Im Schatten der Mutter
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Über dieses E-Book
Anrührend ist Peters beharrliche, fast verzweifelte Vatersu-che - unverständlich das hartnäckige Ausweichen der Mut-ter. Das einsame Kind erschafft sich im zerstörten Dresden eine heile Welt, fühlt sich von den Nachbarn, den Botschaf-ten des Sozialismus und einer idealisierten Mutter be-schützt.
Die Mutter benutzt ihren Sohn als Partner. »Wir waren eine Kugel, die auf vier Füßen stand, und flüsterten die gleichen Worte.«
Als seine Mutter der Spionage verdächtigt wird, flüchten sie in den Westen. Peters Phantasie einer heilen Welt bricht auseinander, doch er bewahrt in sich das Bild einer guten Mutter. Nach einer alkoholisierten Karnevalsfeier landet er in einer psychiatrischen Anstalt. Dort halluziniert er seine übergriffige Mutter.
Kann Peter aus der Verantwortung für die Mutter zu sich selber finden?
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Buchvorschau
Im Schatten der Mutter - Andreas Matthias Käppler
10. Februar 1946
Ich wollte in meiner Höhle bleiben. Doch ich hörte die Schreie der mir vertrauten Stimme. Mich erschreckten das helle Licht und die kalte Luft. Ich fühlte einen Schlag und begann zu atmen.
Ich fror im Gitterbett und wimmerte. Dann spürte ich warme Hände. Sie hoben mich an die Brust. Die Milch war süß. Ich schlief ein.
Mit einem Jahr konnte ich stehen. Ich hielt mich an einem Tischbein fest und sagte: „Mama."
1947 bis 1948
Ich stand mit meiner Mutter vor einem großen Haus. Eine weißgekleidete Frau öffnete die Tür. Sie fasste meine Hand und zog mich in das Kinderheim. Ich fürchtete mich und schrie.
Im großen Saal stellte ich mich an die Tür. Ich lutschte am Daumen und wartete auf meine Mutter. Später vergaß ich sie dann aber.
Die Tanten saßen an den Wänden. Die Kinder spielten in der Ecke.
Ich ging zum Fenster und stellte mich auf die Zehenspitzen. Im Hof bewegte sich ein Baum. In seinem Schatten lag braunes Laub.
„Peter, was machst du am Fenster?, fragte die Frau im weißen Kittel. „Komm doch mal zu mir.
Ich konnte schon laufen. Im weißen Saal hatte ich daran keine Freude.
Ich sah lieber den Krähen zu. Sie stritten sich vor den Mülltonnen und flogen auf den Baum. Ich hörte sie durchs Fenster.
„Warum spielst du nicht mit den anderen Kindern?", fragte die Tante.
Ich hielt mir die Augen zu. Jetzt sah sie mich nicht mehr. Ich hörte sie meinen Namen rufen.
Morgens saßen wir am langen Tisch und aßen unseren Mehlbrei. Wir trugen die leeren Schüsseln in die Küche und gingen dann aufs Klo.
Auf den Matratzen im Saal machten wir unseren Mittagsschlaf. Die Tante setzte sich an die Wand und beobachtete uns. Wir lagen auf dem Rücken, sich zu bewegen war verboten.
Ich blinzelte. Was wohl passierte, wenn sie glaubte, wir schliefen? Sie rutschte in den Stuhl und bohrte ihren Finger in die Nase.
Sonntagmorgen wurde ich abgeholt. Die Hand, an der ich durch die Kälte lief, fühlte sich so warm an, als wäre sie von meiner Mutter. So war es dann auch.
Wir gingen in unser Fachwerkhaus. Ich erkannte es an den Balken wieder. In der Wohnküche machte sie das Licht an. Ich setzte mich auf das alte Sofa.
Sie stellte zwei Teller auf den Tisch. Es gab Brot mit Marmelade und frische Milch. Nach dem Frühstück blieb ich sitzen und sah zu, was meine Mutter machte. Sie stand auf, spülte das Geschirr im Becken, trat einen Schritt zur Seite, blickte in den Spiegel und malte sich den Mund an.
Sie sprach weiche Worte in mein Gesicht. Mir wurde schwer, ich bewegte mich nicht. Die Wanduhr tickte über der Spüle.
