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Die Felder von Sú Talún
Die Felder von Sú Talún
Die Felder von Sú Talún
eBook462 Seiten6 Stunden

Die Felder von Sú Talún

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Über dieses E-Book

Das grüne Land Aquilon ist zerrissen, denn seine Magie
ist Fluch und Segen zugleich. Die Äxte der Sturmküste
trachten nach der Vernichtung der Magier in ihrer Festung
aus Eis.
Und im Schnee der Berge erhebt sich ein Schatten gegen
das höchste aller Gesetze.
Ein Paladin, eine Gastwirtin, ein Novize und ein Krieger
betreten den Pfad des Ersten Magiers auf der Suche
nach der sagenumwobenen Quelle der Magie ...

Eine düstere Geschichte, handelnd von mythischen
Gestalten, ewigen Feinden, unverhofften Gefährten und
der erbarmungslosen Vergänglichkeit.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum20. Feb. 2024
ISBN9783740761066
Die Felder von Sú Talún
Autor

Patrick Bernickel

Patrick Bernickel, 1992 in Troisdorf geboren, hat seit seiner Jugend ein Faible für fantastische Geschichten. Er machte eine Ausbildung zum Kaufmann und spielt Schlagzeug. Zudem hat er eine Schwäche für Metal und Filmmusik, Irish Pubs und Achterbahnen. Patrick lebt in Siegburg.

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    Buchvorschau

    Die Felder von Sú Talún - Patrick Bernickel

    Zu diesem Buch

    Das grüne Land Aquilon ist zerrissen, denn seine Magie ist Fluch und Segen zugleich. Die Äxte der Sturmküste trachten nach der Vernichtung der Magier in ihrer Festung aus Eis.

    Und im Schnee der Berge erhebt sich ein Schatten gegen das höchste aller Gesetze.

    Ein Paladin, eine Gastwirtin, ein Novize und ein Krieger betreten den Pfad des Ersten Magiers auf der Suche nach der sagenumwobenen Quelle der Magie ...

    Eine düstere Geschichte, handelnd von mythischen Gestalten, ewigen Feinden, unverhofften Gefährten und der erbarmungslosen Vergänglichkeit.

    Kapitel

    Aquilon

    Der Tod der Stunden

    Geschichte

    Janis

    Mit Schwert und Axt

    Cerewain

    Kundschafter

    Brückengeld am Ludleith

    Blutige Botschaft

    Feigling

    Ein Hauch von Furcht

    Glühwürmchen

    Feuerblüte

    Ein ungebetener Gast

    Zufluchtsstein

    Cathair Ríg

    Éan Bán

    Heimkehr

    Schlafender Winter

    Stäbe und Äxte

    Eine schwarze Nacht

    Die Krähe, die Taube und der Falke

    Von Anfang und Ende

    Salz in der Suppe

    Tír na Taoide

    Gwyn

    Zur Abgetrennten Hand

    Stilles Herz

    Besuch im Kerker

    Ein Name

    Aiséirí

    Die verlorenen Schwestern

    Asche zu Blut

    Foraois Folá

    Eine Scherbe Erinnerungen

    Wanderer im Schnee

    Der Sturz eines Königs

    Silberfeder

    Blut zu Asche

    Solas na Gealaí

    Unheilvolle Botschaften

    Eine Sonne im Regen

    Amhrán na Mara

    Dún sa Dorchadas

    Schatten der Vergangenheit

    Amygdala

    Rún

    Fallende Feder

    Ostwall

    Kjartas

    Ein letzter Pfeil

    Die Felder von Sú Talún

    Die Alte Sprache

    Danksagung

    Aquilon

    Amducias starrte in einen Sturm aus Schnee. Unbändig blies der Wind die Flocken über die Hänge und verhüllte die Gestalt, nach der Amducias Ausschau hielt. Kälte kroch in den Leib des hochgewachsenen Mannes. In eine schlichte Robe gekleidet, mit einem Proviantbeutel in der einen Hand und einem hölzernen Stab in der anderen, weilte er auf einem Vorsprung und schien sich der Macht des Winters entgegenzustellen. Der Sturm zerrte an seinem langen Haar, das so schwarz wie der Raben Federn war und an deren Enden Eiskristalle wuchsen.

    Zwei Tage lang hatten sie vor Augen, was sich nun hinter all dem Weiß versteckte. Ein Gebirgszug, höher und mächtiger als alle Berge, die sie in ihrer Heimat kannten. Und war ihre Reise über das Graue Meer und die Sümpfe weit im Osten bisher nicht beschwerlich genug, schien sich nun der Berg selbst gegen sie gewandt zu haben.

    Doch jenes Land, das sie suchten, lag hinter seinen Gipfeln, die wie die Zacken einer Krone in den Himmel ragten. Aquilon nannte man es, und es waren nur die Erzählungen weniger Reisender, die von ihm sprachen. Von einem Land, dessen Gräser nach einem Regenschauer wie Smaragde in der Sonne glänzten und wo sich Meer und Fels in einem ewigen Kampf fanden. Sie erzählten von einem Land, an das man sein Herz verlor, wenn man seine Magie fand.

