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Von Wölfen aufgezogen
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eBook1.056 Seiten12 Stunden

Von Wölfen aufgezogen

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Über dieses E-Book

Wussten Sie, dass ein einziges Date alles verändern kann?

 

Ich spreche nicht von dem Disney-Märchen-Date, bei dem Ihnen die Häschen aus dem Hintern fliegen und die Schmetterlinge ein Liedchen trällern.

Ich spreche von einem Date, bei dem Sie nicht einmal wissen, dass Sie ein Date haben, bis der Typ Sie küsst.

Habe ich schon erwähnt, dass ich damals dachte, ich sei hetero? Und dass ich keine Ahnung hatte, dass er schwul war? Wie konnte ich nur so ahnungslos sein.

OMG! Ich bin fast ohnmächtig geworden.

Ich meine, nachdem wir uns ausgezogen hatten und ...

In den nächsten Jahren änderte sich meine ganze Welt. Ich wurde vom Kind des Predigers, das nie etwas Falsches tat, zu einem wilden Kind, das sich die Hörner abstieß. Mann, ich liebte Hafer... oder Männer... wenn Männer Hafer wären.

Diese Serie ist meine Geschichte. Sie werden es kaum glauben können, aber es ist alles wahr. Sie ist auch urkomisch und herzerwärmend und traurig (aber nur an einigen Stellen) und aufbauend ... Habe ich schon erwähnt, dass sie lustig ist? Sie ist wirklich lustig.

Sehen Sie es sich an. Die gesamte Serie umfasst mehr als 1.200 Seiten. Sie werden sich kaputtlachen!

HINWEIS: Raised by Wolves ist keine Shifter-Serie. Es gibt keine Gestaltwandler, und niemand wurde von echten Wölfen aufgezogen. Vielmehr ist dies eine amerikanische Redewendung, die sich auf Menschen bezieht, die in einem extrem konservativen, religiösen Haushalt aufgewachsen sind. Bei der Entstehung dieser Serie kam kein Wolf zu Schaden.

Was Leser über die Raised by Wolves-Reihe sagen:

★★★★★ " ... ein absoluter Spaß beim Lesen!!!!! ... urkomisch."

★★★★★ " ... charmant, humorvoll selbstironisch. Es ist der Beginn seiner Reise, lustig, traurig und berührend."

★★★★★ "Storytelling at its best. ...zum Totlachen komisch... ."

★★★★★ ". . . niedliche, unschuldige Coming-Out-Geschichte."

★★★★★ " . ... hat mir absolut gefallen! Ich werde diese Autorin auf jeden Fall weiter verfolgen."

★★★★★ "Unmöglich, es aus der Hand zu legen."

★★★★★ " ... habe mich schnell in diese Geschichte verliebt. Thank you, Casey!"

★★★★★ "Das war zu süß ..."

SpracheDeutsch
Herausgeber3AussiesPress
Erscheinungsdatum27. Aug. 2024
ISBN9798227090034
Von Wölfen aufgezogen

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    Buchvorschau

    Von Wölfen aufgezogen - Casey Morales

    Von Wölfen aufgezogen

    Mein zufälliges erstes Date

    mein nächstes Date

    Mein Wildestes Date

    mein Traumdate

    mein letztes Date

    Casey Morales

    WWW.AUTHORCASEYMORALES.COM

    Copyright ©2023 von 3Aussies Press.

    Alle Rechte vorbehalten.

    Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers oder des Autors vervielfältigt werden, es sei denn, dies ist nach dem US-Urheberrechtsgesetz zulässig.

    Contents

    Bevor Sie beginnen ...

    Mein zufälliges erstes Date

    mein nächstes Date

    Mein Wildestes Date

    mein Traumdate

    mein letztes Date

    Bevor Sie beginnen ...

    image-placeholder

    Danke, dass Sie mich auf dieser Reise begleiten. Um meine Dankbarkeit auszudrücken, möchte ich Ihnen ein kostenloses ebook-Exemplar von Seine Zustimmung gewinnen

    anbieten. Sie müssen mir nur sagen, wohin ich es schicken soll.

    Mein zufälliges erstes Date

    Casey Morales

    WWW.AUTHORCASEYMORALES.COM

    Widmung

    Für Joseph und Peter.

    Vowort

    Du wirst es wahrscheinlich kaum glauben können, vor allem, wenn du erfährst, wie leichtgläubig ich mit zweiundzwanzig Jahren war, aber was du gleich lesen wirst, hat sich tatsächlich so zugetragen. Was soll ich sagen? Ich war dieses Pastorenkind. Du weißt schon, derjenige, der nie wusste, dass er insgeheim rebellisch sein und versuchen sollte, mit seiner verborgenen verrückten Seite durchzukommen? Ja, das habe ich wohl nie mitbekommen. Ich war der Schüler, der tatsächlich darauf aus war, pflichtgetreu und gut zu sein – was auch immer das heutzutage bedeuten mag.

    Ich wuchs in einem freundlichen, liebevollen Haushalt mit drei älteren Schwestern auf – hör schon auf zu lachen!

    Heute, Jahre später, weiß ich, dass das die idealen Bedingungen für ein späteres Coming-out waren, aber damals hatte ich keine Ahnung. Ich war davon überzeugt, dass ich eines Tages eine wunderschöne Hochzeit in einer riesigen Kirche mit Blumen und Kerzen haben würde … und du gluckst schon wieder.

    Wie auch immer, du verstehst schon. Braver Junge. Unschuldig. Völlig ahnungslos. Und hetero. Habe ich das schon erwähnt? Ich war sowas von hetero, verdammt noch mal.

    Ich war durch die High School und das College gekommen, ohne jemals einen Schwulen kennengelernt zu haben. Ich war davon überzeugt, dass alle Schwulen in Kalifornien oder New York lebten, und dass alles in Ordnung sein würde, solange wir uns nur von diesen Sündenpfuhlen fernhielten, wie mir sonntags von der Kanzel gepredigt wurde. Ich konnte ja nicht ahnen, dass mein bester Freund von der vierten Klasse bis zur High School eine schrille Queen war. Woher hätte ich das auch wissen sollen? Nur weil er der Trommler in der Marching Band war …

    Aber egal.

    Ich merke schon, dass wir keine ernsthafte, erwachsene Unterhaltung führen können, also kann ich genauso gut mit der Geschichte fortfahren. Ja, ja, ich habe die Namen und Orte geändert, um die Persönlichkeitsrechte der Schuldigen zu wahren, aber die Geschichte selbst ist eine wahre Geschichte über mein allererstes Date.

    Obwohl ich nicht glaube, dass man es wirklich ein Date nennen kann. Das wäre eine Beleidigung für jedes ordentliche Date.

    Aber es steht ja im Titel, also war es wohl ein Date.

    Also lass dich einfach drauf ein.

    Kapitel 1

    Es ist eine schreckliche Idee, einen zweiundzwanzigjährigen Mann an einem Samstag allein zu lassen. Es gibt viel zu viele Bereiche im überaktiven, sich aber noch in der Entwicklung befindlichen Gehirn eines jungen Mannes, die auf Abwege geraten und Ärger machen können. Ein Mädchen liest vielleicht ein Buch, sieht sich einen Film an oder findet eine andere halbwegs produktive Art, ihr freies Wochenende zu nutzen, aber nicht ein Junge.

    Zumindest nicht dieser Junge.

    Ich war also an einem Samstag zu Hause, allein und gelangweilt. Im Fernsehen liefen schlechte Übertragungen von Football und Bowling. Also zappte ich durch die anderen Sender, aber Lifetime gefiel mir überhaupt nicht. Das war aber auch höchst selten der Fall. Es gab Wiederholungen von Star Trek, aber meine Toleranzgrenze für ständige Wiederholungen war längst überschritten, also legte ich die Fernbedienung beiseite und wanderte ziellos durch unsere schlecht ausgestattete Wohnung. Ich überlegte kurz, ob ich den Haufen schmutziger Wäsche in der Ecke angreifen sollte. Leider war er viel größer als der heilige Haufen Schmutzwäschemünzen auf dem Tresen. Mein Mitbewohner Peter würde sich darüber ärgern, dass ich gegen das unumstößliche Gesetz des Wäschemünzen-Hortens verstoßen hatte, aber ich hatte Anfang der Woche einen alten Ms. Pacman-Automaten in einem Pizza Hut in der Nähe unserer Wohnung gefunden.

    Was soll ich sagen? Ms. Pacman und ich verstanden uns einfach blendend.

    Abgesehen von den Problemen mit dem Geld war der Gedanke, einen Korb Wäsche die Treppe hinunter in den Gemeinschaftsraum der Anlage zu schleppen und dann auf meine armselige Sammlung löchriger Unterwäsche aufzupassen, nicht gerade verlockend. Mir war eine große Ladung ziemlich neuer Sweatshirts aus der Waschküche gestohlen worden, also war Babysitten dort ein Muss, aber der jetzige Haufen Kleidung lag nun schon ein paar Tage auf dem Boden, ohne zu stinken, und ich dachte bei mir, dass er wohl noch ein bisschen länger durchhalten würde.

    Um diese Entscheidung zu bekräftigen, tat ich das Einzige, das ein junger Mann, der etwas auf sich hielt, in dieser Situation getan hätte: Ich schnüffelte an meinem T-Shirt. Es brachte mich nicht um, also nahm ich an, dass ich nun stärker geworden war und beließ es dabei.

    Frustriert über meine erfolglose Tour durch die Wohnung warf ich mich wieder auf die Couch, schnappte mir die Fernbedienung vom Pappkarton, den wir als Beistelltisch benutzten, und fing wieder an, auf olympischem Niveau zu zappen.

