Robotic Process Automation: Ein Leitfaden für Führungskräfte zur erfolgreichen Einführung und Betrieb von Software-Robots im Unternehmen
Von Christina Koch und Stephen Fedtke
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Über dieses E-Book
Worauf muss man bei der Implementierung und dem Betrieb achten, welche Stolpersteine gilt es zu umgehen, wie setze ich den ersten Software-Robot um und was ist notwendig für einen flächendeckenden, störungsfreien Einsatz? Wie bringt man die eigene Mitarbeiterbelegschaft und die Gremien hinter sein Vorhaben? Welchen Compliance- und Sicherheitsanforderungen muss RPA genügen? All diese Fragestellung werden in diesem Buch mit Beispielen, Checklisten und Illustrationen praxisnah beantwortet.
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Buchvorschau
Robotic Process Automation - Christina Koch
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020
C. Koch, S. FedtkeRobotic Process Automationhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61178-4_1
1. Roboter gehören in die Fertigungshallen, nicht ins Büro! Oder doch nicht?
Christina Koch¹ und Stephen Fedtke²
(1)
Frankfurt, Deutschland
(2)
Zug, Schweiz
Christina Koch (Korrespondenzautor)
Email: ctinak@web.de
Stephen Fedtke
Email: stfedtke@fedtke.com
Zusammenfassung
Sie erhalten Antworten auf die folgenden Fragen – gespickt mit zahlreichen Tipps und Tricks aus der Praxis:
Was ist RPA und wie grenzt sich die Technologie zu anderen Automatisierungen ab?
Welche Vorteile bringt RPA mit sich?
Für welche Tätigkeiten kann RPA eingesetzt werden?
Was sind die Grenzen und limitierenden Faktoren für RPA? Wo eignet sich RPA nicht?
Was sind die 5 erfolgskritischen Erwartungshaltungen und Wahrheiten zu RPA?
Welche Vorurteile haben die Mitarbeiter gegenüber RPA und wie ist hierauf zu antworten?
Welche Fragen werden von der Belegschaft zum Einsatz von RPA aufkommen?
Vermutlich haben Sie kürzlich einen der vielzähligen Artikel in den Medien zu Robotic Process Automation (RPA) gelesen. Oder Sie hatten diesbezüglich ein Gespräch mit Beratern, die von den Vorzügen der Digitalisierung und Prozessautomatisierung geschwärmt haben. Sie waren auf einer Vortragsreihe zu Artificial Intelligence (AI) oder Sie wurden von Ihrem Chef gebeten, sich näher mit Bots auseinanderzusetzen und zu prüfen, wo RPA in Ihrem Unternehmen Anwendung finden kann. Ganz gleich, wie Sie auf das Thema RPA aufmerksam wurden, nun beginnt die spannende Reise der Umsetzung.
Unabhängig davon in welchem Unternehmen Sie tätig sind, ob Großkonzern, Mittelständler oder Kleingewerbe – Ihre Mitarbeiter sind Ihre wichtigste, wertvollste und knappste Ressource. Vergeuden Sie nicht unnötig das Potential und die Zeit Ihrer Belegschaft, in dem Sie sie einfältige administrative Tätigkeiten durchführen lassen. Software-Robots können hier Entlastung bringen, denn sie sind der ideale Helfer zur Abarbeitung von digitalen, stupide ablaufenden und identitätsarmen Geschäftsprozesse. Setzen Sie daher auf einen kombinierten Mix aus eigenen Mitarbeitern und virtuellen Robots – und lassen Sie in Zukunft die jeweilige Ressource das abarbeiten, was sie am besten kann.
1.1 Begriffsdefinitionen rund um RPA-Technologie
Robotic Process Automation ist eine von mehreren Möglichkeiten Prozessschritte zu automatisieren. Unter dem Übergriff Business Process Automation (BPA) werden neben RPA auch VBA-Lösungen wie Excel-Macros, Chatbots, Mailbots oder Artificial Intelligence geführt, wie in Abb. 1.1 illustriert. All die technischen Anwendungen haben zum Ziel, Effizienzen in digital ablaufenden Arbeitsabläufen herbeizuführen.
../images/482048_1_De_1_Chapter/482048_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Kurzdefinition RPA und BPA
RPA im Speziellen ist eine Technologie, die strukturierte Geschäftsprozesse automatisiert, indem die menschlichen Interaktionen mit Softwaresystemen imitiert werden. Stellen Sie sich einen unsichtbaren virtuellen Assistenten vor, der die gleichen Arbeitsschritte wie ihr Mitarbeiter über die gleiche Benutzeroberfläche durchführt bei gleichbleibenden Softwareapplikationen.