    Amducias bemerkte einen Schatten, der sich aus dem Schneesturm schälte und sein Atem beruhigte sich, als Xerdian endlich im Schneetreiben auftauchte. Xerdian stach das Ende seines Stabes in die verschneite Erde, um den rechten Weg zwischen den Abgründen zu finden.

    »Wenn der Sturm nicht bald nachlässt, werden wir diesen Berg nie bezwingen«, rief der Mann Amducias entgegen. Der reichte Xerdian die Hand hinab und zog ihn auf seinen Vorsprung hinauf.

    »Ich sah Euch nicht mehr und dachte bereits, Ihr hättet einen anderen Pfad genommen«, sprach Amducias und Erleichterung lag in seiner Stimme. Xerdian, von ähnlich schlanker Statur wie Amducias, lediglich einen Kopf kleiner, wies mit einem entnervten Gesichtsausdruck in die Richtung, aus der er soeben gekommen war.

    »Caedmon verlangte wieder nach einer Rast. Ihr wart bereits zu weit weg, als ich Euch rief«, erklärte er sein Verschwinden und strich sich den Schnee aus dem hellen Haar. Xerdian ließ seinen Blick über die kaum sichtbaren Hänge des Gebirges streifen. Einen Aufstieg, eine Treppe, oder wenigstens eine Zuflucht vor dem Unwetter suchten seine blauen Augen. Aber sie fanden nichts. Da erschien eine weitere Gestalt im Schnee, auf einen krummen Ast gestützt, stapfte sie langsam dem Vorsprung entgegen.

    »Helft ... helft mir hinauf«, schnaufte Caedmon und trotz der Kälte perlten Schweißtropfen von seiner Stirn. Gemeinsam zogen Amducias und Xerdian den Mann, der dem Essen selten abgeneigt war, zu sich hinauf. Statt einer Robe trug Caedmon eine abgewetzte Lederhose und ein Lederwams, darunter zwei Schichten Wollhemden. Ein Langschwert ruhte an seinem Gürtel. Hoffnungsvoll sah er in die Gesichter seiner beiden Begleiter, doch als er die Ratlosigkeit darin sah, ließ er sich auf einen Felsen sinken. Eine Eiskruste bedeckte den Stein. Amducias und Xerdian setzten sich neben ihn und erst jetzt fiel Amducias der festgefrorene Schnee an seiner Robe auf.

    Eine Weile saßen sie dort auf dem Felsen im Sturm, klopften den Schnee von ihren Kleidern und schützten ihre Gesichter vor dem eisigen Wind. Dann erhob sich Amducias und er stellte sich dem Fels des Berges entgegen. Der Mann mit den grauen Augen hob seinen Stab. Und da schien der Schneesturm um ihn herum gegen eine unsichtbare Wand zu prallen. Mit seinem Stab lenkte Amducias diesen unwirklichen Schild, er trieb ihn an den Hängen des Berges entlang und es war, als könne der Sturm den Fels nicht länger berühren.

    »Dort! Eine Höhle!«, rief Caedmon und zeigte auf einen Spalt im grauen Gestein. Die Erschöpfung schien mit einem Mal von ihm abgefallen, mit raschen Schritten eilte er auf die ersehnte Zuflucht zu.

    »Werft erst einen Blick hinein, möglicherweise ist sie bereits bewohnt«, gab Amducias seinem Begleiter mit, doch der hörte ihn kaum mehr. Caedmon verschwand in der Höhle, und Amducias und Xerdian beschlossen ihm zu folgen. Der Eilende hatte es sich schon bequem gemacht, als sie den Unterschlupf erreichten.

    »Keine Sorge meine Freunde, hier ist niemand«, begrüßte Caedmon sie und grinste. Amducias sah sich um. »Jedenfalls gerade nicht«, entgegnete er und zeigte auf die Reste von Holzkohle an einem kärglichen Lagerfeuer.

    »Vermutlich von einem der Reisenden, die vor uns hier entlangkamen«, sprach Xerdian. »Wir sollten die Nacht hier bleiben und warten, bis der Sturm vorüber ist.« Keiner widersprach.

    Die drei Männer verstauten ihren Proviant in der Höhle, die gerade groß genug für sie war. Mit Strohresten, altem Holz, das herum lag, und einigen ihrer Vorräte entzündeten sie gar ein kleines Feuer, welches bald sanft vor sich hin knackte. Caedmon streckte die Beine von sich und stieß einen gähnenden Laut aus. »Nach den letzten Nächten in der Kälte fühle ich mich jetzt fast wie ein König«, warf er ein und wärmte ein Stück Brot am Feuer.

    »Wie Ihr Euch erst fühlen werdet, wenn wir diesen Berg hinter uns haben«, regte Xerdian die Vorstellung an und öffnete das Band, welches seine schulterlangen Haare zusammenhielt. Trotz seines Alters von mehr als drei Jahrzehnten lag etwas jugendliches, träumerisches in Xerdians Antlitz.

    Amducias’ dunkle Augen fanden derweil Caedmon. »Ihr müsst auf dem Rest unseres Weges Schritt halten«, sprach er zu seinem Begleiter. »Es ist keine Zeit, um ständig zu rasten.« Caedmon schnaubte.