    Irgendein Typ plapperte gerade über die richtige Strategie beim Bowling. Strategie? Die Pins treffen, oder? Also schaltete ich Mr. Strategie so schnell wie möglich weg.

    Da klingelte das Telefon.

    Was war das denn? Bei uns rief nie jemand an. Das war aufregend und etwas, das mich aus meiner Langeweile riss.

    Ja, Leute, unser Telefon war ein altmodisches Festnetztelefon. Ganz ohne Anrufer-ID oder andere ausgefallene Funktionen, die heutzutage selbstverständlich sind. Das Klingeln hörte sich an wie das schnelle Läuten einer Lehrerglocke in der Schule; irgendwie nervig, aber man konnte es einfach nicht ausblenden. Mein Mitbewohner und ich teilten uns die Nummer. Peter war erfolgloses Model / Personal Trainer, und ich hatte meinen Platz im Leben noch nicht gefunden. Und wir teilten uns so ziemlich alles, was mit monatlichen Ausgaben zu tun hatte. So gesehen war er ein guter Mitbewohner.

    „Hallo?"

    „Hey, Peter?" Die Stimme war freundlich, männlich und enthielt einen Hauch von Vorfreude. Der letzte Teil kam mir etwas merkwürdig vor, aber egal. Er rief sowieso nicht für mich an.

    „Nein, hier ist Michael. Peter ist nicht da", antwortete ich und war enttäuscht, dass diese willkommene Abwechslung wahrscheinlich so schnell enden würde, wie sie begonnen hatte.

    „Oh, okay, danke."

    „Kein Problem." Ich griff hinter die Couch, um aufzulegen, während ich das schreckliche Lifetime-Special im Auge behielt, das die Fernbedienung für würdig befunden hatte, meinen Samstag zu füllen. Der Hörer rutschte mir aus der Hand und knallte gegen das Linoleum, bevor er an seinem Spiralkabel von der Couchlehne abprallte und hin- und herbaumelte. Verärgert bahnte ich mir einen Weg um die Couch herum, um den Hörer aufzuhängen.

    Da knackte die Stimme: „Michael? Bist du noch da?"

    Endlich hielt Tollpatsch den Hörer an sein Ohr. „Ja, ich bin da. Tut mir leid, ich hab dich fallen lassen. Möchtest du Peter eine Nachricht hinterlassen? Ich hätte vorher fragen sollen."

    „Nein. Schon gut. Ich bin Joseph, ein Freund von Peter."

    Dann hielt er inne.

    Ich erinnere mich noch genau an das Geräusch dieser Pause. Es war wie ein Donnerschlag.

    Ein paar Herzschläge später fuhr er fort: „Mir war langweilig und ich habe angerufen, um zu fragen, ob er mit mir ins Kino gehen möchte."

    „Oh, okay. Nun, ich weiß nicht, wann er zurückkommt. Er ist heute Morgen früh aufgebrochen."

    „Also …" Er hielt wieder inne, diesmal war die Stille lauter. „Was machst du so?"

    Nun, das war nicht das, was ich als Nächstes erwartet hatte.

    „Ähm. Eigentlich nichts. Ich zappe durch die Kanäle, starre auf die Wäsche und langweile mich ein bisschen."

    „Hast du denn Lust auf einen Film?", fragte Joseph ohne zu zögern.

    Jetzt hielt ich inne. Das war doch mehr als nur ein bisschen seltsam, oder? Ich kannte diesen Typ nicht und Peter hatte ihn nie erwähnt – zumindest konnte ich mich nicht daran erinnern, dass er das getan hatte. Allerdings schenkte ich der Liste der Leute, die Mr. Fotogen folgten, nicht immer große Aufmerksamkeit. Als Model hatte er eine ganze Schar davon.

    Dazusitzen und auf Bowling oder Tribbles zu starren, würde die Langeweile wohl nicht vertreiben. Wenigstens würde mich ein Film aus der Wohnung bringen, und wenn Joseph ein Freund von Peter war, musste er in Ordnung sein.

    Das war doch logisch, oder?

    „Ähm. Ja, ich denke schon", erwiderte ich.

    „Toll. Ich wohne ein paar Blocks vom Kino in der Pine Street entfernt. Kennst du das?"

    Ich kannte dieses Kino. Es war das neueste, schönste und coolste Kino der Stadt, das mit den gepolsterten Ledersitzen. Ich war dort noch nie im Kino gewesen, aber alle redeten darüber – und wenn ich alle sage, dann meine ich damit all die coolen Kids, mit denen ich so gerne abhängen wollte, aber nie die Gelegenheit dazu hatte, weil ich dieses Pastorenkind mit dem Stock im Arsch war.

    „Ja, klasse Laden", meinte ich und versuchte, cooler zu klingen, als ich war.

    „Toll. Warum kommst du nicht her und parkst bei mir? Dann können wir einfach zum Kino laufen und uns die fünf Dollar sparen."

    In Anbetracht der Situation mit den Münzen war ich ganz scharf darauf, fünf Dollar zu sparen.

    „Schon unterwegs."

    Kapitel 2

    Ich fuhr meinen kastanienbraunen Saturn auf die andere Seite der Stadt, wo Peters geheimnisvoller, filmbegeisterter Freund wohnte. Ich liebte dieses Auto. Ich hatte es ein paar Jahre zuvor erstanden, als ich auf dem College war, und war damit einer der ersten Besitzer dieser neuartigen Spezies der pferdelosen Kutsche, auch bekannt als Saturn. Die Leute starrten mich an, wenn ich an der Zapfsäule vorfuhr, deuteten auf mich und fragten ihre Freunde: „Was ist das denn? Ab und zu wagte sich eine mutige Seele näher. „Das ist aber ein cooles Auto. Was ist das für eins? So eins habe ich ja noch nie gesehen.

    Abgesehen von dem Mysterium, sich auf ein Pferd zu schwingen, dessen Art noch niemand zuvor gesehen hatte, hatte mir dieses Auto buchstäblich das Leben gerettet.

    Ich hatte den ganzen Tag in Seminaren verbracht, war dann für ein paar Stunden zur Arbeit gegangen und gegen elf Uhr nach Hause gefahren. Zu dem Zeitpunkt war ich dermaßen kaputt und erschöpft gewesen, dass ich alles doppelt gesehen hatte. Ich hatte keinen Tropfen Alkohol getrunken, sondern war einfach nur völlig ausgepowert. Normalerweise war ich ein vorsichtiger Fahrer, aber ein paar Blocks von zu Hause entfernt hatte ich die blinkende rote Ampel an einer Kreuzung übersehen. Daraufhin war ich mit einem armen alten Mann zusammengekracht, der einen grauen Lincoln gefahren hatte. Ich hatte ihn regelrecht gerammt.

    Sein Wagen hatte sich kaum bewegt, aber meiner hatte sich zweimal komplett im Kreis gedreht und war dann direkt gegen eine große Eiche geknallt. Genau dort, wo das kunstvolle S des Saturn-Logos auf der Motorhaube prangte, und die gesamte Front des Autos war in sich zusammengesackt. Das Einzige, das mich gerettet hatte, war ein Sicherheitsfeature, das die unerschrockenen Saturn-Ingenieure erfunden hatten: scharfe Schutzdinger, die den Motor bei einem Aufprall abtrennten. Das schwere Autoteilding (ja, das ist ein Fachbegriff), das in meinen bald leblosen Körper geknallt wäre, war vom Fahrgestell abgetrennt worden und harmlos zu Boden gefallen.

    Nachdem ich wieder zu mir gekommen war und die grellen Blaulichter der Polizeiautos und Krankenwagen wahrgenommen hatte, hatte sich ein Officer mit Verwunderung in der Stimme an seinen Partner gewandt. „Hier drüben, der Junge lebt."

    Zum Glück war auch der alte Mann, der die USS Eisenhower gefahren hatte, unverletzt geblieben. Die Eisenhower hatte kaum eine Delle abbekommen.

    Mit ein wenig Hilfe des Polizisten und eines Sanitäters war ich aus dem Auto gekrochen, ohne auch nur einen Kratzer abbekommen zu haben. Leider war es Betty (so hatte ich den Saturn getauft) nicht so gut ergangen. Es hatte einen Monat gedauert, bis ein paar erfahrene Autosanitäter sie wieder in Schuss gebracht hatten.

    Das alles ist zwar nicht sonderlich bedeutsam für unser Filmerlebnis, aber es war trotzdem berichtenswert.

    ***

    Genau wie er es versprochen hatte, lag Josephs Apartment direkt um die Ecke des Kinos. Das rote Backsteingebäude mit vier Wohneinheiten war nicht besonders schick, aber es lag in einem schönen Stadtteil und machte einen gepflegten Eindruck, denn jede Wohnung war mit einer Reihe von Blumenkästen mit bunten Blumen bepflanzt. Ich wollte nicht, dass mein schwarzer Daumen irgendetwas verdarb, also bewunderte ich die Gartenanlage aus einem angemessenen Respektsabstand.

    Der Parkplatz lag oberhalb der Etage der Wohnung, sodass ich mehrere Stufen hinuntergehen musste, um die Tür zu erreichen. Ich machte einen Satz über alle vier Stufen zu seiner dunkelgrünen Tür und klopfte. Plötzlich war ich aufgeregt, weil ich im Begriff war, mit einem unbekannten Typen ins Kino zu gehen, auch wenn er ein Freund meines Mitbewohners war.

    Die Tür öffnete sich und enthüllte einen Mann, etwa so groß wie ich, Ende zwanzig, vielleicht dreißig. Er nahm Blickkontakt auf und seine Hand wanderte vom Türknauf zu seinem gewellten braunen, fast schwarzen Haar und schob ein paar verirrte Locken beiseite, die ihm die Sicht zu versperren versuchten.

