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Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 2: Reparatur und Zeitmessung
Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 2: Reparatur und Zeitmessung
Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 2: Reparatur und Zeitmessung
eBook877 Seiten3 Stunden

Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 2: Reparatur und Zeitmessung

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Über dieses E-Book

Der Beruf des Uhrmachers beinhaltet die Fehlersuche, Wartung, Pflege, Prüfung und Justage von modernen und historischen Uhren aller Art. Zu seinem Arbeitsgebiet gehört von der Turmuhr bis zur kleinsten Armbanduhr, vom einfachsten Gehwerk bis zur komplizierten Uhr mit Repetierwerk, Chronograph und Kalendarium, von den verschiedensten Uhren für besondere Zeitmessungen bis zum großen Gebiet der elektrischen Uhren das gesamte Spektrum an Zeitmessern. Das erfordert von Uhrmachern Anpassungs- und Einfühlungsvermögen in das Wesen der Uhren, um ihren technischen Aufbau kennenzulernen und jedes einzelne Bauteil des Uhrwerkes seiner Aufgabe entsprechend zu behandeln.

Dieses Lehrbuch für die Uhrmacherausbildung aus dem Jahre 1951 gibt Zeugnis von den Ansprüchen an den Handwerksnachwuchs und beschreibt detailliert die zu beherrschenden Fertigkeiten und Arbeitstechniken sowie die mechanische Ausbildung, die Uhrmacher absolvieren. Hier findet sich alles, was ein Uhrmacher an mechanisch-technologischem Grundwissen für seinen Beruf benötigt. Inhaltlich vermittelt das dreiteilige Lehrbuch Unterrichtsstoff der Uhrmacherlehre, beginnend mit den Grundlagen und Definitionen zum Thema "Zeit und Zeitmessung" sowie Erklärungen und Funktionsbeschreibungen der verschiedenen Uhrentypen und -bauteile. Der zweite wesentliche Teil beschäftigt sich mit der Reparatur und Pflege verschiedener Uhrentypen, während der dritte Teil dieses didaktisch aufgebauten Lehrbuchs ausführlich das Unterrichtsfach Fachrechnen sowie das Berechnen fehlender Teile behandelt.

Ältere Fachbücher sind oft in ihren Bezeichnungen und Normen nicht mehr aktuell und deshalb in der heutigen Zeit nur schwer verständlich. Darum wurden in diesem kommentierten Reprint alle physikalischen Einheiten auf den neusten Stand gebracht und viele Anmerkungen verweisen auf heute gültige Normen und Bezeichnungen.
SpracheDeutsch
HerausgeberHEEL Verlag
Erscheinungsdatum14. Juli 2014
ISBN9783958430037
Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 2: Reparatur und Zeitmessung

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    Buchvorschau

    Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 2 - HEEL Verlag

    (1951)

    I. Teil

    Zeit und Zeitmessung

    Was ist die Zeit?

    Die Zeit ist ein Begriff! In unserer Vorstellung gestaltet sie sich durch das Aneinanderreihen von Geschehnissen, die wir in unserer Gedankenwelt festgehalten haben oder die uns durch Eindrücke verschiedenster Art vermittelt werden. Da nun die Zeit unmittelbar von den kosmischen Vorgängen im Weltenraum abhängig ist, können wir mit diesen den Grundbegriff „Zeit" in Verbindung bringen.

    Die Zeit ist uns Menschen in ihrer Ewigkeit ohne Anfang und ohne Ende nicht vorstellbar. Das Kommen und Vergehen der Zeit beobachten wir durch das Vorüberziehen von Ereignissen, die sich in endloser Reihe aneinanderfügen. Dabei nennen wir das, was augenblicklich geschieht, die „Gegenwart, das, was geschah, die „Vergangenheit und das, was kommen wird, die „Zukunft".

    Die Gegenwart ist nun, genaugenommen, der kürzeste Zeitabschnitt, den wir uns denken können. Denn ebenso, wie ein gezeichneter Punkt schon eine räumliche Darstellung, also ein Körper ist und ein wirklicher Punkt nur in unserer Vorstellung lebt, ist die Gegenwart als Zeitpunkt anzusehen. Im allgemeinen bezeichnet man aber mit der Gegenwart eine Reihenfolge von Geschehnissen, die uns zeitlich nahe liegen.

    Dreifach Ist der Schritt der Zeit: Zögernd kommt die Zukunft hergezogen Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, Ewig still steht die Vergangenheit.

    (Schiller)

    Kanzel-Sanduhr mit einem schönen handgeschmiedeten Eisengestell für 15, 30 und 45 Minuten Laufzeit.

    Abb. 0

    Wie wird die Zeit bestimmt?

    Uns Uhrmachern unterliegt als Berufsaufgabe die Instandhaltung der Zeitmeßgeräte. Zur Feststellung der Genauigkeit ihrer Zeitangaben dient uns die „Normalzeit, die wir bei unseren Uhrvergleichen als „genauen Zeitmaßstab zugrunde legen. Es ist daher für uns Uhrmacher von Wichtigkeit, zu wissen, „wie die Zeit bestimmt wird! Dies ist die Aufgabe des Astronomen. Er beobachtet den Lauf der Sterne, deren gleichmäßige Wiederkehr am Beobachtungsort, von der Erde aus gesehen, ihm zum Feststellen der Zeit dient. Um mit diesem „Zeitnehmen aus den Sternen unsere „Uhrzeit" bestimmen zu können, die wir als Normalzeit bezeichnen, muß der Astronom viele Berechnungen ausführen und weitere Beobachtungen anstellen.

    Wollen wir diese Arbeit des Astronomen näher kennenlernen, so müssen wir uns mit der Astronomie befassen, eine Wissenschaft, die uns in ein unbegrenztes Gebiet führt. Wir wollen jedoch keine Astronomen werden, sondern für uns Uhrmacher ist es wichtig, uns mit den Vorgängen zu befassen, die zur Bestimmung der Zeit als Grundlage dienen.

