Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte
Von Susanne Schuster, Ernst Feil, Andreas Waschbüsch und
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Über diese Serie
Titel in dieser Serie (20)
- Die beiden Rezensionen von Augustins Adnotationes in Iob im Licht von Hieronymus' erst Ijob-Übersetzung: Genetische Analysen aufgrund der ältesten Codex-Fragmente Inguimbertinus 13 und Ashburnhamianus 95
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Almut Trenkler zeigt, dass Augustins Adnotationes in Iob in zwei Rezensionen überliefert sind. Diese wurden vermutlich unabhängig voneinander von Fratres aus Augustins Skriptorium anhand eines fehlerhaften Archetypos erarbeitet, den der Autor selbst unveröffentlicht lassen wollte. Anlass für die erste, breiter überlieferte Rezension könnte die Ijob-Kontroverse im Rahmen des Pelagianischen Streites gewesen sein. Dort gewann die in den Adnotationes stark ausgeprägte Gnadentheologie neue Aktualität. Die zweite Rezension, die nur in den ältesten Fragmenten erhalten ist, will die erste korrigieren: Während der erste Redaktor die Bibelzitate und Kommentare Augustins so stark überarbeitete, dass der Autor sein Werk kaum wiedererkannte, verfuhr der zweite Bearbeiter zurückhaltender. Möglicherweise handelt es sich bei den beiden Bearbeitern um Leporius und Eraclius, zwei gebildete Kleriker aus Augustins Hauskloster. Die Unterscheidung der beiden Rezensionen beruht primär auf einer Beobachtung, die das zweite Hauptergebnis der Untersuchung darstellt: Die erste Ijob-Übersetzung des Hieronymus, die Augustinus als Textvorlage diente, lag den Fratres in zwei Versionen vor. Während Augustinus die Erstfassung kommentierte, zitierten die Fratres viele Lemmata stattdessen nach einer von Hieronymus revidierten Version. Offenbar wollten sie die Ijob-Texte auf den neuesten Stand bringen. Ihr Vorgehen verrät sich vor allem durch Diskrepanzen zwischen den Lemmata und Augustins Kommentaren.
- Beiträge zum lateinischen Ijob: Iob 16,6; Iob 27,16-17a; Iob 28,1-3a bei Hieronymus und Augustinus
Dieses Buch bietet tiefe Einblicke in die Werkstatt beider Kirchenväter und ihre geistige Entwicklung: Hieronymus versucht sich an hebräischen Konjekturen und immer neuen Kombinationen seiner hebräischen, aramäischen, griechischen und altlateinischen Vorlagen. Wiederholt reichert er den Sinngehalt biblischer Texte durch mehrdeutige Ausdrücke sowie Anspielungen auf christliche und pagane Autoren an. Ein Beispiel für Augustins geistige Entwicklung in der Auseinandersetzung mit dem Ijob-Text ist seine schrittweise Klärung des Verhältnisses zwischen prudentia und sapientia. Zugleich äußert er sich zu so verschiedenen Themen wie richtiges Trösten, die Entwicklung von Weltmenschen zu Christen und antike Verhüttungstechnik. Strukturell fallen das Nebeneinander von ungeschickt extemporierten und sorgfältig durchkomponierten Passagen sowie Formen einer schrittweise präzisierenden Gedankenführung auf. Hieronymus' mehrdeutige Formulierungen regten Augustinus zu produktiven Missverständnissen und eigenen, womöglich noch vieldeutigeren Wendungen an.