    »Wenn ich von diesen Mühen geahnt hätte, ich hätte den König wieder fortgeschickt«, gab der Mann trotzig zurück.

    »Uns gegenüber war der König sehr aufgeschlossen, was die Gefahren und Bürden anbelangte«, erwiderte Amducias. Caedmon schürzte die Lippen.

    »Schön. Er erwähnte etwas von Bergen und Eis und Schnee. Aber in dem Sack, den der König dabei hatte, befand sich annäherend soviel Gold, wie ich in dreißig Jahren bei der Stadtwache verdiente. Seine beiden Magier scheinen ihm viel wert zu sein.«

    »Der Auftrag des Königs ist wichtig. Wichtiger als jene, die ihn ausführen«, kam es von Xerdian nur knapp.

    Dann schwiegen die Männer, sie sahen in das Feuer und versanken in den Gedanken daran, was sie in dieser fremden Welt erwartete. Es war Caedmon, der zuerst in den Schlaf fiel, Xerdian folgte ihm nur wenig später. Doch in Amducias’ Augen tanzte die Flamme umher, unruhig, gierend, auf der Suche nach Unbekanntem.

    Da kroch ein Käfer, nicht größer als ein Daumen, unter dem Reisig hervor. Das Licht des Lagerfeuers brach sich auf seinem eisblauen Panzer in den Farben des Regenbogens. Mit einer raschen Bewegung fing Amducias das Tier und begutachtete es ohne Regung. Der Käfer hielt still. Doch als Amducias ihn etwas näher an das Feuer führte, da strampelte er wild mit seinen Beinen, suchte einen Ausweg aus der Hand, die ihn gefangen hatte. Amducias zog ihn fort von der Wärme der Flamme und der Käfer beruhigte sich. Und ein Lächeln zeigte sich auf dem schmalen Antlitz des Magiers, als er das Tier entließ und es eilig im Reisig verschwand.

    »Wacht auf«, zerrte die harsche Stimme des Magiers Caedmon und Xerdian aus ihrem Schlaf.

    »Verdammt sollt Ihr ...«, stammelte der alte Wachmann, bevor er seine Augen öffnete und die Ruhe des Morgens vernahm. Xerdian stand derweil schon neben Amducias und beide sahen sie nach Osten. Denn dort, an den Hängen des Gebirges, wand sich eine Treppe hinauf. In der Nacht hatte der Schneesturm seinen Zorn verloren und gab nun den Berg und seinen eisigen Stein frei.

    Es dauerte nur einen Augenblick, da war der Proviant gepackt und die Roben geschnürt. Erleichterung erwachte unter den drei Wanderern und beflügelte jede ihrer Bewegungen. Nach einem kurzen Marsch durch den Schnee erreichten sie das dunkle Gestein, in welches die Stufen gehauen waren. Die Treppe war schmal, nur ein Mann konnte sie betreten und Eis und Schnee bedeckte ihren Fels. Amducias zog ein Seil aus seinem Proviantbeutel und band es sich um die Hüfte, ehe er es Xerdian weiter reichte. Der tat es seinem Begleiter gleich. Caedmon wickelte sich den Rest des Seiles um den Bauch, die besorgten Blicke Amducias’ und Xerdians entgingen ihm dabei nicht.

    »Seht es doch so; wenn ihr stürzt, werde ich wahrscheinlich euch beide halten können«, entgegnete Caedmon mit einem falschen Grinsen.

    Dann setzte Amducias den ersten Schritt auf die Treppe, die so alt aussah, als wäre sie bei der Geburt des Berges entstanden. Die Stiefel des Magiers fanden Halt und achtsam erklommen die Reisenden die Treppe, die, wie sie hofften, sie bis zum Gipfel führen würde.

    Die Ebene unter ihnen wurde immer kleiner, je höher sie stiegen und Caedmon zog es nach einer Weile vor, seinen Blick auf die Felswände zu richten. Die Finger der Wanderer, gerötet durch die Kälte, suchten im rissigen Schiefergestein nach Halt. Sie traten soeben aus dem Schatten eines kleineren Gipfels, da erhellte die Morgensonne ihren mühsamen Aufstieg. Die Reisenden hielten inne, denn der Anblick vom Rand des Berges aus über die Gebirgsebene und Täler bis hin zum östlichen Meer bannte ihre Geister. Die Treppe wand sich jetzt von Ost nach West, Amducias setzte den Aufstieg fort. Da knackte es im Fels, ein Teil des Gesteins brach unter seinem Stiefel weg. Ein Brocken, groß wie der Kopf eines Menschen. Amducias brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit, doch das Bruchstück stürzte geradewegs Xerdian entgegen.

    »Gebt Acht!«, hallte der Ruf Amducias’ im Gebirge wider. Ein kurzes Zischen erfüllte die Luft, Schnee wirbelte auf. Xerdian harrte auf der Treppe unterhalb seines Gefährten, seinen Stab erhoben. Doch von dem Steinbrocken war nichts zu sehen, er war in die Tiefe gestürzt.

    Amducias’ Gesichtszüge entspannten sich, die beiden Magier nickten sich zu, dann setzten sie ihren Weg fort. Nur Caedmon verweilte noch einen Augenblick an der Felswand. Seine Hand krallte sich an seiner linken Brust fest. Zitternd folgte er den Magiern.

