Einfache Sprache in Zeiten des Wandels: Zur Notwendigkeit einer verständlichen Wissenschaft
Von Andreas Baumert
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Über dieses E-Book
Was derzeit als Klimakatastrophe diskutiert wird, scheint nicht die einzige Bedrohung, der wir gegenüberstehen. Wissenschaften berichten ergänzend über den fatalen Umgang mit natürlichen Ressourcen und weitere Gefahren sozialer und politischer Art. Einiges spricht dafür, dass wir eine Situation erreichen, in der verständliche wissenschaftliche Expertise überlebensnotwendig wird. Zumindest theoretisch sind Demokratien als offene Gesellschaften imstande, auf diesen Rat zu reagieren. Sie müssen dazu einige Störfeuer abwehren, die auf den uninformierten Bürger setzen. Wissenschaftliche Erkenntnis, präsentiert in einer einfachen Sprache, kann dabei helfen. Das essential diskutiert dazu einige populärwissenschaftliche Veröffentlichungen und schaut auf den immerwährenden Kampf des Neuen in der Wissenschaft gegen eine verkarstete Gesellschaft. Mit welchen schwerwiegenden Veränderungen wir rechnen müssen, zeigen Arbeiten des Wuppertaler Instituts. Wenn wir diese Transformation der Gesellschaft nicht in Angriff nehmen, werden die Konsequenzen sehr wahrscheinlich fatal sein.
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Einfache Sprache in Zeiten des Wandels - Andreas Baumert
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
A. BaumertEinfache Sprache in Zeiten des Wandelsessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27740-6_1
1. Für den Apfelbaum zu früh
Andreas Baumert¹
(1)
Hannover, Deutschland
Andreas Baumert
Email: baumert@recherche-und-text.de
Die Zeichen standen oft schlecht. Sie haben sich dennoch durchgeschlagen, geschlagen in des Wortes wahrstem Sinn. Die Rede ist von unseren Vorfahren, denen wir eine Welt verdanken, die nun an ihre Grenzen stößt.
Ja, so war es, schrieb der Psychiater und Wissenschaftsjournalist Hoimar von Ditfurth. Findig sein und Aggressivität gegenüber allem Störenden haben unsere Spezies weit gebracht. Das hunderttausende Jahre währende Erfolgsmodell gerät jetzt aber an seine Grenzen. Wenn wir nicht bald die Notbremse ziehen, rauscht der Zug den Hang hinunter. Unumkehrbar, endgültig, aus!
Wenn wir noch einmal davonkommen wollen, müssten wir uns daher in diesem Augenblick wehren. Jetzt und heute. Wenn es uns nicht gelingt, unser gesellschaftliches Verhalten radikal zu ändern, gibt es niemanden, der uns retten könnte. (Ditfurth 1985: 227)
Von Ditfurth spricht von zwei Generationen, mehr bleibt nicht. Ist das erneut eine Drohung mit der Apokalypse, geht die Welt wieder einmal unter, wie man es schon oft vorausgesagt hatte? Wir werden es erst hinterher bestätigen oder verwerfen können.
Was uns als Wissenschaftler und wissenschaftlich Gebildete jetzt auszeichnen kann, ist, diese Sorgen ernst zu nehmen. Schließlich haben etliche eine hervorragende Bildung genossen, nicht selten auf Kosten der Allgemeinheit; zu ihr gehören viele, die von dieser Bildung ausgeschlossen sind.
Die Drohung ist Thema dieses essentials, das eng mit seinem Vorgänger (Baumert 2019) verknüpft ist. Darin ist dargelegt, wie wir Gedanken in einfacher Sprache einem Lesepublikum verständlich machen können. Heute stellt sich uns die ehrgeizige Aufgabe, in einfacher Sprache über die gegenwärtigen recht ernsten Verwerfungen und Risiken zu informieren.
Wir sind keine hilflosen Opfer, wir können mehr schaffen, als in der Not einen Baum zu pflanzen. Von Ditfurth glaubte, der berühmte Satz stamme von Martin Luther:
Und wenn ich wüßte, daß morgen die Welt unterginge, so würde ich doch heute mein Apfelbäumchen pflanzen. (Ditfurth 1985: 367)
Der Satz ist nicht von Luther, sondern er wurde vermutlich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg genutzt. (Joestel 1992: 37) Man fand sich in einer zerstörten Welt und wusste nicht, wie es weitergeht.
Keine Bäume pflanzen, sondern stattdessen begreiflich dasjenige zur Lösung der Probleme beitragen, was die Bevölkerung zurecht von der Wissenschaft erhofft. Zu diesem Ziel erwarten Sie Kap. 2–5:
2.
Wir werden nicht von Autoritäten niedergehalten, deren Weltsicht man folgen muss. Wohl deswegen versuchen einige, mit Lügen, Verdrehungen, Fakes und Verschwörungstheorien ihr Ziel zu erreichen.
Die moderne elektronische Kommunikation scheint vieles zuzulassen, das gebildete Bürger gruseln sollte. Eine widerwärtige Jauche breitet sich aus, die einzudämmen Wissenschaft helfen muss.
3.
Auf Wissen und Engagement der Bürger setzt Poppers offene Gesellschaft. Dazu wird dieses Kapitel einige Hintergründe vorstellen oder in Erinnerung rufen.
4.
Drei populäre Beispiele zeigen, dass man sich vor dieser Aufgabe nicht fürchten muss: Lesch, Yogeshwar und von Hirschhausen rücken gerade, was bei manchem im gedanklichen Chaos untergeht.
5.
Das gegenwärtige Erdzeitalter wird vom Menschen gestaltet. Daraus ergibt sich fast zwangsweise eine Forderung an unser Nachdenken: Was tun wir hier eigentlich? Dem müssen wir uns stellen.
Unsere Ausgangslage ist längst nicht so schlecht, wie mancher fürchten mag. Denn noch vertrauen viele der Wissenschaft. Sie wird einiges fordern: Weitermachen wie bisher und für die Zukunft planen, das passt nicht mehr zusammen.
Wissenschaft ist auch in der geschichtlichen Betrachtung kein unverdaulich trockenes Gestrüpp. Von Francis Bacon bis Hannah Arendt zeigt Robert Crease, wie sich die gegenwärtige politische Situation aus der Sicht eines Wissenschaftshistorikers entwickelt hat. Auch der gegenwärtige Stand wird nicht endgültig sein.
Der Bogen zu dem essential über einfache Sprache in der Wissenschaft (Baumert 2019) schließt sich am Ende meiner Ausführungen. In der offenen Gesellschaft benötigen Bürger Entscheidungsgrundlagen. Damit diese für ein größeres Publikum begreiflich sind, muss die schriftliche Ausdrucksform zwingend den Lesern angepasst werden.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
A. BaumertEinfache Sprache in Zeiten des Wandelsessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27740-6_2
2. Sand im Getriebe
Andreas Baumert¹
(1)
Hannover, Deutschland
