Felix
Von Eva Berberich
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St. Blasien aber hat Felix.
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Buchvorschau
Felix - Eva Berberich
Rom hat seine Wölfin. Berlin seinen Bär. New York seine Freiheitsstatue. Freiburg sein Bächle. Brüssel sein ‚Männeken piss’. Bremen hat die Bremer Stadtmusikanten. Kopenhagen seine kleine Meerjungfrau. München sein Kindl. Biberach sein liebs Herrgöttle.
St. Blasien aber hat Felix.
St. Blasien liegt - malerisch, wie man sagt - zwischen Schwarzwaldbergen im Tal der Alb. Der kleine Fluss voll schöner großer Wackersteine schlängelt sich gemütlich hindurch. Das Städtchen hat einiges zu bieten. Wer sich nicht vor kaltem Wasser fürchtet, kann kneippen. Es gibt, der guten Luft wegen, ein Lungensanatorium, früher gab’s auch ein Kurhaus, in dem einst Berühmtheiten von Adenauer bis Mendelssohn-Bartholdy und Stefan Zweig sich erholten. Damals hatte St. Blasien, wie Wikipedia kühn behauptet, sogar ‚weltstädtisches Flair’, doch das ist inzwischen etwas abgewetzt. Aber nette Läden, Restaurants, Cafés, ein großes Modehaus mit Arkaden und kunstvollen Holzschnitzereien wie vom Zuckerbäcker gibt’s immer noch, auch ein barockes ehemaliges Kloster, heute Internat; dort kann man auch ins Konzert gehen. Und auf dem weiten Platz vor dem gewaltigen Dom mit der großmächtigen grünen Kuppel - sie ist nur wenig kleiner als die des Petersdoms, der Papst würde sich hier zuhause fühlen - findet alle paar Jahre ein großes Spektakel statt, das stolz als Highlight bezeichnet wird. Das doch viel schönere, aber leider halt nur deutsche Wort Glanzlicht oder Höhepunkt ist nicht modern genug. So sind sie, die Leut.
Der Dom spielt immer die Hauptrolle, die eine Hälfte der Bevölkerung spielt begeistert mit, die andere, und dazu haufenweis Gäste, gucken nicht weniger begeistert zu und mampfen in der Pause Currywurst.
Das Internet weiß von Söhnen und Töchtern des Städtchens, die, so steht’s geschrieben, ‚eine gewisse Bedeutung’ haben. Ich hab sie gezählt, es sind genau zwölf. Aber nur Söhne. Die Töchter sind untern Tisch gefallen. Mag auch sein, St. Blasien hat keine erwähnenswerten Töchter, oder es hat sie und verschweigt sie, warum auch immer. Das gibt zu denken.
Mit Recht stolz ist St. Blasien auf Fürstabt Martin Gerbert, einen Mann von kolossaler Bildung, der mangels anderer Möglichkeiten, mit einer mittelalterlichen Dame, der ‚Frau Musica’, liiert war, drei bemerkenswerte Bücher über sie geschrieben hat, eifrig ‚verehrungswürdige Knochenreste’ für seine Reliquienschreine sammelte, eine kleine aber feine Brauerei gründete und den Dom, heute das klassizistische, asketische strenge Kühle ausstrahlende Wahrzeichen St. Blasiens, nach einem Brand neu erbauen ließ.
Dom zu St. Blasien
Da es hierzuland an Bäumen nicht mangelt, treffen sich im Sommer auf Straßen und Plätzen Künstlerinnen und Künstler, die haben ein Herz fürs Holz und zeigen, was man aus Block, Stamm oder Klotz herausholen kann, wenn man es vorher hineingedacht hat. Sie arbeiten, dass die Späne fliegen, daneben steht neugieriges Volk und gibt seinen mehr oder weniger klugen Senf dazu.
Durch das Fenster des Cafés am Dom erblicke ich Felix zum ersten Mal. Er thront auf hohem hölzernem Sockel ‚drüb de Bach’, also auf auf der anderen Seite der Alb, über die eine kleine Brücke führt. Stolz, aufrecht, erhobenen Hauptes, den Schwanz ordentlich um sich herumgelegt, hockt er da und fixiert mich.
Ja, mich. Obwohl meine Nachbarin behauptet, er fixiere selbstverständlich sie, und ihm, ich kann’s nicht anders sagen, widerlich schmachtende Blicke zuwirft.
Er sitzt, guckt - und siegt.
Es zieht mich zu ihm hin. Ein coup de foudre, wie der Franzose sagt. Gott