Historische Semantik
Von Bernhard Jussen, Matthias Rein, Marian Nebelin und
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Über diese Serie
Titel in dieser Serie (21)
- Zeichen des Verfalls: Semantische Studien zur Entstehung der Kulturkritik im 18. und frühen 19. Jahrhundert
18
From a comparative perspective and using the methods of historical semantics, this study describes the emergence during the long 18th century of cultural criticism (Kulturkritik) as a modern discourse.
- Die Autonomie der Routine: Wie im 12. Jahrhundert das englische Schatzamt entstand
21
During the 12th century, one of the most durable institutions of the English government emerged: the Exchequer. For seven centuries, it was a corner stone of the royal financial administration. The study explains how the ground was laid for this long-lasting organisation. No one had planned it, not the king nor any outstanding administrative figure. The Exchequer slowly crystallized out of everyday routine actions: The sheriffs came to the royal clerks to render account of all the revenues they had received and all the expenses they had made in the name of the king. The clerks wrote down everything on large parchment rolls, called the pipe rolls. The clerks and the sheriffs were the only ones to understand the accounting language. They could easily restrict access to their group and thus create a sense of a special identity. Nevertheless, accounting procedures remained flexible enough to cope with new challenges. Slowly, a sense of belonging to the accounting team as well as standardized procedures emerged. At the end of the century, something new had developed: A certain group of people quite proud of themselves managed the accounting procedures according to certain rules. Without anyone supervising or designing the process, routine actions had themselves transformed into an organisation.
- Semantische Kämpfe zwischen Republik und Prinzipat?: Kontinuität und Transformation der politischen Sprache in Rom
Eine der Grundfrage der Historischen Semantik des Politischen ist die nach dem Zusammenhang zwischen System- und Sprachwandel. In ihrer Auseinandersetzung mit dieser Frage untersuchen die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes exemplarisch, ob und wenn, inwiefern es semantische Kämpfe während des Übergangs von der römischen Republik zur Monarchie gab. In solchen semantischen Kämpfen wandeln sich die Sprache und das Politische zugleich. Für den Fall römischen Transformationsvorgangs kommen die Autorinnen und Autoren des Bandes zu einem äußerst differenzierten Befund: Einige Bereiche der politischen Semantik wurde in höchstem Maße politisch aufgeladen. Dadurch erlangten sie einerseits selbst Wirkungsmächtigkeit, veränderten sich jedoch zugleich auch im Zuge dieser Diskurse. Andere Konzepte und Begriffe hingegen blieben in ihrem Bedeutungskern stabil und überdauerten die Transformationsphase.
- Ambivalenzen des geistlichen Spiels: Revisionen von Texten und Methoden
Ambivalenzen bilden ein Leitparadigma der Analyse geistlicher Spiele. Vom Beginn der Wissenschaftsgeschichte an orientierten sich die Forschungsbeiträge an begrifflichen Oppositionen wie Aufführung und Schrift, Liturgie und Theater, Sakralität und Profanität, Präsenz und Repräsentation. Wesentliche Impulse gingen von Rainer Warnings Studie ›Funktion und Struktur‹ (1974) aus, die zu einer kulturwissenschaftlichen Wende in der Spieleforschung führte. Das Ambivalenzkonzept selbst blieb allerdings weitgehend ungeklärt. Der Sammelband zieht eine Forschungsbilanz und diskutiert Chancen und Gefahren des Paradigmas. Ausgangspunkt ist die Frage, ob es sich bei ›Ambivalenz‹ um eine literaturwissenschaftliche Metakategorie oder um ein historisches Gattungskriterium handelt. Kann man das Nebeneinander unterschiedlicher Forschungsperspektiven als Ausdruck jener Ambivalenzen begreifen, die den Spielen selbst eingeschrieben sind, oder spiegeln sich hierin nur die Aporien der Metaebene? In der Einleitung und den vierzehn Fallstudien, die von den Anfängen des mittelalterlichen Theaters bis in die Frühe Neuzeit reichen, werden Phänomen und Begriff der Ambivalenz untersucht und Aufgaben künftiger Forschung ausgelotet.