    Die Treppe führte sie weiter hinauf, unter dem gleißenden Licht der Sonne hatten sie bald das Gefühl, dem Himmel näher als der Erde zu sein. Doch wann immer sie versuchten, den Gipfel zu erhaschen, verbarg ihn ein Vorsprung oder eine kleinere Bergspitze. Auf einmal wand sich der Treppenpfad und leitete sie durch eine Schlucht nach Norden in den Berg hinein. Knorrige Büsche krallten sich hier mit ihren Wurzeln an den kargen Stein. Der Weg verbreiterte sich und Caedmon wagte es, wieder tief durchzuatmen. Seiner Kräfte beraubt, ließ sich der Wachmann gegen die Felswand sinken.

    »Gebt mir einen Moment oder lasst mich hier«, stöhnte er. Scheppernd flog sein Proviantbeutel zu Boden. Amducias sah zu Xerdian herüber, dessen Blick Nachsicht forderte. Caedmon erhielt einen Augenblick, um zu ruhen, während Amducias mit der Hand über das Gestein strich. Er fühlte das Alter des Gebirges, doch seine Geschichten hielt es vor dem Magier verborgen.

    Xerdian folgte weiter dem Pfad, Neugierde ließ seine Stiefel wie von Geisterhand beschworen, schweben. Ein sanfter Wind wehte über den Kamm des Berges und als der Weg den Magier um eine Biegung führte, blieb Xerdian stehen und sein Herz tat es ihm gleich.

    Ein Land in all erdenklichen Grüntönen erstreckte sich unter seinem Blick bis zum Horizont. Hell wuchs das Gras auf den sanften Hügeln und dunkle Blätter säumten die Bäume der kleinen Wälder. Wie ein silbernes Band wanderte ein Fluss durch seine Erde, teilte sie entzwei. Der Wirklichkeit enteilt, so erschien Xerdian dieses Land und ein Glanz lag in seinen Augen. Amducias und Caedmon traten an die Seite des Magiers, und sie mussten genauso empfinden wie er, denn sie sprachen kein Wort.

    Es war Xerdian, der als Erster den Pfad hinab betrat. Da bemerkten sie einen Schatten, der rasch und lautlos über die Hänge des Berges eilte. Die Wanderer sahen hinauf zum Himmel. Ein Adler flog dort über ihnen, seinen Blick fest auf die Fremden gerichtet, zog er seine Kreise. Sein Gefieder glänzte in der Sonne, so rein wie die Bäche, die dem Gebirge entsprangen. Doch am meisten erstrahlte eine Feder an seinem Schweif, denn sie war silbern. Die kräftigen Flügel beförderten das Tier wieder in die Höhe und nach einem Schrei, der am Hang widerhallte, zog der Adler in Richtung Norden davon.

    Die Füße der Wanderer schmerzten und brannten und doch trugen sie ihre Herren rascher als je zuvor über die Steine. Hinab in das Tal eilten sie und die Freude, die der Anblick Aquilons in ihnen erwachsen ließ, vereinigte sich mit dem Sieg über den Berg. Caedmon bemerkte es nicht, doch mit jedem Schritt den Amducias und Xerdian taten, wuchs ihre Kraft. Nachdem sie einen reißenden Wasserfall passiert hatten, erreichten die Reisenden endlich den Fuß des Gebirges. Gräser und Büsche, kräftig genährt von Regen und Sonne, begrüßten sie zwischen schweren Felsbrocken, die der Berg einst verloren hatte. Xerdians Hand strich über das noch feuchte Gras.

    »Ihr spürt es auch?«, fragte er Amducias. »Ich fühle mich befreit, so als wären zentnerschwere Gewichte von meinem Leib abgefallen.« Amducias sog die kühle Luft ein, dann führte er seinen Stab hinab zur Erde. Der Boden erzitterte, als die magische Kraft über ihn hinweg stürmte und eine Schneise in die Gräser riss.

    »Die Erzählungen sind wahr. Die Macht dieses Landes ist wundersam und mir zugleich ein Rätsel. Wofür man in unserer Heimat große Anstrengung aufbringen muss, geschieht hier mit dem Zeig eines einzelnen Fingers«, sprach Amducias ehrfürchtig. »Der König wird zufrieden sein, wenn wir ihm davon berichten.« Caedmon klatschte in die Hände.

    »Sehr schön«, rief er freudig. »Dann können wir hier einige Tage verweilen, zu Kräften kommen und uns dann auf den Rückweg machen.« Stille legte sich über das kleine Tal, in dem die Reisenden weilten. Die Magier wandten ihre Blicke zu Boden.

    »Nun ...«, begann Xerdian zögerlich. »... Die Aufgabe, die der König uns gab, sie ist noch nicht beendet.« Caedmon starrte ihn aus finsteren Augen an.

    »Was meint Ihr damit?«, verlangte er zu wissen.