    Aber auch hier muß das Verstehen dieser Vorgänge auf ein allgemeines grundlegendes Wissen aufbauen, ohne das ein Vertiefen in die Ausführung über Zeitbestimmung nicht möglich ist. Leisten wir also auch hier wieder gründliche Uhrmacherarbeit; wir sind es gewöhnt, und der Erfolg wird unsere Mühe lohnen!

    Der Sternenhimmel

    Das Himmelsgewölbe

    Betrachten wir in einer klaren Nacht den Sternenhimmel von einem erhöhten Ort aus, so daß uns weder Bäume noch Häuser das Blickfeld engen, so erscheint uns der Himmel als riesige Hohlkugel, an der die Sterne angeheftet sind. Wir geben dieser Erscheinung dadurch Ausdrucksform, daß wir von einem „Himmelsgewölbe" sprechen. In Wirklichkeit aber sind die Sterne ungleich weit von uns entfernt, nur vermag unser Auge diese Unterschiede nicht wahrzunehmen. Darum müssen wir uns den Sternenhimmel als einen unermeßlich weiten Raum vorstellen, in dem die Sterne je nach ihrem Standort verschieden weit von uns entfernt sind.

    Das von unserem Beobachtungsort aus gesehene Himmelsgewölbe ist nach unten durch die Horizontebene begrenzt. Unter dieser Horizontebene ist der Himmel für uns nicht sichtbar, doch hat der Himmel für unsere Vorstellung von der Horizontebene nach unten eine ebensolche Raumausdehnung, wie wir uns diese für den uns sichtbaren Himmel denken müssen.

    Sterne und Sternbilder

    Uns erscheinen die Sterne in verschiedenen Größen oder Helligkeiten am Himmel. Es werden darum die noch mit bloßem Auge sichtbaren Sterne in sechs Stufen – Stern erster, zweiter, dritter, vierter, fünfter und sechster Größe – eingeteilt, zu denen noch Sterne „heller als Eins" gezählt werden. Diese Einteilung bezeichnet jedoch nur die Helligkeit des Sternes und hat mit der wirklichen Größe (Durchmesser in Kilometern) keinen Zusammenhang.

    Die Sterne sind in ihren Stellungen am Himmel zu Sternbildern vereinigt, von denen etwa 89 gezählt werden. Einige davon sind durch ihre auffallende Größe leicht zu finden. Am nördlichen Himmel sind als die wichtigsten der „Große Himmelswagen und der „Kleine Himmelswagen und zur Winterszeit der mächtige „Orion" besonders hervorzuheben. Andere Sternbilder, die für unsere Betrachtungen sehr wichtig sind, sind die zwölf Sternbilder des Tierkreises: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fisch (s. a. Sternbüchlein, Verlag Bibliographisches Institut VVB., Leipzig).

    Himmelspol und Polarstern

    Beobachten wir den Himmel einige Zeit, so stellen wir fest, daß die Sterne ihre Stellungen zu einem am Horizont gewählten Punkt verändern und daß sich das Himmelsgewölbe zu drehen scheint. Der Punkt, um den diese scheinbare Drehung stattfindet, nennt man „Himmelspol, „Himmelsnordpol oder nur „Pol". Nahe diesem Himmelspol steht der Polarstern, ein Stern zweiter Größe, den wir am Himmel leicht finden können, wenn wir den Großen Himmelswagen suchen und in Richtung der zwei hinteren Räder eine gerade Linie zum vorderen Deichselstern des Kleinen Himmelswagen ziehen (Abb. 1). Der Himmelsnordpol befindet sich diesem Polarstern so nahe, daß wir bei unseren Betrachtungen Pol und Polarstern als eins annehmen können.

    Bestimmung des Himmelspols nahe dem Polarstern

    Abb. 1

    Himmelsachse

    Denken wir uns eine gerade Linie von diesem Polarstern durch die Mitte der Erde gelegt und in dieser Richtung nach dem südlichen Himmel fortgesetzt, so erhalten wir die „Himmelsachse", um die die ganze Himmelskugel ihre Drehungen auszuführen scheint.

    Himmelsäquatorebene

    Denken wir uns eine Ebene, die durch den Mittelpunkt der Erde gelegt ist und auf der die Erd- und Himmelsachse senkrecht steht, so haben wir damit die Himmelsäquatorebene bestimmt. Diese teilt den Himmel in die nördliche und die südliche Hälfte. Der Kreis, an dem diese Ebene die Erdoberfläche berührt, ist der Erdäquator.

    Die verschiedenen Himmelskörper

    Bei den Ausführungen über den Sternenhimmel haben wir im allgemeinen nur von Sternen gesprochen und sind auf die Verschiedenartigkeit der Sterne nicht weiter eingegangen, weil es ohne Belang für das Gesagte war. Kommen wir jedoch zu unserer gestellten Aufgabe über die Zeitbestimmung zurück, so ist es sehr wichtig, daß wir uns näher mit den Arien der Sterne beschäftigen und diese zu unterscheiden lernen.

    Fixsterne

    Schauen wir uns den Sternenhimmel des öfteren an, so finden wir die Sterne in den Sternbildern stets gleichmäßig angeordnet, so daß es den Anschein erweckt, als ob diese Sterne am Himmelsgewölbe fest stehen, also ein „fixes System miteinander bilden. Daher mag auch die ältere Benennung stammen, die diese Sterne als „Fixsterne bezeichnet. In Wirklichkeit aber gibt es ein Feststehen dieser Sterne am Himmel nicht, nur erscheint uns diese Bewegung infolge der unermeßlich großen Entfernung der Sterne als so gering, daß selbst nach einer großen Zeitspanne die Veränderung nur schwer nachweisbar ist. Für unsere folgende Betrachtung können wir darum die Fixsterne als fest stehend am Himmel bezeichnen. Sie strahlen eigenes Licht aus. Ihre Entfernungen von der Erde sind so groß, daß mit Millionen und Billionen Kilometern in der Maßeinheit gerechnet werden muß, um die Entfernungen auszudrücken (s. a. S. 15).

