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DER TOD SPIELT DIE ERSTE GEIGE: Der Krimi-Klassiker!
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eBook229 Seiten2 Stunden

DER TOD SPIELT DIE ERSTE GEIGE: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

»Jemand verfolgt mich!«, schreit Anatol Grec. »Helfen Sie mir!« Seine zauberhafte, sehr leicht bekleidete Freundin fleht... da will Privatdetektiv Mark Stone einfach nicht unhöflich sein. Ein kleiner Besuch, denkt er. Mehr ist wohl nicht nötig.

Doch die beiden Männer, die er antrifft, halten jeweils ein Bleirohr in den Händen - und etwas Schwarzes, Glänzendes, das vorn ein rundes Loch hat. »Auf dich haben wir bloß gewartet!«

Dabei wollte Mark Stone doch eigentlich in La Baule an der französischen Atlantikküste Urlaub machen...

 

Der Roman Der Tod spielt die erste Geige des deutschen Kriminalschriftstellers Max Ulrich (* 6. März 1923 in München; † 21. November 1994 ebenda) erschien erstmals im Jahr 1966 und ist einer von mehreren Romanen um den New Yorker Privatdetektiv Mark Stone.

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum17. Okt. 2022
ISBN9783755423386
DER TOD SPIELT DIE ERSTE GEIGE: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DER TOD SPIELT DIE ERSTE GEIGE - Max Ulrich

    Das Buch

    »Jemand verfolgt mich!«, schreit Anatol Grec. »Helfen Sie mir!« Seine zauberhafte, sehr leicht bekleidete Freundin fleht... da will Privatdetektiv Mark Stone einfach nicht unhöflich sein. Ein kleiner Besuch, denkt er. Mehr ist wohl nicht nötig.

    Doch die beiden Männer, die er antrifft, halten jeweils ein Bleirohr in den Händen - und etwas Schwarzes, Glänzendes, das vorn ein rundes Loch hat. »Auf dich haben wir bloß gewartet!«

    Dabei wollte Mark Stone doch eigentlich in La Baule an der französischen Atlantikküste Urlaub machen...

    Der Roman Der Tod spielt die erste Geige des deutschen Kriminalschriftstellers Max Ulrich (* 6. März 1923 in München; † 21. November 1994 ebenda) erschien erstmals im Jahr 1966 und ist einer von mehreren Romanen um den New Yorker Privatdetektiv Mark Stone.

    Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

    DER TOD SPIELT DIE ERSTE GEIGE

    Erstes Kapitel

    Die alte Frau war fett und hässlich. Trotzdem wäre Mark Stone höflicher zu ihr gewesen, wenn er gewusst hätte, dass sie nur noch dreißig Minuten zu leben hatte. Sie saß neben ihm im Konzertsaal und drückte mit Erfolg seinen Ellbogen von einer der Armlehnen, mit denen die ersten drei Stuhlreihen ausgestattet waren. Damit noch nicht genug, zischte sie zwischen dem zweiten und dritten Satz einer Brahms-Sonate: »Können Sie sich nicht einen anderen Platz suchen? Sie riechen derart penetrant nach Tabak!«

    Stone wandte sich zur Seite, betrachtete seine Nachbarin von oben bis unten und knurrte zurück: »Nehmen Sie sich das nächstemal drei Eintrittskarten, dann haben Sie Luft! Außerdem entspricht es Ihrem Umfang.«

    Die dicke Frau schnaubte durch die Nase und blickte starr geradeaus. Dabei angelte sie mit beiden Händen rechts und links neben sich am Boden herum und murmelte: »Wo nur wieder meine Tasche ist?«

    Zwei Herren drehten sich nach ihr um. Die alte Dame ließ sich davon wenig beeindrucken. Sie holte unter ihrem Stuhl einen mit Perlen bestickten Beutel hervor und nahm eine Flasche Eau de Cologne zur Hand. Sie befeuchtete ein großes Taschentuch und fing an, sich damit völlig ungeniert Stirn und Hals abzureiben. Mehrere Konzertbesucher blickten zu ihr hin und schüttelten die Köpfe.