    »Wir reisten nicht nur hierher, um mit eigenen Augen zu sehen, wie mächtig die Magie Aquilons ist. Der Krieg wird über unsere Heimat kommen, der König sah es und er weiß, dass seine Streitmacht unterliegen wird. Er braucht mehr Männer. Er braucht mehr Magier«, antwortete Xerdian. Caedmon runzelte die Stirn.

    »Xerdian und ich, wir werden in Aquilon bleiben«, sprach es Amducias dann aus. »Wir werden die Magier ausbilden, die dem König so dringlich fehlen.« Der Wachmann rang nach Worten. Ob es die Hinterlist des Königs war oder das tollkühne Vorhaben der Magier, was ihm die Sprache verschlug, war nicht zu sagen.

    »Aber hier ist doch niemand!«, herrschte Caedmon die Magier an. »Wen wollt ihr denn ausbilden? Die Bäume? Die Vögel?«

    »Es gibt ein Dorf, es soll auf halbem Weg des Flusses liegen«, sagte Xerdian. Caedmon fasste sich mit beiden Händen an den Kopf und setzte sich auf einen Felsen.

    »Das kann nicht wahr sein«, stammelte er vor sich hin, Xerdian legte ihm eine Hand auf die Schulter.

    »Es ist nicht Eure Aufgabe, es steht Euch frei zurückzukehren«, sprach der Magier. Caedmon starrte ihn mit geweiteten Augen an. »Und durch diese Kälte, diesen Alptraum eines Berges allein wandern, das soll ich?«, fragte er erzürnt.

    »So bleibt dann hier«, sprach Amducias mit knapper Gleichgültigkeit. Caedmon sah hinauf zum grauen Gebirge, dann folgte sein Blick dem Fluss, der unweit von ihnen das Land hinab strömte. Zwei Seelen, die eines alternden Mannes und die eines Abenteurers, kämpften in seiner Brust und es war ungewiss, welche obsiegen würde. »Verdammt sollt ihr und der König sein!«, fluchte Caedmon mit einem Male und sprang von seinem Felsen auf. Er stapfte davon, in die Richtung, die der Fluss zeigte.

    Die Magier folgten dem Mann der Königswache. Xerdian wusste ebenso wie Amducias um die List, die der König damals gewählt hatte, doch schien nur sein Gewissen deswegen bedrückt.

    Sie holten Caedmon am Fluss ein. Das Wasser, das er führte, war so rein, dass man die algenbewachsenen Steine in seinem Bett sah und die Schwärme kleiner Fische, die vor den drei Gestalten davon huschten. Schwertlilien und junge Erlen säumten die Auen des Stromes, der sanft vor sich hinfloss. Doch kein Wort hörten die Magier von Caedmon. So folgten sie eine Weile dem Wasser und erst, als die Sonne beschloss, sich niederzulegen, brach der Wachmann sein Schweigen.

    »Es wird gleich dunkel, wir sollten uns nach einem Lager umsehen«, sprach er nüchtern. Xerdian zeigte auf einen Baum, der unweit des Ufers wuchs.

    »Unter seinen Ästen werden wir sicherlich einen ruhigen Platz finden«, sagte der Magier. Eine Rinde, die wie altes Eisen anmutete, bedeckte den Baum. Er erhob sich in einem kleinen Tal, welches Schutz vor Wind und neugierigen Augen bot. Im roten Licht der schwindenden Sonne richteten sie ihre Zelte auf und es dauerte nicht lange, da trug die Müdigkeit und Erschöpfung die drei Wanderer in den Schlaf.

    Ein verführerischer Duft stieg Xerdian in die Nase. Halb wach, halb im Traum, versuchte der Magier zu ergründen, was es war, dass so köstlich roch. Er vernahm das Brutzeln heißen Öls, schob den Stoff seines Zeltes beiseite und blinzelte in den Morgen. Am Feuer saß Caedmon und briet zwei Fische.

    »Oh, welch willkommenes Frühstück«, rief der Magier und ein Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Wachmannes.

    »Nicht wahr«, sprach dieser. »Leider sind diese beiden hier für mich. Ihr müsst Euch heute eigene Fische fangen.« Damit war die freundliche Miene Caedmons verschwunden. Xerdian streifte sich seine Robe über und sah hinaus auf die Auen des Flusses. Der Nebel der Nacht war noch nicht gänzlich vergangen und in der Morgensonne erschienen die Bäume wie Geister, die sich am Fluss trafen. Amducias saß dort am Ufer und las in einem Buch. Er klappte es zu und verstaute es rasch in seinem Proviantbeutel, als er merkte, dass jemand sich ihm näherte.

    »Konntet Ihr etwas ruhen diese Nacht?«, fragte Xerdian.