- Entdeckungen des Evangeliums: Festschrift für Johannes Schilling
Welche Rolle spielte das Evangelium in der Geschichte der Kirchen und den verschiedenen Kontexten der Frömmigkeit? Wie wurde es von Menschen in unterschiedlichen Zeiten und Lebenssituationen verstanden? Diese Fragen sind zentral für das Schaffen des Reformationshistorikers Johannes Schilling.Dieser Band vereint die Beiträge eines Kolloquiums anlässlich seines 65. Geburtstags. Im Fokus stehen die Rezeptionsgeschichte des Evangeliums und die Frage, in welchem Umfang sich kirchen- und kulturgeschichtliche Reformen sowie gesellschaftliche Veränderungen auf eine vertiefte Lektüre des Evangeliums zurückführen lassen. Die Beiträge würdigen die historische Arbeit des Jubilars, in der eine kirchengeschichtliche Konzeption von Rang beschlossen liegt. Eine Gesamtbibliographie seiner Schriften rundet den Band ab.
- Provokateure, Tabubrüche und Denkabenteuer: Grenzüberschreitungen im frühen und spätantiken Christentum. Gedenkschrift für Thomas Karmann
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Es gilt mittlerweile, gerade auch im Bereich der antiken und spätantiken Religionsgeschichte, als akademische Binsenweisheit, dass Grenzziehungen, die das Eigene eingrenzen und vom Anderen abgrenzen, einen zentralen Faktor religiöser Identitätskonstruktionen bilden. In diesem Zusammenhang wird allerdings kaum über die Bedeutung von Grenzüberschreitungen reflektiert, obwohl zahlreiche jüngere Publikationen zum frühen und spätantiken Christentum den Fokus auf Phänomene der Transgressivität (Gender, Körper, Jenseitsreisen usw.) legen. Dieser Sammelband verbindet nun beide Diskurse (zu religiöser Identität und zu Transgressivität), indem er anhand zahlreicher Beispiele der Frage nachgeht: Welche Rolle haben in den ersten Jahrhunderten Grenzüberschreitungen für die religiöse Identitätsbildung christlicher Gruppierungen und Individuen gespielt?
- Der christliche Overbeck: Franz Overbeck als Ironiker und Schellingianer
Franz Overbeck (1837–1905), Professor für neutestamentliche Exegese und ältere Kirchengeschichte an der Universität Basel, Freund von Friedrich Nietzsche und scharfer Kritiker der Theologie, hat in seiner letzten Zeit seinen christlichen Glauben anscheinend geleugnet. John E. Wilson zeigt, dass Overbeck die Ungläubigkeit als ironisches Spiegelbild des Schicksals der modernen Theologie gemeint hat. Bezeugt wird diese Ansicht von Overbecks Frau, Ida Rothpletz-Overbeck, die im Jahre 1920 Karl Barth mitteilte, dass ihres Mannes "Betrachtungsweise ganz aus dem Innersten der Religion geflossen, doch ein objektives Gewand trage, ein Außenseiter-Gewand". Ironie wird auch in früheren Werken Overbecks nachgewiesen. Wichtig für den Nachweis des Glaubens ist die Demonstration einer von Overbeck verschwiegenen Abhängigkeit vom Philosophen F.W.J. Schelling, insbesondere von Schellings Spätphilosophie. Schon Overbecks Grundbegriff des Gegensatzes von Glauben und Wissen ist sehr wahrscheinlich von Schelling. Auch gibt es Vergleiche mit Schelling in den Begriffen von Zeit, Dauer und Urgeschichte. In gewissen Schriften entspricht Overbecks Arbeitsweise der Methode des Klemens von Alexandrien in seiner Schrift Teppiche, wie Overbeck diese Methode in seiner bekannten Schrift über die Anfänge der patristischen Literatur darstellt. Die Arbeit beginnt mit einer detaillierten Untersuchung einer noch unveröffentlichten Vorlesung aus Overbecks Zeit in Jena. Am Schluss stehen die Predigten von Overbeck aus seiner Zeit als Student, hier zum ersten Mal veröffentlicht.
