Denn auch im Himmel will ich reiten
Von Maria Andrea
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Über dieses E-Book
Den unausweichlichen Tod vor Augen erinnert sich Andrea an all die vielen gemeinsamen wunderschönen und schicksalhaften Erlebnisse, die sie mit ihren Pferden verbindet, um auch mutig den letzten Schritt gehen zu können.
Maria Andrea
Maria Andrea lebt mit ihrem Mann und ihren Tieren in der Pfälzer Rheinebene. Mit 'Denn unser Leben ist tierisch lustig' startete sie 2014 ihre heitere Kurzgeschichtenreihe. Es folgte 2016 'Fährste Zug, haste Spaß!' Wenn sie nicht gerade Kurzgeschichten schreibt, widmet sich die Autorin ihren Romanen. 2008 erschien ihr Debütroman 'Denn auch im Himmel will ich reiten', der in 'Denn mein Leben hat vier Hufe' seine Fortsetzung fand. Maria Andrea lebt ihre Geschichten und fühlt mit ihren Protagonisten als wären sie ihre engsten Freunde. So schafft sie es mit ihrem herzlichen, spannend interessanten Schreibstil ihre Leser mitzureißen.
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Buchvorschau
Denn auch im Himmel will ich reiten - Maria Andrea
Leben.
Unsere Geschichte
Heute ist Donnerstag. Donnerstag, der achtzehnte September. Heute Abend muss ich Chey erlösen lassen. Cheyenne. Peppys Cheyenne. Meine Kleine, die seit über dreizehn Jahren mit mir und meinem Mann durchs Leben geht. Es ist kurz nach sechs Uhr in der Früh und noch weiß ich gar nichts von dem bevorstehenden Tod meiner Kleinen.
Um fünf Uhr früh klingelte unser Wecker. Regelmäßig. Unter der Woche. Auf der Uhr war es dann allerdings schon zwanzig nach Fünf. Ich hatte den Wecker nämlich ganze zwanzig Minuten vorgestellt. Aus „psychologischen Gründen: beim ersten Klingeln war meistens mein Unterbewusstsein noch derart tief mit meinem Traumland verwachsen, dass ich den klingelnden Wecker völlig unbewusst mit einem einzigen Handgriff ausschaltete. Minuten später klingelte er wieder. Etwas lauter. Dann öffnete ich zumindest meine Augen, streckte mich und dachte: „Noch einmal ausschalten. Noch zehn Minuten dösen.
Und wie von Geisteshand geführt, schaltete ich den Wecker ein zweites Mal aus. Beim dritten Klingeln schaffte ich es tatsächlich aufzustehen. Auf dem Wecker standen dann die folgenden Ziffern: Null-Fünf-Vier-Null. Fünfuhrvierzig. Psychologisch sehr wichtige Ziffern für mich. So täuschte ich mir vor, ich würde kurz vor sechs aufstehen und war umso freudiger überrascht, dass es erst kurz nach halb sechs war, wenn ich die Küche betretend die Küchenuhr erblickte. Die ging nämlich richtig. Für ein paar Minuten konnte ich morgens die Küchenruhe genießen. Meist reichte es zum Kaffeemaschine anstellen, Brötchen auftauen und Tisch decken. Dann kam mein Mann Thomas. Und mit ihm die Musik. Thomas liebte Musik. Sobald er in die Küche kam, schaltete er das Radio ein. Noch vor dem ersten Schluck Morgenkaffee. War Wochenende oder hatten wir Urlaub, lief überall, wo Thomas gerade „werkelte", ein Radio. Natürlich immer mit dem gleichen Sender. Ich liebte die Stille. Was fiel es mir jeden Morgen schwer, dieses Getöne und Gebabbel schon zum Frühstück zu ertragen. Ich liebte meinen Mann. Also fanden wir einen Kompromiss: Radio ja und zwar in moderater Lautstärke, so dass wir uns beim Essen gemütlich unterhalten konnten. Unser gemeinsames Frühstück war uns beiden sehr wichtig. Gemeinsam in den Tag starten. Bei einer wunderbaren Tasse Kaffee und leckeren Marmeladenbrötchen. So musste ein guter Tag beginnen! Selbstverständlich bekamen auch unsere beiden Hunde Angie und Max ihr Frühstücksbutterbrot.