    Er lächelte freundlich.

    „Hey. Ich bin Joseph." Nach einer kurzen Pause streckte er eine Hand zum Schütteln aus. Sollten wir einander die Hand geben? Sollte man das in dieser Situation tun? Also ergriff ich seine Hand wie bei einem Business-Meeting.

    Sein Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen.

    „Gib mir eine Minute. Ich muss mir noch schnell Schuhe überziehen. Es laufen ein paar neue Filme. Weißt du schon, was du sehen möchtest?"

    Er verschwand durch einen kurzen Flur und ließ mich allein in seinem gemütlichen Zimmer zurück, das nicht viel größer war als die Waschküche in unserem Wohnhaus, die ich zuvor so geschickt vermieden hatte.

    Bevor wir uns nun allzu sehr in die Auswahl des Films vertiefen, ist wichtig zu erwähnen, dass ich den Sommer über für einen Stadtrat an seiner Wiederwahlkampagne gearbeitet hatte. Er und seine Frau hatten keine Kinder, und die beiden hatten mich für die Monate, in denen ich Wahlplakate geschleppt und alte Damen zum Ausfüllen von Wahlkarten angerufen hatte, quasi adoptiert. Offenbar gehörte es zu den Vorteilen, ein guter Stadtrat zu sein, dass er und seine Familie einen Kinopass bekamen. Das ist richtig. Unbegrenzt kostenlose Filme im örtlichen Kino, sogar in dem schicken neuen Kino um die Ecke. Heute gibt es wahrscheinlich irgendein Transparenzgesetz, das verhindert, dass unsere guten Ratsmitglieder so großzügige Unterstützung erhalten, aber damals gab es keins. Und du kannst mir glauben, dass ich das voll und ganz ausgenutzt habe. Transparenz hin oder her! Als der Joseph-rief-Peter-an-erreichte-aber-stattdessen-mich-Samstag kam, hatte ich daher schon so ziemlich alles gesehen, was in einem sehr arbeitsreichen Sommer in Hollywood veröffentlicht worden war. Josephs einfache Frage zu beantworten, war eine Herausforderung.

    Ein merkwürdiger, nerdiger Stolz ließ meine Brust anschwellen, als ich laut durch die Öffnung im hinteren Teil der Wohnung erklärte, dass ich sozusagen so etwas wie ermäßigten Eintritt ins Kino hatte. Und wie es sich für einen richtig Nerd gehört, lachte ich unbeholfen. „Daran hätte ich wohl denken sollen, als du gefragt hast, ob ich ins Kino gehen möchte."

    „Schon gut. Hast du eigentlich Einsam Zweisam Dreisam schon gesehen? Den mit Stephen Baldwin?", rief er von irgendwoher, wo sich die Schuhe anscheinend zum Sterben zurückgezogen hatten.

    Stell dir das mal vor. Er fragte nach einem Film, den ich noch nicht gesehen hatte. Möglicherweise war das der eine, den ich nicht gesehen hatte. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, einen Werbetrailer dafür gesehen zu haben. Wie unwahrscheinlich war das denn?

    „Nein. Ich glaube nicht, dass ich von dem überhaupt schon mal gehört habe."

    „Perfekt. Dann also Dreisam." Ich hörte ein Glucksen, dachte mir aber nicht viel dabei.

    Notiz an mich selbst: Die Leute glucksen nicht ohne Grund. Es gibt immer einen Grund.

    Die Minute, in der er sich die Schuhe anzog, dehnte sich auf fünf aus, also beschloss ich, ein wenig herumzuschnüffeln. Ich war schon immer ein wissbegieriger Junge gewesen; manche würden vielleicht neugierig sagen, aber ich bevorzuge wissbegierig. Das Licht in dem Zimmer kam von zwei altertümlich aussehenden Lampen, die mit diesen Grandma-Lampenschirmen mit kleinen baumelnden Bommeln am unteren Rand verziert waren. Ich schätze, sie waren hübsch. Zumindest versuchten sie es. Die Glühbirnen verbreiteten bloß ein sanftes, gelbes Leuchten, sodass ich sehr nah herangehen musste, um erfolgreich schnüffeln zu können. Ich scannte mit einem Blick die Fotos, die mich aus dem Bücherregal anstarrten. Joseph, sein Arm um ein Mädchen in unserem Alter. Joseph und zwei andere Jungs. Drei Jungs in Badehosen an einem Strand. Naja, keine Badehosen. Diese kleinen Borat-Dinger, die einem sogar erlaubten, auf die Religion ihres Trägers Rückschlüsse zu ziehen. Bananenschaukel ist, glaube ich, die richtige Bezeichnung. Aber die Jungs waren wirklich gut trainiert und ich vermutete, dass ich so etwas auch gerne getragen hätte, wenn ich Bauchmuskeln auf den Zehen gehabt hätte. Und das hatten diese Jungs auf jeden Fall.

    Die Bilder schienen ganz normal zu sein, also drehte ich mich um und sah mir das Zimmer an.

    Am anderen Ende des Zimmers befand sich ein großer Fernseher auf einer altertümlichen Kommode, die sich von Wand zu Wand erstreckte. Ranken krochen über das karamellfarbene Holz und daumengroße Löwengesichter knurrten von dort, wo sich normalerweise die Griffe befanden.

    Moment mal, das waren die Griffe. Cool!

    Unter dem Fernseher, in einem Regal, das in die Kommode eingebaut war, befanden sich Reihen von Videokassetten. Für die Jüngeren unter euch: Bevor es CDs oder DVDs gab, benutzten wir Videokassetten. Stell dir einfach vor, es wären Spielfilme und hör auf, mich für alt zu halten!

    Eine Couch in der Größe eines Schlafsessels nahm den Großteil der hinteren Wand ein. Sie war cremefarben oder beige oder gebrochen weiß … Ich verstehe wirklich nicht viel von Deko oder Farbe. Aber sie sah gemütlich aus. Weitere Bücherregale verdeckten die Wand über der Couch, reichten auf beiden Seiten vom Boden bis zur Decke und waren mit Hardcover- und ledergebundenen Büchern gefüllt. Die Art, die man absichtlich in teuren Fachbuchhandlungen kaufen muss. Dieser Typ mochte seine Bücher wirklich. Und Schnickschnack. Und Fotos.

    Ich hatte ja für sowas überhaupt kein Händchen. Verdammt, nach einem Jahr lebten wir immer noch teilweise aus Kartons. Aber nur, weil ich ein Neandertaler war, hieß das doch nicht, dass ich es nicht zu schätzen wusste, wenn jemand etwas gut gemacht hatte – Design? Ist das der richtige Begriff? Wie auch immer, es sah schön aus.

    Gegenüber der Couch stand der größte und prächtigste Stuhl mit hoher Rückenlehne, den ich je gesehen hatte. Er sah aus wie einer dieser altertümlichen Throne, die man in einem Film über Queen Elizabeth bewundern kann. Edler, goldfarbener Stoff, bestickt mit grünen und blauen Mustern, bedeckte die gepolsterte Rückenlehne und jede Armlehne bis zur Hälfte. Sattes Kirschholz umrahmte den oberen Teil, die Beine und die freiliegenden Teile der Armlehnen. Nein, ich weiß auch nicht, wie das alles heißt. Aber als Josephs Kopf in der Tür auftauchte, saß ich quasi schon auf dem Thron und versuchte herauszufinden, wie der Stuhl wohl in meinen Saturn passen würde.

    „Gefällt dir das?"

    Josephs Stimme ließ mich aufschrecken. „Was? Äh … Ich … ähm …" Ich war wortgewandt wie immer.

    Er lachte und bewegte sich in Richtung Tür, seine braunen Augen funkelten belustigt. Es sah so aus, als hätte er auch an seinen Haaren herumgefummelt, während er seine Schuhe gesucht hatte. Sie sahen frisch geföhnt aus. Außerdem hatte er sein verblichenes T-Shirt gegen ein trendiges, knackiges, blaues Kleidungsstück getauscht, das sich an seine Brust und Arme schmiegte.

    „Ich bin dann so weit", rief er.

    Ich stand auf, drehte mich um und stieß mit dem Knie gegen die Stuhlkante. Joseph stieß ein schallendes Lachen aus. Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu, aber er lächelte unbeirrt weiter. Er hatte Spaß daran. Mein Knie schmerzte ein wenig, aber ich fand meine verlorene Würde wieder und folgte dem glucksenden Mitbewohnerfreund zur Tür hinaus.

    Es war ein angenehmer Spätsommernachmittag, aber in unserem kleinen Kaff ging die Luftfeuchtigkeit an den meisten Tagen durch die Decke. Als wir den kurzen Weg zum Kino zurücklegten, triefte meine Stirn und Josephs frisch frisiertes Haar war zu einem Wasserfall aus Wellen und Locken um seine Ohren zerschmolzen. Ich trug meine Haare schon immer kurz geschnitten, es bestand also keine Gefahr. Ich brauchte morgens nur mit einem Handtuch darüber zu fahren und bäm schon war ich fertig. Aber seine schwarzen Locken waren voll und gewellt und an einem heißen Sommertag völlig schutzlos. Ich wunderte mich, wie jemandes Haare in dieser Feuchtigkeit jegliches Volumen verlieren und trotzdem tipptopp aussehen konnten.

    Irgendetwas an der Luftfeuchtigkeit ließ sein Parfüm auf Hochtouren laufen und ein männlicher Duft mit einem Hauch von Süße zog an ihm vorbei. Sein blaues Hemd hatte jetzt einen dunkleren Farbton angenommen und zeigte sehr glückliche Brustwarzen. Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, dass sie mir aufgefallen wären, aber ich schätze, das taten sie. Scheinwerfer sind im Dunkeln schwer zu übersehen.