    »Ein wenig«, antwortete Amducias und starrte auf die sanften Bewegungen des Wassers. »Es ist nicht das Zelt oder die Fremde. Es ist die Erwartung, die mein Herz rascher schlagen und mich keine Ruhe finden lässt. Ich will mehr über dieses Land und seine Magie erfahren.« Xerdian nickte. »Ich denke das gleiche. Wir brechen bald auf.«

    Nachdem Caedmon seine beiden Fische verspeist und Xerdian die Reste seines trockenen Brotes hinunter gezwungen hatte, brachen die Reisenden ihr Lager ab und setzten ihren Weg fort. Der Fluss sollte weiterhin ihr Wegweiser sein. Sie folgten seinen Biegungen und Windungen, verließen ihn, sobald er sich hinter dichten Wäldern versteckte und sie bestaunten ihn, wenn er zwischen Felsen hinab rauschte. Immer wieder rasteten die Wanderer an kleinen Buchten und wunderten sich über die sonderbaren Blüten der Pflanzen, die dort wuchsen. Mal war es ihre Farbe, die danach strebte, alle anderen zu übertreffen. Oder es war ihre Form, die manchmal gar der eines Schmetterlings glich. Doch auch das Land wandelte sich. Weite Felder tiefgrüner Gräser wichen einer bergigen Landschaft, die hier und dort ihren blanken Stein in die Höhe reckte. Und bald schien erneut das goldene Licht der Abendsonne auf Aquilon herab. Mit der letzten Kraft ihrer Beine erklommen die Wanderer einen Hügel. An seinen Hängen wuchsen junge Bäume, die rötliche, runde Früchte trugen.

    »Selbst die Erdbeeren wachsen in diesem Land nicht mehr auf dem Boden«, stellte Xerdian verwundert fest. Der Magier trat näher an einen der Büsche und pflückte eine Frucht. Ihre Haut war rau, fast schon warzig. Mit einer raschen Bewegung schob er sich die Beere in den Mund.

    »Und?«, fragte Caedmon gespannt.

    »Etwas sauer, aber nicht schlecht«, kam es vom Magier schmatzend zurück. Da eilte der Wachmann selbst zu einem der Bäume und griff nach einer Frucht. Doch bevor er sie pflückte, hielt er inne. Denn sein Blick fiel hinab in ein weites Tal, aus dem sich eine Rauchsäule in den Himmel empor schlängelte. Sie entstieg einem hölzernen Haus, thronend auf einem Berg, der vom Fluss umarmt wurde. Zu seinem Fuße lag eine Ansammlung windschiefer Hütten.

    »Ich glaube, wir haben das Dorf gefunden«, rief Caedmon den Magiern zu.

    Schmerz und Müdigkeit waren vergessen. Die Wanderer eilten die Anhöhe hinab, rascher, als ihre Füße sie zu tragen vermochten. Caedmon stürzte mehrmals und riss sich an garstigen Dornen die Haut auf. Aber dies nahm der Wachmann nur am Rande wahr. Am Fuß des Hügels angekommen, fanden sie sich geradewegs in einem Wald von Erdbeerbäumen wieder. Drei, viermal so hoch wie ein Mensch wuchsen die Bäume mit der rotbraunen Rinde und neben Früchten trugen sie weiße Blüten, die wie Glocken anzusehen waren. Sie verbreiteten einen süßlichen Duft, Insekten flogen summend zwischen ihnen umher. Im Schatten der Äste wanderten schmale Pfade durch den eigenartigen Wald. Amducias trat zuerst ein und auch wenn die Wege sich kreuzten, sich um schief gewachsene Stämme schlangen, nach einer Weile erreichten sie den Rand des Dorfes.

    Verwundert sahen sich die Wanderer um, denn nirgends erblickten sie die Bewohner der strohbedeckten Behausungen, noch schützte ein Wall das kleine Dorf. Allein das Schlagen eines Hammers auf Eisen erklang im Wind. Die Magier verdeckten ihre Stäbe und Caedmon sein Schwert und langsam näherten sie sich einem Platz, auf dem eine Kochstelle eingerichtet war. Dann verstummten die Hammerschläge. Aufgeregte Stimmen riefen durcheinander, eine Horde Kinder rannte hinter einer Scheune hervor. Sie liefen zum Fluss, über eine Brücke und die Stufen zu dem Langhaus auf dem Berg hinauf. Verdutzt sahen die drei Wanderer ihnen hinterher. In diesem Moment trat ein bärtiger Mann auf den Platz, er hielt einen Schmiedehammer in der Hand. Der Mann musterte die Fremden, Neugierde und Argwohn zugleich lagen in seinen alten Augen. Er sagte etwas, es klang wie eine Frage, doch seine Worte waren unverständlich und seltsam anzuhören.

    »Was spricht er denn da? Man versteht ja kein Wort«, flüsterte Caedmon Xerdian zu, doch auch der Magier kannte die Sprache nicht. Der Mann wiederholte seine Worte, dann gab er mit einem Schulterzucken auf und sah zum Haus auf dem Berg hinauf. Denn dort kam die vermutlich gesamte Dorfgemeinschaft die Stufen herabgeeilt. An ihrer Spitze lief ein Mann, gekleidet in eine Robe aus Farnblättern, Efeu und anderem Gewächs. In der Hand führte er einen hölzernen Stab, auf dem Moos gedieh und sein Bart sprach von den vielen Jahrzehnten, die dieser Mann schon gesehen haben musste. Doch als er die Wanderer erreichte, sahen sie in junge Augen.