Wenn wir gemeinsam zur Arbeit fuhren, ging Thomas nach dem Frühstück mit den kleinen Vierbeinern Gassi, während ich unsere großen Mäuse versorgte. Ich genoss es jeden Morgen aufs Neue, die Scheunentür zu öffnen, unsere Pferde, unseren Garten mit all seinen Blumen und Sträuchern, die zwitschernden Vögel und die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen aufzusaugen. In diesen Momenten fühlte ich mich immer wieder aufs Neue lebendig und frei. Alles um mich herum war voller Leben. Um nichts in der Welt wollte ich diese morgendlichen Momente missen.
Wie jeden Morgen war ich auch heute auf dem Weg zum Stall mit zwei prall gefüllten Futterschüsseln in der Hand. Angie und Max, unsere beiden belgischen Schäferhunde, die zwischenzeitlich auch in die Jahre gekommen waren, begleiteten mich press bei Fuß. Sie wussten ganz genau, dass für jeden ein leckerer Hundekeks griffbereit in meiner Jackentasche wartete. Ich öffnete die Scheunentür und das freundliche Wiehern von Frilly begrüßte mich herzlich. Frilly war Cheyennes Mama. Frilly, eine bildschöne, fuchsfarbene Quarterstute, mit einer kleinen Blume auf der Stirn, den größten und schönsten Pferdeaugen, die ich kannte und mit einzigartigem Charakter: sie konnte ebenso erfrischend temperamentvoll wie unglaublich sanftmütig und zärtlich sein - Galoppieren auf der Stelle lag ihr genauso im Blut, wie vom Wind geflügelt davon zu eilen. Sie hatte mich mit ihrer nicht endenden Geduld gelehrt, ihr blind zu vertrauen. Sie zu verstehen. Wir sprachen die gleiche Sprache – ohne ein einziges Wort zu sagen. Sie war jetzt zwanzig Jahre alt und begleitete mich und meinen Mann seit mehr als fünfzehn Jahren durch unser gemeinsames Leben. Sie war unser Hochzeitsgeschenk. Damals, kurz vor unserer Heirat, kam ich das erste Mal auf traurige Weise direkt mit dem Tod in Berührung, als mein erstes eigenes Pferd, ein bildhübscher, brauner Traber namens Gordon erlöst werden musste.
* * *
Gordon und ich durften sechs wunderschöne Jahre miteinander teilen. Nachdem ich endlich volljährig war, wollte ich keine Sekunde länger auf ein eigenes Pferd warten. Schließlich hatte ich jahrelang jeden Pfennig dafür gespart und stolze viertausend DM – damals dachte noch kein Mensch an den Euro - um mir meinen Traum zu erfüllen. Wochenlang studierte ich Pferdeanzeigen. In der Nähe bot jemand ehemalige Traber als Reitpferde an. Die Anzeige las sich sympathisch, also rief ich die angegebene Telefonnummer an und verabredete mich noch für denselben Tag mit der Pferdebesitzerin. Der hellbraune Wallach, den sie mir ans Herz legte, gefiel mir überhaupt nicht. Er war zwar ganz nett, aber irgendwie wollte zwischen uns kein Funke überspringen. Auch nicht als ich in seinem Sattel saß. Die Chemie zwischen uns beiden stimmte nicht. Außerdem war mir gleich beim Betreten des Stalls ein hübscher verwuschelter, dunkelbrauner Kopf aufgefallen, der nur mit Mühe über die hohe Boxentür lugen konnte. Ich fragte nach dem Kleinen. „Der?! Oh, ähm, ja, klar ist der zu verkaufen. Aber der ist noch nicht geritten." Verkaufstüchtig holte die Besitzerin mir den Vierbeiner aus dem Stall. Ich traute meinen Augen nicht: vor mir stand ein völlig abgemagerter und dennoch bildschöner Hengst mit total verfilzter Mähne und noch verfilzterem Schweif. Gordon. Ein erbärmlicher Anblick! Ich verliebte mich auf der Stelle in ihn. Er war ein Scheidungskind wie ich. Allerdings endete die Scheidung seiner Besitzer in einem hässlichen Rosenkrieg und er hatte das Glück, verkauft zu werden, bevor er verhungerte.