    Die Sonne

    Zu den Fixsternen gehört auch unsere Sonne. Sie ist mit ihrer mittleren Entfernung von etwa 150 Mill. Kilometer von der Erde aus der uns am nächsten stehende Fixstern. Der Sonnenkugeldurchmesser beträgt 1,4 Mill. Kilometer, und eine Umdrehung um ihre eigene Achse dauert etwa 26 Erdtage. Auch die Sonne hat mit ihrem ganzen Sonnensystem eine Eigenbewegung, mit der sie mit einer Geschwindigkeit von 20 Kilometer/Sekunde dem Sternbild des Herkules zustrebt, doch lassen wir auch diese Bewegung bei unseren Betrachtungen unberücksichtigt. Der Sonnenkern ist mit einer Hülle aus glühenden Metalldämpfen und Wasserstoff umgeben. Sie strahlt Licht und Wärme aus, und ihre Oberflächentemperatur beträgt etwa 5.800° C.

    Planeten

    Im Gegensatz zu den Fixsternen bezeichnen wir all die Himmelskörper, die ihre gegenseitige Lage und ihre Stellung im Himmelsraum sichtlich verändern, als „Wandelsterne oder „Planeten. Diese schnelle Lagenveränderung hat ihre Ursache in der Umkreisung der Planeten um die Sonne. Zur Sonne gehören die neun Planeten, nach ihrer Entfernung von der Sonne aus wie folgt geordnet: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto. Die Planeten strahlen selbst kein Licht aus, sondern werden von der Sonne beschienen, wodurch ihnen Licht und Wärme vermittelt wird. Außer ihrer Umkreisung um die Sonne drehen sie sich auch um sich selbst, und diese Bewegungen der einzelnen Planeten sind sehr verschieden, da diese von der Größe der Planeten und dem Zustand ihrer Masse abhängig sind.

    Die Erde

    Unter den Planeten ist es unsere Erde, mit der wir uns besonders befassen müssen, da wir mit ihr eng verbunden sind und alles Geschehen im Weltenraum von unserem Standort auf der Erde aus wahrnehmen. Die Erde hat die Gestalt einer etwas abgeflachten Kugel, ihr größter Durchmesser beträgt 12.756,776 Kilometer. Sie dreht sich im umgekehrten Uhrzeigersinn um sich selbst, so daß wir mit ihr auf der Erdoberfläche eine Bewegung von Westen nach Osten zu ausführen. Auch ihre Bewegung um die Sonne führt sie in der gleichen Bewegungsrichtung aus. Im Innern befindet sich die Erde im feuerflüssigen Zustand, während die Erdoberfläche erkaltet ist. Die Bestrahlung der Erde durch die Sonne und das Vorhandensein einer Lufthülle sind als Urquell alles Lebens zu bezeichnen.

    Monde

    Zu den Wandelsternen gehören auch die Monde, die die Planeten umkreisen und mit diesen zugleich um die Sonne wandern. Sie werden darum „Trabanten der Planeten" genannt. Ihr Licht erhalten sie wie die Planeten von der Sonne.

    Die Zahl der Monde, die die Planeten umkreisen, ist verschieden. Es gehören zu Erde und Neptun je ein Mond, zu Mars zwei kleine Monde; Uranus hat vier und Jupiter neun Monde. Saturn umkreisen zehn Monde, und dieser ist außerdem noch mit einem frei schwebenden Ringgebilde umgeben.

    Der Erdenmond

    Der Mond, der unsere Erde umkreist, ist der uns am nächsten stehende Himmelskörper, seine Entfernung von der Erde beträgt 380.000 Kilometer. Er ist kugelförmig und hat einen Durchmesser von 3.475,9 Kilometer, das ist etwas mehr als der vierte Teil des Erddurchmessers, seine Masse beträgt jedoch nur den 81. Teil der Erdmasse. Seine Umdrehung um sich selbst und seine Bewegung um die Erde erfolgen in gleicher Richtung wie die Erdumdrehung, also im umgekehrten Uhrzeigersinn.

    Die „scheinbaren und die „wirklichen Vorgänge am Himmel

    Das Weltall mit seinen Wundern zu erforschen, führte schon im Altertum zu Beobachtungen, die bis 3.000 Jahre vor der Zeitwende zurückliegen. Bedeutende Forschungen unternahmen dann die Araber und die alten Griechen. Sie betrachteten die Erde als den Mittelpunkt des Weltalls, um den sich das ganze Himmelsgewölbe dreht. Von der Erde als Zentralgestirn nahmen sie jedoch an, daß sie im Weltall still steht.

    Die „scheinbaren Vorgänge am Himmel"

    So nennt man diese Auffassung der Bewegungen, sie seien so, wie wir sie von der Erde aus beobachten können und wie sie sich vor unserem Auge abspielen. Diese Lehre wird nach den von dem Astronomen Ptolemäus 150 Jahre nach der Zeitwende aufgestellten Grundsätzen „Die Lehre vom ptolemäischen Weltsystem" genannt. Diese scheinbaren Bewegungen dienen auch heute noch oft zur Erklärung der Vorgänge am Himmel.

    Die „wirklichen Vorgänge am Himmel"

    Der deutsche Forscher und Astronom Nikolaus Kopernikus, geb. 1473 zu Thorn, erkannte jedoch durch seine Beobachtungen und Berechnungen, daß sich in Wirklichkeit die Erde um sich selbst dreht und um die Sonne bewegt und die Sonne das Zentralgestirn der Erde und der anderen Planeten ist. Diese Entdeckungen wurden etwa 100 Jahre später durch den deutschen Astronomen Kepler durch die „Keplerschen Gesetze festgelegt und bewiesen, so daß von dieser Zeit an „Die Lehre vom kopernikanischen Weltsystem als Grundlage für alle weiteren Erforschungen des Weltalls diente.

    Bei unseren nachfolgenden Ausführungen wollen wir uns nun eingehend mit den wirklichen Vorgängen am Himmel befassen, da diese bei unseren Betrachtungen alle Fehlschlüsse ausschließen und überdies auch den Vorgang der Zeitbestimmung leichter verständlich machen.