    »Beannachtaí«, sprach der Mann mit warmer Stimme und sah in verwirrte Gesichter. »Ich grüße Euch«, sagte er dann mit einem Lächeln. »Verzeiht, ihr kommt wohl nicht von hier.« Es war Caedmon, der zuerst seine Scheu verlor. »Euch auch Grüße, Herr«, sprach er und reichte dem Mann die Hand. »Ich bin Caedmon, Wachmann des Königs und dies sind Amducias und Xerdian, Magier und meine beiden Begleiter.« Amducias’ Blick verdunkelte sich, mit seinem Stab schob er Caedmon beiseite.

    »Nun kennt Ihr unsere Namen, dürfen wir auch Euren erfahren, Herr?«, sprach Amducias zu dem Mann.

    »Eochaid Ollathair ist mein Name«, antwortete er. »Doch verwenden ihn nur Fremde. Hier nennt man mich den Ältesten und dies sollt auch ihr tun.« Caedmon drängelte sich an Amducias vorbei. »Sehr schön, nachdem wir uns nun alle kennen, wir hatten eine wahrlich beschwerliche Reise. Eine Mahlzeit und ein warmes Feuer würde uns zu größtem Dank verpflichten«, sprach der Wachmann. Eochaid lächelte.

    »Gewiss. Oben in unserer großen Halle sollt ihr meine Gäste sein.« Mit einer einladenden Geste wies der Älteste die Reisenden an, voranzugehen. Sie verließen den Platz mit der Kochstelle, passierten eine hölzerne Brücke und stiegen die Stufen zum Berg hinauf.

    Die Tore des Langhauses standen weit offen, der Duft gebratenen Fleisches kroch in die Nasen der Wanderer. Xerdian hatte zunächst nur Augen für die prachtvollen Erdbeerbäume, die Sonne und die Regenwolken, die meisterlich in das Holz des Eingangstores geschnitzt waren. Eochaid und die Reisenden traten ein in die Halle, die so groß war, dass sie vier Dutzend Menschen beherbergen konnte. Feuer brannten in eisernen Schalen zu ihren Seiten, spendeten Licht in dem sonst so düsteren Haus. Auch hier fanden sich Schnitzereien und Figuren an den Wänden, die einzig der Natur Aquilons huldigten. Farnblätter und Moose hingen von den Balken, welche das Dach des Langhauses auf ihren Schultern trugen. Der Älteste geleitete sie zu einer langen Tafel, auf der bereits silberne Teller, gefüllt mit Brot und Fisch und tönerne Krüge warteten.

    »Setzt Euch, genießt die Früchte, die uns dies Land schenkte«, sprach Eochaid. Caedmons Augen strahlten, als er die gedeckte Tafel erblickte. Der Wachmann stürzte an den Tisch, schob sich das Brot in den Mund wie einer, der seit Tagen nichts gegessen hatte. Dann nahmen Amducias und Xerdian Platz und als sie saßen, ließ sich Eochaid nieder. Der Älteste ließ seine Gäste essen, doch keine Geste, kein Blick entging seiner Neugier. »

    Sagt, wie heißt das Land, wo eure Reise begann?«, fragte Eochaid dann. Caedmon setzte schon zur Antwort an, da griff Amducias unsanft an seinen Arm.

    »Wir kommen aus einem Land hinter dem Grauen Meer, unser König regiert es und mehr sollt Ihr in diesem Moment nicht wissen«, sprach der Magier. Eochaid hob eine Braue.

    »Verzeiht mir, wenn ich Euch mit meiner Frage verärgerte. Doch Besuch aus fremden Ländern ist selten in unserem kleinen Dorf und als Ältester ist es meine Pflicht, die Absichten meiner Gäste zu erfahren.« Die beiden Magier warfen sich einen kurzen Blick zu. Dann sprach Xerdian: »Wir reisen im Auftrag unseres Königs zu Euch. Krieg steht seinem Land, unserem Land bevor und wir hoffen, in Aquilon zu finden, was uns zum Sieg in diesem Streit verhelfen wird.«

    »Was würde ein König hier finden wollen?«, fragte der Älteste und sein Haupt neigte sich zu Boden.

    »Magie«, sagte Amducias. »Aquilon besitzt große Kraft. Wir werden jene, die sie spüren, lehren sie zu lenken.« Stille legte sich auf die Halle, nur das unstete Knacken des Feuers war zu hören. Die Freundlichkeit in Eochaids Antlitz verschwand.

    »Dann wollt ihr mein Volk für euren König in den Krieg ziehen lassen?«, rief er. Amducias erhob sich von der Tafel. Er schritt durch das Haus, vorbei an jenen Gestalten, die sich im Schatten verbargen.

    »So ist es«, sprach Amducias nur. Da traten die Figuren aus dem Dunkel, Frauen und Männer, die ebenfalls in Blätter gekleidet waren. Eine junge Frau mit kantigem Gesicht und schwarzem Haar stellte sich dem Magier in den Weg.

    »Und ihr glaubt, wir werden euch gewähren lassen?«, zischte sie.

    »Lasst gut sein, Morrígan«, rief Eochaid ihr zu. Die Älteste trat an Amducias vorbei und ihre Blicke trafen sich im wilden Zorn.

    »Mein König wird seine Magier bekommen und wenn seine Männer erst nach Aquilon ziehen müssen«, verkündete Amducias und die Ältesten schwiegen, doch tief in ihnen, da weinten ihre Geister.