„Ich gehe mal Pipi machen", sagte sie.
Ich sprang auf und lief ihr hinterher. Sie ging zum Plumpsklo hinter dem Haus. Ich wartete vor der Holztür mit dem hohlen Herzen auf meine Mutter.
Wir gingen in die Wohnung zurück, sie sagte: „Am besten, du setzt dich."
Ich tat nichts und fühlte Wärme im Bauch.
„Peter, hast du mich noch lieb?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Dafür habe ich dich umso lieber."
Sie streichelte meinen Kopf. Ich behielt das Gefühl für mich und verzog keine Miene.
Jetzt traute ich mich ohne Mutter auf den Hof, zum Brunnen und zurück.
Ich fragte: „Darf ich in den Sandkasten gehen?"
„Aber nicht auf die Straße laufen."
Ich setzte mich in den Sand und guckte hoch. Hinter dem Fenster lächelte sie mir zu. Als ihr Gesicht verschwand, rannte ich zurück ins Haus und in die Küche und schaute zitternd zu ihr hoch. Sie hob mich auf ihren Arm und sagte: „Ach, Peterchen, beruhige dich! Ich sing uns ein schönes Liebeslied."
Sie sang mit sanfter Stimme und tanzte um den Küchentisch herum. Ihre Worte summte ich mit. Sie trank roten Wein aus einem Glas und flüsterte mir ins Ohr: „Ach, mein Schatz, jetzt wird mir so leicht wie früher in Dresden."
Ich legte den Kopf an ihre Wange, meine Ohren kuschelten sich an ihre Worte. Mir fielen die Augen zu.
Dann stellte sie mich auf den Boden und holte die Mäntel aus dem Flur. Den kurzen und den langen mit dem Pelzkragen.
„Es wird Zeit, sagte sie. „Ich bringe dich zurück. Heute Abend gehe ich noch tanzen.
Sie wollte mir einen Kuss geben. Ich drehte mich weg. Der Tag mit meiner Mutter war zu Ende.
„Im Heim bist du sicher, sagte sie. „So verliere ich dich nicht, ich habe ja nur dich.
Sie griff nach meiner Hand. Ich versteckte sie in der Manteltasche und lief hinter ihr ins Kinderheim zurück.
Im großen Saal drückte ich mein Ohr an die Wand und hörte von nebenan ihre Stimme. Sie sang ein trauriges Lied, weil ich ihr fehlte.
Als mein Ohr nur noch rauschte, ging ich zum Fenster. Im Hof blies der Wind die Blätter von den Zweigen. Der Baum zitterte. Ich vergaß meine Mutter wieder.
Ich konnte die Tanten nicht auseinanderhalten. Die anderen Kinder riefen ihre Namen, wenn sie getröstet werden wollten.
An einem warmen Tag im Frühling sagte die Tante: „Wir machen einen Spaziergang. Frische Luft tut allen gut."
Wir versammelten uns vor der Tür neben dem blauen Flieder. Am Zaun pflückte ich eine Blume. Ich steckte sie in meine Spielschürze.
Wir gingen eine Straße entlang. An den Seiten standen verkohlte Bäume und Häuser ohne Dächer. Vögel kamen durch die löchrigen Wände geflogen.
Vor uns fielen dunkle Wolken vom Himmel. Ich drängte mich an den weißen Kittel. Die Tante nahm mich an ihre Hand.
Sie blieb stehen und zeigte auf die Ruine auf der gegenüberliegenden Straßenseite und sagte: „Da drüben waren mal Kinder drin."
„Wo wohnen die Kinder heute?", fragte ich.
„Sie sind alle tot."
Wir blickten auf die schwarzen Steine.
„Da wächst ja Gras", sagte ein Junge.
Ein Mädchen trug Schuhe ohne Schnürsenkel und fragte die Tante: „Liegen die Kinder unter den Steinen?"
„Die sind verbrannt, sagte sie. „Da ist nichts mehr.
Das Mädchen weinte, ihre Tränen tropften auf die Pflastersteine.
„Sei nicht traurig, tröstete die Tante. „Die Kinder waren sowieso alle krank.
Ein Junge lachte. Meine Hand lag in der Faust der Tante. Ich wollte wieder zurück.