Die ersten Wochen verbrachte ich damit, ihn aufzupäppeln. Meine liebevolle Pflege tat ihm sichtlich gut: sein intensiv rotbraunes Fell begann zunehmend zu glänzen, seine dichte Mähne wuchs Zentimeter für Zentimeter ebenso wie der von mir in stundenlanger Arbeit entfilzte Schweif. Seine kleine Blume leuchtete hell unter seinem Schopf hervor und ließ sein hübsches Gesicht so richtig vorwitzig wirken. Seine Augen bekamen einen faszinierenden Glanz. Er hatte ausgesprochen kleine Ohren, die er wie Propeller in alle Richtungen drehte, sobald er glaubte etwas Interessantes zu hören. Außer der weißen Blume gab es noch einen weiteren Farbklecks, seine linke Fessel war unregelmäßig weiß gezeichnet. Von Tag zu Tag wurde er zutraulicher und anhänglicher. Er lebte richtig auf! Und sein Vertrauen zu gewinnen war für mich das Schönste überhaupt!
Was war ich aufgeregt, als ich ihn das erste Mal sattelte! Ob wir uns miteinander wohl fühlen würden? Ob wir uns verstehen würden? Und ob wir das taten! Gordon zu reiten machte tierischen Spaß! Er war sehr lernwillig und obwohl er ein Traber war, machte er mir die Freude, sich immer wieder im Galopp zu versuchen. Anfangs galoppierte er mit den Vorderbeinen und trabte mit den Hinterbeinen munter weiter. Dann schaffte er es plötzlich immer wieder für einige Meter vorne und hinten zu galoppieren. Und nach vielen Monaten klappte auch der richtige Galopp. Wir waren einander gute und vor allem geduldige Lehrmeister. Bis er von heute auf morgen mit gerade mal acht Jahren zu lahmen begann.
Knieentzündung. War die anfängliche Diagnose. Monatelang wurde er punktiert und bekam schmerzlindernde Medikamente. Nichts half. Er lahmte und lahmte. Die Tierärzte waren mit ihrem Latein am Ende. Also suchten Thomas und ich einen Homöopathen auf. Er schaffte es, dass Gordon nach einigen Wochen nicht mehr lahmte. Weil ihm seine Hengsthormone mit den Jahren mächtig zu schaffen machten, ließen wir ihn von dem Homöopathen auch kastrieren. Während der kompletten Behandlungszeit fuhr ich jeden zweiten Tag nach der Arbeit die fast hundert Kilometer zu ihm. Ich wollte wissen, wie es ihm ging. Ob und welche Fortschritte er machte. Vor allem aber wollte ich, dass er wusste, dass ich immer für ihn da war. Ich lernte seine Wunden zu versorgen, ihm seine Medikamente richtig zu geben und schließlich durften wir ihn nach gut vier Wochen wieder mit nach Hause nehmen. Die homöopathischen Medikamente sollte ich ihm weiterhin verabreichen. Einige Monate lang ging es ihm gut und ich traute mich sogar, ihn wieder ein bisschen zu reiten. Bis er erneut zu lahmen begann ...
Ich besuchte damals ein Pferdeseminar, in dem man lernte die Reittauglichkeit eines Pferdes zu beurteilen. Es wurden so ziemlich alle Krankheiten durchgesprochen, die ein Pferd reituntauglich machten. Zur Veranschaulichung wurden uns Pferde mit den unterschiedlichen Krankheiten vorgeführt. Für mich ein harter Schlag! Ich musste erkennen, dass für die Veranschaulichung der meisten Krankheiten ein einziges Pferd genügt hätte: mein Gordon! Von Arthrose über Wirbelerkrankungen bis hin zur Hufrollenentzündung konnte ich alle Krankheiten seinem lädierten Bewegungsapparat zuordnen. Tat das weh! Mir wurde in diesen Momenten schmerzlich bewusst, wie sehr Gordon leiden musste! Kein Wunder, dass aus meinem einst so fröhlichen, bewegungsfreudigen Hengst ein Wallach geworden war, der sich selbst auf der Koppel kaum noch bewegen, geschweige denn grasen wollte. Er hatte ständige Schmerzen. Zu realisieren, was ich jetzt tun musste, was ich für mein Pferd, für ihn, meinen Gordon, tun musste, ließ mich in eine wahnsinnige Ohnmacht verfallen! Ich wollte ihn doch nicht verlieren! Ich liebte ihn doch so sehr! Und gerade weil ich ihn so sehr liebte, war es an der Zeit ihn loszulassen. Ihn von seinen Schmerzen zu befreien. Sein Leiden zu beenden. Ich begleitete ihn in seinen Tod.