    »Dann soll es so sein«, sprach Eochaid mit brüchiger Stimme. »Ihr werdet bekommen, was ihr braucht. Doch eines. Begegnet diesem Land mit der Demut, die es verdient. Auf das seine Geister euch empfangen mögen. Ihr nennt es Aquilon. Wir nennen es Gaoth Aniar Aduaidh, das Land des Nordostwindes.«

    Der Tod der Stunden

    »Für die meisten Menschen ist es nur ein Hauch auf der Haut, ein flüchtiges Kribbeln in ihrem Innern. Sie schreiten durch sie hindurch wie durch Nebel an einem kühlen Herbstmorgen«, sprach Xerdian zu den Versammelten. »Doch wir«, er hob beide Hände in die Höhe und ballte die Fäuste. »Wir begreifen die Magie, spüren ihre Kraft in uns und wenn wir lernen, sie zu verstehen, dann wird sie unserem Willen folgen.«

    Ein Dutzend Augenpaare ruhten gebannt auf Xerdian. Der Magier sprach vor Jungen und Mädchen, Frauen und Männern. Die einen vollendeten gerade das erste Jahrzehnt ihres Lebens, während die anderen die Hälfte ihrer Zeit schon verlebt hatten. Aber trotz der vielen Jahre, die die Versammelten trennten, ihnen allen war es gegeben, Magie zu wirken.

    »Unsere Magie ist rätselhaft«, sprach Xerdian weiter. »In ihrer Gegensätzlichkeit gleicht sie der Natur, sie schützt und heilt, und sie zerstört. Wir haben sie dreigeteilt, Zerstörungsmagie, Heilmagie und Schutzmagie nennen wir die einzelnen Lehren und um Magier genannt zu werden, müssen sie alle beherrscht werden«. Ein Mann hob die Hand.

    »Ja, sprich«, bat Xerdian ihn.

    »Meister Amducias sprach von vier Lehren. Er sagte, es gab eine letzte, vergessene Lehre. Nekromantie.«

    Xerdians Atem stockte, als er das Wort vernahm. Mit steinernem Blick sah er seine Novizen an.

    »Es stimmt, es gab eine vierte Lehre. Vor langer Zeit. Der letzte Nekromant, der Magie zu solch scheußlichem Werk missbrauchte, wurde vor hundert Jahren hingerichtet. Seitdem ist sie vergessen und es ist gut so«, sagte der Magier. »Nun habt ihr davon gehört, doch hängt nicht dem Vergangenen nach, wenn es im Heute so viel Wichtigeres gibt.«

    Der Unterricht endete zum bald beginnenden Sonnenuntergang. Die Novizen verließen die Lehrstätte, die man auf Geheiß Eochaids errichtet hatte. Sie eilten zu ihren Familien, und Xerdian wartete wie jeden Abend auf Caedmon. Ein halbes Jahr war vergangen, seitdem sie über den Gipfel des Gebirges stiegen und Aquilon betreten hatten. Der Herbst hielt nun Einzug im Land, und er färbte die Blätter der Erdbeerbäume, die Bäume Sú Talúns, rot.

    »Eilt Euch«, rief Xerdian dem Wachmann freudig entgegen, als der endlich um die Ecke geschlendert kam.

    »Warum die Hast, Amducias ist doch auch noch nicht hier«, kam es von Caedmon zurück. Die beiden Männer begrüßten sich mit einem Handschlag.

    »Er begleitet uns nicht. Er zog sich zurück, sitzt in seiner Hütte oder streift allein durch die Felder.« Der Wachmann zuckte mit den Schultern.

    »Selbst Ihr könnt nicht abstreiten, dass er ein wahrlich seltsamer Kauz ist.« Xerdian lächelte.

    »Kommt nun«, sprach er und die beiden verließen das Dorf, um in den Erdbeerbaumfeldern von ihrem Tag und ihrem Gemüt zu erzählen. Denn in den Abendstunden, wenn die letzten warmen Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach drangen, da kamen die Geister zur Ruhe und fanden neue Kraft.

    Caedmon verließ sein Bett noch vor dem Morgengrauen. Der Wachmann haderte über viele Wochen mit sich und der Entscheidung, in die Heimat zurückzukehren. Aber mit jedem Tag, den er in Aquilon lebte, grübelte er weniger darüber nach und bald gar nicht mehr.

    Er schnappte sich sein Werkzeug, eine Kelle und einen Hammer und marschierte mit einem Lächeln in den kühlen Morgen. Sein Wissen als Wachmann und Schwertkämpfer war im Dorf nicht vonnöten, doch für kräftige Hände gab es dafür umso mehr zu tun. Caedmon blieb vor dem hölzernen Gerüst stehen, welches an einer Wand der Lehrstätte aufgebaut war. Zu seinen Füßen lagen Schiefersteine, darauf wartend in der Mauer verewigt zu werden.

    »Guten Morgen Caedmon«, rief ein dürrer Mann vom Gerüst herab und grinste mit einem Lächeln voller Zahnlücken.

    »Guten Morgen Fionn«, grüßte Caedmon zurück und kletterte das Gerüst hinauf. Den ersten Stock des Anbaus der

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