    Kapitel 3

    Bevor wir zum Kinobesuch kommen …

    Der Hintergrund ist wichtig. Sagt man das nicht immer? Damit du nachvollziehen kannst, was als Nächstes passiert, muss ich dir einen kurzen Überblick über meine bescheidene Erziehung geben.

    Vor ein paar Jahren ging mein Dad in den Ruhestand, nachdem er sein ganzes Leben lang als Teilzeitprediger in einer sehr konservativen Kirche gearbeitet hatte. Du denkst nun bestimmt, dass alle Religionen konservativ sind, aber das ist nicht wahr. An einem Ende des Spektrums gibt es religiöse Gruppen, die glauben, dass Nächstenliebe sozusagen die Eintrittskarte in den Himmel ist. Da braucht es keine Regeln oder schwere Arbeit. Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn du nie hingehst. Denk einfach hin und wieder an sie und sei ein guter Mensch – vielleicht wirfst du ab und zu ein oder zwei Münzen in den Korb. Am anderen Ende des Spektrums gibt es Religionen, die dir vorschreiben, was du anziehen darfst, wie lange deine Haare sein dürfen, was du isst oder trinkst oder – du weißt schon, worauf ich hinausmöchte. Das ist konservativ.

    Um es kurz zu machen: Meine Meinung heute ist folgende: Wenn du aufrichtig in deinem Glauben bist und dich anderen gegenüber so verhältst, dann bist du dabei. Ich beobachte schon mein ganzes Leben lang, wie meine Eltern ihren Glauben leben. Sie sind gute Beispiele dafür, wie ihr Glaube ihr Handeln bestimmt, sowohl innerhalb ihrer vier Wände als auch im Umgang mit anderen. Ich bin in einer liebevollen Familie à la Beaver Cleaver aufgewachsen und respektiere noch immer die Überzeugungen meiner Eltern und ihre Bemühungen, ihr Leben nach diesen zu gestalten. Die beiden gehören nicht zu den Leuten, die einfach behaupten, sie seien religiös oder spirituell oder was auch immer. Sie leben ihren Glauben und lassen sich in ihrem Handeln und ihrer Großzügigkeit gegenüber ihren Mitmenschen von ihm leiten.

    Aber bejahend und tolerant sind keine Worte, mit denen ich meine Leute oder ihre Kirche beschreiben würde.

    Reicht diese Erklärung aus, um mich aus einer tiefen philosophischen Debatte über verschiedene religiöse Überzeugungen, Bewegungen, Sekten und andere Systeme herauszuwinden? Gut.

    Die Kirche, der mein Dad vorstand und die ich seit meiner frühesten Erinnerung besuchte, lag irgendwo rechts von den Baptisten. Ja, wir betrachteten sie als liberal. Und wir besuchten jeden Sonntagmorgen und -abend und Mittwochabend den Gottesdienst.

    Und obwohl mein Dad der Prediger war, war meine Mom die wirklich konservative Kraft in der Familie. Schimpfwörter wie „Furz oder „verdammt waren strengstens untersagt. Wie konnten wir es nur wagen, solchen Dreck in ihr Haus zu bringen. Tanzen war schlecht, weil es nichts weiter als Sex im Stehen war. Und Sex war schlecht, weil er zum Tanzen führte. Und so weiter. Such dir ein Thema aus und sie würde das Gespräch – auch über völlig unbedeutende Themen – auf die extrem konservative Seite lenken.

    In meinen jüngeren Jahren bereitete sich meine jüngste Schwester auf ihren Lebenstraum vor, Lehrerin zu werden, indem sie mich zwang, jeden Tag im „Unterricht" zu sitzen. Wir hatten eine alte Schulbank-Stuhl-Kombination und sie nötigte mich, dort zu sitzen, während sie einen Vortrag über das hielt, was ihre Lehrer zuvor am Tag behandelt hatten. Das Gute daran war, dass ich zu Beginn der Grundschule meinen Mitschülern um einige Klassen voraus war. Die Kehrseite war die totale Langeweile, die ein Kind empfindet, das drei Jahre lang darauf warten muss, dass im Unterricht irgendetwas Neues gelehrt wird. Ich war vier, vielleicht fünf Jahre alt und hasste den Gedanken an die Schule bereits. Danke, Schwesterherz.

    Unsere Familie aß meistens gemeinsam zu Abend und genoss dabei oft frisches Gemüse aus dem Garten, den mein Dad hinter dem Haus pflegte. Wir lebten mitten in einer großen Stadt, aber er bestand darauf, einen Garten im Hinterhof zu haben. Wir waren zweifellos diese Art von Nachbarn. Aber hey, das Gemüse war wirklich gut.

    Danach drängten wir uns um den Fernseher zusammen und schauten gemeinsam „unsere Sendungen". Ich dachte nicht einmal im Entferntesten daran, dass Kinder in meinem Alter bei anderen übernachteten, ins Einkaufszentrum gingen oder einfach nur abhingen. Außer in der Schule bekam ich nie wirklich mit, was andere Kinder taten. Und aus irgendeinem mir unbekannten Grund dachte ich auch nie daran, sie danach zu fragen. Waren sie denn nicht alle am Freitagabend zu Hause und sahen mit ihren Eltern fern?

    Ich besuchte eine kirchliche Privatschule in der Nähe, und zwar von der ersten Klasse bis zum Ende der High School. Und obwohl ich dankbar für die gute Ausbildung bin, die ich dort erhielt, war die Schule im Grunde genommen eine Erweiterung unserer Kirche. Wir waren jeden Tag in der Andacht und im Bibelunterricht. Wirklich, jeden Tag. Mädchen mussten Röcke oder Kleider tragen, die mindestens einige Zentimeter unterhalb des Knies endeten. Und es war üblich, dass die Lehrer mit ziemlich abgenutzten Holzlinealen herumliefen, um dieses Prinzip der Sittsamkeit durchzusetzen. Ich verstand nie, was es mit den Knien eines Mädchens auf sich hatte, dass sie Jungs verrückt machten, aber anscheinend taten sie das.

    Sport war schon immer eine Leidenschaft von mir gewesen. Ich spielte in der Kinderliga Baseball und im CVJM Basketball, aber ich war nicht mit Schnelligkeit, Größe oder Geschicklichkeit gesegnet. Ein paar Probetrainings für unsere Schulmannschaften lehrten mich, das Spiel von der Seitenlinie aus zu lieben, weil ich so nah am Geschehen war. Vor allem an meiner High School, wo wir jedes Jahr um die Landesmeisterschaft spielten. Also ging ich zur Band und zum Chor.

    In der schulfreien Zeit engagierte ich mich bei den Pfadfindern. Ja, ich weiß, dass diese berühmte Organisation im Laufe der Jahre ihre Probleme hatte, aber das Führungstraining und die Kameradschaft, die ich bei den Pfadfindern lernte, machten diese einsamen Jahre erträglich. Da ich nicht aus einer reichen Familie stammte und in der Schule nie ein beliebter Sportler war, gab mir die Pfadfinderei die Möglichkeit, etwas aus mir zu machen, ohne all die Vorurteile und Erwartungen der High School. Ich stand total auf knielange, grüne Socken und eine Schärpe für die Verdienstabzeichen.

    Gut, ich war ein bisschen nerdig. Aber komm schon. Es war eine schöne Kindheit, auch wenn ich nicht viel außerhalb des Rudels erlebte.

    Doch zurück zu Joseph …

    Kapitel 4

    Die Kinobestuhlung ist eine herrliche Erfindung, die in den Geschichtsbüchern viel mehr Anerkennung verdient, als sie bisher erhalten hat. Wie lange mussten wir kleinen Leute hinter den Köpfen unserer großgewachsenen Freunde leiden? Oder mussten zusammengekauert auf einer Seite sitzen und verzweifelt um Tante Millis riesige Hochsteckfrisur herumgucken? Die sanft ansteigende Kinobestuhlung löste all diese Probleme und brachte obendrein den Weltfrieden mit sich.

    Gut, so dramatisch war es nicht. Aber es war wirklich cool.

    Wir begaben uns also zu dem aknegeplagten Jugendlichen hinter dem Sicherheitsglas und ich überreichte ihm meinen Goldenen Freipass. Josephs Augen weiteten sich anerkennend, während Pickelgesicht mir einen eindrücklichen, ehrfürchtigen Blick zuwarf. Dann drückte er ein paar Knöpfe und nickte mir respektvoll zu, als er uns zwei Karten überreichte, auf denen in großen roten Buchstaben „VIP" stand. Die musste ich einfach Joseph zeigen und grinste dabei wie ein Dreijähriger, der auf dem Jahrmarkt gerade Zuckerwatte bekommen hatte.

    Woraufhin er mir zuzwinkerte.

    Oh.

    Mit den Karten in der Hand wollte ich mich schon auf den Weg ins Kino machen, da zog Joseph an meinem Hemd und fragte, ob ich Popcorn wollte. Ich war baff. Imbisszeugs zu kaufen, verstieß gegen die ganze Theorie des Goldenen Freipasses. Außerdem hatte Ms. Pacman all meine Ersparnisse aufgefressen. Da war kein Platz mehr für Popcorn.

    Joseph grinste über meinen verwirrten Gesichtsausdruck und drehte sich um, um Popcorn und eine Sprite in einer Größe zu kaufen, die eigentlich auf der Tafel mit „gigantisch" hätte ausgewiesen werden müssen. Das war wirklich ziemlich nett von ihm.