Der Schmerz saß tief! Ich wollte kein eigenes Pferd mehr. Ich wollte diesen Schmerz, diesen Verlust, diesen schmerzlichen Verlust niemals wieder in meinem Leben ertragen müssen. Ich wollte mir eine Reitbeteiligung an irgendeinem netten Pferdchen suchen, für dessen Leben ich aber nicht die Verantwortung zu übernehmen brauchte und endlich viel mehr Zeit mit meinem zukünftigen Mann verbringen. Aber irgendwie schien das keine gute Idee zu sein. Nach nur gut zwei Wochen lud mich mein Thomas zu einem romantischen Abendessen ein. Im Glanz zweier leuchtender Kerzen schaute er mir mit ernstem Blick ganz tief in die Augen und sagte mit betont sanfter Stimme: „Meine Liebe, es gibt zwei Möglichkeiten: entweder wir gehen ab morgen auf Pferdesuche oder wir heiraten nicht! Du bist unausstehlich! Ich war sprachlos. Unausstehlich?! Ich?! Das konnte ich nicht so recht glauben, obwohl ich mich in meiner „ohne eigenes Pferd
-Haut nicht wirklich wohl fühlte. Ich hinterfragte dieses „unausstehlich" aber auch lieber nicht. Ich machte mich gleich am nächsten Morgen auf die Suche nach einem neuen vierbeinigen Lebenspartner. Einem Familienmitglied für meinen Mann und mich.
* *
Aufgrund meiner Ausbildung in der englischen Reitweise suchte ich bei konventionellen Pferdehändlern – vergeblich. Es war schon eine bodenlose Frechheit, was mir an Pferden angeboten wurde. Ich war selbst schuld, denn schließlich hatte ich offen und ehrlich gesagt, dass ich ein Freizeitpferd suchte. Und Freizeitpferd bedeutete nun leider für die Verkäufer entweder Pferde, die nicht mehr voll reittauglich waren oder aus dem Turniersport aus welchen Gründen auch immer „ausrangiert worden waren. Es ärgerte mich sehr, dass diese Pferdeverkäufer nur mit wenigen Ausnahmen erkannt hatten, dass ein Freizeitpferd und somit auch ein Freizeitreiter die höchsten Anforderungen an den Reitsport erfüllen mussten: Freizeitpferde mussten dressurmäßig geritten werden, damit sie im Gelände auf die kleinste Hilfe reagierten; Springen mussten sie sowieso können, denn sonst scheiterten sie am ersten querliegenden Baumstamm; vertrauensvoller Gehorsam war das Nonplus-Ultra, denn sonst kamen sie weder an Monstertraktoren, noch an davon stürmendem Wild unbeschadet vorbei. Wie viele Reiter gab es, die mit ihren „Kracks
auf dem Dressur- oder Springplatz so manche Trophäe absahnten, aber nicht eine einzige Runde ins Gelände gehen konnten, weil ihr Pferd so wenig Vertrauen zu ihnen hatte, dass es sogar vor herum liegendem Abfall scheute! Mit anderen Worten: in diesen Ställen wurde ich nicht fündig.