Im Gegensatz zur Fertigung in Fabrikhallen, bei der physische Roboter verwendet werden, kommen bei RPA virtuelle Software-Robots zum Einsatz, die repetitive, digitale Tätigkeiten ausführen. Hierbei ist wichtig darauf hinzuweisen, dass der Robot ausschließlich genau das nachahmt, was ihm durch den Entwickler vorgegeben wird. Die Robots laufen autark im Hintergrund auf virtuellen Maschinen und werden über ein Cockpit, einer zentralen Steuereinheit, durch einen RPA Koordinator durchgängig überwacht. So wird ein zuverlässiger Betrieb und eine stabile Performance der Robots sichergestellt. Zudem kann über das Cockpit eine Priorisierung der Tätigkeiten erfolgen, sprich welcher Prozessschritt wird wann ausgeführt.
Ähnlich einem Excel-Macro ist der Robot per se „dumm", sprich er trifft keine eigenständigen Entscheidungen. Der große Vorteil gegenüber einem einfachen Macro sowie einer Systemautomatisierung ist, dass durch RPA-Software das applikationsübergreifende Automatisieren von regelbasierten Geschäftsprozessen ermöglicht wird. Ohne dass Änderungen im Backend-System erforderlich sind, können so technische Schnittstellen überwunden werden. Dies ist in Abb. 1.2, 1.3 und 1.4 visualisiert.
../images/482048_1_De_1_Chapter/482048_1_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
RPA Grundlagen
../images/482048_1_De_1_Chapter/482048_1_De_1_Fig3_HTML.pngAbb. 1.3
Übersicht BPA-Technologien
../images/482048_1_De_1_Chapter/482048_1_De_1_Fig4_HTML.pngAbb. 1.4
Abgrenzung Robots, Mail- und Chatbots und AI-Anwendungsfälle
Hier ein eingängiges Beispiel, das im Arbeitsalltag häufig anzutreffen ist:
Stellen Sie sich vor, es gilt eine E-Mail von einem Lieferanten mit einem speziellen Betreff zu öffnen, die angehängte Datei auf einem Laufwerk unter einem dedizierten Namen abzuspeichern, anschließend die Datei zu öffnen, eine Information zu suchen, zu kopieren, das ERP-System zu öffnen, sich einzuloggen, den speziellen Reiter aufzurufen, die Information einzukopieren und abschließend zu speichern. Und das Ganze nun für mehrere Datensätze mehrfach hintereinander.
Aufgrund der Tatsache, dass RPA-Technologie für jegliche Software angewendet werden kann, inklusive Web-Applikationen oder ERP-Systeme, sind die Anwendungsgebiete mannigfaltig. Somit ist es nicht verwunderlich, dass nahezu jedes deutsches DAX-Unternehmen RPA bereits anwendet oder sich derzeit mit der Einführung beschäftigt.
Abb. 1.5 zeigt ihnen beispielhafte Schritte, die von einem Robot übernommen werden können und unter Verwendung der RPA-Software kein menschliches Eingreifen erfordern.
../images/482048_1_De_1_Chapter/482048_1_De_1_Fig5_HTML.pngAbb. 1.5
Typische RPA-Prozessschritte
Damit ein Prozessschritt durch RPA automatisiert werden kann, sind folgende Kriterien
a)
zwingend erforderlich:
digital auslesbare Daten
Achtung: .pdf Files sind nicht zwangsläufig maschinenlesbar (mit dem Curser markierbar) – manchmal sind die Daten dort auch als Bild gespeichert!
strukturiert und einheitlich aufbereitete Daten
Achtung: typische Falle ist die unterschiedliche Interpunktion bei Zahlen (4000,00 € versus 4000,00 € oder 15.07.2004 versus 07/15/2004)!
regelbasierte Arbeitsabläufe
Achtung: der Robot arbeitet mit „wenn-dann" Anweisungen. Je mehr Verschachtelungen sich im Arbeitsablauf verbergen, desto langwieriger ist die Entwicklung des Robots und intensiver der Betreuungsaufwand in der Routine!
b)
von Vorteil für Ihren Business-Case:
häufig wiederkehrende Aufgaben
Abläufe mit wenig Ausnahmen
Prozesse, die über mehrere Applikationen Daten austauschen müssen
Aktivitäten, die viel Zeit Ihrer Mitarbeiter in Anspruch nehmen
Wichtig zu erwähnen ist die Tatsache, dass sich in der RPA-Industrie derzeit noch keine einheitliche Nomenklatur herausgebildet hat. Zu unterscheiden sind die folgenden Begrifflichkeiten, die fortan in diesem Buch Anwendung finden:
Robot-Lizenz
Ihre virtuelle Kapazität, die 24/7 die zugewiesene Arbeit sequentiell abarbeitet.