- Das Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Absolutismus: Die Ära Kaunitz (1749–1794)
Gerda Lettner behandelt die Anfänge der Aufklärung im Habsburgerreich, sowie die Entstehung und Bildung einer "Parthey" der Aufklärung im Zuge der Ausformung von Kaunitz' Reformbehörde, den Staatsrat. Die katholische Aufklärung diente als theoretische Untermauerung für Kaunitz' Reformprogramm. Die reformierenden Habsburger unterstützten die "Parthey" der Aufklärung, gaben aber auch der Reaktion Einfluss auf ihre Politik. Eine aufgeklärte Religiosität entstand schon zu Maria Theresias Zeiten im Zuge der Gewährung der Lehrfreiheit für Joseph von Sonnenfels, sie intensivierte sich unter der Reformpolitik ihrer Söhne. Die öffentliche Aufforderung an die Untertanen zur erlaubten Kritik an den Handlungen des Fürsten brachte das einmalige Phänomen der österreichischen Broschürenliteratur zustande. Die scharfe öffentliche Kritik der Strafrechtsreform Josephs II. geben Zeugnis von der Entstehung dieses kritischen Staatsbürger-Bewusstseins. Ernst Wangermann konnte zeigen, dass eine aufgeklärt-tolerante katholische öffentliche Meinung entstand, die die reaktionär-katholische Intoleranz überholte. Dazu gehörte auch der stürmische Protest gegen den Krieg gegen das revolutionäre Frankreich. Er bildete den Höhepunkt der Aktivitäten der Aufklärungspartei im 18. Jahrhundert.
- Die Verhandlungen über das Abendmahl und die übrigen Sakramente auf dem Religionsgespräch in Regensburg 1541
Das Religionsgespräch in Regensburg 1541 fand in einer Phase der Reformation statt, in der eine Kirchenspaltung noch vermeidbar erschien. Von April bis Ende Mai 1541 diskutierten die drei altgläubigen Theologen Julius Pflug, Johannes Gropper und Johannes Eck mit den protestantischen Theologen Johannes Pistorius, Philipp Melanchthon und Martin Bucer. Als Vorlage diente ihnen das Wormser Buch, das sie Artikel für Artikel besprachen und überarbeiteten. Saskia Schultheis untersucht vor allem das Gespräch zu den Sakramenten und dabei besonders die Auseinandersetzungen um das Abendmahl, an denen das Gespräch schließlich scheitert. Einerseits rekonstruiert sie den Gesprächsverlauf, dabei spielen vor allem die flüchtigen Protokollnotizen Julius Pflugs eine Rolle. Andererseits analysiert und interpretiert sie die ausgetauschten Argumente in systematisch-theologischer Perspektive und fragt danach, welche dogmengeschichtlichen Voraussetzungen beide Parteien teilen bzw. an welchen Punkten sie unterschiedliche Wege beschreiten. Schließlich untersucht Schultheis auch die sich dem Ende des Religionsgespräches anschließenden Reaktionen und Vermittlungsversuche aus Kirche und Politik. Sie kommt zu dem Schluss, dass das Beharren des Kardinals Gasparo Contarini auf dem Begriff der Transsubstantiation, den er mit dem IV. Laterankonzil 1215 für unumgänglich hält, einen erheblichen Anteil am Scheitern des Gespräches hatte. Es sind vor allem die Folgen dieses Begriffes, wie die Anbetung und die Aufbewahrung des Sakraments, die die Protestanten davon abhielten, ihn zu akzeptieren. Trotz der großen Nähe beider Parteien, finden beide aufgrund ihrer unterschiedlichen Zugänge, vor allem zu Fragen der Tradition, dennoch nicht zueinander.