    Dann betraten wir den Kinosaal, und es war heiß und überfüllt. Die Leute standen da und starrten auf die unglaublich bequemen Ledersessel. Einige fuhren mit der Hand über das glatte, hellbraune Leder, bevor sie sich hineinsinken ließen und in die Weichheit des Leders eintauchten. Kinder lachten und Erwachsene unterhielten sich. Ein Kino, wie Gott es gewollt hatte.

    Wenn ich nun zurückblicke, waren vielleicht zwanzig Leute in einem Raum, in dem zweihundert Platz gehabt hätten. Ich war wohl aufgeregter, als ich dachte.

    Wir schlichen uns durch unsere Reihe und nahmen die mittleren Plätze ein. Ich war mir nicht sicher, ob ich den traditionellen „Ich gehöre nicht zu diesem Typen"-Mittelsitz leer lassen sollte, aber Joseph nahm mir diese Entscheidung ab, indem er sich auf dem Stuhl neben meinem niederließ und anbot, mit mir sein Popcorn zu teilen. Das war wiederum sehr nett. Wer liebt nicht buttriges, salziges Kino-Popcorn? Aber als er dann einen großen Schluck Sprite nahm und es mir danach mit ausgestrecktem Strohhalm anbot, fand ich das ein bisschen seltsam. Ich öffnete den Deckel und nahm einen Schluck der zuckerhaltigen Leckerei vom Rand des Bechers. Dann reichte ich ihm den Becher zurück, und seine Augen funkelten belustigt. Ich verstand nicht, was daran so lustig gewesen sein sollte. Ich würde meine Lippen sicher nicht dort ansetzen, wo ein Typ gerade genuckelt hatte.

    Wir mampften gemütlich unseren himmlisch guten, mit flüssiger Butter übergossenen Mais, als sich eine überaus füllige Frau, die wegen unsachgemäßer Verwendung von Elasthan hätte verwarnt werden müssen, auf den Sitz neben Joseph zwängte. Sei jetzt bitte nicht gleich vor den Kopf gestoßen. Ich beschreibe doch nur, was passiert ist. Die Frau war so breit, dass sie die Gurtverlängerung im Flugzeug brauchte und wahrscheinlich einen zusätzlichen Sitzplatz hätte kaufen müssen. Ich will sie nicht verurteilen, aber sie war einfach riesig, wie unsere Sprite, nur noch gewaltiger.

    Außerdem hatte sie das Memo bezüglich des persönlichen Freiraumes offensichtlich nicht verstanden. Sie stützte ihre beiden fleischigen, nackten Arme auf die Lehnen auf beiden Seiten und drang so über die Mittellinie hinaus auf Josephs Sitz vor. Wusste sie nicht, dass sie nach dem Kinogesetz nur eine Lehne beanspruchen durfte, aber niemals beide? Barbarin!

    Frau Barbarin hatte einen dieser riesigen Eimer mit Popcorn und einen Kanister Cola. Ich war eifersüchtig auf ihren Eimer mit den salzigen, buttrigen Leckerbissen.

    Der Geruch einer Frau, die sich gegen Elasthan stemmte, vermischte sich mit dem des Popcorns und drang in meinen persönlichen Raum. Seltsamerweise war er jedoch nicht unangenehm. Da rückte Joseph näher an mich heran und ließ unsere jämmerlich kleine Popcornpackung in die Ritze zwischen unseren Sitzen gleiten. Unsere Schultern stießen fest aneinander. Einen Moment lang dachte ich, dass er etwas fester drückte als nötig, aber dank unserer stinkenden Nachbarin machte ich mir darüber keine großen Gedanken.

    Dann wurde das Licht gedimmt und die Kinospots begannen.

    Kinospots. Mein Lieblingsteil jeden Kinobesuchs.

    Der Punkt, an dem jeder Kinobesucher, der etwas auf sich hält, so tut, als wäre er der Kinokritikergott und jeder Vorschau einen Daumen nach oben oder nach unten verpasst. Es gibt keine Zwischenstimmen oder Enthaltungen. Sei kein Weichei. Das ist ein heiliges Ritual, und du verlierst deinen hart verdienten Kinopass des Stadtrats, wenn du es vergeigst oder dich nicht auf eine Stimme festlegen kannst.

    Die meisten Leute – eigentlich Ketzer – wussten nichts von dieser heiligen Tradition. Wie durch ein Wunder gehörte Joseph nicht zu diesen Leuten. Mr. Dauerlächeln kam mir sogar bei der ersten Abstimmung zuvor, indem er einem armseligen Spot eine Caligula-Geste nach dem Motto „Töte den Gladiator" gab. Meine Augen mussten sich geweitet haben, denn er grinste. Zum ersten Mal an diesem Tag grinste ich zurück und stimmte seiner Verurteilung sofort zu, indem ich meinen eigenen Daumen nach unten zeigte, um das Urteil zu unterstreichen. Dann gingen wir zum nächsten Kandidaten über. Und dem nächsten. Und zu den zehn weiteren Vorschauen, die folgten.

    Bei manchen heiligen Traditionen sollte es ein Maximum an Heiligkeit geben, damit der verdammte Film endlich beginnen kann.

    Das uralte Ritual war vollbracht, das Intro des Films begann und ich machte es mir in meinem gepolsterten Ledersitz bequem und nahm kaum die Wärme von Josephs Schulter wahr, die sich irgendwie noch näher an mich gedrückt hatte. Ich hatte die Armlehne zwischen uns beansprucht, und er ließ das auch gelten, aber seine Hand streifte meinen Arm jedes Mal, wenn er nach mehr Popcorn griff. Aus irgendeinem Grund, den ich nicht verstand, verursachte das ein Kribbeln in meinem Arm.

    Und dann begann der Film. Einsam Zweisam Dreisam. Josephs Idee.

    Erinnerst du dich noch an die alten Luftangriffssirenen, die jedes Mal ertönten, wenn die Deutschen London bombardierten? Ich weiß, dass du das nicht wirklich erlebt hast, aber sicher hast du Filme über diese Zeit gesehen. Sie heulten laut, fingen leise an und wurden immer lauter, bis sie den Umfang eines Operntenors erreichten, um dann allmählich wieder in die Tiefen eines tiefen Brüllens abzusinken. Man konnte einfach nicht missverstehen, was das hieß. Der Feind war im Anmarsch und er ließ bestimmt keine Törtchen fallen.

    Fünfzehn Minuten nach Beginn des Films hörte ich die Luftangriffssirene – in meinem Kopf.

    Als Joseph vorgeschlagen hatte, dass wir uns Einsam Zweisam Dreisam ansehen sollten, hatte ich keine Ahnung gehabt, worum es ging. Ich hatte nicht einmal über den offensichtlich anzüglichen Titel nachgedacht. Ich war damit beschäftigt gewesen, seine Bilder und seine VHS-Sammlung zu durchstöbern und hatte den Namen, den er vorgeschlagen hatte, kaum wahrgenommen. Und selbst wenn ich ihn deutlich gehört hätte, wäre mir die Andeutung nicht aufgefallen. Welches von Wölfen aufgezogene Predigerkind denkt schon über Dreier nach? Jemals?

    Nach einer halben Stunde des Films verstand ich, was der Titel bedeutete. Ganz klar.

    Die Story geht so. Ein Mädchen namens Alex wurde versehentlich dazu verdonnert, in einem Wohnheim mit zwei Jungs zu leben: Mit Stephen Baldwins Figur und einem schwulen Typ namens Eddy. Nach anfänglichen Komplikationen wurden sie Freunde. Sogar mehr als Freunde. Wie sich herausstellte, war Stephen Baldwin in Alex verknallt. Alex hingegen wollte Eddy an die Wäsche, aber der war schwul. Und Eddy wollte den lieben Mr. Baldwin.

    Verstehst du? Mr. Gleichschenklig wäre stolz. Eine Dreiecksbeziehung mit einem schwulen Kerl in der Mitte. Oder wollte Stephen lieber in der Mitte sein? Egal. Das spielt keine Rolle.

    Wichtig war die selbstgerechte Empörung, die in der behüteten Seele eines Predigerkindes hochkochte, als ich die mutwillige Zurschaustellung von Vulgarität über die heilige Leinwand laufen sah. Es war Herzbube mit zwei Damen auf Steroiden. Übrigens hatte ich als Kind Herzbube mit zwei Damen nicht sehen dürfen, weil eine Frau mit zwei Männern zusammenlebte und die Männer vorgaben, schwul zu sein, damit alles in Ordnung war. Wie konnte schwul sein irgendetwas in Ordnung bringen? Das ergab doch keinen Sinn. Die ganze Serie war ein wahrer Sündenpfuhl und war deshalb von der Liste der Sendungen meiner Kindheit gestrichen worden.

    Aber die ganze Familie hatte sich jeden Freitagabend vor dem Fernseher versammelt, um trotz ihrer nackten Knie Wonder Woman zu sehen. Wahre Wölfe, kann ich dir sagen.

    Aber jetzt Schluss mit den Ablenkungen. Zurück zum Film …

    Stephen wollte das Mädchen nicht zu einem netten Abendessen ausführen oder sie mit seinem charmanten Witz oder seinem perfekten Lächeln für sich gewinnen. Er wollte ihr auch nicht anbieten, sie nach Hause zu begleiten und ihr respektvoll einen Kuss auf die Wange geben, sobald sie drin verschwand. Oh nein. Er wollte ihr unanständige Dinge antun, immer und immer wieder, und er scheute sich auch nicht, davor das zu tun. Und die Dinge, die sie dem armen Schwulen antun wollte … davon will ich gar nicht erst anfangen. Sie war kein braves, kirchentreues, ihr Knie bedeckendes Mädchen. Oh, und wenn ich gerade von dem schwulen Kerl spreche – es gab einen schwulen Kerl in meinem Film! Was sollte das denn? Sollte es in Hollywood keine Anstandsregeln geben? Ich war auf der ganzen Linie entsetzt.