Wir aßen im Heim am langen Tisch die Rübensuppe.
1949
Als ich drei Jahre alt war, nahm mich meine Mutter aus dem Kinderheim.
„Du hast Pausbäckchen bekommen, sagte sie. „Im Heim hast du dich gut gemacht.
Meine Mutter kannte einen Tischler. Er baute Betten und brachte uns eines, das genau für Mutter mit Kind in das enge Schlafzimmer passte.
Über dem Bett lag eine Decke mit aufgestickten Zwergen. Sie trugen rote Zipfelmützen. Ich quetschte mich an der Wand entlang und stand vor meiner Bettseite. Sie zog die Tagesdecke auf das Fußende und sagte: „Die Zwerge bringen mir einen Prinzen."
Als ich unter meine Federdecke gekrochen war, setzte sie sich auf die Bettkante. Sie beugte ihren Rücken und küsste mich auf den Mund. Ich spürte die Spitze ihrer feuchten Zunge, mich fröstelte.
„Schlaf gut, mein Süßer", sagte sie und ging in die Wohnküche.
Ich wachte auf. Die Sonne warf den Schatten des Fensterkreuzes an die Wand. Meine Mutter schlief unter ihrer Decke. Ihr linkes Bein guckte hervor und lag auf meiner Seite. Ich beugte mich hinüber und hauchte einen Kuss auf ihre langen schwarzen Haare.
Beim Frühstück saß sie mir gegenüber. Sie hatte den Küchenherd in ihrem Rücken. Auf einer Platte kochte die Wäsche, auf der anderen die Eier in einem kleinen Topf.
Auf dem Tisch stand eine Schüssel. Sie war bemalt mit einer schwarzen Katze, die einem Vogel auflauerte.
„Was ist das für ein Vogel?", fragte ich.
„Damit kenne ich mich nicht aus", sagte sie.
Vielleicht fand sie die Katze auch wichtiger.
„Das Porzellan ist von meiner Mutter", sagte sie.
Sie verrührte den Quark mit Zucker und schaufelte ihn in meine Schale.
„Es ist schon halb sechs, sagte sie. „Ich habe es weit zur Arbeit, willst du nicht mal langsam essen?
Ich schüttelte den Kopf.
„Peter, jetzt mach schon!"
Ich holte Luft und sagte: „Ich mag nicht, mir wird davon schlecht!"
Sie knallte ihre Hand flach auf den Tisch.
„Was bist du für ein undankbarer Junge!"
Sie schniefte in ihr Taschentuch und sagte: „Ich habe den Quark so wie meine Mutter zubereitet. Wir haben ihn immer gern gegessen."
Sie füllte meinen Löffel und sagte: „Jetzt sei lieb und iss."
Sie schob mir den Löffel in den Mund.
„Der hier ist für meine Mutter. Jetzt freut sie sich im Himmel."
Ich schluckte den Quark hinunter.
„Noch einen für deinen Großvater."
Ihr Bruder, die Tanten und die Onkel waren auch im Himmel. Sie hatten Hunger, dort oben gab es nichts zu essen,
Die Löffel für die Toten machten meine Mutter wieder fröhlich.
„Für den Quark habe ich mir die Beine ausgerissen. Und du sagst noch nicht mal Dankeschön!"
„Danke, Mutti", sagte ich.
Sie leckte ihren Finger und wischte mit der Spucke meine Mundwinkel sauber. Dann ging sie aus dem Haus.
Ich rannte zum Backhäuschen des Hofes, in dem zwei uralte Omas lebten. Die krumme stand vor der Haustür.
„Mir ist so schlecht, sagte ich ihr. „Ich muss gleich kotzen.
Sie holte mich in die Stube, die so dunkel wie unsere Wohnküche war.
Die gerade Oma sagte: „Im Krieg war ich mal Rettungsschwester. Sie nahm eine Taschenlampe. „Jetzt öffne deinen Mund, dann kann ich in dich hineingucken.
Sie drückte einen Holzlöffel auf meine Zunge und fühlte an meinen Armen, rechts und links.
„Ich glaube, bis zur Hochzeit wirst du wieder gesund."
„So lange noch?", fragte ich.
Die Oma mit dem krummen Rücken kicherte: „Ach Peterchen, bis es so weit ist, verstecken wir dich in unserem Bett."