- Kindesaussetzung und Moral in der Antike: Jüdische und christliche Kritik am Nichtaufziehen und Töten neugeborener Kinder
Die Aussetzung neugeborener Kinder, für moderne Moral fraglos unmenschlich und grausam, kam in den antiken Gesellschaften rund ums Mittelmeer vor. Daraus kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, Kindesaussetzung sei in der Zeit der Antike ein ganz alltägliches Phänomen gewesen. Zum einen lässt sich über deren Häufigkeit aus der Distanz von mehr als zweitausend Jahren nichts Sicheres sagen. Zum anderen gab es eine namhafte Zahl an Texten antiker Schriftsteller, in denen Kritik an der Kindesaussetzung geübt wird. Die entsprechenden Quellen sind in der vorliegenden Studie erstmals gesammelt und vergleichend analysiert. Sie zeigen ein klares Bild: Antike Menschen empfanden eine Kindesaussetzung als der Natur widersprechend und als gottlos. Eltern, die derartiges erwogen, wurden als gefühllose, rohe Menschen bezeichnet. Im Bereich des Religiösen gab es Maßnahmen wie der Ausschluss vom Heiligtum für eine bestimmte Zeit oder das Bezahlen einer Geldstrafe. Und wenn es auch bis ins 4. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung kein explizit gesetzliches Verbot der Kindesaussetzung gab, so waren etwa die frühen Christen sicher, dass ein solches Tun dereinst am Ende der Tage bestraft würde. Die antike Kritik an der Kindesaussetzung ist Zeugnis für eine breite Ablehnung derselben in den antiken Gemeinschaften verschiedener Zeiten und Orte. Sie zeigt aber auch, dass Kindesaussetzung keine Praxis sog. primitiver Völker war, sondern dass dahinter meist konkrete Nöte wie Armut oder uneheliche Geburt standen.
- Die Sterbe- und Ewigkeitslieder in deutschen lutherischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts
Lukas Lorbeer has collected several hundred hymn texts from Early Modern times and traced their propagation as well as analysing their use in the historical context.Singing in the face of death was an integral part of Lutheran piety from the very beginning. Especially the 17th century saw the composition of a large number of death and eternity hymns. The author takes on this theme based on the hymnals of the era. Besides the well-known authors Nicolai, Gerhardt and Rist, other lesser-known authors come to light. Emphasis is placed on the detailed background of the many Biblical references, images and sayings included in such texts. Also of major importance is their respective role in the lives of the worshippers.
- Die Textvorlage von Augustins Adnotationes in Iob: Studien zur Erstfassung von Hieronymus' Hiob-Übersetzung iuxta Graecos
Hieronymus' Hiob-Übersetzung iuxta Graecos liegt in vier Fassungen vor. Die Erstfassung O. bildet die Textvorlage für Augustins Adnotationes in Iob, wird dort aber nur in Auswahl kommentiert. Der Codex Turonensis 18 (11. Jh.) enthält eine vollständige von Hieronymus revidierte Fassung T. Weitere abweichende Fassungen finden sich im Sangallensis 11 (8. Jh.) und Bodleianus Auct. E. infra 1 (12. Jh.), hier S. und B. genannt. Gerd Dietrich Warns analysiert zunächst die Textgeschichte der Übersetzung iuxta Graecos: S. wird als erste, große Revision von O. erwiesen, während T. auf eine zweite Revision zurückgeht. In B. liegt eine spätere Konflation aus O. und T. vor, vielleicht eine frühe Edition. Die Unterschiede zwischen den Fassungen O., S. und T. deuten darauf hin, dass Hieronymus in S. sein erstes Übersetzungskonzept änderte. In O. wollte er in Überbietung von Origenes' Hexapla aus mehreren griechischen und hebräischen Textvorlagen eine vorbildliche lateinische Hiob-Version schaffen. In S. entschied er sich für einen doppelgleisigen Kurs: Er begann mit einer Neuübersetzung des Alten Testamentes iuxta Hebraeos: außerdem arbeitete er als Pendant dazu seine Erstfassung O. in S. so um, dass sie eindeutiger zu einer Hiob-Übersetzung iuxta Graecos wurde. Verglichen mit S. erscheint T. als Ausgabe letzter Hand. Warns gelingt es, in ausgewählten patristischen Texten weitere Spuren der Erstfassung O. zu identifizieren. Ein wesentliches Kriterium sind die nur in O. nachweisbaren Doppelübersetzungen.