    Joseph hingegen liebte jede Minute.

    Er drehte sich nie zu mir um oder sagte etwas, aber ich hatte das Gefühl, dass er mich aus dem Augenwinkel beobachtete und sich über mein Unbehagen amüsierte. Was war nur los mit ihm? Warum fragte er nicht, ob ich gehen wollte? Wie konnte er so einen Dreck hinnehmen? Ich war verwirrt, beleidigt und einige andere Dinge, die ich nicht in Worte fassen konnte. Und obendrein waren wir im Kino. Dort wäre es unhöflich gewesen, irgendetwas in Worte zu fassen. Und ich wuchs in den Südstaaten auf. Es mag Sünden in der Kirche gegeben haben, aber unhöflich zu sein, war eine Sünde gegen deine Leute. Einfach undenkbar.

    Irgendwie hatten wir es dann bis zum Ende geschafft. Ich möchte die komplizierte Handlung des Films ja nicht spoilern, aber am Ende ist das Dreieck miteinander verbunden – und zwar nicht nur auf geometrisch korrekte Weise. Irgendwie hatten sich alle Seiten des Dreiecks getroffen und jede der Figuren hatte etwas von dem bekommen, was sie gewollt hatte. War es nun ein Stern oder ein Parallelogramm? Ich war noch nie gut in Geometrie.

    Wie dem auch sei …

    Joseph hatte eindeutig mehr Geduld, seine Abscheu zu verbergen als ich. Er lächelte immer noch. Wir verließen das Kino und machten uns auf den fünfminütigen Weg zurück zu seiner Wohnung und in die Sicherheit meines geliebten Saturns. Er fragte mich, was ich von dem Film hielt, und ich zögerte nicht. Da verwandelten sich all die im Predigerkind aufgestauten Schuldgefühle in vulkanische Lava, und ich brach über Hollywoods abscheulichen, verderblichen Einfluss aus. Ich griff die Vorstellung an, dass Männer mit Frauen zusammenlebten, dass der arme Stephen abscheuliche Dinge mit der nicht ganz so unschuldigen Alex anstellen wollte und dass ein Regisseur die Frechheit besaß, einen H-Typ auf die Leinwand zu bringen. Ich flüsterte das H-Wort, damit es niemand hörte, damit mich die H-Fee nicht erwischte, oder irgendein anderer Unsinn.

    Ja, ich sagte tatsächlich „H-Typ". Ich konnte mich nicht dazu durchringen, das Wort zu benutzen.

    Joseph nahm alles gelassen hin, entgegnete nichts und lächelte immerzu.

    Als der rechtschaffene Ausbruch geendet hatte, drehte sich Joseph zu mir um und stellte mir die seltsamste Frage. Wenn ich hundert Jahre alt werde, werde ich seine Worte nie vergessen:

    „Das verstehe ich ja alles, aber findest du Stephen Baldwin nicht einfach nur süß?"

    Kapitel 5

    In dem Augenblick hielt ich es für eigenartig, aber ich war so aufgeregt und war mein ganzes Leben lang so behütet und weltblind gewesen, dass ich die offensichtlichen Zusammenhänge nicht erkannte.

    Jetzt schon.

    Ich schüttelte die seltsame Frage ab, die immer noch in meinem Kopf nachhallte, als wir mein Auto erreichten. Joseph, der einen Schritt voraus war, drehte sich um und lehnte sich gegen meine Tür, um mich am Einsteigen zu hindern. Seine Hände steckten lässig in den Hosentaschen und seine großen, braunen Kulleraugen trafen auf meine eigenen, schüchternen, blauen.

    „Wohin des Weges?", wollte Joseph wissen und rüttelte mich mit seiner Stephen-Baldwin-Frage aus meinem inneren Kampf heraus.

    „Ähm, nach Hause, schätze ich."

    Wir hatten eine Nachmittagsvorstellung gesehen, also war es früher Nachmittag und wir waren beide im Begriff, unsere Langeweile an einem Samstag allein zu Hause fortzusetzen. Ich freute mich nicht gerade auf eine weitere Runde Bowling und das Zappen durch die Kanäle, aber ich hatte nicht sehr weit vorausgedacht. Joseph war anscheinend im Planungsmodus.

    „Warum kommst du nicht mit rein und wirfst einen Blick auf meine Filme? Vielleicht gibt es ja etwas, das dein Magic Pass verpasst hat? Wenn du jetzt nach Hause fährst, sind wir beide doch nur wieder an einem Samstag allein zu Hause und langweilen uns."

    Saß er denn bereits in meinen Gedanken fest? Dem Funkeln in seinen Augen nach zu urteilen, wusste er, dass er sich in meinem Kopf befand.

    Dieses verdammte Zwinkern.

    Aber er hatte Recht, und ich wusste es. „Okay. Klar." Was für ein Weltklasse-Wortschatz.

    Wir stapften zurück in sein gemütliches Wohnzimmer und ich nahm sofort den Thron in Beschlag, wobei ich mit meinen Fingern über die tief eingeschnitzte Kopoubohne fuhr- oder was auch immer für eine Ranke in schicke thronähnliche Stühlen geschnitzt war. Ich liebte diesen Stuhl wirklich.

    Dann deutete er auf die Regale rechts neben der Couch, die ich vorhin noch nicht gesehen hatte. Seine eigene persönliche Videothek. Er schaltete die Beleuchtung ein und gleichzeitig stießen irgendwo Engel diesen heiligen „Ahhh"-Laut aus.

    „Ich habe über hundert Kassetten, such dir eine aus. In der Zwischenzeit hole ich mir was zu trinken. Möchtest du auch was?"

    „Klar. Hast du Tee? Oder Cola?", fragte ich.

    Ich verstand nicht, warum, aber er gluckste und schüttelte den Kopf, als wäre ich ein Achtjähriger gewesen, der gerade sein Fenster mit einem Baseball eingeworfen hatte. Das hatte ich tatsächlich getan, als ich acht gewesen war.

    „Klar. Bin gleich wieder da."

    Ich hörte, wie das Eis in der Küche gegen das Glas klirrte, also stand ich auf und wandte meine Aufmerksamkeit der mächtigen Wand aus Filmen zu. Er hatte nicht gelogen. Sie war beeindruckend. Und er besaß nicht nur die alten Filme oder die Kassetten, die er vergessen hatte zu Blockbuster zurückzubringen (nicht, dass ich irgendjemanden kannte, der sowas tat), er hatte auch einige neue Filme, die ich noch nicht kannte. Sehr cool.

    Ich holte sofort den neuesten Stirb Langsam Film heraus. Der war schon vor einer Weile im Kino gelaufen, aber ich hatte den Fehler gemacht, meiner Schwester zu sagen, dass ich ihn sehen wollte. Meiner Schwester Lisa, der konservativsten Wölfin in dem Rudel religiöser Wölfe, die deinen lieben Geschichtenerzähler aufgezogen hatten. Als ich auch nur gewagt hatte, anzudeuten, dass ich gerne einen Film sehen wollte, der ab 17 Jahren freigegeben war, hatte sie mir ein solch schlechtes Gewissen gemacht, dass ich mir sicher gewesen war, ich würde nie wieder einen Film sehen, der nicht von Disney produziert wurde – und selbst die waren verdächtig gewesen. Eine geschlagene halbe Stunde lang hatte sie erklärt, dass die Verantwortlichen in Hollywood allesamt gute Christen wären und die Filme mit einer Altersfreigabe versehen würden, um uns zu schützen, und dass wir ihre Bemühungen ehren sollten. Ganz zu schweigen von der nicht ganz so christlichen Religionszugehörigkeit unserer jüdischen Brüder und Schwestern, die einen Großteil von Hollywood kontrollierten … die ganze Vorstellung war schief. Ich weiß, das klingt jetzt lächerlich. Aber ich war nun mal die Jungfräulichkeit in Person und wusste es nicht besser.

    Noch einmal: Wölfe.

    Ich starrte immer noch staunend auf die Filmwand, als Joseph aus der Küche zurückkam und zwei schicke Kristallgläser auf dem Couchtisch abstellte. Das eine enthielt eine goldene Flüssigkeit, die meiner Meinung nach nicht zu einem guten Christen passte. Das andere war meine Cola, die laut sprudelte und sich freute, mich zu sehen.

    „Bin gleich wieder da. Ich ziehe mir nur schnell die Jeans aus." Er verschwand im Flur, bevor ich etwas erwidern konnte. Warum musste er sich seine Jeans ausziehen, um sich einen Film anzugucken? Wie auch immer. Seine Wohnung. Er sollte sich wohlfühlen. Ich machte weiter.

    Dann nahm ich einen Schluck Cola, legte Bruce auf den Couchtisch und ließ mich wieder auf dem Thron nieder. Ich lehnte mich leicht nach vorne und schielte durch den Raum zu den Leuten auf Josephs Bildern, als sich die Wärme einer weichen Hand sanft an meinen Nacken legte. Ein Stromstoß schoss mir über den Rücken, der mein Herz schneller schlagen ließ und gleichzeitig alles andere lähmte. Zu der Hand gesellte sich ihr Partner, und sie begannen, die Muskeln in meinem Nacken bis zu meinem Kopf und dann hinunter zu meiner Schulter zu massieren. Und wieder. Und nochmal.

    In diesem Augenblick der Unentschlossenheit tat ich das Einzige, was mein Körper zuließ – ich krümmte meinen Hals zusammen, um ein paar seiner Finger einzuklemmen, und fragte mit piepsiger, zitternder Stimme: „Was tust du da?"