- Die Sprache des Rechts: Historische Semantik und karolingische Kapitularien
In den Erlassen der karolingischen Herrscher (»Kapitularien«) bewegt sich die Sprache in einer Indifferenzzone zwischen Recht, Moral, Religion und Administration. Dadurch schufen die Karolinger ein flexibles Instrument zur Kommunikation mit ihren Amtsträgern, das sich gerade aufgrund seiner Regellosigkeit besonders für ein pragmatisches Regierungshandeln eignete. Der Sammelband nimmt erstmals den Wortgebrauch, die semantischen Felder und die Beziehungen zu anderen Textsorten des 9. Jahrhunderts in den Blick und wirft dadurch neues Licht auf die Bedingungen des Erfolges der karolingischen Herrschaft.
- Scientia & vaghezza im ästhetischen Diskurs der Lombardei des Cinquecento: Zum Verhältnis von bildkünstlerischer Praxis und textverfasster Theorie
Anhand facettenreicher Fallstudien führt die Autorin den frühneuzeitlichen ästhetischen Diskurs der Lombardei vor. Sie analysiert das Verhältnis von Theorie und Praxis und erörtert historische Medienreflexionen sowie Wissensfragen. Aus kunsthistorischer, literaturwissenschaftlicher und wissensgeschichtlicher Perspektive analysiert Mira Becker-Sawatzky bildkünstlerische Praxis und textverfasste Theorie in ihrem teils dialogischen, teils diskrepanten Verhältnis zueinander. Dazu werden in thematischen Clustern Malerei, Zeichnung, Bildhauerei, Dichtung und Traktatistik mit ihrer je spezifischen Medialität und Materialität zueinander ins Verhältnis gesetzt. Betrachtet werden Um-Ordnungen der Wissenshierarchie, die Pluralität des Paragone, die Virulenz grotesker Ästhetik, die Konzeption künstlerischer Stile, die Bedeutungsdimensionen von vaghezza und die Wurzeln der Mailänder Ambrosiana.
- Scham – zur sozialen Bedeutung eines Gefühls im spätmittelalterlichen England
Das Mittelalter kannte keine Scham: Rülpsende, furzende und promiske Zeitgenossen bevölkern populäre Filme und Bücher und prägen das moderne Mittelalterbild. Im Hintergrund dieser Vorstellungen stehen historisch-soziologische Theorien, die davon ausgehen, dass der Zivilisationsprozess seit der frühen Neuzeit zu einem signifikanten Ansteigen der Schamschwellen geführt hat. Katharina Behrens' emotions- und mentalitätsgeschichtliche Studie setzt an diesem Punkt an und untersucht die soziale Bedeutung der Scham am Beispiel des ricardischen England. Sie beobachtet sowohl aus sprachlich-diskursiver als auch aus performativ-institutioneller Perspektive: Die sozialen Semantiken der Scham werden zum einen begriffsgeschichtlich auf der Ebene der Texte, zum anderen sozialgeschichtlich auf der Ebene gesellschaftlich-kultureller Praktiken und Institutionen in den Blick genommen. Dabei zeigt sich, dass das Mittelalter keineswegs schamlos war, sondern dass Scham in der englischen Kultur und Gesellschaft des späten 14. Jahrhunderts im Bereich der Schaffung und Aufrechterhaltung sozialer Ordnung eine zentrale Rolle spielte.
- Die Semantik des Schicksals: Zur Relevanz des Unverfügbaren zwischen Aufklärung und Erstem Weltkrieg
Warum ist eine moderne, in ihrem Selbstverständnis rationale Gesellschaft auf einen so okkult anmutenden Begriff wie den des Schicksals angewiesen? Franziska Rehlinghaus weist nach, dass der deutsche Schicksalsbegriff seit seiner Etablierung um 1650 ein zentraler Ausdruck epochenspezifischer Problemstellungen war, so dass man von der Neuzeit als einem fatalisierten Zeitalter sprechen kann. Dafür rekonstruiert sie erstmals den semantischen und den funktionalen Wandel sowie die Konjunkturen des Schicksalsbegriffs von der Aufklärung bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
- Die Versuchung der schönen Form: Spannungen in ›Erbauungs‹-Konzepten des Mittelalters
Die Frage nach Spannungen in mittelalterlichen ›Erbauungs‹-Konzepten führt in weitreichende Problemdimensionen der historischen Pragmatik und Ästhetik religiöser Kunst. Der Sammelband demonstriert aus interdisziplinärer Perspektive, wie wichtig es für die Rekonstruktion von Erbauung im Mittelalter ist, Wort- und Begriffsgeschichte, Verfahrens- und Funktionsgeschichte jeweils differenziert aufeinander zu beziehen. Statt von der Semantik der Neuzeit auszugehen, die ›Erbauung‹ reduziert auf Innerlichkeit, diskursive Schlichtheit und reine Positivität, zielt der vorliegende Band auf ambivalente Semantisierungsstrategien, mit denen im Mittelalter sehr differenzierte Konzepte von ›Erbauung‹ entworfen und umgesetzt werden. Deren historische Prägnanz kann sich erst zeigen, wenn für die Erbauungs-Semantiken das Spannungsfeld von Metapher und Begriff mitberücksichtigt wird, für die Erbauungs-Poetiken die Konkurrenz verschiedener wirkungsästhetischer Kalküle.