- Dialogflugschriften der frühen Reformationszeit: Literarische Fortführung der Disputation und Resonanzräume reformatorischen Denkens
Die Dialogflugschriften der frühen Reformationszeit wurden in der bisherigen kirchengeschichtlichen Forschung nur wenig beachtet. Susanne Schuster erschließt das Corpus der Dialogflugschriften und ordnet die dialogischen Flugschriften in den kommunikativen Kontext der Reformation als Medienereignis ein. Die Autorin beschreibt Dialoge als literarische Fortsetzung der akademischen Disputation und begreift diese damit als Teil der Umformung, den die Disputation in der frühen Reformation bis hin zur städtischen Disputation durchlaufen hat. Die Fiktionalität bot den Dialogen die Möglichkeit, diskursive Welten zu öffnen und variabler als der Traktat zu sein. Auf der theologischen Ebene sind die Dialoge Inanspruchnahme des allgemeinen Priestertums und des Schriftprinzips. Die Dialogflugschriften erscheinen als Resonanzräume reformatorischen Denkens.
- Lateinische Katechetik der frühen lutherischen Orthodoxie
Die Katechese war in und nach der Reformationszeit das Hauptinstrument, um Menschen eine religiöse Identität zu vermitteln. Unerwartet weit verbreitet waren auf Latein geschriebene Katechismen. Der Autor geht dieser Spur nach, erfasst für den Zeitraum 1520 bis 1620 die im deutschen Sprachraum erschienenen katechetischen Werke, vergleicht die verschiedenen Sprachen in den neu entstandenen Konfessionen und untersucht die im Luthertum am weitesten verbreiteten lateinischen Katechismen auf theologische Inhalte und didaktische Mittel hin: Was und wie meinten prominente Autoren der frühen Neuzeit, dass jeder Christenmensch über seinen Glauben lernen sollte? Dabei tritt das Bild einer enormen didaktischen Vielfalt zu Tage, mit der den neuen bildungshungrigen Handwerkern, Beamten, Adligen, Kaufleuten, Bürgern, Geistlichen und Studenten ihr Glaube und ihr Bekenntnis nahegebracht werden sollte. Der Band ist auch ein Beitrag zur Frage nach Konkretionen im Konfessionalisierungsprozess der frühen Neuzeit.
- Alter Melanchthon: Muster theologischer Autoritätsstiftung bei Matthias Flacius Illyricus
Andreas Waschbüsch untersucht anhand pseudonymer Flugschriften Matthias Flacius Illyricus' die Kommunikationschancen, die sich einem protestantischen Gelehrten in der Dilemmasituation von 1548/1549 nach der Eroberung Wittenbergs durch kaiserliche Truppen boten: Wie konnte dem militärisch gestützten Bemühen des Kaisers begegnet werden, eine rekatholisierende Reichsreligionsordnung auch im »Mutterland der Reformation« durchzusetzen? Wie war es möglich, führende Vertreter des protestantischen Lagers, die im Verdacht standen, nicht genug zur Abwehr beizutragen, zu mobilisieren und doch nicht gleichzeitig zu diskreditieren? Bei seiner Analyse stößt der Autor auf unerwartete Traditionselemente, geteilte Interessen und Sprachstile, die er in das Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Melanchthon und Flacius einzeichnet.