    Im Zusammenhang mit den angeführten Forschungen und Entdeckungen sei hier erwähnt, daß den Astronomen durch die Erfindung des Fernrohres durch Lipperhey 1608 ein wertvolles Hilfsmittel gegeben wurde und daß der Ausbau dieser optischen Instrumente die Beobachtungen außerordentlich förderte. Die Entdeckung der Pendelgesetze durch Galilei führte zur Erfindung der Pendeluhr durch Huygens, durch die genaue Messungen und Vergleiche bei den angestellten Beobachtungen ermöglicht wurden.

    Erdachse, Erdpole, Äquator, Breiten- und Längengrade

    Die Erdachse

    Als wir von dem Himmelspol, dem Polarstern und der Himmelsachse sprachen, stellten wir uns diese als eine Gerade vor, die vom Polarstern durch den Mittelpunkt der Erde gelegt ist und um die sich das Himmelsgewölbe zu drehen scheint. Da sich aber nun in Wirklichkeit die Erde dreht, wird es uns leicht verständlich, daß diese Gerade die Erdachse darstellt und in ihrer Verlängerung zugleich auch die Himmelsachse bildet. Die Folge davon ist auch, daß die Erdachse in die Richtung des Polarsternes zeigt und sie ihre Richtung während der Wanderung der Erde um die Sonne nicht verändert.

    Die Erdpole

    Genau so, wie die Himmelspole durch die Himmelsachse bestimmt werden, verhält es sich mit der Erde. Die Erdachse ist durch die Punkte der Erde gelegt, die bei der Drehung der Erde sich nur um sich selbst bewegen, während alle weiter davon entfernt liegenden Punkte kleine und größere Kreise beschreiben. Der nördlichste, der zum Polarstern zeigt, ist der Nordpol und der südlichste der Südpol. Wir sagen also, die Erdachse ist durch den Nord- und Südpol gelegt, um die die Erde ihre Drehungen ausführt.

    Der Äquator und die Breitengrade

    Gehen wir vom Nordpol auf der Erdoberfläche ein Stück abseits und beobachten diesen Punkt bei der Drehung der Erde, so stellen wir fest, daß dieser Punkt einen Kreis beschreibt. Diese Kreise werden immer größer, bis wir an der Stelle der Erdoberfläche angelangt sind, die gleich weit vom Nord- und Südpol entfernt ist. Dieser größte Kreis teilt die Erde in die nördliche und die südliche Erdhalbkugel – es ist der Äquator. Von diesem aus werden nun all die Kreise, die in gleicher Ebene liegen, zum Nordpol wie zum Südpol hin kleiner, bis sie an den Polen nur noch als Punkte anzusehen sind. Geographisch ist die Erde vom Äquator aus zu den Polen hin in je 90 Teile unterteilt, die die Breitengrade bilden und die wieder in je 60 Bogenminuten zu je 60 Bogensekunden gegliedert sind. Wir sprechen daher von nördlicher und südlicher Breite (Abb. 2).

    die Erde mit ihren Zonen- und Wendekreisen

    Abb. 2

    Außer diesen Breitengraden finden wir auf einem Globus, auf einer Karte oder in Abb. 2 die verschiedenen Zonen. Nahe dem Nordpol bei 66° 30' nördlicher Breite und nahe dem Südpol bei 66° 30' südlicher Breite liegen die beiden Polarkreise, und bei 23° 30' nördlicher Breite befindet sich der Wendekreis des Krebses und bei 23° 30' südlicher Breite der Wendekreis des Steinbocks. Durch diese vier Zonenkreise ist die Erde in die Zonengebiete eingeteilt, die folgende sind: heiße Zone zwischen den Wendekreisen des Krebses und des Steinbocks, gemäßigte Zonen zwischen den Wendekreisen und den Polarkreisen und kalte Zonen von den Polarkreisen bis zu den Polen. Die Bedeutung der einzelnen Zonenkreise finden wir noch näher erläutert, wenn wir über die Jahreszeiten und den Lauf der Sonne sprechen.

    Die Längengrade

    Der Äquator ist an seinem Umfang in gleicher Weise wie ein Kreis in 360 Grade eingeteilt. Durch diese Gradpunkte sind über die nördliche und die südliche Halbkugel Kreisbogen gelegt, die alle im Nordpol und Südpol zusammentreffen. Diese werden Längengrade oder „Meridiane" genannt, wovon jeder wieder in je 60 Bogenminuten zu je 60 Bogensekunden unterteilt ist.

    Gezählt werden diese Längengrade vom Nullmeridian aus, der durch die Sternwarte von Greenwich (sprich: grinidsch), einer Stadt in Südengland, gelegt ist. Von da aus zählen die Längengrade nach Osten und Westen mit je 180°, wir unterscheiden also östliche und westliche Länge. Der 180. Längengrad verläuft durch den Stillen Ozean – er bildet zugleich die Datumsgrenze.

    Durch diese geographische Einteilung der Erdoberfläche ist es möglich, die Lage eines Ortes genau zu bestimmen und anzugeben, wozu stets der Schnittpunkt eines Längen- und Breitengrades dient. Im weltberühmten Dresdner Mathematisch-Physikalischen Salon ist im Kuppelbau des Direktionsgebäudes ein Durchgangsinstrument aufgestellt (s. a. „Sternenzeit", S. 20), dessen geographische Lage mit 51° 3' 14,7 nördlicher Breite und 13° 30' 13,95 östlicher Länge bestimmt wurde.