- Spielarten des Gottes-Genusses: Semantiken des Genießens in der europäischen Frauenmystik des 13. Jahrhunderts
In women's mystic texts of the late Middle Ages, forms of pleasure were devised and tested that by far eclipse much of what appears to be extreme and daring today. Pain and pleasure were blended into each other without diminishing the tension of both extremes. By ingenious use of semantics, Andrea Zech's study demonstrates impressively how recipients can follow and comprehend the pleasure of God imaginatively and performatively. In a language of its own, pleasure is thus portrayed like a postmodern performance without denying its otherness.
- Die Krise in der Frühen Neuzeit
Die Auffassung, dass gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich durch Krisen geprägt werden und dass die Wiederkehr von Krisen eine konstitutive Dimension von Geschichte ist, ist kennzeichnend für die Selbstwahrnehmung moderner Gesellschaften. Diese in hohem Maße kontingente Entwicklung zeichnen die Beiträge dieses Bandes nach. Sie situieren die ›Erfindung der Krise‹ als Form der gesellschaftlichen Selbstwahrnehmung innerhalb unterschiedlicher historischer Kontexte und spüren der Anwendung und Verbreitung von Krisendispositiven in unterschiedlichen sozialen und kulturellen Konstellationen innerhalb von West-, Mittel-, Süd- und Osteuropa nach. Hierdurch trägt der Band bei zu einer konsequenten Historisierung von Krise bei.
- Christianitas: Eine Wortgeschichte von der Spätantike bis zum Mittelalter
Das Wort ›christianitas‹ fand als Chiffre für die mittelalterliche Idee der Christenheit Einzug in die Geschichtserzählungen zu Christentum, Papst- und Kaisertum, Kreuzzügen und Europa. Tatsächlich wurde ›christianitas‹ in der Spätantike und in der Karolingerzeit in verschiedenen anderen Sinnzusammenhängen verwendet. Tim Geelhaar entkoppelt Begriff und Idee und lotet Gebrauchssituationen, Umsemantisierungen und Politisierungen des Wortes aus. Die historische Semantik von ›christianitas‹, so zeigt diese Studie anschaulich, macht die Pluralität eines christlichen, lateinischen Europas selbst sichtbar.
- Adel im Konflikt: Narrative Potentiale in spätmittelalterlicher Chanson de geste-Adaptation: Studien zum deutschen Malagis
Der um 1500 am kurpfälzischen Hof zu Heidelberg angefertigte dt. Malagis bietet ein kurioses Stück Literatur, welches hier erstmals einer umfassenden Untersuchung unterzogen wird. Die bunte Erzählwelt und der Perspektivenreichtum des Textes erscheinen besonders geeignet, verschiedene, untereinander verschränkte Phänomene spätmittelalterlichen Erzählens gezielt in den Blick zu nehmen, und sie zugleich auf ihre Wechselwirkungen mit Prozessen historischer Sinn- und Bedeutungsgenese hin zu befragen: So werden einerseits im Rückgriff auf tradierte Erzählmuster (i.e. repetitive Szenengestaltung, mehrsträngige Handlungsführung) Möglichkeiten strukturorientierten Erzählens ausgenutzt, um die Vielfalt der Textwelt erkennbar zu machen und handlungsrelevante Differenzierungen in sie einzuführen, andererseits können im Spiel der Reprisen verschiedene Handlungsoptionen abgesetzt dargestellt und so einer Beurteilung zugeführt werden. Gezeigt wird dies im analytischen Zugriff von zwei Seiten her: Oszillierend zwischen textnah gehaltenen Szeneninterpretationen, anhand derer textspezifische Semantisierungsprozesse verfolgt werden können, und der Fokussierung diverser Strategien narrativer Organisation mündet die Analyse in eine thick description der Erzählwelt des dt. Malagis und der in ihr waltenden Logiken. Die Studie erschließt den konstitutiven Zusammenhang von Erzählinhalt und narrativer Gestaltung und verdeutlicht, wie die Problem(lösungs)konstellationen des Textes einem auf Dynamik und Dialogisierung angelegten Selbstbeschreibungsmodell fürstlicher Herrschaftsträger fundamental zuarbeiten.