    Die Frau war ungefähr sechzig Jahre alt. Sie quoll rundherum über massive Korsettstangen hinweg und hatte einen blassgelben Teint. Ihr Kleid aus Duchesseseide gab eine Menge ungezügeltes Fleisch frei, das trotz wertvoller Schmuckstücke abstoßend wirkte. Das rötliche Haar war gelichtet, klein gekräuselt und stand wie elektrisch geladen vom Kopf ab. Alles in allem machte die Frau den Eindruck einer zwar üppig dekorierten, aber bereits verdorbenen Süßspeise. Um sie herum schwebte die dumpfe Luft eines Blütendschungels, auf den der Tropenregen niedergegangen ist.

    An ihrer linken Seite saß ein Mädchen, das bei Stones Worten errötete. Offensichtlich befand es sich in Begleitung der Alten, weil beide gleichzeitig gekommen waren und gemeinsam ein Programmheft benutzten. Stone konnte nicht sagen, ob das Erröten der jungen Dame von unterdrücktem Lachen oder starker Verlegenheit herrührte. Ihr wohlerzogener Gesichtsausdruck ließ allerdings eher das letztere vermuten. Sie war Anfang der Zwanzig und hatte ein klares Profil. Das blonde Haar legte sich in einer großen Welle leicht und duftig um den Kopf. Der zarte Körper weckte selbst in einem solch hartnäckigen Junggesellen wie Stone Gedankenverbindungen wie erste Liebe, Brautschleier, Myrtenkranz und goldener Fingerring.

    Bei dem Konzert handelte es sich um einen Violinen-Abend des berühmten Geigers Anatol Grec. Ein Kenner hätte das Programm als anspruchsvoll, aber vielleicht etwas zu vielseitig empfunden. Grec hatte mit der Solosonate in C-Dur von Johann Sebastian Bach den Abend eröffnet. Die monumentale Fuge nach dem einleitenden Adagio bildete ein solides Fundament für das übrige Programm. Grec war es gelungen, dieses lange Zeit für unspielbar gehaltene Werk in solcher Meisterschaft vorzutragen, dass auch der Durchschnittshörer zu einem Verständnis der Zusammenhänge gelangt war. Dann waren zwei Sonaten von Tartini und Beethoven gefolgt, die auch Grecs Begleiterin am Flügel, Gina Corvese, Gelegenheit gegeben hatten, ihr großes Können zu zeigen. Nach der Beethoven-Sonate waren die Künstler vom Publikum für die Dauer der großen Pause mit ehrlichem und begeistertem Applaus verabschiedet worden.

    Die Atmosphäre im Foyer und in den Wandelgängen wurde von angeregtem Meinungsaustausch und gesellschaftlichen Eitelkeiten bestimmt. Das Konzert konnte als kultureller Höhepunkt der Sommersaison im französischen Atlantikkurort La Baule gelten. Die Feriengäste und die eingesessene Gesellschaft hatten sich im Glanz von Schmuck, Kristallleuchtern und erlesener Abendkleidung zusammengefunden, um Musik in seltener Vollendung zu hören, aber auch, um an einem gesellschaftlichen Ereignis ersten Ranges teilzunehmen.

    Den Auftakt zum zweiten Teil des Konzertes bildete die oben erwähnte Brahms-Sonate, während der sich die gereizten Äußerungen zwischen Stone und seiner Nachbarin ergeben hatten. Danach verließen die Virtuosen für zwei Minuten den Saal. Ein Diener betrat das Podium und entzündete zwei vier- armige Kerzenleuchter neben dem Flügel. Mark Stone warf einen Blick ins Programm. Mehrere Stücke von Paganini, Sarasate und Wieniawski wurden darin angekündigt. Vermutlich wollte Anatol Grec den Teufelsgeiger Paganini nachahmen, der mit Vorliebe bei sparsamer Beleuchtung aufgetreten war. Da gingen auch schon die großen Leuchter im Saal aus. Der Diener verschwand. Ein vereinzeltes Klatschen, das schnell zu brausender Stärke anschwoll, kündigte die Rückkehr der Künstler an. Sie dankten. Gina Corvese nahm ihren Platz am Flügel ein. Anatol Grec überprüfte die Stimmung der Saiten und zog das A etwas an. Die Kerzenbeleuchtung, der schmal gearbeitete Frack, die zierlichen Formen der Violine, alles passte gut zu seinem Aussehen. Er wirkte wie ein Mann des neunzehnten Jahrhunderts. Groß, dürr und blass, dabei etwas nach vorn gebeugt, hätte er durchaus an seinen unübertroffenen Vorgänger Paganini erinnern können. Aber die Ausgeglichenheit seiner Gesichtszüge und die Eleganz seiner Bewegungen verhinderten einen weitergehenden Vergleich. Ganz abgesehen davon, dass Paganini in seiner großen Zeit nur mit eigenen Kompositionen vor die Öffentlichkeit getreten war. Das musikalische Temperament allerdings, mit dem Grec das brillante Feuerwerk der Salonmusik des vorigen Jahrhunderts absolvierte, wies ihn als legitimen Nachfahren des großen Virtuosen aus.