In einer Zeitschrift entdeckte ich die recht ansprechende Anzeige eines Westernreiters, der mehrere Pferde zum Verkauf anbot. Ich rief kurzerhand an und war schon sprachlos über seine Antwort, als ich ihm sagte, dass ich nicht Westernreiten könne: „Das macht gar nichts. Wenn´s passt, dann passt´s. Die Reitweise ist dabei völlig egal. Und er sollte Recht behalten: während seine Verkaufspferde in aller Ruhe an ihrem Heu nagten, beschrieb er jedes einzelne von ihnen mit seinen Vorzügen, aber auch so manchen Handicap. Einzig und allein zu einer kleinen, roten Stute, die relativ abseits von einer größeren Herde dösend da stand, sagte er nichts. Sie war etwas über eins Fünfzig groß. Genau die richtige Größe für mich laufende ein Meter sechzig. Ihr Fell erstrahlte in einem goldenen Rot, über dem unendlich viele, kleine weiße Haare wie glänzende Silberstreifen lagen. An Kopf und Hals hatte sie mehrere Wirbel. Eine weiße Blume genau in der Mitte ihrer Stirn verlieh ihrem hübschen Gesicht eine faszinierende Weichheit. Sie wirkte fast zerbrechlich. Und hochsensibel. Kleine flinke Ohren nahmen alles um sie herum ebenso aufmerksam war, wie ihre blitzenden großen Knopfaugen. Mähne und Schweif waren für einen Quarter ungewöhnlich dünn, aber ebenso glänzend wie ihr Fell. Mit ihrer schneeweißen Schweifrübe sah sie lustig aus. „Ich würde gerne die kleine Rote da hinten ausprobieren.
Mit großen Augen schaute ich den Stallbesitzer erwartungsvoll an. „Gut. antwortete er, „Dann gehen wir jetzt erst einmal einen Kaffee trinken. Bis die eingefangen ist, das dauert.
Den Blick meines Mannes vergesse ich nicht: „Du willst doch nicht wirklich dieses Pferd ausprobieren?!" Ich ignorierte ihn bewusst. Den Blick und damit meinen Mann. Er hatte einen Wallach für mich ausgeguckt, der direkt neben uns stand und seelenruhig an seinem Heu nagte, während ein kleines Mädchen ihm beständig mit dem Koppeltor, auf dem es hin und her schwingend stand, in die Seite donnerte. Thomas gefiel die Ruhe und Gelassenheit des Wallachs. Mir dagegen war er zu ruhig und zu gelassen ...
Der Kaffee schmeckte ausgezeichnet und wir lernten die ganze westernreitende Familie kurz kennen. Frilly stand bereits gesattelt da, als wir in den Stall kamen. Das gefiel mir so gar nicht und ich bat darum, sie abzusatteln. Ich wollte mein potenzielles zukünftiges Pferd gerne selbst putzen und satteln, um zu sehen, wie sie reagierte. Meinem Wunsch wurde entsprochen und Frilly war superbrav. Gesattelt und getrenst gingen wir in einen Roundpen, wo sie mir der Verkäufer vorreiten wollte.
Er blieb eine halbe Runde lang im Sattel, hielt unvermittelt an und ließ sie mit den Worten: „Boah, die hat Pfeffer im Hintern, die ist schon eine ganze Weile nicht mehr geritten worden! Soll sie sich erst einmal austoben. wie eine Verrückte umher toben. Frilly raste wild buckelnd durch das Roundpen und mein Thomas wurde immer blasser. „Du willst dich doch nicht wirklich auf die da drauf setzen?
, flüsterte er mir mit aufgerissenen Augen fragend zu. „Doch." Frilly gefiel mir. Sehr sogar. Trotz ihres temperamentvollen Auftritts hatte sie etwas unglaublich warmes, vertrauensvoll Beruhigendes an sich. Und es war eine Riesenfreude ihren Luftsprüngen zu zusehen. Ihre pure Lebensfreude und Lebenslust waren fühlbar und ansteckend.
Beschwingt schwang ich mich in meinen englischen Lederstiefelchen in den Westernsattel und war sofort da, wo ich hin wollte: zu Hause, verschmolzen mit meinem Pferd! Ich fühlte mich auf Frillys Rücken so wohl, als hätte ich sie schon mein Leben lang jeden Tag geritten. Meine Wangen glühten vor Glück! Und als Frilly sich behutsam in Bewegung setzte, fühlte ich mich von ihr wie auf Wolken getragen. Ich hatte mich in sie verliebt! Und sie hatte von der ersten Sekunde an einen wunderbaren Teil von mir in sich vereinnahmt.