    Die verschiedenen Zeitarten

    Alle vorangegangenen Erklärungen über die Zeit und die Vorgänge am Himmel dienen gleichsam als Vorwort zu dem Folgenden. Es ist eine unbedingte Voraussetzung, daß sich jeder eingehend über die darin behandelten Gebiete unterrichtet, ehe er sich mit den verschiedenen Zeitarten befaßt. Begehen wir nicht den Fehler, oberflächlich in diesem Buch den Abschnitt zu suchen, der die eine oder andere Frage beantwortet. Die Abhandlungen sind eng miteinander verbunden und geben nur zusammenhängend ein klares Bild über die Fragen ab, über die ein Uhrmacher unterrichtet sein muß. Denn was man von jedem gebildeten Menschen verlangt, das gilt vor allem für den Uhrmacher, daß er das Hauptsächlichste von den Vorgängen am Himmel kennt. Beschäftigen wir Uhrmacher uns doch täglich mit der Zeit, da es unsere Aufgabe ist, den Kunden mit genauer Zeit zu versorgen. Richtet aber einmal ein Kunde an Dich die Frage, auf welche Weise die „genaue Zeit" ermittelt wird, dann mußt Du in sachgemäßer Erklärung Aufschluß darüber geben können. Es ist für Dich eine Empfehlung an den Kunden und für den Kunden ein Beweis Deiner Kenntnisse, die jedem Uhrmacher als gewissenhaftem Fachmann eigen sein müssen!

    Es ist also unsere Aufgabe, nun die Zeitarten und ihre wesentlichen Unterschiede sowie deren Bestimmung kennenzulernen, die wir in folgenden Abschnitten behandeln:

    • Sternzeit

    • Wahre Sonnenzeit

    • Mittlere Sonnen- oder Ortszeit

    • Zonen- oder Normalzeit

    • Weltzeit

    • Sommerzeit

    Die Sternzeit

    Wir beobachten an einem Abend bei klarem Himmel einen Fixstern auf seinem scheinbaren Weg um die Erde, um die Dauer seiner Umlaufzeit zu ermitteln. Dazu suchen wir einen geeigneten Standort auf, von dem aus wir eine Dachkante des Hauses sehen können, die nach Möglichkeit in der Nord-Süd-Richtung liegt. Unsere Aufstellung müssen wir so wählen, daß wir diese jederzeit wieder einnehmen können. Nun beobachten wir den für unseren Versuch gewählten Fixstern, wenn dieser an der Dachkante verschwindet. Diese Zeit stellen wir an unserer Taschenuhr fest. Am kommenden Abend wiederholen wir unsere Beobachtung, müssen jedoch etwas früher unseren Aufstellungsort einnehmen, wenn wir das Verschwinden des Sternes an der Dachkante wieder bestimmen wollen, denn dieses findet etwa 4 Minuten früher statt als am Abend vorher. Genaugenommen sind es 3 Minuten und 56 Sekunden, so daß also zwischen den zwei gleichen Stellungen des Sternes ein Zeitabschnitt nach unserer Uhrzeit von 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden liegt. Da sich aber die Erde einmal um sich selbst gedreht hat und wir auf diese Weise durch den Stern die Dauer der Umdrehung zu diesem festgestellt haben, ermittelten wir auch zugleich die Länge des Sterntages. Auf welche Erscheinung ist das zurückzuführen?

    Die Länge des Tages nach Uhrzeit wird durch zwei aufeinanderfolgende Sonnenmittagsstellungen begrenzt (Abb. 3). Wir haben dabei die Sonne als Mittelpunkt der Erdbahn betrachtet und auch festgestellt, daß sich die Erde täglich um etwa 1° auf ihrer Bahn vorwärts bewegt, wodurch sich die Erde selbst um etwa 1° mehr um ihre Achse drehen muß, damit der Beobachtungsmeridian wieder in die Sonnenmittagsstellung zurückkehrt.

    Sonnenmittag und zusätzlicher Drehwinkel der Erde

    Abb. 3

    Betrachten wir nun aber die Bewegungen der Erde nicht mehr zur Sonne, sondern zu einem Fixstern, so werden wir die gestellte Frage, die Länge der Sterntage betreffend, bald selbst beantworten können!

    Der Beobachtungsmeridian mit der Markierung 0 bis 24 wird vom Sonnenstrahl getroffen, und da der Fixstern in der Sonnenrichtung steht, fällt der Sternstrahl in derselben Richtung auf den Nullmeridian. Wir haben also gleichen Sonnen- und Sternmittag (vgl. a. Abb. 4).

    Vergleich der Sonnenzeit zur Sternzeit im Verlauf eines Jahres.

    Abb. 4

    Zu der außerordentlich großen Entfernung des Fixsternes von vielen Billionen Kilometern ist die Erdbahn sehr klein, so daß wir annehmen können, daß die Sternstrahlen zu den folgenden Erdstellungen stets gleichlaufend sind. Dreht sich nun die Erde einmal um ihre Achse, so ist sie auch um etwa 1° auf ihrer Bahn vorwärts geschritten, was nach ¼ Jahr einem Winkel von 90° entspricht. Es beträgt demnach der Unterschied zwischen Sonnen- und Sternmittag in dieser Stellung 6 Stunden.

    Nun folgen wir dem Globus um weitere 90° auf der Bahn vorwärts. Sonnen- und Sternstrahl treffen die Erde in entgegengesetzter Richtung, der Zeitunterschied beträgt 12 Stunden. Nach einer weiteren Bewegung des Globus um 90° liegt der Zeitunterschied bereits bei 18 Stunden, und wenn der Globus wieder die Ausgangsstellung einnimmt, dann sind es 24 Stunden oder eine Umdrehung der Erde, und die beiden Strahlenzeiger treffen den Nullmeridian wieder in gleicher Richtung (Abb. 4).

    Wir haben nun also festgestellt, daß der Sterntag kürzer ist als der Sonnentag, weil sich die Erde um die Sonne bewegt und der Sterntag durch zwei aufeinanderfolgende Sternmeridiandurchgänge begrenzt wird.

    Wie arbeitet der Astronom bei der Bestimmung der Zeit?

    Zeitbestimmungen können an jedem Ort der Erde vorgenommen werden. Es ist daher notwendig, die genaue Lage des Beobachtungsortes nach Längengraden, Minuten und Sekunden zu kennen. Zur Bestimmung der Zeit dient ein Fixstern, dessen genauer Durchgang durch den vorher ermittelten Meridian beobachtet wird.

    Die Sonne mit ihrer Lichtfülle und Größe ist zur Bestimmung der Zeit weit weniger geeignet als ein Fixstern, der sich am Nachthimmel auch im Fernrohr noch als Lichtpunkt zeigt und daher viel größere Genauigkeiten bei der Zeitbestimmung bietet.