Robot
Ihr spezieller Anwendungsfall (Use-Case), der automatisiert über die Software-Lizenz abgearbeitet wird. Je nach Umfang der Laufzeit kann ein Robot nur einen Bruchteil einer Robot-Lizenz in Anspruch nehmen oder sogar mehrere Robot-Lizenzen benötigen.
RPA-Software
Software mit deren Hilfe die Entwickler Robots konfigurieren können.
Artefakt
Teilabschnitt eines Prozesses, der einmalig entwickelt wird und in einer zentralen Bibliothek allen Entwicklern eines Unternehmens zur Verfügung gestellt wird (z. B. die Funktion „lege einen Ordner an").
Happy-path
Szenario des Standardarbeitsablaufs innerhalb eines Prozessschrittes, der ohne jegliche Komplexitätstreiber oder Ausnahmen durchgeführt werden kann.
Da es keine einheitliche Definition gibt, seien Sie sensibilisiert beim Vergleich mit anderen Unternehmen oder der Kommunikation Ihrer Kennzahlen, dass Sie nicht Äpfel mit Birnen – sprich Robots mit Robots-Lizenzen – vergleichen.
Eine RPA-Lösung zu entwickeln und zu testen benötigt erfahrungsgemäß größtenteils 2–3 Monate. Bedingt durch die Tatsache, dass Robots 24/7 arbeiten, kann damit gerechnet werden, dass ein Robot bei 100 % Auslastung 3 FTE (Full-Time-Equivalent) an Arbeitsleistung übernehmen kann. Da sich der Entwicklungsaufwand und die Entwicklungsdauer in Grenzen halten, amortisiert sich der einmalige Aufwand zur Erstellung eines Robots meist innerhalb eines Jahres. Für den laufenden Betrieb eines Robots fallen etwa 2 € pro Stunde an Kosten an (siehe Abschn. 3.1.6). Im Gegensatz zu klassischen IT-Anpassungen, sind RPA-Lösungen somit deutlich kostengünstiger.
In Veröffentlichungen aus Beraterhäusern oder RPA-Software-Anbietern, wird gerne die Erwartungshaltung generiert, dass unmittelbar 15–30 % der täglichen Arbeitsschritte am Desktop zukünftig automatisiert ablaufen können – und das mit Hilfe der RPA-Technologie. Aus Unternehmenserfahrung scheinen diese Werte doch sehr ambitioniert und optimistisch. Rein durch Anwendung von RPA lassen sich diese Werte heute noch nicht erzielen, sondern maximal 5–15 %, wie Abb. 1.6 näher aufzeigt. Um komplexere Arbeitsschritte zu automatisieren und somit weiteres Potential zu heben, ist der übergreifende Einsatz mehrerer BPA-Technologien von Nöten (siehe Kap. 4).
../images/482048_1_De_1_Chapter/482048_1_De_1_Fig6_HTML.pngAbb. 1.6
Anwendungspotential der RPA-Technologie
Während die RPA-Technologie auf digitale, strukturierte Daten und regelbasierte Prozesse angewiesen ist, ermöglicht der darauf anknüpfende technologische Fortschritt – Artificial Intelligence – das automatisierte Verarbeiten von unstrukturierten Daten. Dies ist in Abb. 1.7 dargestellt und wird ebenso in Kap. 4 näher definiert und erläutert. Der Eingangskanal muss nicht mehr länger ein digital-lesbarer Datensatz sein, sondern kann auch verbal erfolgen. Die Technologie beschränkt sich zudem nicht nur darauf, manuelle Ist-Prozesse eins-zu-eins nachzubilden, sondern kann die Daten interpretieren und eigenständige Entscheidungen fällen. Derzeit ist AI in aller Munde, konkret vorzuweisende Anwendungsfälle, die einen entsprechenden positiven Business-Case mit sich führen, sind jedoch noch rar gesät. Artificial Intelligence ist keineswegs ein „Management-Buzzword", sondern ein vielversprechender Trend, der noch in den Kinderschuhen steckt. Es gilt nun die nächsten Jahre, Erfahrungen zu sammeln, so dass auch diese Technologie zur Marktreife heranreift und in den Unternehmen Anwendung findet – so wie heutzutage die RPA-Technologie.