    In Josephs Tonfall schwang wieder Belustigung mit: „Du scheinst so angespannt zu sein. Ich wollte dir einfach helfen, dich vor dem Film zu entspannen."

    Ja, in diesem Wohnzimmer gab es mehr rot blinkende Warnleuchten als in einem Atomkraftwerk, aber man darf nicht vergessen, dass ich von Wölfen aufgezogen worden bin. Zu dieser wunderbaren Kindheit kam noch hinzu, dass ein Studienkollege mich kürzlich überredet hatte, einen Massagekurs mit ihm zu besuchen. Das hatte ich dann auch, mehr zur moralischen Unterstützung als alles andere. Das Ergebnis war aber nun, dass ich immer derjenige war, der massierte. Es kam mir nie in den Sinn, um eine Massage zu bitten. Und jetzt bot Joseph sie mir an, ohne dass ich gefragt hatte. Wie cool. Ich lockerte meinen Nacken um seine Finger und neigte meinen Kopf, um ihm den Zugang zu den Muskeln zu erleichtern, die er so treffend als verspannt diagnostiziert hatte.

    Ein Teil von mir fing an, die Dinge zu begreifen. Allein zu Hause. Alte Möbel. Drei Typen in Bananenschaukeln. Einsam Zweisam Dreisam. Stephen Baldwin.

    Ja, ich bin langsam.

    Ich umklammerte die Lehnen des geliebten Throns so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortraten. Und eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte: „Ich glaube, er ist das h-Wort." Nein, ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, das Wort auszusprechen, nicht einmal in einer inneren Unterhaltung mit mir selbst. Am liebsten wäre ich aus dem Stuhl aufgesprungen und weggelaufen. Mein Herz raste und eine Schweißperle kribbelte auf meiner Stirn. Die Stimme begann zu schreien: „Raus hier!" Schließlich stand meine Tugend auf dem Spiel. Ich konnte doch nicht in einem H-Haus bleiben. Und schon gar nicht konnte ich zulassen, dass er mir den Nacken massierte. Aber Mann, er hatte wirklich kräftige Hände. Und mein Nacken tat wirklich weh. Vielleicht würde es ja gut gehen.

    Zehn, vielleicht fünfzehn Minuten später (ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren), hörten die Hände auf zu massieren und Joseph erschien auf der Couch gegenüber meinem Thron und nippte an seinem unchristlichen Getränk. Er trug jetzt ein locker sitzendes hellblaues T-Shirt und noch lockerere marineblaue Shorts. Hatte ich schon erwähnt, dass es sich bei den Shorts um diese seidigen Sporthosen handelte? Die, für die man eine Schlauchunterhose braucht, oder wie auch immer man diese Dinger nennt, damit die Biester nicht herumstreunen? Ja, diese Shorts. Und seine Biester tobten frei herum.

    Ich rollte meinen nun lockeren Hals und griff nach vorne, um einen Schluck Cola zu nehmen. Meine Hand zitterte leicht.

    Joseph warf mir einen Seitenblick zu, als er Bruce vom Tisch aufhob und ihn kurzerhand in den Videorekorder schubste. Tut mir leid, Bruce. Dramatische Filmmusik dröhnte aus Lautsprechern, die ich nicht finden konnte, und ich kuschelte mich in die bequemste Position, die möglich war, und konzentrierte mich mit starrem Blick auf den Fernseher, damit ich keinen Augenkontakt mit dem h-Typ, der mir gegenübersaß, herstellen konnte.

    Joseph ließ sich auf der Couch nieder, und ich hörte das Klackern von Eis und einen zufriedenen Schluck.

    Dann fragte er etwas Merkwürdiges: „Warum kommst du nicht rüber?"

    Die unbedarfte Jungfrau verstand nicht. „Warum?"

    Er lächelte: „Ich dachte nur, dass du es auf der Couch bequemer haben könntest." Er tätschelte das Kissen neben sich.

    Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber mein Herz schlug noch schneller. „Ich mag diesen Sessel wirklich. Ich fühle mich … ähm … sehr wohl." Dann nahm ich einen weiteren zittrigen Schluck Cola.

    Er grinste wölfisch. Nein, nicht wie die, die mich aufgezogen hatten. Wie die anderen.

    Er wusste, dass ich zu Tode verängstigt, ratlos und verwirrt war – und hundert andere Dinge. Er wusste all diese Dinge und grinste trotzdem.

    „Setz dich einfach hier rüber, einverstanden?"

    Die Jungfrau starrte fassungslos und stumm zurück. Man kann ja über Predigerkinder vieles behaupten, aber nicht, dass sie nicht gehorsam wären. „Ähm. Okay."

    Ich schlurfte um den Couchtisch herum und schmiegte mich so nah wie möglich an das andere Ende der Couch. In der Mitte bot der leere „Ich bin nicht schwul" Platz Sicherheit, auch wenn es nur ein kleines Kissen auf der winzigen Couch in der Größe eines Loveseats war. Ich war safe.

    Aber ich hatte meine Cola vergessen. Verdammt.

    Joseph griff über den Tisch, schnappte sich meine Cola und den Korkenuntersetzer und stellte beides vor mich hin. Dann positionierte er sich kunstvoll auf dem heiligen „Ich bin nicht schwul"-Platz. Kannte er denn die Regeln nicht?

    Ich versuchte, meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher zu richten, da packten vertraute Hände meine Schultern und zogen mich zurück. Und bevor ich Zeit zum Nachdenken oder Reagieren hatte, lehnte ich an seiner Brust und seine Lippen kitzelten mich am Ohr.

    Kapitel 6

    Ich erinnere mich an das Gefühl, wie erstarrt zu sein, unfähig, mich zu bewegen. Mein rasendes Herz und mein schneller Atem waren das Einzige, das noch funktionierte. Sogar meine Augen standen weit offen und ließen sich nicht mehr schließen. Die ganze Zeit über knabberte Joseph an meinem Ohr, zuerst an der Spitze, dann sanft an der Außenseite, bis er meinen irischen Goldschatz erreichte, das Ohrläppchen. Seine Zähne markierten mich und seine offensichtlich erfahrene Zunge löste sie ab und strich kaum merklich über die nun noch empfindlichere Haut. Sein Atem war heiß und roch nach Butter, mit einem Hauch von Popcorn. Er ließ seine Hände zur Seite sinken, als hätte er Angst gehabt, eine unsichtbare Barriere zu überwinden, aber seine Zunge kannte keinen solchen Anstand. Als sie schließlich den Weg in mein Ohr gefunden hatte, war der magische Zauber gebrochen und die Kontrolle über meinen Körper kehrte zurück, auch wenn sie noch so schwach war.

    Ich lehnte mich nach vorne und drehte mich halb zu ihm hin, wobei ich nicht genau wusste, welche turnerische Leistung nötig war, um ihm aus unserer brezelartigen Position heraus tatsächlich gegenüber zu sitzen.

    „Was machst du da?", fragte meine piepsige, kindliche Stimme.

    Er musste den Schrecken in meinen Augen gesehen haben, denn er lehnte sich zurück und gönnte mir eine Pause von seinem sinnlichen Butterpopcornatem. Seine Augen funkelten mehr als zuvor, ihre dunklen Flecken wirbelten herum, als wollten sie mich hypnotisieren. Ich war noch nie so nah an einem anderen Mann dran gewesen. Machen das alle Männeraugen?

    Er schenkte mir ein schiefes Grinsen. „Nichts Ernstes. Ich habe nur ein bisschen Spaß."

    Spaß? Das verstand ich nicht. „Wir sehen uns einen Film an. Das macht doch Spaß, oder?" Ich zog mich zurück, als wollte ich mich wieder auf meinen Platz am Rande der Welt – ich meine, der Couch – setzen.

    Da streckten sich sanfte Hände aus und umfassten sanft meine Schultern. Diesmal zog er mich nicht zurück. Er drückte sie nur, in einer dieser „Alles wird gut, vertrau mir"-Gesten. Dann streckte er seine Finger aus, und strich zärtlich über meine Arme. Er ließ jeden Finger so weit von meiner Haut entfernt schweben, dass sie kaum die Haare auf meinen Armen berührten. Das Gefühl, das mich daraufhin durchströmte, dieses Feuer, hatte ich noch nie zuvor gespürt.

    Meine innere Stimme schrie förmlich, dass ich von der Couch springen sollte. Sie verfluchte mich dafür, dass ich alles verraten hatte, was man mir je beigebracht hatte, alles, woran ich je geglaubt hatte. Mit Joseph hier zu sein war falsch, eine Sünde, und ich sollte so schnell wie möglich aus der Tür rennen. Betty sollte mich in die rechtschaffene Freiheit am anderen Ende der Stadt tragen, so weit weg von diesem H-Typ, wie nur möglich.

    Aber seine Finger kitzelten die weichen Härchen auf meinen Armen und das fühlte sich so gut an. Das hatte noch nie jemand mit mir angestellt. Ich hatte bisher nur ein einziges Date gehabt, mit einem Mädchen, das ebenfalls zu meinem Nerd-Rudel gehörte und an dem ich nicht wirklich interessiert gewesen war. Außerdem würde meine gute christliche Moral es nicht zulassen, dass ich jemanden berührte, der solche Gefühle in mir weckte. Das würde nur dazu führen, dass …

    Seine Hände erreichten schließlich meine Handgelenke, die nun gegen meine Beine gepresst waren, versteinertes, regungsloses Fleisch gegen Jeans. Er fuhr mit seinen Fingern langsam über den Rücken meiner widerspenstigen Hände. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. Die Anstrengung ließ seinen Körper vorrücken und seine Brust drückte wieder gegen meinen Rücken. Die Wärme seines gleichmäßigen Atems ließ meinen Nacken kribbeln. Als seine Finger schließlich aufhörten, mich zu berühren und sich mit meinen verschränkten, war ich so erschrocken, dass ich reflexartig zudrückte. Das muss anscheinend die universelle Geste für „mach schon" gewesen sein, denn seine Lippen drückten sich auf meinen Hals und ein Feuer entfachte sich in meiner Brust, das sich durch alle Arterien und Venen und in welche Körperteile es sonst noch gelangen konnte, ausbreitete. Heiliger Strohsack, dieses Feuer. Ich hatte mir nie vorstellen können, mich so zu fühlen. Das hatte ich mir nie erträumt. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich wusste, was es war, aber ich wusste, dass ich nicht wollte, dass es aufhörte.