- Das Christentumsverständnis Wilhelm Boussets: Evangelische Theologie im Spannungsfeld von Historismus und Rationalismus
Die vorliegende Untersuchung widmet sich dem vergleichsweise wenig erforschten Werk des Gießener Neutestamentlers Wilhelm Bousset. Als Mitglied der sogenannten Religionsgeschichtlichen Schule gerät Bousset zumeist als Vertreter einer dem Leitparadigma "Historismus" verpflichteten Theologie in den Blick. Jan Höffker zeigt, dass Bousset ein Akteur war, der an vielfältigen theologischen Diskursen partizipierte. Die historische Frage nach der Entstehung des Urchristentums bestimmte zwar zeitlebens sein Schaffen, späterhin aber wurde diese um die religionsphilosophische Frage nach der Vernünftigkeit der Religion erweitert. Denn dem Theologen Bousset standen gerade die geltungstheoretischen Folgelasten seines historischen Arbeitens, die sein Neufriesianismus wieder einhegen sollte, bildhaft vor Augen. Die Krise der zeitgenössischen Theologie erkannte Bousset sodann im Aufgehen der "liberalen Theologie" in "Historismus und Psychologismus". Die Lebensdienlichkeit der Theologie sah er damit gefährdet – und arbeitete ganz konkret in Ferienkursen einem Auseinanderfallen von Theologie und gelebter Religion im Kreise der Gebildeten entgegen. Wilhelm Bousset wird so als ein Theologe gezeichnet, der die unterschiedlichen Anliegen des Historismus und des Rationalismus miteinander zu vermitteln suchte, damit die Theologie auch unter den Bedingungen der Moderne ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen konnte: nämlich die reflexive Zurüstung der aller Reflexion vorgängigen Religion.
- Handlungsspielräume und Handlungsoptionen von Pfarrern und Gemeindegliedern in der Zeit des Nationalsozialismus: Eine vergleichende Studie für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern anhand der oberfränkischen Dekanate Bayreuth und Coburg
Liesa Weber nimmt Handlungsspielräume und Handlungsoptionen von Pfarrern und Gemeindegliedern im Nationalsozialismus in den Blick. Ihr Ansatz ist, dass selbst innerhalb einer Diktatur Handlungsspielräume zur Wahl unterschiedlicher Handlungsoptionen für die Akteurinnen und Akteure bestanden haben. Die komparatistisch angelegte Studie analysiert erstmals die beiden oberfränkischen Dekanate Bayreuth und Coburg für die Zeit des Nationalsozialismus aus kirchengeschichtlicher Perspektive. Liesa Weber blickt auf die Mikroebene und gewinnt so Erkenntnisse über die Unterschiede in den Handlungsentscheidungen der kirchlichen Handlungsträger vor Ort bei ähnlichen Ereignissen, aber auch eine neue Perspektive auf die Haltung der Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in der nationalsozialistischen Zeit wird eröffnet. Die Studie wertet umfangreiches Archivmaterial, das zum großen Teil noch ungedruckt und unveröffentlicht ist, aus.
- Religio: Dritter Band: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 17. und frühen 18. Jahrhundert
Religio bezeichnet in seiner klassisch-lateinischen Bedeutung eine Untertugend der Gerechtigkeit, nämlich auf die den Göttern bzw. der Gottheit gebührende Verehrung zu achten. Im 3. Teil der Untersuchung dieses Begriffs werden im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert von Theologen, Philosophen und Juristen verfasste Texte zum Thema untersucht. Die nun mehr als in den vorhergehenden Epochen verzweigten Beiträge befassen sich vor allem mit der Begründung wahrer Erkenntnis, sittlich guten Handelns und nicht zuletzt des friedlichen Zusammenlebens im Gemeinwesen. Das Neuland, das mit dieser Begriffsgeschichte beschritten wird, zeigt sich unter anderem bei der Suche nach den Anfängen einer »religion intérieure«. Dieser Band zeichnet eine wichtige Wegstrecke vom antiken zum neuzeitlichen Verständnis von Religion nach. Denn im hier untersuchten Zeitraum wird sie vollends nicht mehr als moralische Tugend gesehen, die sich auf die Vollzüge der Gottesverehrung bezieht, sondern als zentrale Auszeichnung des Menschen, nämlich Religion als »Liebe«, als »Gefühl« des Unendlichen, zugleich aber auch als Wurzelgrund des Sittlichen.