../images/482048_1_De_1_Chapter/482048_1_De_1_Fig7_HTML.pngAbb. 1.7
Entwicklung von RPA zu BPA
Auch die RPA-Technologie selbst, hat noch Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Heutzutage setzten Unternehmen größtenteils ausschließlich auf sogenannte Unattended Robots und lassen die technologische Chancen der Attended unangetastet. Es zeigen sich jedoch erste Tendenzen, dass auch dies sich zeitnah ändern wird, da vermehrt Anwendungsfälle identifiziert werden, die den Einsatz von Attended Robots erfordern.
Definition
Attended Robot: Eigenentwicklung eines Mitarbeiters oder durch das RPA Team erstellt, läuft auf dessen Maschine lokal
Vorteil: schnelle, individuelle Anpassung des Robots möglich; Befähigung jedes Mitarbeiters, eigenständige Robots für seinen Alltagsgebrauch zu entwickeln; kann durch den Mitarbeiter jederzeit eigenständig angetriggert werden
Nachteil: Rechner steht für den Mitarbeiter nicht zur Verfügung solange der Robot läuft – oder mit verminderter Leistungskapazität; keine zentrale Qualitätssicherung bei Eigenentwicklung durch den Mitarbeiter; Einspielen von Aktualisierungen durch das RPA Team nur erschwert möglich; je nach Vertragsgestaltung mit dem Softwareprovider erhöhte Kosten für Training und RPA-Softwarenutzung durch eine Vielzahl an Mitarbeitern, da je Mitarbeiter eine eigene Lizenz erforderlich ist; Zugriff nur durch und für den Mitarbeiter möglich; erschwerte Überprüfbarkeit der Einhaltung von Standards und Regeln in der Entwicklung und dem Betrieb der Robots
Definition
Unattended Robot: Entwicklung durch ein zentrales Team, läuft zentral gesteuert auf virtuellen Maschinen
Vorteil: Expertenteam verantwortet einen sicheren und robusten Betrieb der Robots; in zentralen Bibliotheken stehen jedem Entwickler bereits angelegte Artefakte zur Verfügung; Performance-Controlling durch den RPA Koordinator möglich; hohe Fachexpertise und Wissens- und Erfahrungsaustausch ermöglicht eine effiziente Entwicklung und Betrieb der virtuellen Helfer; Einhalten von Standards und Richtlinien kann genau nachvollzogen werden
Nachteil: den Business-Analysten muss vom Fachbereich der zu automatisierende Arbeitsablauf genauestens vorgestellt werden, damit diese einen Robot zur Entwicklung bringen können; RPA Wissen wird zentral vorgehalten; RPA Team muss als zusätzliches Team initiiert werden
Sowohl für den Attended als auch den Unattended Robot gibt es im Wesentlichen drei verschiedene Impulse (Trigger), die den Robot aktivieren, die Arbeit aufzunehmen:
a)
Uhrzeit: der Robot kann so gestaltet werden, dass er zu einer festgelegten Uhrzeit zu arbeiten beginnt, z. B. jeden Werktag um 18 Uhr.
b)
Ereignis: der Robot kann so gestaltet werden, dass er immer dann zu arbeiten beginnt, wenn er durch ein Ereignis dazu angestoßen wird, z. B. Eingang einer neuen E-Mail an eine definierte E-Mail-Adresse.
c)
Manuell: der Robot kann so gestaltet werden, dass er von einem Mitarbeiter manuell per Klick zur Arbeit aufgefordert wird, z. B. individueller Start durch den Robot-Koordinator im RPA-Team.
Je nach Anwendungsfall (Use-Case) und Notwendigkeit des Prozesses kann der Robot bei der Entwicklung entsprechend gestaltet werden.
1.2 Mehrwert von RPA
Doch warum setzen Unternehmen überhaupt vermehrt auf RPA-Lösungen? Den Mehrwert, den RPA mit sich führt besteht aus drei Komponenten, die je nach Anwendungsfall