mir nach Wien, erzählt weiter von China, dann hat mich die Schule wieder.

    Mittwoch, 29. Oktober 1997

    Nach der Vorlesung für den ersten Jahrgang eine Studienkommissionssitzung, in der ich meine Stellungnahme zum neuen UniStG zur Beschlußfassung vorlege. Was man uns dabei zumutet, ist ärgerlich. Ein paar Beamte (es fällt schwer, in diesem Zusammenhang nicht von ahnungslosen Sesselfurzern zu reden) haben sich eine Reform ausgedacht, weil das halt immer gut klingt, wenn man reformieren will. Fachleute hat man bewußt nicht beigezogen. Und so sehen die Reformvorschläge denn auch aus.

    (Wie geht’s? fragt der Blinde den Lahmen. Wie Sie sehen, antwortet der Lahme.)

    Die Mindeststudiendauer soll von zehn auf acht Semester verkürzt werden, das klingt gut (kürzer ist besser, oder nein?), aber es bedeutet, daß wir die Absolventen schlechter ausgebildet in eine Branche hinausschicken werden, die nicht eben einfacher wird. Aus den fünf Studienrichtungen unserer Abteilung Film und Fernsehen soll eine einzige mit fünf Studienzweigen werden. Das heißt, man will kleine, flexible und autonome Einheiten zerschlagen und durch eine große, viel bürokratischere ersetzen. Erspart wird dadurch kein Groschen.

    Mit einem Wort: Das Studium wird fürs gleiche Geld schlechter und komplizierter werden.

    Ziel der Reform sei, habe ich irgendwo in den Papieren gelesen, eine Vereinheitlichung der Ausbildung. Als ob das ein Wert für sich wäre und als ob gerade in der künstlerischen Ausbildung nicht Vielfalt und Differenzierung mindestens ebenso hohe Werte wären!

    Donnerstag, 30. Oktober 1997

    »Die Irren und die Mörder«: Ich unterschreib den Vertrag, der Roman wird also im Frühjahr im Otto Müller Verlag Salzburg erscheinen.

    Freitag, 31. Oktober 1997

    Spät am Abend, ich will schon schlafen gehen, zappe ich noch

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