    Die Staccati kamen wie gestochen, die Doppel-Flageolette erklangen glockenrein, die Pizzicati rechts und links kamen so gleichmäßig, als wären sie Maschinenarbeit. Die Kantilenen griffen ans Herz. Läufe, Arpeggien und Akkorde waren von makelloser Vollendung. Die Bogentechnik war so ausgefeilt, dass auch das gehauchteste Pianissimo noch in der letzten Saalecke zu vernehmen war. Die wirkliche Könnerschaft Anatol Grecs aber zeigte sich darin, dass er die schwindelerregenden Kunststücke mit einer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit vortrug, als wären es bescheidene Fertigkeiten, wie man sie nebenbei in Abendkursen erlernen kann.

    War das Publikum während des klassischen Programmteils versunken gewesen, so war es jetzt erregt. Die meisten Zuhörer saßen nach vorn geneigt und machten Gesichter, als hielten sie den Atem an. Mark Stone war allerdings nicht der Mann, der sich von klassischer oder virtuoser Musik übermäßig beeindrucken ließ. Wenn er trotzdem hier im Konzertsaal saß, so hatte er einen besonderen Grund dafür, der mit Anatol Grec gar nichts, mit dessen Begleiterin Gina Corvese dagegen alles zu tun hatte.

    Gina war eine Frau von achtundzwanzig Jahren, deren musikalisches Können nur noch von ihrer Schönheit übertroffen wurde. Schwarzhaarig und von südländischem Typ, gehörte sie zu den Frauen, deren Blick einen Mann versengen kann, wenn er in verführerischer Absicht angesehen wird. Ihr Aussehen, ihre Haltung und ihre Bewegungen ließen auf ein feuriges Temperament schließen; vor dem sich andere Männer als Stone vielleicht gehütet hätten. Aber am Klavier zeigte sie, dass sie dieses Temperament stets unter Kontrolle hatte. Ihr Körper war von der Art, dass Stone während der ganzen Zeit die Musik, die Instrumente und vor allem den Geiger als völlig überflüssig empfand.

    Stone hatte das italienische Frauenwunder am Vorabend auf einer Party kennengelernt. Da die anderen Gäste nur den üblichen Querschnitt darstellten, hatte Stone mehrmals nur mit Mühe ein Gähnen unterdrücken können. Da war Gina als letzter Gast in der Tür erschienen, und Stones Augen hatten so viel Bewunderung für sie gezeigt, dass sie ihn unwillkürlich an lachte. Bei der Begrüßung der Gastgeber hatte sie mit einem Seitenblick auf Stone ziemlich laut gesagt: »Ich glaube, es wird ein ganz reizender Abend.« Diese Prophezeiung war auch für beide prompt eingetroffen, nachdem Stone sich hatte vorstellen lassen. Im Laufe des Abends hatte er von Gina erfahren, dass sie sich schon seit drei Jahren mit Anatol Grec auf Konzerttournee befand. Stone seinerseits hatte ihr von sich erzählt, dass er Amerikaner sei, sich aber bereits seit Jahren in Frankreich aufhalte. Er sei Privatdetektiv und betreibe in Paris eine Agentur. Er habe gerade in Nantes einen Fall abgeschlossen und sei auf einen Sprung nach La Baule herübergekommen, um den Atlantik wiederzusehen. Aber nun habe er ganz überraschend etwas viel Größeres gesehen: ihre Schönheit. In gehobener Stimmung hatte er später seine neue Bekanntschaft nach Hause gebracht und mit Vergnügen festgestellt, dass sie, wie er selbst auch, im Hotel Clisson in La Baule wohnte. Gina hatte ihm am nächsten Vormittag durch den Portier eine Freikarte für das abendliche Konzert zukommen lassen.