- Semantik der Gelassenheit: Generierung, Etablierung, Transformation
This volume presents new perspective on the semantic background of the term "serenity" in the religious literature of the Middle Ages and into the 17th century.In Medieval Studies, the term "serenity" is associated particularly with Johannes Eckhart. Later, however, it came to be considered the central concept of religious and mystic literature of the late Middle Ages. Using the modern methods of historical semantics, this anthology looks at the various perspectives of the semantics, the establishment and the enactment of "serenity." The contributions offer not only conceptual analyses, they also discuss important modern approaches to historical semantics regarding word history, text exegesis and discourse analysis.
- Narrative Ambiguität: Die Faustbücher des 16. bis 18. Jahrhunderts
This book studies the transformations of the figure of Faust found in the Faust books dating from the 16th to the early 18th century, which laid the foundation for the literary fame of the figure of Faust as the devil's confederate.The figure of Faust was repeatedly reworked in many texts of this era, undergoing a considerable transformation in the process. At the center of the discussion in this volume lie the themes of curiositas and audacity, fear of damnation and an anguished conscience, melancholy and despair.Of particular interest are the junctures of Faust as sorcerer and learned man, caught between exemplary typification and individualisation processes, between legend and damnation.
- Kein Zufall: Konzeptionen von Kontingenz in der mittelalterlichen Literatur
Kontingenz – so wird immer wieder konstatiert – wird erst in der Frühen Neuzeit »entdeckt«. Davor wurden alle noch so unerklärlichen Begebenheiten als Ausdruck einer höheren, gottgewollten Ordnung gedeutet. Der Sammelband nimmt dieses Postulat zum Anlass, um die Vielfalt mittelalterlicher Kontingenzkonzeptionen in literarischen Texten auszuleuchten. Anhand von exemplarischen Analysen von Legenden, Antiken- und höfischen Romanen sowie Mären, Lyrik und Romanen der Frühen Neuzeit wird sowohl nach gattungsspezifischen Kontingenzkonzeptionen als auch nach literarhistorischen Verschiebungen und Umbesetzungen gefragt.
- Zählen: Semantische und praxeologische Studien zum numerischen Wissen im Mittelalter
Die Verwendung des Worts zeln ist dominant durch seine pragmatische Funktion geprägt: zeln, das ist zuallererst das emphatische und öffentliche Zuschreiben von Rang und Amt, von Schönheit, Tapferkeit, Freiheit usw. Zeln ist zunächst immer ein Akt der Mitteilung in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Die Kerbholzüberlieferung, das materiell-notationale Komplement des sprachlichen Zählens, wird zum Zweck der Überprüfung und Perspektivierung der Ergebnisse erstmals vollständig gesichtet und analysiert. Auch das Gelingen der kerbholzbasierten Kommunikation ist immer an soziale Situationen gebunden. Kein Kerbholz zählt ohne die Gegenwart derer, deren Besitz es markiert.
- ›Wirtschaftskrisen‹: Effekt und Faktor politischer Kommunikation. Deutschland 1929-1976
Die Studie entwickelt einen grundlegend neuen Blick auf Wirtschaftskrisen, indem sie diese als politisches Deutungsmuster perspektiviert. Für drei folgenschwere Krisen zwischen 1929 und 1976 zeigt sie auf breiter Quellenbasis, wie die Krisen zugleich Effekt und bestimmender Faktor politischer Kommunikation waren und wurden. Hierzu rekonstruiert sie en détail die Konstellationen, in denen sich Krisendeutungen etablierten, arbeitet die jeweiligen konkreten sprachlichen Zusammensetzungen des Deutungsmusters heraus und analysiert die Aneignungen der Krisendeutungen durch einzelne Politiker und Journalisten. Auf diese Weise wird plastisch erkennbar, wie Wirtschaftskrisen als multifaktorielle Phänomene mit politischen, ökonomischen und medialen Anteilen zustande kamen und funktionierten. Gesamtergebnis der Arbeit ist eine empirisch gesättigte Krisenheuristik, die fallübergreifende Muster von Wirtschaftskrisen als Kommunikationsphänomen aufzeigt und zugleich Spezifika der einzelnen Krisen herauspräpariert.
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