Die vier Teufel
Von Herman Bang
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Über dieses E-Book
Herman Joachim Bang (1857/1912) war ein dänischer Schriftsteller und Journalist.
Bang war anfangs noch dem Naturalismus verhaftet und wurde von Émile Zola, Henrik Ibsen und Charles Darwin beeinflusst. Auch Iwan Sergejewitsch Turgenew und Jonas Lie sind als literarische Vorbilder zu nennen.
In seiner weiteren künstlerischen Entwicklung wurde Bang zum Schöpfer des dänischen Impressionismus und der Repräsentant der dänischen Dekadenz. Bang schilderte meisterhaft das Leben "unbedeutender" Menschen sowie einsamer und isolierter Frauengestalten.
Aus dem Buch:
"Die Glocke des Regisseurs ertönte. Allmählich nahm das Publikum seine Plätze ein, wobei das Getrampel auf der Galerie, das Geplauder im Parkett, das Rufen der Apfelsinenjungen die Musik übertönte - und endlich kamen auch die blasierten Leute in den Logen zur Ruhe und warteten.
Es kam die Nummer "Les quatre diables" an die Reihe. Man sah es an dem ausgespannten Netz.
Fritz und Adolf liefen aus der Garderobe hinaus in das Künstlerfoyer, sie eilten den Gang entlang, wobei die grauen Mäntel um ihre Beine schlugen, riefen und klopften an die Türe Aimees und Luisens..."
Herman Bang
Herman Joachim Bang (* 20. April 1857 in Asserballe auf der Insel Alsen; † 29. Januar 1912 in Ogden, Utah) war ein dänischer Schriftsteller und Journalist. (Wikipedia)
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Buchvorschau
Die vier Teufel - Herman Bang
Erstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Die Glocke des Regisseurs ertönte. Allmählich nahm das Publikum seine Plätze ein, wobei das Getrampel auf der Galerie, das Geplauder im Parkett, das Rufen der Apfelsinenjungen die Musik übertönte – und endlich kamen auch die blasierten Leute in den Logen zur Ruhe und warteten.
Es kam die Nummer »Les quatre diables« an die Reihe. Man sah es an dem ausgespannten Netz.
Fritz und Adolf liefen aus der Garderobe hinaus in das Künstlerfoyer, sie eilten den Gang entlang, wobei die grauen Mäntel um ihre Beine schlugen, riefen und klopften an die Türe Aimees und Luisens.
Die beiden Schwestern warteten schon, ebenfalls in fieberhafter Erregung, in ihren langen weißen Gesellschaftsmänteln, die sie ganz einhüllten – während die Duenna mit ihrem schiefsitzenden Kapotthut unaufhörlich im Diskant Rufe ausstieß und verwirrt mit dem Puder, der Armschminke und dem zerdrückten Harz in den Händen hin und her lief.
»Kommt«, rief Adolf, »es ist Zeit!«
Aber sie liefen alle noch einen Augenblick durcheinander, ganz kopflos, von dem Fieber ergriffen, das alle Artisten packt, wenn sie das Trikot auf den Beinen fühlen.
Die Duenna schrie am lautesten.
Nur Aimee streckte ruhig ihre Arme aus den langen Ärmeln Fritz entgegen.
Und schnell, ohne sie anzusehen und ohne ein Wort zu reden, führte er mechanisch eine Puderquaste an den vorgestreckten Armen auf und nieder – wie es seine Gewohnheit war.
»Kommt!« rief Adolf wieder. Sie gingen alle hinaus, Hand in Hand, und warteten. Sie stellten sich am Eingang auf und hörten von drinnen die ersten Takte des Liebeswalzers, nach dem sie arbeiteten:
Amour, amour,
oh, bel oiseau,
chante, chante,
chante toujours.
Fritz und Adolf warfen ihre Mäntel zu Boden und standen strahlend in rosa Anzügen da, ein so blasses Rosa, daß es fast weiß erschien. Ihre Körper wirkten wie nackt – jeder Muskel war zu sehen.
Die Musik hörte auf zu spielen.
Im Stall war es ganz leer und still. Nur ein paar Pferdeknechte waren, ohne sich stören zu lassen, damit beschäftigt, die Futterbüchsen zu untersuchen, und sie standen und hoben mißtrauisch die schweren Behälter empor.
Die Melodie begann von neuem: »Die vier Teufel« betraten die Manege.
Das Beifallsklatschen erschien ihnen wie ein undeutliches Brausen, und sie unterschieden keine Gesichter. Es war, als wenn alle Fibern ihrer Körper bereits vor Anstrengung zitterten.
Dann lösten Adolf und Fritz rasch die weiten Mäntel Luisens und Aimees, sie fielen auf den Sand hernieder, und die Schwestern standen unter dem Feuer von Hunderten von Gläsern gleichsam nackt in ihren schwarzen Trikots da – wie zwei Negerinnen mit weißen Gesichtern.
Sie schwangen sich alle ins Netz hinauf und begannen zu arbeiten. Nackt schienen sie zwischen den rasselnden Schaukeln hin und her zu fliegen, deren Messingstangen leuchteten. Sie umarmten einander, sie fingen einander auf, sie feuerten sich gegenseitig durch Zurufe an; es war, als wenn die weißen und schwarzen Körper sich liebesheiß umschlängen und dann sich wieder lösten, sich abermals umschlängen und sich wieder lösten in lockender Nacktheit.
Und der Liebeswalzer mit seinen schläfrig schmachtenden Rhythmen tönte weiter, und die Haare der Frauen umflatterten, wenn sie durch die Luft flogen, weit ausgebreitet die schwarze Blöße – wie ein Atlasmantel.
Sie hörten nicht auf. Nun arbeiteten sie übereinander, Adolf und Luise oben.
Der Beifall klang zu ihnen hinauf wie ein verwirrtes Gemurmel, während die Artisten in ihren Logen (wo auch die noch immer erregte Duenna, den rosengarnierten Kapotthut schief auf dem Kopfe, ganz voran stand und mit ihren bloßen schallenden Händen Beifall klatschte) die »Teufel« mit ihren Gläsern beobachteten und den »Kniff« bei ihren Anzügen herauszubekommen suchten, deren Gewagtheit in der Artistenwelt berühmt war:
»Oui, oui, ihre Hüften sind ganz nackt –«
»Der Kniff ist eben der, daß man die Lenden sieht«, riefen sie in der Artistenloge durcheinander.
Die dicke Vorreiterin in dem »Ritterspiel aus dem sechzehnten Jahrhundert«, Mlle. Rosa, legte ihr Glas schwer beiseite.
»Nein, sie haben gar kein Korsett an«, sagte sie, ganz schweißig in ihrem eigenen dicken Panzer. Sie fuhren fort zu arbeiten. Das elektrische Licht wechselte zwischen Blau und Gelb, während sie durch die Luft fuhren.
Fritz schrie auf; an den Beinen hängend, fing er Aimee in seinen Armen auf.
Dann ruhten sie sich aus, indem sie auf dem Trapez nebeneinander saßen.
Über sich hörten sie das Rufen Luisens und Adolfs. Aimee sprach mit keuchender Brust