Sie schüttelten eine Federdecke und juchzten zu mir herüber. Das Oberbett sauste durch die Luft, dass ich lachen musste. Meine Übelkeit war fast verflogen. Ich stand neben einem Kachelofen, der vor Hitze schwitzte. Eine schwarze Katze schlief vor der Klappe, die andere schnurrte an meinen Beinen.
Mir fiel ein, dass ich gerade aus unserem Zwergenbett gekommen war. Ich wollte nicht bis zur Hochzeit im Bett der Omas liegen müssen. Sie könnten aber böse werden, sollte ich nicht unter ihrer Decke liegen wollen. Als ihre dünnen Finger an mir zerrten, starrte ich auf die schwarzen Fotorahmen an der Wand. Der Ofen zischte. Die krumme Oma fragte: „Peterchen, was ist auf einmal mit dir los?"
Ich erinnerte mich an ein Krokodil im Zoo, das wie tot im Wasser lag. Wie ein Blitz riss ich mich von den Omas los und stürzte an die kühle Luft des Hofes.
Ich suchte im Waschhaus mein Eimerchen. Ich fand es unter dem langen Becken und ging zur Wasserpumpe. Ab und zu klackte aus dem Hahn ein Tropfen auf die Steinplatte. Ich trat gegen den Sockel und drohte der Pumpe: „Gib mir Wasser, sonst, sonst haue ich dich!"
Der Schwengel stand schräg in der Luft. Er knarrte bedrohlich, als ich mich gegen ihn stemmte. Die Tropfen klackten in den Eimer. Ich trug ihn zum Sandkasten und schüttete das Wasser auf die Burg, die ich gestern erst gebaut hatte. Jetzt schmolz sie dahin. Ich machte sinnlose Sachen, so war es nun mal. Das Eimerchen bekam einen Fußtritt und flog in hohem Bogen vor das Fachwerkhaus.
Als der Wind die ersten bunten Blätter von den Bäumen blies, kam ich in den Kindergarten. Es wurde Zeit, ich war dreieinhalb Jahre alt. Der Kindergarten öffnete erst um sieben Uhr. Bis dahin konnte ich beim Bäcker warten. Für die Semmel legte meine Mutter einen Groschen in die Schürzentasche.
Morgens zog der Duft von frischem Brot die lange Grundstraße hinauf zu unserem Fachwerkhaus. Meine Mutter nahm mich auf der Straße an die Hand. Alleine wäre mir auch bange gewesen, weil es draußen noch stockfinster war. Sie hatte keine Angst vor Gespenstern und so hatte ich sie auch nicht.
Um uns auf der dunklen Straße froh zu machen, sang sie ein Lied: „Püppchen, du bist mein Augenstern, Püppchen, hab dich zum Fressen gern …"
Das Lied brachte uns zum Hüpfen, wir hielten uns an den Händen. Ich lachte im Dunklen und sagte: „Wir sind ganz schön meschugge."
Jetzt sah ich auch die Sterne am Himmel blinken.
„Wir hüpfen wie die Kängurus, bis die Sonne aufgeht", sagte sie und sang das Lied vom Augenstern immer wieder von vorn.
Ich atmete die Morgenluft in meine Beine. Mit jeder Straßenkurve, die wir hinunterhüpften, kamen wir dem Bäcker näher. Als wir vor seinem Laden standen, löste meine Mutter ihre Hand. Sie ging weiter, obwohl es noch ganz finster war.
Die Tür des Bäckers war weit geöffnet. Ich ging durch den Laden zur Backstube im Hof. Als der Bäcker mich kommen sah, rief er: „Da kommt unser Freiheitskämpfer! In deinem Alter wagst du dich alleine in die Dunkelheit!"
„Das hat mir doch gar nichts ausgemacht", sagte ich.
„Dann bist du einer von uns, sagte er. „Als wir jung waren, sind wir nachts durch die Straßen gezogen und haben Lieder gesungen. Wir hatten Fackeln – und du kommst ohne Licht, was bist du mutig.
Ich stand vor seinem dicken Bauch und hob meinen Blick. Seine Mütze wackelte auf dem runden roten Kopf. Ich gab ihm den Groschen aus der Schürze für meine