- Radikal-reformatorische Themen im Bild: Druckgrafiken der Reformationszeit (1520–1560)
In den Kernjahren der Reformationszeit bediente sich nicht nur der Kreis um Martin Luther des Mediums Bild, um theologische Positionen unter das Volk zu bringen, sondern auch Theologen dem Bereich der Radikalen Reformation. Die Fragen sind hierbei: Welche religiösen Themen und charakteristischen Denkfiguren fanden einen künstlerischen Widerhall? Mittels welcher Bildmotive wurden die theologischen Vorstellungen visuell und didaktisch erfahrbar gemacht? Die Rahmenbedingungen des Druckwesens im 16. Jahrhundert, Zensur und obrigkeitliche Verfolgung wirkten sich dabei auf die Möglichkeiten von Publikation und Distribution aus und bestimmten deren Handlungsspielräume. Ebenso beeinflusste die eigene Disposition in der Bilderfrage – von Bilderablehnung und Ikonoklasmus bis hin zum Erkennen agitatorischer, lehrhafter und meditativer Bildwerte – die künstlerische Darstellung. Abschließend verdeutlicht Christiane Gruber mit einem Blick auf Grafiken der Opponenten der Radikalen Reformation – Luther und seiner Anhänger – die thematische Vielfalt der Bildmotive als auch die Diskrepanz zwischen Selbstsicht und Fremdeinschätzung. Sie behandelt Titelbilder auf Druckwerken sowie illustrierte Flugblätter von Täufern und Spiritualisten (Karlstadt, Bünderlin, Denck, Hätzer, Hoffman, Münsteraner Täufer, Franck), Porträts von Schwenckfeld in ihrer Rezeptionsgeschichte und Handzeichnungen des Laienpredigers Ziegler. Theologische und ikonographische Ergebnisse bedingen sich hierbei gegenseitig und machen die erarbeiteten Themen interdisziplinär anschlussfähig.
- Johann Bader: Eine biographische Studie zum reformatorischen Netzwerk am Oberrhein
Die Kombination aus biographischer Studie und der vom Landauer Reformator Johann Bader ausgehenden Analyse des reformatorischen Netzwerks am Oberrhein zeigt die Entwicklung evangelischer Theologie in der Frühen Neuzeit. Ausgehend von dem in der pfälzischen Reichsstadt Landau wirkenden Johann Bader können diese Vernetzung und der durch sie bedingte Austausch und damit die wechselseitige Beeinflussung zwischen verschiedenen Akteuren des reformatorischen Netzwerks am Oberrhein gezeigt werden. Dabei werden einerseits die Entwicklung Baders und seine Biographie deutlich und andererseits wird die (Weiter-)Entwicklung theologischer Ideen durch die gegenseitige Vernetzung aufgezeigt. Damit trägt die biographische Studie sowohl zur lokalen Reformationsgeschichtsforschung bei als auch zur allgemeinen Forschung zur Reformation.
- Professoren im Norden: Lutherische Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit am Beispiel der theologischen Fakultäten in Kopenhagen und Uppsala
The Nordic kingdoms Denmark-Norway and Sweden are two of the most important Lutheran countries in early modern times. Although the impact of the universities on the development of Lutheranism has been stressed, the interaction between the Lutheran North and the Holy Roman Empire has hardly been examined from the perspective of educational history so far. This study aims at enhancing the confessional profile of the Scandinavian kingdoms with respect to academic theology using the example of their oldest universities in Copenhagen and Uppsala. Beginning with the legal reorganization of the universities after the Reformation, the teaching at the faculties of theology is outlined. Contacts between Scandinavian and German theologians indicate how Nordic scholars participated in Lutheran communication structures in general and how they were involved in the specific Lutheran culture of debate in particular. The comparative focus of this study sheds light on academic Lutheran interaction in an international context and raises awareness both for varieties and for similarities within early modern Lutheranism.
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