Frilly wurde unser neues Familienmitglied. Wir holten sie kurz vor unserer Hochzeit zu uns nach Hause, besser gesagt in den Pensionsstall, der zuletzt Gordons Heimat gewesen war. Frilly wurde von den Vierbeinern dort freundlich aufgenommen und sie integrierte sich problemlos in die Koppelgemeinschaft. Unsere Ausritte waren von Anfang an ein Genuss! Einfach herrlich. Mit Frilly war ich unbeschwert glücklich. Reiten mit ihr machte Lust auf mehr! Auf mehr als nur ein, zwei Stunden durchs Gelände zu streifen. Tagesritte wären schön. Wanderritte bestimmt genial. Tagelang mit Frilly in der Natur unterwegs sein. Das war mein Traum. Um ihm ein Stück näher zu kommen, diesem meinem Traum, nahm ich als erstes an einem Kurs „Reiten nach Karte und Kompass" teil. Schließlich wollte ich wissen, wo ich war und wo ich hin wollte, wenn ich unterwegs war.
* *
Thomas fuhr uns am frühen Samstagmorgen zum Treffpunkt bei einer Wanderreitstation im tiefen Pfälzer Wald. Wir mussten einen langen, steilen, steinigen Weg entlang fahren, bis wir die Wanderreitstation erreichten. Vor uns lag ein geräumiges Blockhaus, umgeben von einer saftig grünen Wiesenlandschaft, die von hochgewachsenen, blühenden Bäumen umsäumt war. Was für eine Idylle!
Frilly wartete geduldig im Hänger, bis wir ihren Paddock abgesteckt und eingezäunt hatten. Als ich sie in ihr Quartier führte, wälzte sie sich erst einmal ausgiebig, bevor sie sich in aller Ruhe mit dem Berg Heu, der nach frischen Kräutern duftend vor ihr lag, beschäftigte. Ich selbst bezog, nachdem ich mich liebevoll von meinem Mann verabschiedet hatte, ebenfalls mein Quartier in der Hütte der Wanderreitstation und stellte mich den bereits Anwesenden vor. Wir waren sechs Frauen und ein Lehrgangsleiter. Unser Lehrgangsleiter war schon etwas älter. Ich merkte an der Art wie er sprach, dass er mit solch Karten- und Kompass-unerfahrenen Mädels wie uns so seine Erfahrungen hatte. Geduldig wies er uns den kompletten Vormittag in die ihm so vertraute Kartenkunde ein. Er schien unserer Fragen nicht überdrüssig zu werden, auch wenn sich so manche immer wieder wiederholte ...
In der Mittagspause schaute ich wie alle anderen Mädels nach meinem Pferd. Frilly stand entspannt dösend in ihrem Paddock und lies sich von mir die Stirn kraulen. „Das ist ganz schön anstrengend, murmelte ich, „aber ich glaube, ich kann jetzt schon ganz gut mit Karten umgehen. Wenn man sich damit beschäftigt, ist das gar nicht so schwer und interessant obendrein!
Mit diesen mich selbst motivierenden Worten machte ich mich zum Mittagessen auf.
Karin, die neben mir saß, meinte aus heiterem Himmel zu mir: „Na, du bist ganz schön mutig, dich von deinem Liebhaber hierher bringen zu lassen! „Bitte?!
Mir fiel schier der Bissen Wurst, den ich grade hungrig in den Mund geschoben hatte, aus dem selbigen. Fassungslos blickte ich sie an. „Du brauchst nicht so entsetzt zu gucken. Das ist schon okay. Aber eben mutig., ergänzte Karin. „Ich verstehe nicht ganz ...
, fing ich an. „Na, also wenn man mit einem Italiener verheiratet ist, wo Italiener doch bekanntermaßen dunkeläugig, dunkelhaarig und feurig sind und sich von einem blauäugigen Blonden hierher bringen lässt, dann ist doch alles klar!" Ich prustete los vor