    Da nun all die Sterne, die auf gleichem Meridian stehen, auch die gleiche Zeit angeben und die Sternzeit von der Frühlingskolurlinie (Kassiopeia) aus berechnet wird, muß die Abweichung an beobachtenden Sternen von dieser bekannt sein. Sie wird in Sternzeit angegeben und bei der Bestimmung der Zeit in die Berechnung mit einbezogen.

    Der Meridiankreis oder das Durchgangsinstrument

    Als Beobachtungsinstrument dient dem Astronomen der Meridiankreis, auch Durchgangsinstrument genannt. Es ist ein Fernrohr, das sich genau um die von Osten nach Westen ausgerichtete Achse drehen läßt, so daß das Rohr selbst in der Ebene des Meridians liegt und gerade nur diese Sterne erfassen kann, die die Meridianebene durchlaufen. Daraus ergibt sich, daß der Meridiankreis lediglich für Durchgangsbeobachtungen und nicht für längere Betrachtungen eines Sternes geeignet ist.

    Auf zwei gut fundamentierten Pfeilern, die sehr tief in die Erde eingelassen sind, ruhen die Lager der Achse. Außer dem Rohr sind zwei fein geteilte Kreise auf der gemeinschaftlichen Achse angebracht, von denen sich der feiner geteilte Kreis vor einem Ablesemikroskop vorüberbewegt, um die Winkelhöhe eines Sternes über der Äquatorebene genau ablesen zu können (Abb. 5).

    Im Blickfeld des Fernrohres ist ein Fadennetz angebracht, das meist aus einem waagerechten und mehreren lotrecht gespannten Fäden besteht, die gleich zueinander verlaufen und deren mittelster genau mit dem Meridian zusammenfällt (Abb. 6). Das astronomische Fernrohr zeigt die Sternbewegungen umgekehrt, so daß also der Stern von rechts in das Gesichtsfeld des Fadennetzes eintritt. Vom Beobachter wird das Fernrohr nun so ausgerichtet, daß der Stern genau auf dem waagerechten Faden läuft, wobei die Zeitpunkte mit einer Uhr verglichen und vermerkt werden müssen, bei denen der Stern durch die senkrechten Fäden genau geteilt wird.

    Durchgangsinstrument der Firma Carl Zeiss, Jena

    Abb. 5

    Fadennetz im Durchgangsinstrument

    Abb. 6

    Sternzeit und Sternzeituhr

    Da der mittelste Faden des Meridiankreises in der Meridianebene liegt, begrenzen also zwei aufeinanderfolgende Sterndurchgänge eines gleichen Sternes durch diesen Meridianfaden einen Sterntag. Dieser ist nach unserer Uhrzeit 23 Stunden, 56 Minuten, 4 Sekunden lang, wird aber vom Astronomen in 24 Sternzeitstunden zu je 60 Sternzeitminuten zu je 60 Sternzeitsekunden eingeteilt. Zum Vergleich mit der Sternzeit dient eine Sternzeituhr, die nach dieser Zeit abgeglichen ist und deren Gang durch den Stern überwacht werden kann. Eine solche Sternzeituhr weicht in ihrer Bauart von einer normalen Sekundenpendeluhr nur insofern ab, als sie eine 24stündige Zifferblatteinteilung hat. Diese ist nötig, da sich die Sternzeit täglich um etwa 4 Minuten zur Normalzeit verändert und eine zwölfstündige Zifferblatteinteilung keinen Aufschluß über den Stand der Sternzeit geben würde. Das Pendel ist kürzer als ein normales Sekundenpendel, denn es muß in 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden 43.200 Pendelschläge ausführen.

    Der Chronograph¹

    Die Ableseart, den Sterndurchgang und den Uhrstand zugleich zu beobachten, bringt eine Fülle von Fehlerquellen mit sich, von denen man einige auf elektromechanischem Wege auszuschalten versucht. Dazu dient der Chronograph. Es ist ein Morseapparat mit zweinebeneinander-odergegenüberliegendenelektromagnetischen Schreibeinrichtungen, die auf einem sich gleichmäßig fortbewegenden Papierstreifen Marken anbringen. Der eine Magnet ist mit einer Sekundenkontakteinrichtung der Sternzeituhr verbunden, die die Sekunden durch Punkte auf dem Streifen aufzeichnet, wobei meistens die 60. Sekunde, um sie zu kennzeichnen, ausfällt. Der zweite ist mit einem Taster verbunden, der vom Beobachter beim Durchgang des Sternes durch die senkrechten Fäden betätigt wird.

    Der Gang der Uhr kann dann mit Hilfe eines Maßstabes auf dem Streifen durch Abmessen der Punktstellungen ermittelt werden. Die Abbildung 7 zeigt einen derartigen Streifen. Bei anderen Chronographen wird durch seitlichen Ausschlag einer Strichmarke die Nachprüfung ermöglicht.

    Markierungsstreifen eines Zeitnehmer-Chronographen

    Abb. 7

    Um nun aber auch noch die persönlichen Fehler des Beobachters nach Möglichkeit zu verkleinern oder gar auszuschalten, kann anstelle des Handtasters ein mechanischer Kontakt, das „unpersönliche Okularmikrometer", benutzt werden. Der Beobachter bewegt dabei einen verschiebbaren senkrechten Faden vor dem Fadennetz des Fernrohres mit Hilfe einer Mikrometerschraube. Sein Augenmerk hat er dann nur darauf zu lenken, daß der Stern von dem verschiebbaren Faden genau geteilt, dieser also in der Geschwindigkeit des Sternes mitbewegt wird. Bei dem genauen Zusammenfallen des Beobachterfadens mit einem senkrechten Faden des Fadennetzes wird mechanisch ein Kontakt betätigt, der das Schreibgerät in Gang setzt.

    Wozu dient die Sternzeit?