    Das letzte Stück des Programms begann. Es war das Souvenir de Moscou von Wieniawski. Mit Eleganz meisterte Grec die Läufe der Einleitung. Stone lehnte sich befriedigt gegen die Rückenlehne seines Stuhls. Nun würde es nicht mehr lange dauern, und er würde Gina gegenüberstehen. Er hatte sich vorgenommen, sie nach dem Konzert im Künstlerzimmer aufzusuchen. Er kreuzte seine Arme vor der Brust und atmete einmal tief aus und ein. Ein lautes Schnaufen seiner fetten Nachbarin erinnerte ihn daran, dass er nicht allein war. Er nahm die Arme wieder herab und sah zur Seite. Die Frau hatte gar nicht seinetwegen geschnauft. Sie hielt die Augen geschlossen und streckte ihre wulstigen Lippen wie ein Karpfen vor, als ginge es darum, etwas aufzuschnappen. Die Musik auf dem Podium war gerade in das altrussische Lied vom Roten Sarafan hinübergeglitten. Anatol Grec gab sein Letztes an wohlberechneter Einfachheit und Zurückhaltung. Die Geige sang, schluchzte melancholisch und gab die rührendsten Töne von sich, ohne je ins Schmalzige abzugleiten.

    Als das Stück zu Ende war, trat ein Moment der Stille ein. Dann brauste ein Beifallssturm durch den Saal. Die Kristallleuchter flammten auf. Anatol Grec nahm langsam das Instrument vom Kinn, trat zwei Schritte näher an die Rampe heran und verbeugte sich mit einer Gemessenheit, die in auffälligem Gegensatz zu dem tosenden Geklatsche der Leute stand und dieses noch anstachelte. Als nächstes erschien ein winziges Lächeln in Grecs Mundwinkeln. Die Ovationen wurden noch stürmischer. Anatol Grec hob wie hilflos den linken Arm und drehte sich zu Gina Corvese um. Er ging auf sie zu, reichte ihr die Hand und zog sie von ihrem Stuhl hoch. Er führte sie zur Rampe und ließ sie ihren Anteil an dem Geprassel kassieren. Ein Strauß roter Rosen wurde für sie auf das Podium getragen. Jetzt sprangen die Leute auf. Die Inhaber der hinteren Plätze drängten in den Gängen zwischen den Stühlen nach vorn und scharten sich um das Podium. Die ersten Bravorufe erschallten. Anatol Grec lachte jungenhaft und schüttelte wie staunend den Kopf. Die Leute rasten.

    In Stones Reihe saßen nur noch zwei Personen auf ihren Stühlen: er selbst und seine dicke Nachbarin. Die junge Begleiterin der Alten war von ihrem Platz verschwunden und stand drei Reihen weiter vorn in der Nähe der Rampe. Stone sah ihre schmalen Hände derartig energische Klatschbewegungen ausführen, wie er sie dem zarten Persönchen niemals zugetraut hätte. Der Geigenzauberer hob den Arm. Ein großes Schweigen senkte sich augenblicklich über die Menge. Jetzt gab es etwas gratis. Gina Corvese ging an den Flügel zurück und setzte sich. Auch die Leute in den Stuhlreihen nahmen wieder Platz. Dann wurde es so ruhig im Saal, dass man einen auf der Straße vorbeifahrenden Rolls-Royce hätte hören können. Sogar das Schnaufen neben Stone hatte aufgehört. Dafür war der Unterkiefer der Alten auf die Brust gesunken. Ihr Mund stand offen, und die Arme hingen über die Stuhllehnen nach unten. Der Körper war etwas nach vorn gerutscht. Stone beugte sich zu der Frau hinüber. Ihre Augen waren jetzt weit geöffnet und starrten in verschiedene Richtungen. Diesen vielsagenden Blick hatte Stone zum ersten Male bei einem toten Kriegskameraden gesehen.