    Alle Gedanken an Religion, Glaube, Ängste oder Popcorn (ja, ich dachte den ganzen Abend über gelegentlich an Popcorn) verschwanden. Ich ließ zu, dass der Freund meines Mitbewohners unsere verschränkten Finger fest umschloss und sie an meine Brust hob, sodass er mich mit all seiner Kraft festhielt. Dann hörte er auf, meinen Hals zu küssen und legte sein Kinn auf meine Schulter, sodass sich unsere Wangen aneinanderpressten. Ich war noch nie so gehalten worden. War noch nie von jemandem gehalten worden, der mich auf diese Weise halten hatte wollen.

    Das Feuer wurde heißer, aber auf eine Art und Weise, die ich nicht genau benennen konnte. Es waren nicht nur die Hormone eines Mannes in den Zwanzigern. Es war das Erwachen von Gefühlen, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab. Ich holte so tief wie möglich Luft und hielt sie an, nahm seine Kraft, seinen Atem und seinen Duft in meine Lungen auf und genoss die Sicherheit und Wärme seiner Umarmung.

    Er musste etwas gespürt haben, denn wir saßen für einen ewigen Moment so da. Als seine Stimme endlich die Stille durchbrach, war sie ruhig und mitfühlend.

    „Alles in Ordnung?", wollte er wissen.

    „Ja. Ich stieß die Luft aus, die ich bis dahin angehalten hatte. „Alles in Ordnung.

    „Bist du sicher? Hast du das schon mal gemacht?"

    Das? Ich wusste doch nicht mal, was das überhaupt war. Aber irgendetwas in mir schrie nach dem Trost und der Sicherheit seiner Berührung. Ich wollte nicht, dass es aufhörte, egal, was das bedeutete. Aber darum würde ich mich später kümmern.

    „Nein. Ich habe noch nie … ich meine, ich …"

    „Du warst noch nie mit einem Mann zusammen, oder?", flüsterte er.

    Verdammt, dieses butterweiche Flüstern. Es war seidig und brachte mich dazu, mich noch enger in seine Umarmung zu drücken. Ich packte seine Finger fester und zog seine Arme enger um mich, dann lehnte ich meinen Kopf zurück auf seine Schulter.

    „Ist das so offensichtlich? Mache ich irgendwas falsch?"

    Ein warmes Glucksen kitzelte mein Ohr und er küsste es. „Nein. Du machst das gut. Du sollst nur wissen, dass wir jederzeit aufhören können. Wir müssen nichts tun, wobei du dich nicht wohl fühlst."

    Bruce Willis sprengte im Hintergrund gerade etwas in die Luft und gab mir einen Augenblick Zeit zum Nachdenken, während die Geräusche durch den Raum hallten. Ich löste unsere Finger, die er ohne Widerrede losließ, dann stand ich auf und setzte mich ihm wieder zugewandt hin. Ich nahm seine beiden Hände in meine und hielt sie fest, während ich ihm in die Augen schaute. Meine Angst verschwand. Meine Schuldgefühle verschwanden. Alles außer Josephs glitzernden, braunen Augen verschwand.

    Ohne nachzudenken, beugte ich mich vor und berührte seine Lippen ganz sanft und zart. Ich sog seinen Atem ein, schloss meinen Mund, um ihn festzuhalten, lehnte mich wieder zurück und schloss erneut die Augen. Sein Atem war in mir. Diese Vorstellung verwirrte meine Sinne und ein albernes Grinsen entsprang meinem Gesicht, als sein Atem meinen nun geöffneten Lippen entwich.

    Woraufhin er breit lächelte.

    Dasselbe warme Lächeln, das er mir geschenkt hatte, als ich das erste Mal vor seiner Tür gestanden hatte. Und das war so beunruhigend gewesen. Nicht übermütig oder lüstern oder sowas in der Art. Es war großzügig, freundlich, offen und begehrend. Dass jemand – vor allem ein Mann – mich begehrte? Dieser Gedanke war mir noch nie in den Sinn gekommen.

    Er beobachtete geduldig, wie meine Gefühle miteinander kämpften, dann streckte er eine Hand aus, um meine Wange zu streicheln. Seine Finger fuhren die Linie meines Kinns entlang, dann meine Lippen. Seine Berührung hatte nichts Sexuelles an sich. Er war einfach nur ein Entdecker, der neues, unerforschtes Gebiet erkundete und neugierig war, was er finden würde, wenn er weiter forschte.

    Also ließ ich ihn forschen.

    Kapitel 7

    Bruce hatte zwei Stunden und vier Minuten lang Sachen in die Luft gejagt, und ich weiß noch genau, wann der Abspann begann. Wir saßen immer noch auf der Couch. Kein einziges Kleidungsstück fehlte, aber wir waren die ganze Zeit über aneinander gekuschelt gewesen und hatten uns nur getrennt, um nach einem Glas Cola oder einer anderen satanischen Flüssigkeit zu greifen, die er trank.

    Küssen. Reden. Lachen. Noch mehr küssen. Kichern.

    Ich weiß. Kichern war nicht männlich. Aber ich konnte es nicht verhindern. Irgendwie hatte ich diese kleinen Grübchen übersehen, die sich immer dann bildeten, wenn er lächelte. Als wir das erste Mal unsere Lippen lange genug voneinander gelöst hatten, um zu atmen, hatte er gegrinst und ich hatte sie gesehen. Diese kleinen Puddinggrübchen. Und die brachten mich zum Kichern.

    Am Ende des Films wusste ich, dass Joseph ursprünglich aus Iowa stammte, wo seine Eltern noch immer eine Farm betrieben. Er hatte zwei ältere Brüder, die beide verheiratet waren und Kinder hatten. Keiner in seiner Familie kümmerte sich darum, dass er h- war und er kehrte mehrmals im Jahr ins Kartoffelland zurück, um sie zu sehen. Er hatte das College in Nashville absolviert, bevor er einen Job gefunden hatte, bei dem er mit Zahlen oder Büchern oder mit Zahlen und Büchern zu tun hatte, und der ihn in eine Stadt, ein paar Stunden von seiner Heimat entfernt, mit einem schillernden neuen Kino mit Kinobestuhlung gebracht hatte. Er lebte seit einem Jahr hier und fand langsam Freunde, aber er hielt seinen Kreis lieber klein. Er liebte seine alten Möbel, nicht nur wegen der Schönheit der Stücke, sondern auch wegen der Geschichte dahinter. Eine gute Geschichte ließ sein Herz höherschlagen. Daher auch die Möchtegern-Videothek. Er war nicht besonders groß, aber er spielte freitagabends gerne Volleyball in einer Liga für h-Jungs. Wer hätte gedacht, dass es so etwas gab?

    Als er mir anbot, mit mir freitags zum Volleyball zu gehen, legte ich verwirrt den Kopf schief.

    „Ist das nicht für h-Typen? Du weißt doch, dass ich nicht h- bin, oder?"

    Daraufhin stieß er ein schallendes Lachen aus und er blickte mich durchdringend an. „Ja, ich weiß", war alles, was er sagte.

    Selbst da war er freundlich und respektvoll und verstand, dass ich zwar bereit war, ihm über das Gesicht zu lutschen, aber dass es gewisse Wahrheiten gab, die ich mich nicht traute zu hinterfragen. Noch nicht. Joseph war wirklich ein guter Kerl.

    Als der Abspann endete, sah er mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Wenn wir in mein Zimmer gehen, kann ich dir helfen, dich weiter zu entspannen. Ich massiere dich einfach."

    Okay, hör schon auf zu lachen.

    Ich wusste doch nicht, dass dies das meistgenutzte Wort aus dem schwulen Wörterbuch ist. Ich hatte ja keine Ahnung, was hinter dem Codewort „Massage" steckte oder worauf das Ganze hinauslaufen würde. Ich wusste ja kaum, dass es überhaupt diese Geheimsprache gab. Es gibt doch eine Geheimsprache, oder?

    Jedenfalls grinste die Jungfrau und folgte ihrem neuen Spielgefährten, Grübchen, ins Schlafzimmer.

    Ich hörte das Klicken eines altmodischen Lampenschalters und schummriges Licht erhellte den Raum und enthüllte eine weitere antike Wunderwelt, die Queen Victoria persönlich gestohlen worden sein musste. Das Holz des Bettes mit vier Pfosten und der übergroßen Beistelltische war dunkel und edel. Das Kopfteil des Bettes reichte fast bis zur halben Höhe der Decke und war kunstvoll geschnitzt. Der Beistelltisch ließ sich nicht wirklich genau betrachten, also weiß ich nicht, ob dort noch mehr Kopoubohnen oder eine andere Schnitzerei zu sehen war. Aber er war schick. Die Lampe, die uns den Weg leuchtete, sah aus wie eines dieser alten Stücke von Tiffanys, die man bei Antiquitätenshows im Fernsehen

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