    Für eine allgemeine öffentliche Zeitangabe ist die Sternzeit nicht geeignet, sie würde sogar große Verwirrungen hervorrufen, da sich ihre Zeitangabe gegen unsere Uhrzeit täglich etwa um 3 Minuten und 56 Sekunden verändert. Dem Astronomen dient sie als genaues Zeitmaß, mit dessen Hilfe er alle Vorgänge am Himmel beobachten kann. Außerdem ist sie aber die außerordentlich wichtige und zuverlässige Grundlage zur Überwachung unserer bürgerlichen Uhrzeit.

    Die wahre Sonnenzeit

    Die Geschwindigkeit der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne ist nicht gleichmäßig, so daß sich also auch die Sonnenmittagsstellung eines Meridians in nicht ganz gleichbleibenden Zeitabschnitten wiederholt. Das hat seine Ursache darin, daß die Erdbahn kein Kreis, sondern eine Ellipse ist, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. Dadurch weichen die Entfernungen der Erde von der Sonne in den verschiedenen Jahreszeiten voneinander ab. Im Sommer ist die Entfernung der Erde von der Sonne am größten, sie befindet sich in Sonnenferne, dagegen im Winter in Sonnennähe. Damit ist auch der Einfluß der Sonne auf die Erde im Sinne der Zeitangabe entsprechend ungleichmäßig und das Fortschreiten der Erde auf ihrer Bahn diesen Unregelmäßigkeiten unterworfen. Das Kalenderjahr ist aus diesem Grunde nicht in vier gleiche Teile zerlegt, sondern wir ermitteln für ein gewöhnliches Kalenderjahr (nicht Schaltjahr) folgende Tagesreihen durch Abzählen auf einem Kalender (Abb. 8):

    ungleiche Längen der vier Jahreszeiten

    Abb. 8

    Auch die verschiedenen Umlaufzeiten der anderen Planeten um die Sonne, wodurch diese unserer Erde einmal näher stehen, das andere Mal weiter entfernt sind, und die wechselnde Stellung des Mondes auf seiner Bahn um die Erde zur Sonne beeinflussen die Erde auf ihrer Bahn. All diese Erscheinungen haben eine unregelmäßige Wiederholung der Meridiandurchgänge, also des Sonnenmittags zur Folge.

    Die wahre Sonnenzeit wird nur von den Sonnenuhren angezeigt, denn eine mechanische Uhr zu bauen, die die Unregelmäßigkeiten der Sonnenzeit anzeigt, stößt auf unbegrenzte Schwierigkeiten und hat mit Ausnahme ihres Kunstwertes keine praktische Verwendungsmöglichkeit.

    Die „wahre Sonnenzeit wird also durch den Stand der Sonne bestimmt. Es ist „wahrer Mittag, wenn die Sonne im Meridian des Beobachtungsortes ihren höchsten Stand erreicht hat. Sie unterliegt den Unregelmäßigkeiten der Erdbewegung auf ihrer Bahn.

    Die mittlere Sonnen- oder Ortszeit

    Die Steigerung der Kultur und die Vervollkommnung der Uhren bedingten aber eine regelmäßige und einheitliche Zeitangabe. Infolgedessen war es erforderlich, die Unregelmäßigkeiten der wahren Sonnenzeit auszugleichen.

    Denken wir uns die Erdachse auf ihrer Bahn senkrecht stehend, die Erdbahn genau als Kreis und in dessen Mittelpunkt die Sonne, so wird die Erde ganz gleichmäßig vorwärts schreiten. Die in diesem gedachten Sonnensystem stehende Sonne gibt die „mittlere Sonnen- oder Ortszeit an. Den Unterschied zwischen der wahren und der mittleren Zeit nennt man die „Zeitgleichung (Abb. 9).

    Aus dieser Darstellung entnehmen wir die „Zeitgleichungen" für die einzelnen Tage, und es müssen z. B. für den 12. Februar diese –14 Minuten 25 Sekunden zur wahren Ortszeit hinzugezählt und am 3. November diese +15 Minuten 20 Sekunden abgezogen werden, um die mittlere Ortszeit für diese Tage zu bestimmen. Dieses Beispiel führt die beiden größten Abweichungen an, woraus wir erkennen, daß die Unregelmäßigkeiten in der Erdbewegung ganz beträchtliche sind. An den Tagen, die in der Tabelle auf Null angegeben sind, gleichen sich wahre und mittlere Sonnenzeit an. Das Auf- und Absteigen der Zahlen zeigt uns aber auch deutlich den unregelmäßigen Verlauf der Erdbewegungen auf ihrer Bahn.

    schematische Darstellung der Zeitgleichung (aus: Innereber, Zeitbestimmung)

    Abb. 9

    Die Zeitgleichungen sind in der Darstellung nur als Mittelwerte angegeben, denn durch das Schaltjahr und selten eintretende Himmelserscheinungen entstehen noch weitere kleine Abweichungen.

    Die „mittlere Sonnen- oder Ortszeit wird also ermittelt durch Ausgleichung der Unregelmäßigkeiten der wahren Zeit, wozu die „Zeitgleichung dient.

    Unserer Uhrzeit entsprechend, wird der Tag der mittleren Zeit in 24 Stunden eingeteilt, die von Mitternacht 0 bis Mitternacht 24 Uhr gezählt werden. Die Unterteilung der Stunden erfolgt in 60 Minuten zu je 60 Sekunden.

    Durch die Bezeichnung Ortszeit wird bereits darauf hingewiesen, daß diese Zeit nur für bestimmte Orte auf der Erdoberfläche Geltung hat, denn die Umdrehungen der Erde um ihre Achse bedingen ja, daß nacheinander jeweils nur ein Längengrad von dem Sonnenmittagsstrahl getroffen wird und daß nur all diese Orte, die auf dem gleichen Längengrad liegen, gleichen Sonnenmittag haben. Es ist demnach in Berlin viel früher Sonnenmittag als in Köln. Auf eine Stunde entfallen 15°, also entspricht der Zeitunterschied für 1° 4 Zeitminuten (60 Minuten : 15).