    Anatol Grec hob die Geige ans Kinn und hielt den Bogen über die Saiten. In die erwartungsvolle Stille hinein sagte Stone: »Jetzt legen Sie mal Ihre Fiedel weg. Hier ist eine Frau gestorben.«

    Die Stille hielt weiter an. Aber irgendetwas darin hatte sich verändert. Es war, als duckten sich die Menschen vor einem drohenden Ungewitter. Die ersten drehten sich verstohlen um und blickten zuerst auf Stone, dann auf die fette Frau neben ihm. Ein Raunen und Summen erhob sich rundum. Anatol Grec, der Mann der öffentlichen Auftritte, starrte einen Augenblick ins Publikum, nahm seine Geige unter den Arm und gab seiner Begleiterin ein kurzes Zeichen mit dem Kopf. Daraufhin verließen beide das Podium. Das Summen im Publikum schwoll an. Die Neugierigen standen auf, um möglichst alles ganz genau zu sehen. Einzelne eilten aber auch bereits den Ausgängen zu, um als erste die Garderoben zu erreichen. Mit musikalischen Zugaben war nicht mehr zu rechnen.

    Stone stand auf und rief in die Menge hinein: »Ist ein Arzt hier?«

    Rechts von ihm drängelte sich ein dicklicher Mann mit Brille und ausgebuchteter Tasche durch die Stuhlreihe. Jedes Mal, wenn er an ein Paar Knie stieß, sagte er: »Pardon... Pardon... Lassen Sie mich bitte durch.«

    Stone winkte ihn heran und machte ihm Platz. Auf der anderen Seite kam jetzt auch das blonde Mädchen zurück, das vorn am Podium gestanden hatte. Es traf gleichzeitig mit dem Arzt bei der Toten ein. Stone hätte sich gern eine Zigarette angezündet, begnügte sich aber damit, das Feuerzeug in der Hand herumzudrehen. Der Theaterarzt war ein erfahrener Praktiker. Seine Handgriffe waren sicher und schnell. Er ließ sich weder durch die ungewohnte Situation noch durch die Leute rundherum beirren. Seine Untersuchung dauerte nicht lange.

    »Gehört sie zu Ihnen?« wandte er sich an die junge Dame, die bisher keinen Laut von sich gegeben hatte.

    »Ja. Sie ist meine Tante«, sagte sie jetzt mit leiser Stimme.

    »Sie ist leider tot, vermutlich Herzschlag«, sagte der Arzt. »Bitte... Bitte! Gehen Sie doch nach Hause!«, rief er den Umstehenden zu.

    Niemand rührte sich.

    »Warten Sie einen Augenblick hier. Ich werde alles Weitere veranlassen.«

    Der Arzt bemühte sich wieder durch die Stuhlreihe. Stone wusste nicht warum, aber er blieb stehen. Vielleicht wollte er das Mädchen nicht mit der Toten alleinlassen. Es machte einen solch hilflosen und verlorenen Eindruck.

    »Ich heiße Stone - Mark Stone. Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, sagen Sie es mir bitte.«

    »Aber der Arzt wollte doch...«

    »Er wird einen Wagen kommen lassen.«

    »Danke, bemühen Sie sich nicht, Monsieur.«

    »Aber...«

    »Nein, nein. Sie waren so hässlich zu ihr.«

    »Das tut mir jetzt leid«, sagte Stone, »aber sie hat mich herausgefordert.«

    »Ich möchte lieber allein sein.«

    Das Mädchen drehte ihm den Rücken zu. Da war nichts zu machen.

      Zweites Kapitel

    Bevor Mark Stone das Künstlerzimmer betreten konnte, musste er einen Kampf mit dem Drachen in Gestalt des Konzertagenten Prosper Bronc bestehen, der den Eingang versperrte. Bronc war ein Mittvierziger von schwammigem Aussehen. Tränensäcke, Wangen, Hals, Hände, alles war gedunsen. Die schwarzen Haare waren mit Pomade geglättet und nach hinten gekämmt. Er benutzte außerdem Parfüm. Ein

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