    In früheren Zeiten bediente man sich der „Ortszeit, mußte aber bei einer Reise von Ost nach West oder umgekehrt seine Uhr jedesmal nach der jeweiligen Ortszeit umstellen. Mit der Einführung der Eisenbahn, des Telegraphen und des Telephons wurde aber die Ortszeit zum unüberwindbaren Hindernis, weshalb sich die Einführung „gleicher Zeitangabe für größere Gebiete als notwendig erwies.

    Mittel-, Ost- und Westeuropäische Zeit (Zonenzeit)

    Die geographische Einteilung der Erdoberfläche in 360 Längengrade bringt es mit sich, daß sich bei einer Erdumdrehung in 24 Stunden, nach Ortszeit gerechnet, in jeder Stunde 360° : 24 Stunden = 15 Längengrade durch die Sonnenmittagsstellung bewegen. Es liegen also jeweils 15° um 1 Stunde in der Ortszeitangabe auseinander. Gehen wir nun vom Nullmeridian aus, der durch die Sternwarte von Greenwich bei London gelegt ist, so finden wir auf einer Landkarte den 15. Grad östliche Länge in Deutschland bei Stargard-Görlitz verlaufend. Dieser 15. Längengrad ist also dem Nullmeridian um eine Stunde in der Zeit voraus, da sich die Erde von Westen nach Osten um ihre Achse bewegt. Die mittlere Ortszeit dieses 15. Längengrades ist nun für das gesamtdeutsche Gebiet als einheitliche Zeit angenommen und führt die Bezeichnung „Mitteleuropäische Zeit, abgekürzt „MEZ.

    Auch die nordischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen sowie Italien und Ungarn haben sich an die MEZ angeschlossen, so daß in Deutschland und in diesen Ländern alle Uhren gleichgestellt sind, was für die Abwicklung des Verkehrs von ausschlaggebender Bedeutung ist.

    Die „Westeuropäische Zeit („WEZ), für die die Zeit vom Nullmeridian maßgebend ist, gilt für die Länder England, Frankreich und Spanien und ist der MEZ um eine Stunde in der Zeitangabe nach, während die „Osteuropäische Zeit („OEZ), aufgebaut auf der Zeit vom 30. Grad östlicher Länge, für die Länder Finnland, Rumänien, Bulgarien und die Türkei maßgebend ist, die der MEZ in der Zeitangabe um eine Stunde voraus ist. Diese einheitliche Regelung der drei Zonenzeiten WEZ, MEZ und OEZ besteht seit dem 1. Juni 1891. Die Abbildung 10 auf der nächsten Seite zeigt in der Karte die Aufteilung der drei Zonenzeiten in Europa, und die um die Karte gruppierten Zifferblätter geben den Stand der Uhren in außereuropäischen Staaten an, wenn es in Berlin mittags 12 Uhr nach MEZ ist.

    Es gilt für uns nun noch, von der MEZ auf die mittlere Ortszeit oder umgekehrt zu schließen. Auf dem 15. Längengrad, also z. B. bei Stargard-Görlitz, fällt die mittlere Ortszeit mit der MEZ zusammen, so daß die eingestellte Ortszeituhr zugleich auch MEZ zeigt. Für alle Orte, die nicht auf dem 15. Längengrad liegen, stellten wir bereits einen Zeitunterschied fest, der für einen Grad den 15. Teil einer Stunde, also 4 Minuten beträgt. Liegt ein Ort östlich davon, so ist die Ortszeit voraus, liegt er dagegen westlicher, so erfolgt die Ortszeitangabe später als MEZ.

    Es ist also z. B. in Wien – es liegt 1° 21' östlicher –, wenn es nach MEZ mittags 12 Uhr ist, bereits 12 Uhr 5 Minuten 24 Sekunden nach Ortszeit, denn 1° 21' * 4 ist 5 Minuten 24 Sekunden. Wollen wir nun von der MEZ auf die Ortszeit von Wien schließen, dann müssen wir zur MEZ den Zeitunterschied von –5' 24" hinzuzählen, im umgekehrten Fall aber abziehen. Für Köln, das rund 8° westlicher liegt, ist der Zeitunterschied 8 * 4 = 32 Minuten. Es ist daher bei MEZ Mittag erst 11 Uhr 28 Minuten nach Ortszeit, und es muß daher der Zeitunterschied von +32 Minuten von der MEZ abgezogen werden, um die Ortszeit zu erhalten, im umgekehrten Fall aber hinzugezählt werden.

    Karte der Zeitzonen (aus: Brockhaus): Die Uhren kennzeichnen die Unterschiede gegenüber der MEZ – Berlin um 12 Uhr mittags.

    Abb. 10

    Aus der Tabelle können wir für die größeren Städte die Umrechnungszahlen entnehmen, während für die nicht mit angegebenen Orte die Landkarte über die Ortslage nach Längengraden Aufschluß gibt. Die nach MEZ gehenden Uhren werden also immer mit einer Abweichung zur mittleren Ortszeituhr die Zeit anzeigen, die dem aus der Tabelle entnommenen Wert für den betreffenden Ort entspricht.

    Für den westlichsten Ort Aachen und den östlichsten Ort Gussew (Gumbinnen) entnehmen wir der Tabelle 36 und 29 Minuten, das ergibt zusammen 65 Minuten, woraus wir erkennen, daß die Mitteleuropäische Zeit zugleich auch fast den Mittelwert der Zeit im Zonenzeitgebiet angibt.

    Beim Übergang von einem Zonenzeitgebiet in das benachbarte in Europa bietet der Unterschied von genau einer Stunde keine wesentlichen Schwierigkeiten, was den Verkehr mit diesen Ländern außerordentlich erleichtert.

    Im allgemeinen Verkehr werden die Zonenzeiten für die betreffenden Gebiete als Normalzeit bezeichnet, die von allen öffentlichen Normaluhren angezeigt wird. Um den Gang unserer Normaluhren täglich genauestens mit der MEZ vergleichen zu können, bedienen wir uns der vom Rundfunk an verschiedenen Tageszeiten gesendeten Zeitzeichen. Es gehört darum in die Werkstatt des fortschrittlichen Uhrmachers zur Normaluhr der Rundfunkapparat².

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